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BUNDESTAG/6442: Heute im Bundestag Nr. 194 - 27.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 194
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 27. März 2017, Redaktionsschluss: 14.33 Uhr

1. Zugverkehr bei Stuttgart-Zuffenhausen
2. Kritik an geplanter Datenschutz-Novelle
3. Fortsetzung der EU-Mission Atalanta
4. Bundeswehr soll weiter in Mali ausbilden
5. Wahhabismus und Jihadismus
6. Bis zu eine Million Migranten in Libyen


1. Zugverkehr bei Stuttgart-Zuffenhausen

Verkehr und digitale Infrastruktur/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HAU) Nach der Verkehrsbelastung auf der Zugstrecke zwischen Stuttgart-Feuerbach und Stuttgart-Zuffenhausen erkundigt sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (18/11542). Die Abgeordneten nehmen darin Bezug auf die Antwort der Bundesregierung (18/10925) auf eine frühere Anfrage der Grünen. Darin schreibt die Regierung, auf dem viergleisigen Streckenabschnitt zwischen Stuttgart-Zuffenhausen und Stuttgart-Feuerbach lägen derzeit keine Überlastungen vor. Aus der durchgeführten Engpassanalyse beim angenommenen Bedienungsangebot seien keine Engpässe ersichtlich, durch die ein weiterer Ausbau gerechtfertigt sei.

Wie die Grünen in ihrer aktuellen Anfrage schreiben, räume die Bundesregierung in der Antwort ein, dass keinerlei Restkapazitäten für eine Ausweitung des Zugangebotes während der Spitzenzeiten bestünden. Für den Raum Stuttgart sei jedoch ab dem Fahrplanjahr 2018 die schrittweise Einführung mehrerer Metropolexpresslinien sowie die Verdichtung der Interregio-Express-Linie Karlsruhe - Stuttgart vorgesehen, die das bisherige Nahverkehrsangebot auf der Schiene weiter verdichten sollen, heißt es in der Vorlage. Die Grünen fragen nun, inwiefern in den Zugzahlen des Nahverkehrs in der Verkehrsprognose BVWP 2030 für den Streckenabschnitt Stuttgart-Zuffenhausen - Stuttgart-Feuerbach diese Änderungen enthalten seien.

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2. Kritik an geplanter Datenschutz-Novelle

Inneres/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Der Entwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in deutsches Recht (18/11325) hat unter Sachverständigen ein kritisches Echo gefunden. In einer Anhörung des Innenausschusses wurden am Montag unter anderem die vorgesehenen Einschränkungen der Rechte von Betroffenen bemängelt, mit denen der Entwurf hinter geltendes deutsches Recht zurückfalle, aber möglicherweise auch den Anforderungen der europäischen Verordnung nicht gerecht werde. Die Datenschutz-Grundverordnung wurde im April vorigen Jahres vom Europaparlament verabschiedet und trat am 24. Mai 2016 mit der Maßgabe in Kraft, dass die EU-Mitgliedstaaten sie spätestens innerhalb von zwei Jahren in die eigene Gesetzgebung zu übernehmen haben. Damit wird in Deutschland das bisherige Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) abgelöst.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Andrea Voßhoff, räumte als Sachverständige in der Anhörung ein, der Regierungsentwurf sei "sicherlich das Ergebnis intensiver Beratungen". Er enthalte auch gegenüber früheren Fassungen durchaus Verbesserungen. "Gleichwohl sehe ich deutlichen Nachbesserungsbedarf", sagte Voßhoff. Sie nannte als wesentliche Kritikpunkte die Einschränkung von Betroffenenrechten, die Regelung der Vertretung deutscher Datenschutzbelange auf europäischer Ebene, namentlich die über den Entwurf noch hinausgehenden Forderungen der Länder zu diesem Thema, und die geplante Beschneidung der Kompetenzen der Datenschutzbeauftragten selbst gegenüber dem Bundesnachrichtendienst (BND).

Als unzulässig bewertete Voßhoff die vorgesehene Regelung, dass Ansprüche von Betroffenen auf Auskunft oder auf Löschung ihrer Daten nicht nur gegenüber öffentlichen Interessen, sondern auch gegenüber "allgemein anerkannten Geschäftszwecken" von Unternehmen zurückzustehen haben: "Über die Beschränkung von Betroffenenrechten sollte durchaus noch nachgedacht werden." Voßhoff wandte sich auch gegen eine ihrer Ansicht nach übermäßige Ausweitung des Einflusses der Länder im künftigen Europäischen Datenschutzausschuss. Dem Entwurf zufolge sollen die Länder mitwirkungsberechtigt sein, wenn ihre Kernkompetenzen Bildung, Kultur, Rundfunk berührt sind. Der Bundesrat verlange darüber hinaus ein Mitspracherecht in allen Bereichen, in denen eine sachliche Zuständigkeit der Länder vorliege. Damit werde "die Rolle des Bundes marginalisiert, sagte sagte Voßhoff. Als verfassungswidrig kritisierte sie schließlich die Regelung, dass sie selbst in Datenschutzfragen, die den BND betreffen, künftig nur noch gegenüber der Bundesregierung sowie mit deren Zustimmung gegenüber direkt zuständigen Gremien, nicht mehr aber gegenüber dem Bundestag zu Stellungnahmen befugt sein soll.

Voßhoffs Vorgänger Peter Schaar erinnerte an die Ziele der europäischen Verordnung, die der Harmonisierung des Datenschutzrechts, der Stärkung von Betroffenenrechten und der besseren Datenschutzaufsicht dienen solle. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würden diese Anliegen "nicht gut erreicht", monierte Schaar. Zwar enthalte die europäische Verordnung durchaus auch Regelungsspielräume für den nationalen Gesetzgeber, doch habe die Bundesregierung diese in vielen Punkten deutlich überdehnt. Namentlich erwähnte Schaar, dass künftig "sämtliche Berufsgeheimnisträger weitgehend von Kontrollen ausgenommen" würden. Dies widerspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, dass es im Datenschutz "keine kontrollfreien Räume" geben dürfe.

"Deutschland hat eine große Datenschutztradition", sagte Schaar. "Wir hatten das erste Datenschutzgesetz der Welt. Wir haben hier einen Ruf zu verlieren." Es sei zu befürchten, dass andere EU-Mitgliedsstaaten sich von dem deutschen Gesetz, wenn es in der vorliegenden Fassung verabschiedet werde, negativ inspirieren lassen.

Für die "Verbraucherzentrale Bundesverband" nannte deren Vertreterin Lina Ehrig die europaweite Harmonisierung des Datenschutzrechts einen "Riesengewinn", Sie begrüßte auch, dass "einer der größten Kritikpunkte", nämlich die Bestimmung, dass auch "nicht-öffentliche Stellen" den Verarbeitungszweck gespeicherter Daten nachträglich ändern können sollten, aus dem Entwurf gestrichen wurde. Doch bleibe dieser in anderer Hinsicht noch immer hinter dem Schutzniveau der europäischen Verordnung zurück. Ehrig erwähnte unter anderem, dass Ansprüche Betroffener auf Auskünfte oder Löschung von Daten eingeschränkt werden können, wenn sie nur mit "unverhältnismäßigem Aufwand" zu erfüllen seien.

Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Mecklenburg-Vorpommerns, Karsten Neumann, nannte es bedauerlich, dass die bisher geltende Regel, der zufolge jeder das Recht hat, auch ohne konkreten Anlass von Unternehmen Auskünfte über gespeicherte Datenbestände zu verlangen, entfallen soll. Der Datenschutzanwalt Carlo Piltz warnte vor Rechtsunsicherheit, wenn das deutsch Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden könne.

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3. Fortsetzung der EU-Mission Atalanta

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Bundeswehr soll sich weiterhin an der EU-Mission Atalanta vor der Küste Somalias beteiligen. Hauptaufgabe bleibe die Verhinderung und Abschreckung von Piraterieangriffen am Horn von Afrika, heißt es im Antrag (18/11621) der Bundesregierung.

Die Bedrohung durch Piraterie in der Region habe in den letzten Jahren zwar aufgrund des Engagements der internationalen Gemeinschaft stark abgenommen. Dies sei auf mehrere Faktoren zurückzuführen, zu denen neben der militärischen Präsenz auch durch Selbstschutzmaßnahmen der Industrie, einschließlich des Einsatzes privater bewaffneter Sicherheitsteams an Bord von Handelsschiffen, zählen würden. "Für eine nachhaltige Sicherung der Freiheit der Seewege kommt es nun vor allem darauf an, den Fortschritt beim Aufbau staatlicher Strukturen in Somalia, einschließlich des Aufbaus der Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden an Land und zur See, weiter voranzutreiben", schreibt die Bundesregierung. Ziel bleibe, die somalischen Behörden in die Lage zu versetzen, die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet einschließlich des angrenzenden Küstenmeers autonom auszuüben. "Die demokratischen Fortschritte bei den Parlamentswahlen und der abschließenden Wahl des neuen somalischen Präsidenten am 8. Februar 2017 sind ermutigende Teilerfolge."

Einsatzgebiet von Atalanta sind laut Antrag die somalischen Küstengebieten sowie Meeresgebiete vor der Küste Somalias und der Nachbarländer. Die bis zu 600 entsendeten Bundeswehrsoldaten dürften außerdem bis zu einer Tiefe von maximal 2.000 Metern gegen logistische Einrichtungen der Piraten am Strand Somalias vorgehen. "Sie werden hierfür nicht am Boden eingesetzt", heißt es im Antragstext weiter. Der Einsatz erfolge auf Grundlage des UN-Seerechtsübereinkommens von 1982 in Verbindung mit mehreren Resolutionen des UN-Sicherheitsrates sowie Beschlüssen des Rates der EU. Er ist befristet bis Ende Mai 2018, die Kosten beziffert die Bundesregierung auf knapp 63 Millionen Euro.

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4. Bundeswehr soll weiter in Mali ausbilden

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Bundeswehr soll sich ein weiteres Jahr im Rahmen der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Mali (European Union Training Mission Mali) beteiligen. Wie die Bundesregierung in ihrem Antrag schreibt (18/11628) sollen weiterhin bis zu 300 Bundeswehrsoldaten entsendet werden, zu deren Aufgaben vor allem die Beratung des malischen Verteidigungsministeriums und die Ausbildung malischer Sicherheitskräfte und solcher der G5-Sahel-Staaten (Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad) gehören. Im Kern ziele die Mission darauf, das malische Militär zu befähigen, künftig selbst für Stabilität und Sicherheit im Land zu sorgen. Eine Begleitung oder direkte Unterstützung der malischen Streitkräfte bei Kampfeinsätzen sowie eine entsprechende Unterstützung der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (MINUSMA) bleibe ausgeschlossen. Der Einsatz erfolge auf Ersuchen der malischen Regierung sowie auf Grundlage entsprechender Beschlüsse des Rates der Europäischen Union in Verbindung mit sechs Resolutionen des UN-Sicherheitsrates. Das Mandat der Mission ist befristet bis Ende Mai 2018. Die Kosten beziffert die Bundesregierung auf knapp 24,4 Millionen Euro.

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5. Wahhabismus und Jihadismus

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung sieht keine Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen der Verbreitung der staatstragenden wahhabitischen Lehre Saudi-Arabiens durch religiöse und wohltätige Einrichtungen und der verstärkten Resonanz von Al-Qaida und "Islamischen Staat" (IS). Die wahhabitische Interpretation des Islam lehne die Vorstellungen dieser Organisationen strikt ab, heißt es in der Antwort (18/11389) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/11067). "Zwischen den wahhabitischen beziehungsweise salafitischen Gelehrten, Predigern und Organisationen Saudi-Arabiens und jihadistischen Organisationen wie IS und Al-Qaida besteht eine teils offene Feindschaft." So rufe der IS regelmäßig zur Ermordung von Predigern auf, die sich gegenüber dem Königshaus loyal positionieren würden. Saudi-Arabien habe wiederum in den vergangenen Jahren wahhabitische "Deradikalisierungsprogramme" für Jihadisten entwickelt und sich öffentlich gegen den IS und Al-Qaida positioniert.

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6. Bis zu eine Million Migranten in Libyen

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Das Konzept des ersten Asylstaats oder des sicheren Drittstaates im Sinne der EU-Asylverfahrensrichtlinie wird derzeit mit Blick auf Libyen von keinem EU-Mitgliedstaat angewendet. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/11452) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/11224) weiter schreibt, ist es nicht vorgesehen, "Personen nach Libyen zurückzuführen, die zwischen der italienischen und libyschen Küste durch Schiffe der Operation EUNAVFOR MED Sophia aus Seenot gerettet werden".

Als plausibel wird in der Antwort zudem die Schätzung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bezeichnet, nach denen sich zwischen 700.000 und einer Million Migranten in Libyen aufhalten, die meisten aus Ägypten, dem Niger, Sudan, Nigeria, Bangladesch, Syrien und Mali. Die Schätzung umfasse "auch solche Ausländer, die in Libyen einer Arbeitstätigkeit nachgehen und keine Weiterwanderung anstreben".

Die Bundesregierung berichtet zudem von 21 offiziellen Haftzentren ("detention centers"), die dem libyschen Innenministerium und seinem "Department for Combatting Illegal Migration" unterstehen. Unter den "gegebenen sehr schwierigen Umständen" leiste die Bundesregierung in Absprache mit EU-Partnern über in Libyen tätige internationale Organisationen wie dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und IOM Hilfe, um die Zustände in den Haftzentren zu verbessern.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 194 - 27. März 2017 - 14.33 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2017

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