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BUNDESTAG/5993: Heute im Bundestag Nr. 507 - 08.09.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 507
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 08. September 2016, Redaktionsschluss: 16.21 Uhr

1. Geheimdienstreform in den USA
2. Rätselraten um DNA-Spuren
3. Experten ohne Hinweis auf Manipulation
4. Weltfriedenstag als EU-Feiertag


1. Geheimdienstreform in den USA

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Die Snowden-Affäre hat in den Vereinigten Staaten nicht nur eine breite Debatte über den Schutz der Privatsphäre ausgelöst, sondern auch die umfassendste Reform der Geheimdienste seit vielen Jahrzehnten. Dies berichteten Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen und Wissenschaftler am Donnerstag in einer Anhörung vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA). Hervorzuheben sei insbesondere, dass erstmals eine US-Regierung ihre Geheimdienste auf den Schutz der Privatsphäre auch der Bürger von Drittländern verpflichtet habe. Zugleich äußerten die fünf Experten aus den USA mehrheitlich die Ansicht, dass die bisherigen Reformen zwar in die richtige Richtung gingen, aber für eine wirksame Garantie der Bürgerrechte bei weitem nicht ausreichten.

Mit seinen Enthüllungen über die Schnüffelpraktiken der National Security Agency (NSA) habe Edward Snowden 2013 den Anstoß zur größten Reform der Nachrichtendienste seit den siebziger Jahren gegeben, sagte Timothy Edgar, seit 2012 Juraprofessor an der renommiert Brown University im Bundesstaat Rhode Island. Er war als junger Anwalt für die American Civil Liberties Union (ACLU) tätig gewesen, bevor er 2006 als Beauftragter für Bürgerrechte ins Büro des Geheimdienstkoordinators des US-Präsidenten wechselte. Die Tätigkeit im Weißen Haus habe ihm erst die Augen geöffnet, sagte Edgar. Er sei "schockiert" gewesen über das tatsächliche Ausmaß der Massenüberwachung durch die NSA. Ein Hauptproblem sei gewesen, dass die damaligen gesetzlichen Vorgaben den Bedingungen des digitalen Zeitalters nicht mehr entsprochen hätten.

Erst Snowden habe dann die "offene Debatte" ausgelöst, "die wir immer wollten", sagte Edgar. Dabei sei es das Verdienst von Präsident Barack Obama gewesen, dass er nicht versucht habe, die Affäre auszusitzen, sondern sich für Transparenz entschieden und "zehntausende Seiten" geheimer Dokumente freigegeben habe. Im Januar 2014 erließ Obama eine Richtlinie, in der unter anderem die Geheimdienste erstmals verpflichtet wurden, die Privatsphäre von Ausländern in Drittstaaten in gleichem Maße zu achten wie die von US-Bürgern im eigenen Land.

Als "gute Reform" und Schritt in die richtige Richtung würdigte auch Ashley Gorski, Anwältin bei der ACLU, den Obama-Erlass. Er gehe aber "nicht annähernd weit genug". Unzureichend sei nach wie vor auch der Rechtsschutz gegen Geheimdienstübergriffe für Bürger der USA. So müsse ein Kläger nachweisen, dass er persönlich bespitzelt werde, bevor er vor Gericht ziehen könne. Durch die Snowden-Enthüllungen sei der Öffentlichkeit bewusst geworden, dass Massenüberwachung nicht nur möglich sei, sondern auch praktiziert werde.

Der Politikwissenschaftler und frühere Regierungsberater Morton Halperin plädierte für einen Dialog und einen Pakt aller demokratischen Staaten, um die Aktivitäten von Geheimdiensten weltweit zu regulieren. Es müsse sichergestellt werde, dass niemand anlasslos überwacht werde und jedem von Geheimdienstmaßnahmen Betroffenen der Rechtsweg offen stehe.

Der Informatiker Chris Soghoian nannte die Snowden-Affäre einen "Weckruf für die Informationsgesellschaft". Der Skandal sei nicht, dass die NSA elektronische Kommunikationswege überwache, sondern, dass diese Wege noch immer so unzureichend gesichert seien. Die Verbreitung von Verschlüsselungstechniken dürfe auch nicht durch Einwände von Sicherheitsbehörden behindert werden. Dass zahlreiche Regierungen versuchten, die Entwicklung von Verschlüsselungstechniken einzuschränken, beklagte auch die Netzaktivistin Amie Stepanovich von der Organisation Access Now.

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2. Rätselraten um DNA-Spuren

3. Untersuchungsausschuss (NSU)/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) Eine Zeugin aus der damaligen rechten Szene in Sachsen und Rätselraten über DNA-Spuren hat die Zeugenvernehmung im zweiten Untersuchungsausschuss zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) unter der Leitung von Clemens Binninger (CDU) geprägt.

15 Banküberfälle, zwei Sprengstoffanschläge und zehn Morde zwischen 2000 und 2006 werden der Terror-Gruppe zur Last gelegt. Doch an keinem der 27 Tatorte seien DNA-Spuren von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gesichert worden - jenen beiden Männern, die sich in Eisenach nach einem Banküberfall in ihrem Wohnmobil selbst umbrachten.

"Ungewöhnlich" sei das, meinte Carsten Proff, DNA-Spezialist im Bundeskriminalamt (BKA); für ihn als alten Hasen aber auch nicht "super ungewöhnlich". Seine Mutmaßung: Die Taten seien wohl "sehr gut vorbereitet" gewesen. Man könne ja durchaus aus dem Internet Tipps bekommen, wie DNA-Spuren zu vermeiden seien - nicht nur mit Handschuhen, sondern etwa auch Sturmhauben. Die beiden Männer seien gewiss "sehr planerisch" tätig gewesen.

Andererseits gestand Proff ein, dass es "schon nicht einfach" sei, einen Tatort DNA-frei zu halten oder wieder zu machen: "Da muss man sich sehr anstrengen."

Ein weiterer Frage-Komplex kreiste um "P 46". Es handelt sich um eine DNA-Spur an der Innenseite einer Socke, die im Wohnmobil gefunden worden war. Es ist eine Mischspur, die einerseits Beate Zschäpe zuzuordnen ist, die Freundin der beiden Männer, der derzeit in München der Prozess gemacht wird. Andererseits geht es um eine anonyme Person.

Der Dateien-Vergleich ergab einen Bezug dieser Spur zu drei Taten in Hessen, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Proff mutmaßte, dass es sich um eine Kontamination handeln könne - womöglich durch Verbrauchsmaterial, das bei den Tatortuntersuchungen verwandt und von derselben Firma geliefert wurde. Schließlich lägen die fraglichen Delikte - schwer Diebstahl und schwerer Bandendiebstahl - "inhaltlich weit auseinander" zum NSU-Komplex.

Proff hatte zunächst das Ausschuss-Rund für eine gute Stunde zu einem Hörsaal gemacht: Vorlesung in Sachen DNA. Gerade in den NSU-Ermittlungen habe es "viele Mischspuren von magerer Qualität" geben: "Vieles lag an der Nachweisgrenze." So müsse man das Löschwasser berücksichtigen, sowohl beim Wohnwagen, der in Flammen aufging, als auch bei der Brand gesetzten Wohnung des Trios in Zwickau. Zudem hätten die "Berechtigten", Ermittler vor Ort oder auch Feuerwehrleute, Spuren verursacht.

Von zunächst 72 DNA-Spuren, die nicht zugeordnet werden konnten, blieben nach Ausschluss dieser Berechtigten 43 Muster über - eine davon "P 46".

Der aus Sachsen angereisten Zeugin, die heute nach eigenem Bekunden keinen Kontakt mehr zur rechtsextremen Szene hat, wurde ein bei einem Konzert gefertigtes Bild vorgelegt, das sie selbst zusammen Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zeigt. Sie habe beide nicht gekannt, bekundete sie. Und fügte hinzu: "Ich schwöre." - "Brauchen Sie nicht", meinte der Vorsitzende.

Vernommen wurde sie insbesondere als frühere Bekannte von Ralf Marschner, der sich umtriebig in der rechten Szene bewegte und als V-Mann tätig war. Er gab zeitweise die rechtsextremistische Zeitschrift "Voice of Zwickau" heraus. Die Zeugin mochte nicht ausschließen, selbst einmal für das Blatt geschrieben zu haben.

Der Ausschuss soll Fragen klären, die im ersten NSU-Untersuchungsausschuss offen geblieben waren, und womöglich Handlungsempfehlungen ausarbeiten.

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3. Experten ohne Hinweis auf Manipulation

5. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/STU) Illegale Manipulationen von Motoren zur Reduzierung von Abgasen waren für Experten nicht nachweisbar. Das machten mehrere Sachverständige am Donnerstag vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages deutlich. Dass der immer noch aktuelle Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) als Testverfahren im Labor realitätsfern ist, war unter Fachleuten hingegen seit der Jahrtausendwende klar, sagte Prof. Stefan Hausberger von der TU Graz. Der 5. Untersuchungsausschuss der Legislaturperiode hatte sich am 7. Juli konstituiert und begann am Donnerstag mit seinen Anhörungen.

Der NEFZ soll 2017 durch ein realistischeres Verfahren World Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedere (WLTP) ersetzt werden. Hinzu kommen sollen Straßentests (Real Driving Emissions), die sich derzeit in der Monitoring-Phase befinden. RDE sei noch nicht ausgereift, sagte Prof. Dr. Christian Beidl von der TU Darmstadt. Der ADAC nutzt mobile Messtechnik für seine eigenen Tests seit gut sechs Monaten, wie der Technik-Leiter des Automobilclubs, Dr.-Ing. Reinhard Kolke erläuterte. Seit 2010 wurde auf europäischer Ebene an den RDE-Regelungen gearbeitet. Hausberger bemängelte, dass die Staaten zu wenige Ressourcen dafür bereitstellten.

Hausberger plädierte dafür, künftig auch unabhängige Nachmessungen vorzusehen. Das gäbe der Industrie "ausreichend Sorge", dass Unregelmäßigkeiten entdeckt würden. Auch Kolke sprach sich dafür auch regelmäßige Felduntersuchungen durchzuführen und diese von den gesetzlichen Zulassungsbehörden abzukoppeln. Auch sollte Software gegenüber den Behörden offengelegt werden. Aus Sicht von Hausberger sind die Sanktionen bei Emissionsüberschreitungen zu schwach. Die Hersteller bekämen Monaten bis Jahre Zeit zur Nachbesserung. Das sei nicht "akut abschreckend".

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4. Weltfriedenstag als EU-Feiertag

Europa/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die Fraktion Die Linke will den Weltfriedenstag, der am 1. September begangen wird, zu einem gemeinsamen europäischen Feiertag machen. Ein solcher biete den Menschen in der EU die Möglichkeit, "grenzüberschreitend vielfältige spontane und organisierte Begegnungen zu erleben", begründet sie ihr Anliegen in einem Antrag (18/9587). Sie schlägt vor, die offiziellen Feierlichkeiten jedes Jahr von einem anderen Land ausrichten zu lassen.

Die Abgeordneten halten es für ein "grundlegendes Problem" in der EU, "dass viel zu wenig Menschen miteinander ins Gespräch kommen". Gespräche fänden in der Regel zwischen Regierungsvertretern und Beamten statt, weniger zwischen den Bürgern unterschiedlicher Staaten. "Das muss sich unbedingt ändern", meinen sie. Die Linke hielte es für eine "zivilisatorische Leistung", wenn es der Bundesregierung gelingen würde, andere Regierungen zu überzeugen, einen europäischen Feiertag zu beschließen. Dabei solle sich die Bundesregierung nicht nur auf die EU-Mitglieder beschränken. "Einen wirklichen europäischen Feiertag gibt es nur, wenn sich möglichst alle Staaten Europas dieser Initiative anschließen", betonen die Abgeordneten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 507 - 8. September 2016 - 16.21 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2016

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