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BUNDESTAG/6177: Heute im Bundestag Nr. 691 - 24.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 691
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 24. November 2016, Redaktionsschluss: 18.06 Uhr

1. BKA-Ermittlungen lieferten keine neuen Erkenntnisse
2. Maschmeyer vor Cum/Ex-Ausschuss


1. BKA-Ermittlungen lieferten keine neuen Erkenntnisse

3. Untersuchungsausschuss (NSU)/Ausschuss

Berlin: (hib/FZA) Die umfassenden Ermittlungen des Bundeskriminalamts (BKA) zum Terrortrio "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) haben bisher keine neuen Hinweise auf weitere Verbrechen und mögliche Hintermänner des NSU zu Tage gefördert. Das hat die Befragung des Kriminalbeamten Axel Kühn ergeben, der am Donnerstag als Zeuge vor dem 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) des Bundestages seine Aussage gemacht hat.

Kühn war noch bis vor einem Jahr einer der leitenden Ermittler des BKA in dem Fall. Er gehörte dem Führungsstab der sogenannten Besonderen Aufbauorganisation "BAO Trio" an, die im Zuge der Enttarnung des NSU im November 2011 gegründet worden war. Für die BAO arbeiteten zwischenzeitlich rund 400 Beamte. Im September 2012 wurde die BAO zur sogenannten Ermittlungsgruppe "EG Trio" umstrukturiert und deutlich verkleinert. Dieser stand Kühn bis vor einem Jahr als kommissarischer Leiter vor.

Wie Kühn in seinem Eingangsstatement ausführlich berichtete, seien im Rahmen der BAO und EG rund 1.500 neue Hinweise bearbeitet, 7.000 Asservate noch einmal neu ausgewertet und mehr als einhundert Zeugen noch einmal neu vernommen worden. "Es wurde umfassend in alle Richtungen ermittelt", versicherte Kühn. Neue Ermittlungsansätze hätten sich trotz des immensen Aufwands aber nicht ergeben.

Ein Ermittlungskomplex, dem man besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe, sei unter anderem die Suche nach weiteren geheimen Depots oder konspirativen Wohnungen des Trios gewesen, berichtete Kühn. Anlass dafür sei gewesen, dass sich in dem Kartenmaterial, dass das Trio zum Ausspähen seiner Anschlagsziele benutzt hat, viele Markierungen und Notizen finden, die sich bis heute nicht erklären ließen. Diese Frage ist zentral, weil nach wie vor nicht rekonstruierbar ist, wo sich die NSU-Mitglieder Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die meiste Zeit aufhielten und ob sie tatsächlich über die gesamte Dauer ihrer Verbrechensserie zusammen gelebt haben. Der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU) führte aus, dass die NSU-Mitglieder rund 4.700 Tage im Untergrund gelebt haben, über ihre Aktivitäten an rund 4.500 dieser Tagen wisse man praktisch nichts.

Daran änderte sich auch in den kommenden viereinhalb Stunden der Befragung des Zeugen nichts, obwohl Kühn sich bemüht zeigte, die Fragen des Ausschusses nach bestem Wissen zu beantworten. Die Abgeordneten konfrontierten Kühn mit einer Vielzahl unterschiedlicher Unstimmigkeiten und Ermittlungsansätzen im NSU-Komplex. Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster fragte Kühn etwa nach Erkenntnissen zum Intimverhältnis der drei Terroristen. Kühn antwortete: Nach allem, was er wisse, seien Mundlos und Zschäpe in den 1990er Jahren ein Paar gewesen, danach soll Zschäpe mit Böhnhardt zusammen gewesen sein. Womöglich habe es auch eine wechselnde Beziehungskonstellation gegeben. Inwieweit das Trio während seiner Zeit im Untergrund noch weitere Liebesbeziehungen zu anderen Personen pflegten, sei nicht bekannt. Ob ihm denn die womöglich pädophile Neigung Uwe Böhnhardts vor dem jüngsten DNA-Fund im Mordfall Peggy Knobloch bekannt gewesen sei, hakte Schuster nach. Das verneinte Kühn.

Intensiv diskutierten die Abgeordneten mit Kühn die Hypothese, dass der NSU seine Morde womöglich im Auftrag anderer ausgeführt habe. Insbesondere ging es hierbei um den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Dieser Mord fällt, wie Kühn selbst bemerkte, nach wie vor aus der Reihe der neun weiteren Morde des NSU an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern. Über die Hintergründe dieser Tat konnte Kühn nur mutmaßen. Seiner Meinung nach sei es um die Waffen der Beamten gegangen, der NSU habe sich vermutlich "höherwertig bewaffnen" wollen. Die Auswahl des Tatorts und der Opfer sei allen Erkenntnissen nach zufällig geschehen. An dieser These, die im Übrigen auch im Münchner NSU-Prozess von der Bundesanwaltschaft vertreten wird, äußerten die Abgeordneten in der Vergangenheit mehrfach Zweifel. Auch scheint fraglich, ob tatsächlich, wie bisher angenommen, Böhnhardt und Mundlos die Tat alleine ausführten oder ob es nicht weitere Mittäter gab, wie mehrere Zeugenaussagen nahelegen.

Die Ermittlungen etwa zu möglichen Unterstützern des Trios würden andauern, versicherte Kühn. Die EG Trio arbeite weiterhin kontinuierlich an dem Fall und sei wegen der jüngsten Verquickung mit dem Mordfall Peggy zuletzt personell wieder aufgestockt worden. Obwohl Kühn also wenig Neues berichten konnte, nahm er mehrere Hinweise des Ausschusses mit und versprach, diese an die zuständigen Kollegen zu übermitteln.

Der 3. Untersuchungsausschuss soll offene Fragen zur Arbeit der staatlichen Behörden bei den Ermittlungen im Umfeld der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) klären und Handlungsempfehlungen erarbeiten.

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2. Maschmeyer vor Cum/Ex-Ausschuss

4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex)/Ausschuss

Berlin: (hib/MWO) Der Unternehmer Carsten Maschmeyer hat nach eigener Darstellung wissentlich nie Geld in die umstrittenen Cum/Ex-Geschäfte gesteckt. Wie Maschmeyer am Donnerstag im 4. Untersuchungsausschuss des Bundestages sagte, investierte er mehrfach in von der Schweizer Bank Safra Sarasin vermittelte Fonds, ohne über die Konstruktionen dieser Fonds aufgeklärt worden zu sein. Insgesamt hätten er, seine Familie und ein Freund 55 Millionen eingezahlt. Die Aussage Maschmeyers war mit großer Spannung erwartet worden, weil sich der Ausschuss Einblicke in die Abläufe der Deals erwartete, mit denen dem Fiskus auf dem Wege von Steuerrückerstattungen Milliardeneinnahmen entgangen sein sollen.

Wie Maschmeyer erläuterte, bekam er von der Schweizer Bank Sara Sarasin 2010 ein Angebot, in Aktiendividendenfonds zu investieren. Diese Angebot sei neben einer Rendite von acht bis zehn Prozent dadurch schmackhaft gemacht worden, dass die eingezahlte Summe durch eine Versicherung garantiert sei. Außerdem werde der Fonds bald geschlossen. Er habe das Angebot angenommen, weil der er Bank seit vielen Jahren vertraut habe und ein freundschaftliches Verhältnis mit Eric Sarasin hatte. Als er das Geld 2012 zurückhaben wollte, sei die Hälfte verschwunden gewesen, und man wisse bis heute nicht, wohin. Die Bank habe ihm seine Verluste aber erstattet. Er habe den Verdacht, so Maschmeyer, dass das verschwundene Geld in dubiose Steuerkonstruktionen der Bank angezeigt worden sei. Er habe daraufhin eine Strafanzeige wegen Betruges gegen Sarasin gestellt.

Von den Cum/Ex-Geschäften habe er erstmals gehört, als in der Presse im Herbst 2010 über den ähnlich gelagerten Fall Roth berichtet worden sei. Ihm sei aber schriftlich zugesichert worden, dass die Fonds, in die er investiert habe, nichts mit Cum/Ex zu tun gehabt hätten. Es habe keine Absprachen und keine Leerverkäufe gegeben. Für ihn sei ausschlaggebend gewesen, dass er mit seinen Investments kein Geld habe verlieren können. Die steuerliche Seite habe ihn nicht interessiert, da er davon keine Ahnung habe. Er habe auch keine Unterlagen erhalten und keinen Prospekt gesehen, sagte der Unternehmer. Anderslautende Aussagen, er habe genauestens Bescheid gewusst, träfen nicht zu. Ein Berater von Sarasin, der dies verbreite, sei ein überführter Lügner. Hätte er die Hintergründe gekannt, hätte niemals in solche Fonds investiert, so Maschmeyer. Aus seiner Sicht gehe es um Betrug, "hier sind wir betrogen worden", sagte er.

Mit dem Berater Hanno Berger, der als treibende Kraft bei den Geschäften eingeschätzt wird, habe er 2010 nur einmal Kontakt gehabt, dessen Angebot aber nicht angenommen, sagte Maschmeyer weiter. Auch damals sei kein Wort zu Cum/Ex gefallen. Er habe auch nicht, wie kolportiert, die Fonds weiter vermittelt und weder Provisionen angeboten bekommen noch erhalten. Die Notwendigkeit, Gutachten erstellen zu lassen, habe er nicht gesehen, da er der Bank ja vertraute. Erst später im Zuge der Aufarbeitung und seiner Anzeige sei er an Gutachten gekommen. Bei den Investitionen handelte es sich Maschmeyer zufolge um einmal zehn und einmal fünf Millionen Euro sowie um noch einmal 40 Millionen Euro, die von seinen Söhnen, ihm selbst, seiner ehemaligen Ehefrau, seiner jetzigen Ehefrau und seinem Freund Mirko Slomka gestammt hätten. Er habe das Geld eingesammelt und überwiesen, und als es nicht zurückgezahlt worden sei, habe er es den Investoren aus eigener Tasche erstattet. Denn er habe die Investitionen empfohlen. An andere Personen habe er die Fonds aber nicht vermittelt.

Zu Beginn der Sitzung teilte der Ausschussvorsitzende Hans-Ulrich Krüger (SPD) mit, dass gegen die Wirtschaftsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer ein Durchsuchungsbeschluss beantragt worden sei. Es sei das erste Mal in der Geschichte des Bundestages, dass eine solche Maßnahme ergriffen werde. Hintergrund sei, dass die Kanzlei als externer rechtlicher Berater eine Schlüsselrolle gespielt habe und nicht bereit sei, freiwillig Unterlagen herauszugeben. Die Kanzlei hatte nach Angaben aus dem Ausschuss Gutachten oder Rechtsbewertungen zu Cum/Ex-Fällen erstellt, die dem Gremium aber nicht vorliegen. Die beiden Anwälte Thomas Wiesenbart und Ulf Johannemann von Freshfields Bruckhaus Deringer sollten am Donnerstag als erste der insgesamt neun Zeugen vernommen werden. Deren Vernehmung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Zwei weitere Zeugen - die Berater Hanno Berger und Kai-Uwe Steck - erschienen nicht. Sie leben in der Schweiz und konnten Krüger zufolge nicht geladen werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 691 - 24. November 2016 - 18.06 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2016

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