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BUNDESTAG/5601: Heute im Bundestag Nr. 115 - 24.02.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 115
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 24. Februar 2016, Redaktionsschluss: 16.11 Uhr

1. Auswirkungen von Grenzkontrollen
2. Reform der Spitzensportförderung
3. Experten für Rückkehr zur Parität
4. Kritik an Atomenergie-Organisation


1. Auswirkungen von Grenzkontrollen

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung hat bisher keine belastbaren Informationen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der vorläufig wieder eingeführten Kontrollen an den deutschen Binnengrenzen. Dies erklärte die Vertreterin der Bundesregierung am Mittwoch im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Angesichts des bis dahin ungesteuerten und unkontrollierten Zustroms von Drittstaatsangehörigen hatte die Bundesregierung am 13. September 2015 Grenzkontrollen mit Schwerpunkt an der Grenze zu Österreich eingeführt. Sie sollen bis zum 13. Mai 2016 fortgelten. Eine Abschätzung der ökonomischen Auswirkungen der Grenzkontrollen wäre mit großen Unsicherheiten behaftet, erklärte die Regierungsvertreterin weiter, sagte aber auch, eine gewisse Beeinträchtigung des Binnenmarktes sei grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen.

In der Aussprache unterstützte ein Sprecher der SPD-Fraktion diese Position und erklärte ebenfalls, zum jetzigen Zeitpunkt seien keine Aussagen über die Auswirkungen möglich. Die Lage müsse aber genau beobachtet werden. So hätten Logistikunternehmen bereits von enormen Problemen berichtet. Auch der Sprecher der Linksfraktion erklärte, für eine Bilanz sei es noch zu früh. Die Veränderungen hätten jedoch bereits jetzt nicht zu unterschätzende Konsequenzen vor allem für Unternehmen, die ihre beladenen Lastwagen auf den Autobahnen als Warenlager ansehen würden. Wenn es hier zu Verzögerungen komme, könnten Lieferketten zusammenbrechen. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sind offene Grenzen die "größte Errungenschaft für Europa", wie eine Sprecherin betonte. Unter Berufung auf Untersuchungen wies sie auf Mehrkosten in möglicherweise dreistelliger Milliardenhöhe durch Grenzkontrollen hin. Dass die Bundesregierung in ihrem Bericht die ökonomischen Auswirkungen als "insgesamt überschaubar" bezeichne, sei nicht nachvollziehbar.

Ein Redner der CDU/CSU-Fraktion nannte den Bericht der Regierung "erfreulich unalarmistisch" und wunderte sich über die von der Opposition genannten hohen Beträge. Er wies darauf hin, dass zwischen Grenzkontrollen und Sicherheit ein Zusammenhang bestehe und erwähnte unter anderem die hohe Zahl der Wohnungseinbrüche und auch die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln. Zur wirtschaftlichen Sichtweise gehöre auch, dass Deutschland Exportweltmeister geworden sei, als es noch Grenzkontrollen gegeben habe. Er rate daher in der Debatte zur Gelassenheit.

Die Äußerung stieß auf Widerspruch der anderen Fraktionen. Ein Sprecher der SPD-Fraktion verwies auf die Abhängigkeit der Wirtschaft vom grenzüberschreitenden Verkehr. Eine Verknüpfung mit den Ereignissen in Köln sei völlig abwegig. Die Linksfraktion warf dem Redner der CDU/CSU vor, sich auf "Niveau der AfD" zu begeben. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach von verzweifelten Forderungen nach Grenzschließungen und Hilflosigkeit. "Geschlossene Grenzen wird es mit uns nicht geben", erklärte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

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2. Reform der Spitzensportförderung

Sport/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Bis Oktober 2016 wollen Bundesinnenministerium (BMI) und Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) ihre Vorschläge für eine Reform der Spitzensportförderung ausgearbeitet haben. Das kündigte der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Ole Schröder (CDU), am Mittwoch vor dem Sportausschuss an. Bei der Sitzung des Gremiums am 19. Oktober wolle man die Ausschussmitglieder über die erzielte Einigung informieren, sagten Schröder sowie der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper übereinstimmend.

Derzeit, so Staatssekretär Schröder, sei der Arbeitsprozess in vollem Gange. Es sei eine zusätzliche Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die sich mit zentralen Finanz- und Organisationsfragen beschäftige. Zugleich seien die Länder durch die Sportministerkonferenz intensiver in die Beratungen eingebunden worden. Von Anfang an klar gewesen ist laut dem Staatssekretär, dass der einzelne Athlet im Fokus der Betrachtungen stehen müsse. Man habe immer die Frage gestellt, "was bringen die Änderungen für die Athleten und nicht für irgendwelche Verbände". Bei der künftigen Mittelvergabe, so Schröder weiter, wolle man nicht von einer retrograden Betrachtung ausgehen, sondern die Potenziale der Athleten analysieren. Eine der wichtigsten zu klärenden Fragen dabei sei, welche Stelle auf welche Art diese Potenziale analysieren soll.

Von gut vorankommenen Beratungen nach gewissen Anlaufschwierigkeiten, sprach der DOSB-Vorstandsvorsitzende Vesper. Man sei schon weit gekommen und freue sich, dass in der zweiten Phase der Arbeit auch die Länder am Tisch sitzen.

Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport beim DOSB, verwies darauf, dass bis zum 11. Mai mit allen 27 Spitzensportverbänden Strukturplangespräche stattgefunden haben sollen. Dabei gehe es um die Potenziale und die Ziele sowie die Strategie, um dort hinzukommen. Aber auch um die Personalstruktur, die künftig so gestaltet werden soll, dass es in allen Verbänden einen professionellen Ansprechpartner für den Leistungssport geben soll.

Schimmelpfennig sagte weiter, es müsse auch sichergestellt werden, dass die in Deutschland vorhandene sportwissenschaftliche Expertise auch bei den Verbänden ankommt. Was die Olympiastützpunkte (OSP) angeht, so könne noch nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, wie deren Zahl in Zukunft aussehen werde, betonten die Sportvertreter. Vesper ging auf Nachfrage der Abgeordneten auf die vielen unterschiedlichen Trägerstrukturen bei den OSPs ein. Ziel des DOSB sei es, die Strukturen zu vereinfachen und dadurch steuerbarer zu machen, sagte er.

Kritik an den Ausführungen des Sport-Staatssekretärs und der DOSB-Vertreter gab es von Seiten der Opposition. Es fehle an Offenheit bei dem Prozess beklagte der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Er habe lediglich allgemeine Informationen, "wohin die Reise gehen soll". Für diese Geheimniskrämerei habe er kein Verständnis. Von der Linksfraktion hieß es, es reiche nicht, erst dann informiert zu werden, wenn in allen Bereichen ein Konsens erreicht wurde.

Solange es keine Ergebnisse gibt, könnten auch keine verkündet werden, entgegnete DOSB-Chef Vesper. Staatssekretär Schröder sagte, man könne nicht auf der einen Seite einen offenen Diskurs fordern und zugleich ständig Zwischenergebnisse vorgelegt haben wollen.

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3. Experten für Rückkehr zur Parität

Gesundheit/Anhörung

Berlin: (hib/PK) Sozial- und Gesundheitsexperten befürworten eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Beiträge in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Mehrere Sachverständige machten anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über Anträge der Fraktionen Die Linke (18/7237) und Bündnis 90/Die Grünen (18/7241) am Mittwoch im Bundestag sowie in ihren schriftlichen Stellungnahmen deutlich, dass die Zusatzbeiträge, die von den Versicherten alleine zu zahlen sind, in den kommenden Jahren weiter steigen werden.

Insofern sollten die Beiträge wieder je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden, um einseitige Belastungen zu verhindern. Die Arbeitgeberverbände lehnen einen Verzicht auf ihre bei 7,3 Prozent gedeckelten Beiträge hingegen strikt ab. Bei steigenden Lohnzusatzkosten wären Arbeitsplätze gefährdet, lautet ihr Argument.

Der GKV-Spitzenverband erinnerte in seiner Stellungnahme daran, dass die paritätischen Beiträge zum 1. Juli 2005 abgeschafft und das System der Finanzierung seither mehrfach geändert wurde, ohne zur Parität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zurückzukehren. Die Beitragssätze der GKV hätten 2004 zwischen 10,2 und 15,7 Prozent gelegen. Zum 1. Januar 2016 hätten nun 116 Krankenkassen Zusatzbeitragssätze zwischen 0,3 und 1,7 Prozent erhoben. Nur eine regionale Kasse verlange keinen Zusatzbeitrag. Ein weiterer Anstieg des Zusatzbeitrags sei unausweichlich. Für 2019 rechnet der GKV-Spitzenverband mit Zusatzbeiträgen zwischen 1,4 und 1,8 Prozent.

Der Sachverständige Hartmut Reiners erklärte, der Zusatzbeitrag schmälere das verfügbare Einkommen der Versicherten ohne erkennbaren Gegenwert. Er sprach sich dafür aus, den Arbeitgeberanteil "nicht kassenspezifisch zu gestalten, sondern auf den durchschnittlichen Zusatzbeitrag zu beziehen". Damit wäre eine automatische Anpassung des allgemeinen Beitragssatzes an die Ausgabenentwicklung erreicht. Die höhere Belastung der Arbeitgeber wäre "keine wirtschaftlich relevante Größenordnung". Die Gesamtkosten einer Handwerkerstunde etwa würden nur minimal steigen. Ein DGB-Vertreter merkte an, es gebe ja auch keine Hinweise darauf, dass sich die jetzige Deckelung der Arbeitgeberbeiträge positiv auf die Beschäftigung ausgewirkt habe.

Der Gesundheitsökonom Stefan Greß machte geltend, dass die Arbeitgeber mit der Festschreibung ihrer Beiträge jegliches Interesse an einer moderaten Beitragssatzentwicklung verloren hätten. Auch die "Tendenz zur Haushaltssanierung auf Kosten der Beitragszahler" wäre aus seiner Sicht bei einer paritätischen Finanzierung des Ausgabenanstiegs "kaum vorstellbar" gewesen.

Der Sozialverband VdK unterstützt die Forderung nach paritätischer Finanzierung ebenfalls. Steigende Zusatzbeiträge bedeuteten eine "stille Minderung" der Renten und Löhne. Der Zusatzbeitrag führe zu einem Preiswettbewerb, der alte, kranke und behinderte Menschen benachteilige. Überdies sollten gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus Steuern finanziert werden.

Der Arbeitgeberverband BDA, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) lehnen eine höhere Belastung der Arbeitgeberseite strikt ab. Der BDA erklärte, die Deckelung des Arbeitgeberbeitrags bei 7,3 Prozent sei nötig, damit überproportional steigende Gesundheitsausgaben sich nicht negativ auf Beschäftigung und Wachstum auswirkten. Die Arbeitgeber beteiligen sich mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bereits stark an den Krankheitskosten. Die Versicherten könnten im Übrigen bei einer Anhebung des Zusatzbeitrags die Kasse wechseln. Ein BDA-Sprecher sagte im Ausschuss, es stimme nicht, dass die Arbeitgeber kein Interesse mehr daran hätten, Ausgabensteigerungen zu verhindern.

Der DIHK nannte die nachhaltige Finanzierung der Gesundheitsversorgung die eigentliche Aufgabe und forderte, den Wettbewerb im Gesundheitssystem zu stärken, der durch die Zusatzbeiträge befördert werde. Anzustreben sei eine lohnunabhängige Finanzierung mit einem Sozialausgleich über Steuern. Der ZDH sieht das ebenso und fordert, die Gesundheitskosten von den Lohnkosten zu entkoppeln. Die Vertreterin des ZDH bezifferte in der Anhörung die Kosten für die Handwerksbetriebe im Fall einer erneut paritätischen Finanzierung auf 88 Millionen Euro im Monat. Es sei unverzichtbar, den Arbeitgeberbeitrag festzuschreiben.

Linke und Grüne verlangen in ihren Anträgen eine Rückkehr zur Parität sowie perspektivisch die Einführung einer Bürgerversicherung. Die Linke schreibt in ihrem Antrag, Millionen Versicherte müssten 2016 mehr Geld für ihre Krankenversicherung ausgeben. Über den Zusatzbeitrag würden die Arbeitnehmer in diesem Jahr um mehr als 14 Milliarden Euro höher belastet als die Arbeitgeber, heißt es in dem Antrag. Für die Arbeitgeber bleibe der Anteil konstant bei 7,3 Prozent.

Die Grünen schreiben in ihrem Antrag, die durchschnittliche Beitragsbelastung in der GKV sei 2016 so hoch wie nie zuvor in der Geschichte, trotz guter Konjunktur und Arbeitsmarktlage. Die größeren Lasten müssten durch steigende Zusatzbeiträge allein von den Versicherten aufgebracht werden. Nötig sei eine faire Lastenverteilung. Die Bundesregierung habe sich nicht um eine langfristig stabile und gerechte finanzielle Basis für das Gesundheitswesen etwa durch eine Bürgerversicherung gekümmert. Mit der paritätischen Finanzierung wäre auch der Anreiz für die Arbeitgeberseite, auf eine effizientere und wirtschaftlichere Versorgung hinzuwirken, wieder gestärkt.

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4. Kritik an Atomenergie-Organisation

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antrag

Berlin: (hib/SCR) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen übt scharfe Kritik an der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Die Organisation verharmlose Gefahren und Risiken der Nuklearenergie und arbeite intransparent. In einem Antrag der Fraktion (18/7658) wird die Bundesregierung daher aufgefordert, sich für eine Reform der IAEO einzusetzen.

So sollen beispielsweise Kriterien für die Geheimhaltung von Informationen durch die IAEO erarbeitet werden. Transparenz solle zur Norm werden. Zudem soll nach Willen der Grünen auf der IAEO-Generalkonferenz Ende September 2016 in Wien über die "systematische Verharmlosung von radioaktiver Strahlung" diskutiert werden. Als Beispiel für die Verharmlosung verweisen die Antragsteller auf eklatant auseinanderfallende Angaben zu den Todesfällen in Folge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Während die IAEO von "50 Toten sowie 4000 (zukünftigen) Krebskranken" ausgehe, würden "unabhängige" Experten die Zahl der Toten, die auch künftige Todesfälle einschließe, mit 1,8 Millionen beziffern, heißt es in dem Antrag.

Konsequenzen fordern die Abgeordneten auch für die Zusammenarbeit der IAEO mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Bundesregierung solle sich demnach dafür einsetzen, dass ein Vertrag zwischen WHO und IAEO vom Mai 1959 bei der Weltgesundheitsversammlung im Mai 2016 annulliert wird. Nach Ansicht der Grünen sichert der Vertrag der IAEO zu viel Einfluss auf die gesundheitliche Bewertung von nuklearen Katastrophen durch die WHO zu. Die Atomenergie-Organisation habe dazu aber weder Mandat noch Expertise. Stattdessen solle die WHO durch mehr Personal und Ausstattung unabhängiger bei der Untersuchung und Bewertung nuklearer Katastrophen und radioaktiver Strahlung werden, fordern die Grünen von der Bundesregierung.

Der Antrag wird am Donnerstag im Plenum behandelt. Im "Vereinfachten Verfahren" ist eine Überweisung in die Ausschüsse vorgesehen. Die Federführung ist aktuell strittig.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 115 - 24. Februar 2016 - 16.11 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2016

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