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POLITIK/481: Positionen - Zwischen Bürgerversicherung und Wahlfreiheit (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 1/2010

Zwischen Bürgerversicherung und Wahlfreiheit

Die gesundheitspolitischen SprecherInnen


Während sich die behindertenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Bundestagsfraktionen weitgehend einig sind, in ihrem Einsatz für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, besteht der Konsens der gesundheitspolitischen Sprecherinnen allein darin, dass das Gesundheitssystem reformiert werden muss. Der Kanon reicht von Wahlfreiheit und Wettbewerb bis zur solidarischen Bürgerversicherung und der Abschaffung des zweigeteilten Versicherungssystems. Wie ihre Parteikolleginnen und -kollegen haben die gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprecher auf dieser Seite die Gelegenheit, kurz die Schwerpunkte ihrer Arbeit zur Beginn der Legislaturperiode anzureißen. Details gibt es auf den entsprechenden Internetseiten.


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Biggi Bender, B90/Grüne

Solidarische Bürgerversicherung für alle

Als gesundheitspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion werde ich mich für ein solidarisches Gesundheitssystem einsetzen. Dafür brauchen wir eine solide Finanzierungsgrundlage, die solidarische Bürgerversicherung, in die alle BürgerInnen einzahlen. Ich spreche mich gegen die Begrenzung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs auf 80 Krankheiten aus, denn dafür gibt es keinen triftigen Grund, weil zwischen Krankheiten erster Klasse, für die es Zuschläge gibt, und Krankheiten zweiter Klasse, die keine Berücksichtigung finden, unterschieden wird.


Selbsthilfe stärken

Wichtig ist mir die Steuerung der Arzneimittelausgaben, denn besonders für chronisch kranke Patientinnen sollte ein Zugang zur notwendigen Arzneimittelversorgung auch in Zukunft gewährleistet sein. Für Arzneimittel muss die Kosten-Nutzen-Bewertung vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen umgesetzt werden, denn dann kann besser entschieden werden, für welche Arzneimittel ein hoher Preis gerechtfertigt ist. Mit meinen KollegInnen werde ich mich dafür einsetzen, dass die Selbsthilfe im deutschen Gesundheitswesen weiter gestärkt und die Unabhängige Patientenberatung ausgebaut wird.

www.biggi-bender.de


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Dr. Matina Bunge, DIE LINKE

Gesundheitssystem muss Bedarfen Rechnung tragen

Die Situation von Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Krankheiten ist leider oft geprägt von Armut und sozialer Benachteiligung. Und sie haben oft einen besonderen Bedarf: Sie brauchen häufiger, mehr und individuellere Leistungen.

Diesem muss ein Gesundheitssystem Rechnung tragen. Das erfordert ein solidarisches Gesundheitssystem. DIE LINKE hat sich auf die Fahnen geschrieben, dass die Solidarität der Gesunden mit den Kranken und der Reichen mit den Armen wieder zur Grundlage des Gesundheitssystems wird. Daher lehnen wir Kopfpauschalen, Zusatzbeiträge, Wahltarife und Zuzahlungen, aber auch Leistungsausgrenzungen oder Rationierungen ab.


Ohne Zuzahlungen

Stattdessen setzten wir uns für eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung ein. Alle Einkommen werden berücksichtigt, auch Kapitalerträge. Damit kann man ein gutes Gesundheitssystem finanzieren - ohne Zuzahlungen, ohne Leistungsausgrenzungen - dennoch sind nur 10% Beitragssatz (5% Mitglied - 5% Arbeitgeber) notwendig. Neben der Finanzierung ist es wichtig, eine flächendeckende gute ambulante und stationäre Versorgung sicher zu stellen und eine Zweiklassenbehandlung endlich zu beseitigen. Es gilt alle zu fördern und möglichst viel Selbstbestimmung auch im Gesundheitswesen zu ermöglichen, aber ohne dies zu erzwingen und mit sogenannter Eigenverantwortung die chronisch Kranken zu diskriminieren.

www.martina-bunge.de


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Dr. Marine Bunge, Die LINKE

Gleiche Chancen und gemeinsame Lebensräume

In dieser Legislaturperiode werden wir den Prozess hin zu mehr Teilhabe und Selbstbestimmung von behinderten und chronisch kranken Menschen weiter vorantreiben. Wir setzen uns dafür ein, dass diese am politischen und öffentlichen Leben noch stärker als bisher mitwirken können und als Experten in eigener Sache in die sie betreffenden Entscheidungen eingebunden sind. Die Arbeit der Selbsthilfegruppen leistet für die Betroffenen dabei eine wichtige Hilfestellung. Unser Ziel ist, gemeinsame Lebensräume zu schaffen und gleiche Zugangschancen in Bildung und Beruf zu ermöglichen. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist eine umfassende Barrierefreiheit.

Die Union spricht sich seit langem für ein eigenständiges, bedarfsdeckendes Leistungsgesetz aus. Es ist uns wichtig, dass die Eingliederungshilfe flexibler eingesetzt werden kann und teilhabeorientiert ist. Wir möchten zudem die Einsatzmöglichkeiten des persönlichen Budgets ausweiten.


Ambulant vor stationär

Unser Grundsatz bleibt auch in Zukunft "ambulant vor stationär". Um mehr Zugang zu ambulanten Leistungen zu ermöglichen, müssen qualifizierte und unabhängige Beratungs- und Unterstützungsangebote eingerichtet werden. Eine wichtige Rolle spielt auch die Unterstützung der Familien von behinderten und chronisch kranken Menschen. Einen besonderen Schwerpunkt unserer Arbeit wird die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bilden.

www.jens-spahn.de


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Überwindung des zweigeteilten Versicherungssystems

Um eine hochwertige medizinische Versorgung unabhängig vom Geldbeutel und unabhängig von Vorerkrankungen und chronischen Erkrankungen zu gewährleisten, brauchen wir einen dritten Weg jenseits von Marktradikalisierung und Staatsmedizin. Das zentrale Anliegen dabei muss die Überwindung des zweigeteilten Versicherungssystems sein. Wir brauchen eine Versicherung von allen, von allem für alle. Damit einher geht auch eine einheitliche Gebührenordnung für privat wie gesetzlich Versicherte gleichermaßen. Dies wäre der wirkungsvollste Ansatz im Kampf gegen die wachsende Zweiklassenmedizin.


Ambulante Versorgung

Die Kliniken sollten stärker als bisher für die ambulante Versorgung geöffnet werden. Auch hier sollte eine einheitliche Gebührenordnung für niedergelassene Fachärzte und Kliniken gelten. In diesem Fall belebt Konkurrenz nicht nur das Geschäft, die stärkere Öffnung der Krankenhäuser kann auch zu mehr Kooperation und damit zu einer Qualitätssteigerung führen.

Wir müssen Hausärzte deutlich besser bezahlen als heute. Die Hausärzte hingegen waren in den letzten beiden Jahrzehnten fast immer die Verlierer bei den innerärztlichen Honorarverteilungskonflikten. Eine bessere Honorierung der Hausärzte, die diesen Beruf wieder so attraktiv macht, wie er es verdient, ist der Schlüssel für eine umfassende und flächendeckende Versorgung insbesondere chronisch Kranker und Behinderter aber auch zu mehr Vorbeugemedizin. Dadurch könnten viele chronische Erkrankungen vermieden werden.

www.karllauterbach.de


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Ulrike Flach, FDP

Wahlfreiheit und Wettbewerb als zentrale Faktoren

Die FDP steht für ein Gesundheitssystem, das die Bedürfnisse der Versicherten und Patienten sowie eine hohe Qualität der Versorgung in den Mittelpunkt stellt. Es ist unser Ziel, dass jeder, unabhängig von seinem Einkommen, seinem Alter und seinem gesundheitlichen Risiko, eine gute und wohnortnahe medizinische Versorgung erhält und am technischen Fortschritt teilnimmt. Wahlfreiheit und ein Wettbewerb um gute Lösungen sind dabei zentrale Faktoren. Wir brauchen ein System, das aus der Sicht des Versicherten und Patienten und ihrer Bedürfnisse denkt, und nicht, wie dies in letzter Zeit zu beobachten war, auf staatliche Lenkung setzt. Versicherte, Patienten und Krankenversicherungen brauchen dazu Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume. Die Krankenversicherungen müssen deshalb in einem wettbewerblichen System ausreichenden Spielraum erhalten, um ihren Versicherten und Patienten gute Lösungen anbieten zu können.


Paradigmenwechsel

Die Versicherten und Patienten sollen die Möglichkeit haben, auf Basis des bestehenden Leistungskataloges ihren Versicherungsschutz so weit wie möglich gemäß ihren Bedürfnissen selbst gestalten zu können. Dieser Paradigmenwechsel ist insbesondere für diejenigen von Bedeutung, die hinsichtlich ihrer Gesundheitsversorgung einen besonderen Bedarf haben, wie Menschen mit Behinderung oder einer chronischen Erkrankung.

www.ulrike-flach.de


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Quelle:
Selbsthilfe 1/2010, S. 18-19
Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
Herausgeber: BAG Selbsthilfe
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/31 00 6-0, Fax: 0211/31 00 6-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2010