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BUNDESTAG/5649: Heute im Bundestag Nr. 163 - 16.03.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 163
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 16. März 2016, Redaktionsschluss: 14.34 Uhr

1. Differenzen über Flüchtlingskosten
2. Zukunft der globalen Energiegewinnung
3. Grüne wollen Pflegeberuf aufwerten
4. Weniger investiert als geplant
5. Aktionsplan für Logistikstandort
6. Gladbecker Vereinbarung bekannt
7. Tarifverträge im Fernbusverkehr


1. Differenzen über Flüchtlingskosten

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen durch die große Zahl nach Deutschland flüchtender Menschen sind kurz- und langfristig positiv zu sehen. Zwar sei die Belastung für den Staatshaushalt von 15 Milliarden Euro im laufenden Jahr zunächst sehr hoch, aber die Aspekte würden positiver werden, wenn die Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt kommen würden, erklärte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Professor Marcel Fratzscher, am Mittwoch im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Fratzscher riet dazu, die kurzfristig jetzt im Staatshaushalt entstehenden Belastungen "als Investitionen zu verstehen". Zudem warnte Fratzscher vor Debatten über einen angeblich bevorstehenden Verteilungskampf, Konkurrenzsituationen und Verdrängungseffekten auf dem Arbeitsmarkt. Das müsse nicht so sein, sagte er mit Blick auf andere Länder. "Es gab in den letzten 70 Jahren keine günstigere Situation in unserm Land, um mit einer solchen Situation umzugehen", sagte er unter Verweis auf die Haushaltssituation und auch die große Zahl offener Stellen auf dem Arbeitsmarkt. Deutschland sei auf Zuwanderung angewiesen, sonst werde es große Probleme geben.

Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), teilte die Einschätzung seines Kollegen vor dem Ausschuss ausdrücklich nicht. In den Berechnungen seien Infrastrukturkosten nicht berücksichtigt. Die jetzt zu tätigen Ausgaben seien "nichts anderes als ein defizitfinanziertes Konjunkturprogramm". Er bezifferte die Kosten in diesem Jahr auf 22,1 Milliarden Euro und im kommenden Jahr auf 27,6 Milliarden Euro. Die bisherigen Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt seien nicht erbaulich. Eine Lösung der Fachkräfteproblematik sei durch die ungesteuerte Zuwanderung nicht in Sicht. Er sprach sich für ein Einwanderungsgesetz aus, mit dem die Zuwanderung gesteuert werden könne. Fratzscher riet der Politik dazu, sich konkrete Ziele zu geben, was in der Integration erreicht werden solle.

Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion erklärte, nach anfänglicher Euphorie für den Arbeitsmarkt würden jetzt die "Mühen der Ebene" erreicht. Von der CDU/CSU-Fraktion wurde auf die regional ungleiche Verteilung hingewiesen. Die Hälfte der Flüchtlinge lebe in nur 33 Kommunen, die andere Hälfte verteile sich auf das restliche Bundesgebiet. Das sei ein Integrationsproblem.

Die SPD-Fraktion empfahl, den Blick auf den Nutzen der Integration in den Arbeitsmarkt zu richten, denn es sei möglich, ein großes Potenzial an Fachkräften zu entwickeln. Das sei eine "Riesenchance". Es habe enorme Bedeutung, dass sich Menschen als Arbeitskollegen begegnen würden. Damit könnten Ressentiments abgebaut werden.

Die Linksfraktion hob die vom Institut der deutschen Wirtschaft vorgelegten Handlungsempfehlungen für die Beschäftigung von Flüchtlingen hervor. Das Institut hatte sich für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Spracherwerb und für die Qualifizierung von Flüchtlingen ausgesprochen. Außerdem wurde der Abbau der bestehenden rechtlichen Hürden für den Arbeitsmarkt gefordert. Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kam der Hinweis, dass sich jetzt rund eine Million Flüchtlinge in Deutschland aufhalten würden. Daher bestehe die Aufgabe, für die Integration zu sorgen. Die Fraktion kritisierte Hüthers Hinweis auf die Kosten für die zusätzliche Infrastruktur, die durch die Flüchtlinge notwendig werden würde. Neue Schulen und Kindertagesstätten kämen doch allen zugute.

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2. Zukunft der globalen Energiegewinnung

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/SCR) Die wirtschaftlich schlechte Situation von Atomkraftwerksbetreibern könnte sich negativ auf die Sicherheit der von ihnen betriebenen Anlagen auswirken. Davor hat am Mittwochmittag Mycle Schneider bei einem Fachgespräch im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gewarnt. Das Motto "Teuer bauen, billig betreiben" gelte für Atomkraftwerke nicht mehr. Schneider, Ko-Herausgeber des "The World Nuclear Industry Status Report", verwies unter anderem auf die französischen Konzerne Électricité de France und Areva, deren Börsenwerte in den vergangenen Jahren erheblich eingebrochen seien. Areva sei "technisch bankrott", sagte Schneider. Auch bei Neubauten von Kraftwerken sei die Marktsituation für die Betreiber unvorteilhaft. "Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen kann kein neues Atomkraftwerk mehr gebaut werden", sagte Schneider. Thema des öffentlichen Fachgespräches waren die Entwicklungen der Atomenergie sowie der erneuerbaren Energien.

Schneider betonte, dass schon länger ein globaler "Abstieg" der Atomindustrie beobachtet werden könne. Die Reaktorkatastrophe im japanischen AKW Fukushima 2011 habe diese Entwicklung "dramatisch beschleunigt". Aktuelle habe sich der Anteil der Atomenergie an der weltweiten Stromerzeugung auf knapp unter elf Prozent stabilisiert. 1996 seien es noch 17,5 Prozent gewesen. Knapp 400 Reaktoren seien derzeit in Betrieb, 2002 seien es noch 438 gewesen. Im "World Nuclear Industry Report" werden dabei knapp über 40 Reaktoren, die zwar von der Internationalen Atomenergiebehörde als "In Betrieb" eingestuft werden, aber längerer Zeit keinen Strom produzierten, rausgerechnet. Das trifft überwiegend auf einen Großteil der japanischen Reaktoren zu. Inklusive Japan wird derzeit in 31 Ländern Energie aus Atomkraft gewonnen.

Schneider verwies darauf, dass bei der globalen Entwicklung deutlich zwischen China und dem Rest der Welt unterschieden werden müsse. Acht von zehn neu angekoppelten Kraftwerken seien in China entstanden. Das Land beherberge auch 40 Prozent aller im Bau befindlichen Reaktoren. Allgemein auf den Bau von neuen Reaktoren bezogen verwies Schneider darauf, dass die Bauzeiten sehr stark variierten. Bei knapp 75 Prozent der Fälle seien aber zum Teile jahrelange Verzögerungen zu verzeichnen. In den USA solle in diesem Jahr ein Reaktor ans Netz gehen, der mit Unterbrechungen bereits seit 1972 gebaut werde. In China wiederum werde schneller gebaut, was Schneider kritisch anmerkte. Denn häufig träten Verzögerungen außerhalb Chinas aufgrund von Qualitätskontrollen ein. "Ich weiß nichts über das Qualitätsmanagement in China", sagte Schneider.

Die Möglichkeit einer Renaissance der Atomkraft auch in Hinblick auf klimapolitische Ziele beurteilte Schneider skeptisch. Zwar berichteten etwa Polen, die Türkei, Saudi-Arabien oder auch Jordanien davon, Atomkraftwerke zu planen. Häufig handle es sich dabei aber um "Ankündigungspolitik". Tatsächlich, mit Ausnahme von China, würden Neubauprojekte häufig verschoben oder aufgegeben.

Für die Europäische Union diagnostizierte Schneider einen "organischen Atomausstieg", der sich nicht erst seit Fukushima vollziehe. Gab es in Europa 1988 noch 177 Atomkraftwerke, sind es laut den Aussagen des Experten aktuell 128. Es gebe nur wenige Neubauprojekte, teils, etwa in Schweden, gehen Reaktoren vom Netz, weil sie sich nicht mehr rentierten.

Dem entgegen steht die Entwicklung der erneuerbaren Energien. Sie gewännen weltweit an Bedeutung. Das machte Timur Gül von der Internationalen Energieagentur (IEA) deutlich. 2014 hätten die erneuerbaren Energien, darunter auch die Wasserkraft, Erdgas als zweitwichtigste Energieform abgelöst. In dem Jahr seien rund 130 Gigawatt in diesem Bereich ans Netz gegangen, rund die Hälfte der weltweiten Neuankopplung. Für 2015 zeigten vorläufige Zahlen ähnliche Ergebnisse, sie könnten sogar noch besser ausfallen. Der "politisch gewollte Ausbau" der Erneuerbaren habe Früchte getragen. Als positive Signale wertete Gül unter anderem das Klimaabkommen von Paris. Zahlreiche Länder hätten sich darauf verpflichtet, erneuerbare Energiegewinnung auszubauen. Zudem werde weltweit die Subventionierung von fossilen Brennstoffen reformiert, was die Preissignale für Konsumente verbessere. Auch der angekündigte Einstieg von China in den Emissionshandel sei positiv zu bewerten.

Als Herausforderungen bezeichnete Gül hingegen die fallenden Preise bei fossilen Energieträgern, dies sei ein "Schlüsselrisiko". Auch wenn sich die Erneuerbaren noch nicht im direkten Wettbewerb mit diesen befänden, müsse die politische Förderung der erneuerbaren Energien transparent und vorausschauend bleiben. Zudem müsse auch die Integration der neuen Energiequellen in die bestehenden Netze gelingen.

Eine weitere Herausforderung bestünde in Hinblick auf die Klimapolitik. Die bisher angekündigten Maßnahmen der Staatengemeinschaft reichten nicht aus, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch die Steigerung der Energieeffizienz, könnten dazu einen erheblichen Beitrag leisten, sagte Gül. Inwiefern dabei auf Atomkraft verzichtet werden könne, sei eine Frage des Wollens. Ohne Atomkraft wäre das Portfolio an emissionsarmen Technologien aber geringer, sagte Gül.

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3. Grüne wollen Pflegeberuf aufwerten

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Der Pflegeberuf muss nach Ansicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgewertet werden. In einem Antrag (18/7880) an den Bundestag heißt es, mehr Frauen und Männer müssten für die berufliche Pflege dauerhaft gewonnen werden. Dazu seien Zufriedenheit im Beruf, gesellschaftliche Anerkennung sowie Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten zentral. In der Pflegeausbildung gelte es, Kernkompetenzen zu fördern und das berufliche Selbstbewusstsein zu stärken.

Die von der Bundesregierung mit dem Pflegeberufegesetz geplante komplett generalistische Pflegeausbildung, die lediglich Vertiefungseinsätze in den einzelnen Fachgebieten vorsehe, werde den neuen Anforderungen nicht gerecht. Zu befürchten sei ein Verlust an Fachwissen, das in der alternden Gesellschaft dringender denn je gebraucht werde.

Die Grünen fordern konkret, das Gesetzgebungsverfahren so lange auszusetzen, bis die endgültigen detaillierten Verordnungen vorlägen. Es müsse Zeit bleiben, die Verordnungen in ihren Auswirkungen zu prüfen. Ferner sollte ein Konzept für eine integrative Ausbildung entwickelt werden.

So sollten im ersten Ausbildungsabschnitt (eineinhalb bis zwei Jahre) identische Inhalte unterrichtet werden. Im zweiten Teil (ein bis eineinhalb Jahre) sollten sich die Auszubildenden in einem der drei Berufe Altenpflege, Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege spezialisieren. Diese Form der Ausbildung würde die Basis schaffen für eine verbesserte Zusammenarbeit der Pflegeberufe.

Das Aus-, Fort- und Weiterbildungssystem in der Pflege sowie die Sektoren müssten zugleich durchlässiger gestaltet werden. Um eine Neuaufstellung der Gesundheitsberufe einzuleiten, sollte ein Fachgipfeltreffen einberufen werden mit Ärzten, Pflegern und auch Heilmittelerbringern.

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4. Weniger investiert als geplant

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Im vergangenen Jahr wurden 77,03 Millionen Euro weniger in die Schienenwege investiert als eingeplant. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (18/7801) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/7406) zum "Dezemberfieber" bei Verkehrsprojekten im Jahr 2015 hervor. Eine Umschichtung in andere Verkehrsbereiche sei nicht erfolgt.

Bei den Mitteln für Bundesfernstraßen gab es keine Ausgabenreste, heißt es weiter. Bei den Bundeswasserstraßen seien Ausgabenreste durch Bauverzögerung auf Grund von Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse bei Großprojekten entstanden. Diese Ausgabenreste würden für diese Projekte auch weiterhin zur Verfügung stehen.

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5. Aktionsplan für Logistikstandort

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Mit dem Aktionsplan Güterverkehr und Logistik will das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die notwendigen digital- und verkehrspolitischen Herausforderungen und Lösungen auflisten, damit Deutschland im internationalen Wettbewerb weltweit führender Logistikstandort bleiben kann. Dies schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/7805) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/7463).

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6. Gladbecker Vereinbarung bekannt

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur hat Kenntnis von der "Vereinbarung zum geplanten Neubau der A52 im Zuge der B224 auf Gladbecker Stadtgebiet" zwischen dem Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Gladbeck. Dies geht aus Antwort der Bundesregierung (18/7807) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/7593) hervor. Der Bundesregierung liegen jedoch keine Informationen vor, wann der erste Entwurf erstellt wurde, heißt es weiter.

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7. Tarifverträge im Fernbusverkehr

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Die Bundesregierung hat Kenntnis über einige Firmentarifverträge im Schienen- und Fernbusverkehr. Dies geht aus ihrer Antwort (18/7817) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/7629) hervor. In diesen würden firmenspezifische Inhalte und Arbeitsbedingungen geregelt, heißt es weiter. Wegen unterschiedlicher Strukturen seien diese Firmentarifverträge nicht vergleichbar.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 163 - 16. März 2016 - 14.34 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2016

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