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BUNDESTAG/3646: Heute im Bundestag Nr. 046 - 28.01.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 046
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 28. Januar 2013 Redaktionsschluss: 17:15 Uhr

1. Experten sehen Nachbesserungsbedarf bei der Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes
2. Abschied von der Allmacht des BIP
3. Im Bundestag notiert: Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen
4. Im Bundestag notiert: Grenzüberschreitende Kooperationen und Projekte europäischer Polizeien



1. Experten sehen Nachbesserungsbedarf bei der Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Die angestrebte Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes stößt bei Experten zwar prinzipiell auf Zustimmung, geht ihnen aber teilweise nicht weit genug. Dies war das mehrheitliche Votum während einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag. Die neun geladenen Sachverständigen stellten sich den Fragen der Abgeordneten zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung (17/8802) und des Bundesrates (17/2584) sowie einem Antrag der Fraktion Die Linke (17/11142).

Nach geltendem Recht können Alleinerziehende den Unterhaltsvorschuss für ihr Kind beantragen, wenn der zweite Elternteil sich seiner Unterhaltspflicht für das Kinder entzieht oder nicht in der Lage ist, dieser nachzukommen. Länder und Kommunen springen in diesem Fall mit dem Unterhaltsvorschuss ein - derzeit jedoch maximal nur 72 Monate lang und maximal bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres des Kindes. Doch diese Begrenzungen seien letztlich willkürlich gesetzt worden, sagte Brigitte Meyer-Wehage vom Deutschen Juristinnenbund. Gerade ab dem zwölften Lebensjahr kämen auf alleinerziehende Eltern erhebliche finanzielle Lasten zu, beispielsweise um ihren Kindern eine gute Schulausbildung gewährleisten zu können. In diesem Sinne äußerten sich auch Sabina Schutter vom Deutschen Jugendinstitut, Edith Schwab vom Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter, und Insa Schöningh von der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen. Folge man der Logik der Unterhaltspflicht, so müsste der Unterhaltsvorschuss bis zur Beendigung einer Erstausbildung gezahlt werden, argumentierte Schutter. Die Experten räumten zugleich ein, dass damit natürlich erhebliche finanzielle Belastungen auf Länder und Kommunen zukämen. Eine Ausweitung des Unterhaltsvorschussgesetzes stößt deshalb bei der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände auf Ablehnung, machte Regina Offer vom Deutschen Städtetag klar. Statt dessen sollte ein Gesamtkonzept der Kinder- und Familienförderung entwickelt werden. Eine Ausweitung des Unterhaltsvorschusses bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und die Streichung der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten fordert die Linksfraktion in ihrem Antrag.

Die Sachverständigen begrüßten mehrheitlich die von der Bundesregierung geplanten Gesetzesänderungen zum Bürokratieabbau. Die Regelungen zur Vereinfachung im Antragsverfahren seien zu begrüßen, sagte Romy Ahner vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge. Ebenso wie die verbesserten Möglichkeiten, um einen unterhaltspflichtigen Elternteil einfacher in Verantwortung zu nehmen. Jonny Hoffmann, Leiter des Amtes für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Hennef, berichtete, dass dieser Rückgriff auf den Unterhaltsschuldner sich jedoch in der Praxis als extrem schwierig darstelle. Vor allem Selbstständige seien "sehr erfinderisch", wenn es darum ginge, ihre finanzielle Situation bewusst schlecht zu rechnen, um sich ihrer Unterhaltsverpflichtung zu entziehen. Armin Hummel vom Bundesrechnungshof sprach sich für die im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgesehene Einführung eines automatisierten Datenabgleichs zwischen den Unterhaltsvorschussstellen und dem Bundeszentralamt für Steuern aus. Dadurch würde es ermöglicht, schneller Informationen über verschwiegene Einkommen und Vermögen der Unterhaltspflichtigen zu bekommen. Auch Rolf Jox vom Familienbund der Katholiken sprach sich für vereinfachte Rückgriffmöglichkeiten auf die Unterhaltsschuldner aus.

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2. Abschied von der Allmacht des BIP

Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität"

Berlin: (hib/KOS) Die Enquetekommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" ruft dazu auf, die Wohlfahrt der Gesellschaft künftig nicht mehr nur über das quantitativ ausgerichteten Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu berechnen, sondern neben dem materiellen Wohlstand auch die Ökologie sowie die soziale Lage in der Bevölkerung und das Maß an Teilhabe am politischen Leben heranzuziehen. Vor dem Hintergrund der wachsenden Kritik am BIP als alleiniger Kennziffer für Wohlstand beschloss das Bundestagsgremium am Montagnachmittag gegen die Stimmen der Linken und der Grünen ein von der breiten Mehrheit aus Union, SPD und FDP unter dem Titel "Wohlstandsindikatorenansatz" entwickeltes Konzept. Zwar plädierten auch Linke und Grüne für eine alternative Wohlstandsermittlung. Aus deren Sicht ist das letztlich verabschiedete Modell jedoch zu kompliziert und nicht geeignet, eine breite gesellschaftliche Debatte über politische Konsequenzen aus der Neubemessung von Lebensqualität anzustoßen.

Im Rahmen eines sehr differenzierten statistischen Systems sollen die für die gesellschaftliche Wohlfahrt wesentlichen Kriterien "Materieller Wohlstand", "Soziales und Teilhabe" sowie "Ökologie" mit Hilfe von zehn sogenannten "Leitindikatoren" berechnet werden. Bei der Ermittlung des materiellen Wohlstands wird danach das BIP weiterhin eine zentrale Rolle spielen, stützen müsse man sich indes zudem auf die Einkommensverteilung und auf das Maß der Staatsschulden. Die Beschäftigungsquote, das Bildungsniveau anhand von Schulabschlüssen, die Gesundheit mit Hilfe der Lebenserwartung und das Maß an Freiheit etwa bei der Meinungsäußerung oder den politischen Mitwirkungsmöglichkeiten sollen Auskunft geben über die soziale Lage in der Gesellschaft. Als ökologische Kennziffern benennt die Kommission den Ausstoß an Treibhausgasen und Stickstoff sowie die Artenvielfalt. Hinzu kommt noch eine Reihe sogenannter "Warn- und Hinweislampen", die nach den Worten der CDU-Abgeordneten Stefanie Vogelsang frühzeitig vor sich anbahnenden gefährlichen Tendenzen warnen sollen - etwa bei der Entwicklung der Nettoinvestitionen, der Vermögensverteilung, der Qualität der Arbeit, der Lebenserwartung oder der Weiterbildung.

Vogelsang ist Vorsitzende der Projektgruppe 2, die ein Modell für einen "ganzheitlichen Wohlstands- und Fortschrittsindikator" entwerfen sollte und diesen Bericht am Montag zur Abstimmung gestellt hat. Aus Sicht der CDU-Politikerin kann dieses Konzept eine "Handlungsschnur für politische Entscheidungen" sein. Von einer nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich erfolgenden Veröffentlichung der entsprechenden Daten erhofft sie sich eine "intensive gesellschaftliche Debatte". Vogelsang kündigte an, dass man auch über die Einschaltung einer Kommunikationsagentur noch einen "griffigen Namen" für das "Indikatoren-Set" suchen wolle.

Für die SPD forderte der Sachverständige Gert Wagner, die Regierung müsse künftig jährlich zu den Kennziffern der künftigen Wohlstandsmessung Stellung nehmen, um die Diskussion über politische Schlussfolgerungen zu beflügeln. Überdies mahnte Wagner Verbesserungen bei den Statistiken an, da noch nicht für alle Indikatoren die nötigen Daten vorlägen. Der FDP-Abgeordnete Florian Bernschneider betonte, über die politische Umsetzung des neuen Modells müsse noch näher debattiert werden. Die von der Union benannte Sachverständige Beate Jochimsen meinte, das Indikatoren-Set biete ein "konsistentes Bild über die Wohlfahrtsentwicklung" und sei so konzipiert, dass den Bürgern Spielraum für eine individuelle Bewertung der einzelnen Faktoren bleibe.

Der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald kritisierte die Vorlage der Kommissionsmehrheit hingegen als "abstruses Zahlenspiel", das "überladene" Indikatoren-Set sei "nicht breit kommunizierbar". Konkret monierte Birkwald, dass im Modell von Union, SPD und FDP das "Verteilungsproblem verharmlost wird". Als künftiges Maß für Wohlergehen präsentierte die Linke ein "Trio der Lebensqualität": Die Teilhabe am wirtschaftlichen Wohlstand soll über das Bruttogehalt der Arbeitnehmer berechnet werden, die "soziale Qualität der Gesellschaft" soll aus der "Reich-Arm-Verteilung" abgeleitet werden und die "ökologische Tragfähigkeit" soll sich aus dem "ökologischen Fußabdruck" ergeben.

Die Grünen-Parlamentarierin Valerie Wilms kritisierte, ein "Sammelsurium von Indikatoren und Lampen" sei als "Instrument der politischen Steuerung" ungeeignet. Wilms warb für den von den Grünen erarbeiteten "Wohlstandskompass": Das Maß an Lebensqualität soll sich danach auf die Messung des Natur- und Ressourcenverbrauchs, der Einkommensverteilung, der Lebenszufriedenheit der Bürger sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stützen.

Die beiden Anträge der Linken und der Grünen wurden mit großer Mehrheit abgelehnt.

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3. Im Bundestag notiert: Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Der Vorschlag der EU-Kommission für eine "Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zu Zwecken der Verhütung, Aufdeckung, Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität" ist Thema der Antwort der Bundesregierung (17/12118) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/11977). Wie die Bundesregierung darin ausführt, werden der Rat der EU-Innen- und Justizminister und das Europäische Parlament (EP) nach einem Votum des EP-Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres "im Rahmen des sogenannten Trilogs versuchen, sich auf einen gemeinsamen Text zu einigen". Der endgültige Inhalt der Richtlinie und ihre endgültige Reichweite stünden somit noch nicht fest.

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4. Im Bundestag notiert: Grenzüberschreitende Kooperationen und Projekte europäischer Polizeien

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Grenzüberschreitende Kooperationen und Projekte europäischer Polizeien im zweiten Halbjahr 2012" lautet der Titel einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (17/12141). Darin erkundigen sich die Abgeordneten unter anderem danach, welche gemeinsamen Zolloperationen, Polizeioperationen oder Zoll- und Polizeioperationen mit Behörden der EU-Staaten in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres stattgefunden haben.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 046 - 28. Januar 2013 - 17:15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2013