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BUNDESTAG/3202: Heute im Bundestag Nr. 207 - 25.04.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 207
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 25. April 2012 Redaktionsschluss: 17:00 Uhr

1.‍ ‍SPD-Fraktion scheitert mit Anträgen zum Schutz kleiner Banken
2.‍ ‍Kontroverse um Kostenbeteiligung für Folgebehandlungen nach Schönheitsoperationen
3.‍ ‍Rechtsschutz in Wahlsachen soll verbessert werden
4.‍ ‍Vier-Fraktionen-Vorstoß zu Änderung des Grundgesetzes vorgelegt
5.‍ ‍Koalitionsfraktionen warnen vor Kürzung der Betriebsrenten durch EU-Vorschrift
6.‍ ‍Die Linke möchte Gewerkschaften im Arbeitskampf stärken



1. SPD-Fraktion scheitert mit Anträgen zum Schutz kleiner Banken

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die SPD-Fraktion ist mit zwei Anträgen zum besseren Schutz deutscher Sparkassen und Genossenschaftsbanken vor zu hohen Anforderungen durch die neuen Eigenkapitalvorschriften des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel III) und der Umsetzung durch die EU-Kommission gescheitert. Der Finanzausschuss lehnte am Mittwoch den Antrag (17/9167) der Sozialdemokraten ab, in dem die Stärkung der Leistungsfähigkeit kleiner Banken und die Sicherstellung der Kreditversorgung des deutschen Mittelstands gefordert wird. Außerdem soll die Kommunalfinanzierung sichergestellt werden. "Ohne ein ausreichendes Angebot an Kommunalkrediten könnten Städte, Gemeinden und Landkreise ihre Investitionstätigkeit nicht finanzieren. Dies hätte gravierende Folgen auch für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland", heißt es in dem Antrag, in dem der EU-Kommission vorgeworfen wird, vorrangig international tätige und kapitalmarktorientierte Großbanken im Sinn gehabt zu haben. CDU/CSU- und FDP-Fraktion sowie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnten den Antrag ab, während sich die Linksfraktion enthielt.

Ein zweiter Antrag der SPD-Fraktion (17/6294) wurde ebenfalls von der Mehrheit von Union und FDP abgelehnt. Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Darin warnt die SPD-Fraktion vor einer Einschränkung der Kreditvergabefähigkeit kleiner deutscher Banken durch Basel III. Die Bundesregierung solle sich für eine Umsetzung der Basel-III-Vorschriften durch eine Richtlinie und nicht wie in Brüssel geplant durch eine EU-Verordnung einzusetzen. Bei einer Richtlinie gebe es Spielräume bei der Ausfüllung und Konkretisierung der europäischen Vorgaben, was bei einer Verordnung nicht der Fall sei. Bei einer Verordnung drohe die Kreditvergabefähigkeit von Sparkassen und Genossenschaftsbanken über Gebühr eingeschränkt zu werden.

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2. Kontroverse um Kostenbeteiligung für Folgebehandlungen nach Schönheitsoperationen

Ausschuss für Gesundheit (Anhörung)

Berlin: (hib/MPI) Die Beteiligung an Kosten für Folgebehandlungen nach Schönheitsoperationen ist umstritten. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch bezeichnete der Professor für öffentliches Recht an der Universität Augsburg, Ulrich M. Gassner, einen entsprechenden Paragrafen im Fünften Sozialgesetzbuch als "absolut legitimen Ansatz". Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei "keine Einbahnstraße". Dagegen befürworteten der Sozialverband Deutschland (SoVD), die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) und weitere Organisationen den der Anhörung zugrundeliegenden Antrag der Fraktion Die Linke (17/8581).

Darin verlangen die Abgeordneten, dass Betroffene etwa die operative Entfernung fehlerhafter Brustimplantate nicht aus eigener Tasche bezahlen müssen. Dazu soll den Angaben zufolge ein Paragraf im Fünften Sozialgesetzbuch abgeschafft werden, der die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, die Versicherten bei Folgebehandlungen nach Schönheitsoperationen "in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen". Der Richter am Sozialgericht Düsseldorf, Matthias Bernzen, wies darauf hin, dass die derzeitige Beschränkung auf Gesundheitsrisiken infolge von Schönheitsoperationen, Tätowierungen und Piercings eine "sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung" darstelle. Zur Erläuterung fügte Bernzen hinzu: "Sie können sich die Zunge aufschneiden lassen und die Behandlung wird bezahlt, die Behandlung nach einem Zungenpiercing aber nicht."

Der Experte des GKV-Spitzenverbandes, Ralf Kollwitz, machte hingegen deutlich, dass die Formulierung des betreffenden Paragrafen eine weit auslegbare Regelung beinhalte. Unter medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operationen könnten auch sogenannte Brandings und andere Eingriffe in den Körper aus rein ästhetischen Gründen gefasst werden, im Zweifelsfall auch Ohrlochstechen. Zunächst übernähmen die Kassen die Kosten für medizinisch notwendige Behandlungen infolge von Körpereingriffen aus ästhetischen Gründen vollständig. Dann werde grundsätzlich in jedem Einzelfall eine Kostenbeteiligung geprüft. Als grundsätzlich akzeptabel werde eine Kostenbeteiligung in Höhe von 50 Prozent angesehen. Kollwitz fügte hinzu, der GKV-Spitzenverband verfüge über "keinerlei Fallzahlen".

Die Frauen, denen minderwertige Silikonkissen der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) implantiert worden sind, die nun entfernt werden müssen, seien ein spezieller Fall, erläuterte Kollwitz. Bei der Prüfung einer Kostenbeteiligung sei hier zu berücksichtigen, dass die Betroffenen "unverschuldet in diese Situation geraten" seien. Hans-Jürgen Maas von der Bundesärztekammer betonte, die Selbstverschuldensregel im Fünften Sozialgesetzbuch werde von seiner Organisation grundsätzlich für richtig gehalten. Die von den PIP-Billigsilikonkissen ausgehenden Risiken seien aber weder Ärzten noch den Operierten bekannt gewesen. Die Frauen seien daher nicht bewusst ein spezielles Gesundheitsrisiko eingegangen. Deshalb solle in diesem Fall die Kostenbeteiligungspflicht hintangestellt werden.

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3. Rechtsschutz in Wahlsachen soll verbessert werden

Bundestagsnachrichten/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben einen gemeinsamen Gesetzentwurf "zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen" (17/9391) vorgelegt. Danach soll in Zukunft unmittelbar beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen eine Feststellung des Bundeswahlausschusses eingelegt werden können, wenn dieser die Anerkennung einer Vereinigung als Partei zur Wahl ablehnt. Bislang gibt es vor der Wahl keinen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Bundeswahlausschusses über die Feststellung der Parteieigenschaft.

Auch sollen der Vorlage zufolge im Wahlprüfungsverfahren nach der Wahl "Rechtsverletzungen des Einsprechenden beziehungsweise des Beschwerdeführers künftig vom Bundestag und vom Bundesverfassungsgericht im Entscheidungstenor festgestellt" werden, auch wenn sie keine Auswirkungen auf die Gültigkeit der Wahl haben. Der Gesetzentwurf, über den der Bundestag am Donnerstag in erster Lesung berät, sieht zudem vor, den Bundeswahlausschuss und die Landeswahlausschüsse um je zwei Richter des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Oberverwaltungsgerichts zu ergänzen. Ferner soll bei einer Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anders als bisher in Zukunft ein einzelner Wahlberechtigter allein Beschwerdeführer sein können. Bislang ist dafür der Beitritt von 100 weiteren Wahlberechtigten erforderlich.

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4. Vier-Fraktionen-Vorstoß zu Änderung des Grundgesetzes vorgelegt

Bundestagsnachrichten/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetz-Artikels 93 über die Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts (17/9392) vorgelegt. Danach sollen Vereinigungen, die vom Bundeswahlausschuss nicht als Partei anerkannt wurden, die mit eigenen Wahlvorschlägen an einer Wahl zum Deutschen Bundestag teilnehmen darf, künftig noch vor der Bundestagswahl das Bundesverfassungsgericht zur Klärung ihres Parteienstatus anrufen können. Bislang besteht vor der Wahl kein Rechtsbehelf gegen die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses über die Anerkennung als "wahlvorschlagsberechtigte Partei". Über den Gesetzentwurf will der Bundestag am Donnerstag in erster Lesung beraten.

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5. Koalitionsfraktionen warnen vor Kürzung der Betriebsrenten durch EU-Vorschrift

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung soll eine Schwächung der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland durch neue EU-Vorschriften verhindern. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP sprechen sich in einem gemeinsamen Antrag (17/9394), der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht, strikt gegen eine Übertragung der EU-Pensionsfondsrichtlinie auf Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge aus. Von deutschen Pensionskassen erstellte Simulationsrechnungen hätten ergeben, dass bei einer 1:1-Übertragung der EU-Vorstellungen die Eigenmittel und Rückstellungen der deutschen Einrichtungen vervielfacht werden müssten. "Die fehlenden Mittel müssten entweder von den für die Betriebsrenten haftenden Arbeitgebern zur Verfügung gestellt werden und/oder die Betriebsrenten müssten im Rahmen der arbeitsrechtlichen Möglichkeiten gekürzt oder dürften zumindest nicht mehr angepasst werden", warnen die Koalitionsfraktionen.

Wie es in dem Antrag weiter heißt, sind derzeit über acht Millionen Beschäftigte und Betriebsrentner über deutsche Pensionskassen abgesichert. Bei dieser betrieblichen Altersversorgung handele es sich in erster Linie um eine betriebliche Sozialleistung und nicht um ein "Finanzprodukt", schreiben Unions- und FDP-Fraktion.

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6. Die Linke möchte Gewerkschaften im Arbeitskampf stärken

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Die Linke möchte den "Anti-Streik-Paragraphen" abschaffen. In einem Antrag (17/9062 (neu)) fordert sie die Bundesregierung auf, Paragraph 160 (bis 31. März 2012: Paragraph 146) des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) durch den früheren Paragraph 116 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung von 1969 zu ersetzen. Paragraph 160 SGB III regelt den Anspruch auf Arbeitslosengeld von Beschäftigten, die mittelbar von einem Arbeitskampf betroffen sind.

Die Linksfraktion kritisiert, dass durch die Gesetzesänderung 1986 das Kurzarbeitergeld für diese "kalt Ausgesperrten" weggefallen sei. Damit sei den Arbeitgebern "neben der Aussperrung im Streikgebiet, der sogenannten heißen Aussperrung, ein weiteres Kampfmittel gegeben, um die Gewerkschaften in ihren Streikmöglichkeiten zu beschneiden". Durch die vorgeschlagene Änderung werde die Gesetzesänderung rückgängig gemacht, "kalt Ausgesperrte" würden wieder Kurzarbeitergeld erhalten. Laut Antrag ist besonders die IG Metall vom Paragraph 160 SGB III betroffen, da die von ihr organisierten Branchen stark wirtschaftlich verflochten seien.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 207 - 25. April 2012 - 17:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2012