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BUNDESTAG/5324: Heute im Bundestag Nr. 524 - 14.10.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 524
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 14. Oktober 2015, Redaktionsschluss: 14.00 Uhr

1. Grünes Licht für Asyl-Reformpaket
2. Unterbringung von Flüchtlingskindern


1. Grünes Licht für Asyl-Reformpaket

Inneres/Ausschuss

Berlin: (hib/STO) Der Innenausschuss hat den Weg für den von den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD vorgelegten Entwurf eines "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes" (18/6185) frei gemacht. Das Gremium billigte die Vorlage am Mittwoch gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in modifizierter Fassung. Der Gesetzentwurf steht am Donnerstag zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums und am Freitag auf der des Bundesrates.

Der Vorlage zufolge ist es zur Bewältigung der mit dem aktuellen Flüchtlingsandrang verbundenen Herausforderungen notwendig, das Asylverfahren zu beschleunigen. Die Rückführungen vollziehbar Ausreisepflichtiger sollten vereinfacht und "Fehlanreize, die zu einem weiteren Anstieg ungerechtfertigter Asylanträge führen können, beseitigt werden". Um die Unterbringung der großen Zahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Deutschland gewährleisten zu können, solle zudem für einen befristeten Zeitraum von geltenden Regelungen und Standards abgewichen werden können. Gleichzeitig sei es erforderlich, die Integration derjenigen zu verbessern, die über eine gute Bleibeperspektive verfügen.

Vorgesehen ist unter anderem, Albanien, Kosovo und Montenegro asylrechtlich als "sichere Herkunftsstaaten" einzustufen, um Asylverfahren von Staatsangehörigen dieser Länder zu beschleunigen. Dort erscheine gewährleistet, "dass weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfinden und die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz für Staatsangehörige dieser Staaten daher nur in Einzelfällen vorliegen". Aus diesem Grund sollten sie künftig auch bis zum Ende des Asylverfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben.

Um mögliche Fehlanreize zu beseitigen, die zu ungerechtfertigten Asylanträgen führen können, soll der Vorlage zufolge der Bargeldbedarf in Erstaufnahmeeinrichtungen so weit wie möglich durch Sachleistungen ersetzt werden.

Erleichtert werden soll die Durchsetzung bestehender Ausreisepflichten. So dürfe künftig nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden, um die Gefahr des Untertauchens zu verringern. Die Höchstdauer der Aussetzung von Abschiebungen durch die Länder soll von sechs auf drei Monate reduziert werden.

Die Menschen, die eine gute Bleibeperspektive haben, sollen laut Gesetzentwurf möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeitswelt integriert werden. Hierfür würden die Integrationskurse für Asylbewerber sowie Geduldete mit guter Bleibeperspektive geöffnet. Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber sowie Geduldete entfalle nach drei Monaten, wenn es sich um Fachkräfte handelt. Für geringer qualifizierte Kräfte werde der Zugang zur Leiharbeit erst nach 15 Monaten möglich sein.

Für die Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften während der Dauer des Asylverfahrens und danach sollen den Angaben zufolge zeitlich befristete Erleichterungen im Bauplanungsrecht geschaffen werden. Zudem würden "in eng begrenztem und klar umrissenem Umfang" weitere punktuelle Erleichterungen hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer Energien im Gebäude vorgesehen.

Der Bund beteiligt sich laut Vorlage "strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten, die in Abhängigkeit von der Zahl der Aufnahme der Asylbewerber und Flüchtlinge entstehen". Durch eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung nach dem Finanzausgleichsgesetz entlaste der Bund die Länder von Kosten für Asylbewerber, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und bei der Kinderbetreuung. In den Fällen, in denen die Kommunen Kostenträger sind, sollen die Länder die vom Bund erhaltenen Mittel weitergeben.

Wie aus der Vorlage weiter hervorgeht, unterstützt der Bund Länder und Kommunen zudem beim Neubau von Wohnungen und bei der Ausweitung des Bestands an Sozialwohnungen. Hierzu würden die den Ländern für den Bereich "Wohnraumförderung" zuzuweisenden Kompensationsmittel für die Jahre 2016 bis 2019 jeweils um 500 Millionen Euro erhöht. Die Länder hätten zugestimmt, diese Mittel zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau zu verwenden.

Mit den Stimmen der Koalition und der Grünen-Fraktion billigte der Ausschuss einen von der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion vorgelegten Änderungsantrag. Danach soll unter anderem die Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender nicht wie bislang vorgesehen bei Bedarf um jeweils längstens zwei Wochen, sondern um längstens einen Monat verlängert werden können. Damit soll der Verwaltungsaufwand für die ausstellenden Behörden reduziert werden.

Die CDU/CSU-Fraktion betonte, mit dem Gesetzentwurf würden "richtige Weichen gestellt und notwendige Maßnahmen ergriffen". Sie verteidigte die vorgesehenen Leistungskürzungen als gerechtfertigt und hob hervor, dass Deutschland mit der Aufnahme der großen Zahl von Flüchtlingen gezeigt habe, zu welcher Verantwortung es bereit sei.

Die SPD-Fraktion unterstrich, dass die Bundesrepublik angesichts der derzeitigen Dynamik der Flüchtlingswanderung in den vergangenen Wochen und Monaten "Großartiges" geleistet habe. Dabei bleibe man weiterhin aufnahmebereit. Man brauche aber eine Priorität für Kriegsflüchtlinge. Die Fraktion machte zugleich deutlich, dass die Begeisterung über den Gesetzentwurf in ihren Reihen "unterschiedlich ausgeprägt" sei. Zu den positiven Elementen der Vorlage zählte sie unter anderem die Unterstützung der Kommunen und die Öffnung der Integrationskurse für einen größeren Personenkreis.

Diese Öffnung bewertete auch die Fraktion Die Linke positiv, nannte die Vorlage aber zugleich ein "Integrationsverhinderungsgesetz", das entscheidende Verschärfungen und verfassungswidrige Leistungskürzungen enthalte. Sie wandte sich gegen eine "Einteilung in gute und schlechte Flüchtlinge" und beklagte eine "Asylmissbrauchskampagne". Mit Blick auf die geplante Einstufung als sichere Herkunftsländer kritisierte sie, damit würde die "ganze Gruppe" der Asylbewerber vom Westbalkan aus dem Asylrecht genommen.

Auch aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kam deutliche Kritik an der Einstufung der drei Westbalkan-Staaten als sichere Herkunftsländer. Dabei habe eine Auseinandersetzung mit konkreten Vorfällen sowie mit deutschen Gerichtsentscheidungen nicht stattgefunden. Auch schicke die Regierungskoalition die Bundeswehr in den Kosovo, um das Land zu stabilisieren, und behaupte gleichzeitig, dort sei alles sicher. Weiter monierte die Fraktion, dass der Gesetzentwurf allein auf Abschreckung setze. Dies sei ein völlig falscher Ansatz, der kein Problem lösen werde.

Ein Vertreter des Bundesinnenministeriums verwies darauf, dass sein Haus die Verfassungsgemäßheit des Gesetzentwurfs "sehr eingehend" geprüft habe. Danach stießen die geplanten Regelungen auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

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2. Unterbringung von Flüchtlingskindern

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge können zukünftig bundesweit auf alle Jugendämter verteilt werden. Dies sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/5921), den der Familienausschuss am Mittwoch in einer geänderten Fassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen das Votum der Linksfraktion verabschiedete. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich der Stimme. Der Bundestag wird morgen abschließend über die Gesetzesvorlage beraten und abstimmen. Das Gesetz soll bereits zum 1. November dieses Jahres in Kraft treten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingskrise hatte sich die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer für ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren ausgesprochen.

Durch die bundesweite Aufnahmepflicht der Länder soll gewährleistet werden, dass unbegleitete Flüchtlingskinder dort untergebracht werden können, wo Kapazitäten für eine dem Kindeswohl entsprechende Versorgung und Betreuung vorhanden sind. Nach der derzeit geltenden Gesetzeslage ist dies nicht möglich. Zuständig für die Inobhutnahme von unbegleiteten Flüchtlingskindern ist bislang stets jenes Jugendamt, bei dem das Kind nach seiner Einreise nach Deutschland erstmals registriert wird. Diese Regelung führte jedoch zu einer Überforderung vieler Jugendämter in den Grenzregionen und Ballungsgebieten.

Gemäß eines Änderungsantrages von Union und SPD zum Gesetzentwurf, den der Familienausschuss gegen die Stimmen der Linken und Grünen annahm, wird der Passus, dass die Verteilung der Flüchtlingskinder nur auf "geeignete" Jugendämter zu erfolgen habe, ersatzlos gestrichen. Dies hatte auch der Bundesrat gefordert. Die Koalitionsfraktionen verwiesen darauf, dass prinzipiell jedes Jugendamt in der Lage sein muss, den Kindern eine angemessene Unterbringung, Verpflegung und Betreuung zu gewährleisten. Zuständig für die Verteilung der Flüchtlingskinder seien die Bundesländer, die auch am besten beurteilen könnten, welche Jugendämter über entsprechende Kapazitäten verfügen. Dies stieß auf Kritik der Oppositionsfraktionen. Zehn bis 20 Prozent der Jugendämter in Deutschland hätten keine Erfahrungen mit der Inobhutnahme unbegleiteter Flüchtlingskinder, hieß es aus den Reihen der Linksfraktion.

Linke und Grüne bemängelten zudem, dass den Flüchtlingskindern bei der vorläufigen Inobhutnahme kein unabhängiger, rechtlicher Vormund gestellt werde. Ebenso würde ihnen bei der Frage, wo sie in Deutschland untergebracht werden wollen, kein Mitspracherecht eingeräumt. Linke und Grünen verwiesen darauf, dass dies auch in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses zum Gesetzentwurf mehrheitlich von den Sachverständigen gefordert worden sei. Die entsprechenden Anträge der beiden Oppositionsfraktionen (18/4185, 18/5932) lehnte der Familienausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen jedoch ab. Union und SPD bezeichneten die Gesetzesvorlage als ausgewogenen Kompromiss, bei dem das Kindeswohl aber im Fordergrund stehe.

Geregelt wird durch den angenommen Änderungsantrag jetzt auch die Altersfeststellung. So soll das Alter von Jugendlichen, wenn keine gültigen Ausweispapiere vorliegen, durch eine "qualifizierte Inaugenscheinnahme" oder durch eine medizinische Untersuchung erfolgen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 524 - 14. Oktober 2015 - 14.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2015

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