Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/6563: Heute im Bundestag Nr. 316 - 17.05.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 316
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 17. Mai 2017, Redaktionsschluss: 14.50 Uhr

1. Finanz-TÜV umstritten
2. Löschpflicht für Internet-Plattformen
3. Härtere Strafen für Wohnungseinbrüche
4. Beschleunigung von Asylverfahren


1. Finanz-TÜV umstritten

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Banken und Investmentverbände haben die Einführung eines Finanz-TÜV, der neue Finanzprodukte vor deren Einführung überprüfen könnte, strikt abgelehnt. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch warnte der Fondsverband BVI vor einer "Doppelregulierung" und erklärte, die Einführung einer solchen Einrichtung würde in der Fondsbranche "zu inadäquaten Doppelbelastungen und einer Überregulierung führen, ohne einen nennenswerten Mehrwert für Kleinanleger und die Finanzmarktstabilität zu entfalten".

Die Deutsche Kreditwirtschaft sprach sich ebenfalls gegen die Einführung eines generellen Finanz-TÜV aus. Es bestehe ein dichtes Regulierungsgeflecht. Für Informationstransparenz sei durch eine Vielzahl neuer Bestimmungengesorgt. Dadurch würden Anleger in die Lage versetzt, auch neue Produkte beurteilen zu können. "Es dürfen, gerade auch angesichts des hohen zusätzlichen Bedarfs an privater Vorsorge in den nächsten Jahren und Jahrzehnten, nicht noch mehr bürokratische und finanzielle Hürden aufgebaut werden", warnte die Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Bankenverbände. Unterstützung bekamen die Institute von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die allein im letzten Jahr 3,2 Millionen Finanzprodukte registrierte. Ein Finanz-TÜV würde nach Ansicht der BaFin einen hohen bürokratischen Aufwand mit sich bringen und enorme Kapazitäten binden.

Grundlage der Anhörung war ein Antrag der Fraktion Die Linke (18/9709). Durch die Einführung des Finanz-TÜV soll für alle Finanzprodukte eine europaweite obligatorische Zulassungsprüfung eingeführt werden. Der Finanz-TÜV soll über Zulassung oder Nichtzulassung einer Anlage entscheiden und dabei die Zulassung entlang "gesellschaftlicher/volkswirtschaftlicher sowie verbraucherschutzrelevanter Kriterien prüfen", verlangt die Fraktion. Der Finanz-TÜV solle bei der Europäischen Behörde für Wertpapieraufsicht angesiedelt werden. Nur von diesem Finanz-TÜV genehmigte Produkte dürften gehandelt werden. In die Neuregelung sollen auch Produkte des grauen Kapitalmarkts einbezogen werden. Die Fraktion erinnert an die Versprechen der G20-Länder auf dem Höhepunkt der Finanzkrise von 2008, dass kein Finanzplatz, kein Finanzprodukt und kein Finanzakteur unreguliert bleiben solle. "Doch umgesetzt wurde dies nicht", wird festgestellt.

Rechtsanwalt Peter Mattil, dessen Kanzlei geschädigte Anleger vertritt, befürwortete den Finanz-TÜV ausdrücklich. "Wenn ein Anlageprodukt einmal im Markt ist, verbreitet es sich so schnell, dass die Aufsichtsbehörde gegen eine Lawine ankämpfen muss", sagte der Anwalt, nach dessen Ansicht sich "Monster am Markt" entwickelt hätten. Er erinnerte an die sogenannten Bonitätsanleihen. Vor dem Einschreiten der Aufsichtsbehörde BaFin seien bereits Anleihen mit einem Volumen von sechs Milliarden Euro abgesetzt worden. Diese Bonitätsanleihen seien nur eine von unzähligen Zertifikate-Arten, "die verboten gehören". Bereits bei Erfindung dieses Segments hätte ein Finanz-TÜV eine Erlaubnis für diejenigen Zertifikate verweigern müssen, "die unbeherrschbar oder willkürlich erscheinen und an Privatanleger verkauft werden". Im Zuge der Finanzkrise hätten 50.000 Deutsche ihre in Lehman-Zertifikaten steckenden Sparguthaben verloren. "Ein Produktverbot wäre zu spät gekommen", so Mattil. Auch die in jüngster Zeit beliebt gewordenen ETF-Produkte (Exchange Traded Fund) hätten "sowohl einer Prüfung hinsichtlich der Verbraucherverträglichkeit als auch der Stabilität des Finanzsystems bedurft". Manche der jetzt intensiv beworbenen ETF-Fonds seien "synthetisch" - das heißt, die angegebenen Wertpapiere seien in diesen Fonds gar nicht enthalten.

Professor Rudolf Hickel (Universität Bremen) widersprach der Ansicht der Banken, ein Finanz-TÜV wäre wegen der vielen anderen Regelungen überflüssig. Derzeit sei jedes Finanzmarktinstrument unkontrolliert am Markt handelbar, soweit es nicht explizit verboten sei. Diese Praxis erlaube das Angebot höchst riskanter Anlageprodukte. Hier könne ein Finanz-TÜV durch ein vorgeschaltetes Genehmigungsverfahren der Anlageprodukte Transparenz schaffen. Hickel verwies auf die Differenzkontrakte (Contract for difference), bei denen Anleger hohe Nachschusspflichten drohten. Dagegen sei die BaFin eingeschritten. Neue Finanzprodukte müssten präventiv einer obligatorischen Zulassungsprüfung vergleichbar mit Arzneimitteln unterzogen werden. Die Verbraucherzentrale (Bundesverband) kritisierte Finanzprodukte mit Nachschusspflichten. Diese machten für Privatkunden keinen Sinn. Es sollte definiert werden, welche Produktkategorieren für Privatkunden nicht geeignet seien: "Es gibt Produkte, die für ein Lieschen Müller ungeeignet sind", so Lars Gatschke von der Verbraucherzentrale.

Ob ein Finanzprodukt schädlich sei, sei bei den meisten Produkten nicht pauschal und vor allem nicht von Vornherein bestimmbar, sagte Dirk Ulbricht vom Institut für Finanzdienstleistungen. Es hänge davon ab, wer das jeweilige Produkt für welche Zwecke einsetze. Ein Finanz-TÜV sei nicht das effizienteste Mittel, um schädlichen Produkten Herr zu werden. Ulbricht forderte eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes, etwa eine bessere Datenlage zu Finanzprodukten und systematische Verkaufstests (Mystery Shopping).

"Bei uns hat kein Kunde Geld verloren", stellte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) im Rückblick auf die Finanzkrise fest. Die Versicherungen würden den Kunden Garantien bieten, so der GdV, der den Finanz-TÜV ebenso ablehnte wie der Bundesverband Deutscher Vermögensberater, dessen Mitglieder ihren Kunden keine Produkte des grauen Kapitalmarkts und auch keine Derivate vermitteln würden.

*

2. Löschpflicht für Internet-Plattformen

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PST) Sogenannte soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sollen unter Androhung von Bußgeldern verpflichtet werden, Hinweise auf strafbare Inhalte zügig zu bearbeiten und diese gegebenenfalls zu löschen. Dies sieht ein Entwurf der Bundesregierung (18/12356) für ein "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG)" vor. Wie es in der Begründung heißt, reagiert der Staat damit auf eine "zunehmende Verbreitung von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook, YouTube und Twitter".

Wie die Bundesregierung weiter schreibt, hätten die Unternehmen eine mit ihr vereinbarte Selbstverpflichtung teilweise nur unzureichend umgesetzt, anwenderfreundliche Mechanismen zur Meldung kritischer Beiträge einzurichten und die Mehrzahl der gemeldeten Beiträge mit sprachlich und juristisch qualifizierten Teams innerhalb von 24 Stunden zu prüfen und zu löschen, falls diese gegen deutsches Recht verstoßen. Ein von jugendschutz.net durchgeführtes Montoring der Löschpraxis sozialer Netzwerke vom Januar/Februar 2017 habe ergeben, dass lediglich YouTube 90 Prozent der strafbaren Inhalte gelöscht habe, Facebook hingegen nur 39 Prozent und Twitter sogar nur ein Prozent.

Mit dem neuen Gesetz sollen die Plattformbetreiber verpflichtet werden, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden vorzuhalten, das für Nutzer leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar ist. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen demzufolge in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt beziehungsweise gesperrt sowie zu Beweiszwecken gesichert werden. Dies gilt auch für sämtliche auf den Plattformen befindliche Kopien dieser Inhalte. Vierteljährlich müssen die Betreiber einen Bericht über ihren Umgang mit Beschwerden veröffentlichen. Dieser Bericht muss auf der eigenen Homepage leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein.

Für Verstöße gegen diese Bestimmungen sieht der Gesetzentwurf Bußgelder bis zur Höhe von fünf Millionen Euro vor. Ausdrücklich heißt es: "Die Ordnungswidrigkeit kann auch dann geahndet werden, wenn sie nicht im Inland begangen wird." Zur Klärung, ob ein nicht gelöschter Inhalt tatsächlich rechtswidrig ist, muss das für die Durchführung zuständige Bundesamt für Justiz vor Verhängung des Bußgeldes eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Diese soll nicht anfechtbar und für die Verwaltungsbehörde bindend sein. Für den Umgang mit den deutschen Behörden und Gerichten müssen die Plattformbetreiber einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen.

*

3. Härtere Strafen für Wohnungseinbrüche

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PST) Die Koalitionsfraktionen haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches (18/12359) eingebracht, nach dem Wohnungseinbrüche härter bestraft werden sollen. Zudem soll die Fahndung nach Einbrechern durch Nutzung der Vorratsdatenspeicherung erleichtert werden. Das Plenum wird den Gesetzentwurf am morgigen Freitag in erster Lesung beraten.

Bisher sieht das Strafgesetzbuch für den Wohnungseinbruchdiebstahl eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Die Neuregelung soll einen neuen Straftatbestand des Einbruchdiebstahls in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung schaffen. Bei ihm soll kein minder schwerer Fall mehr möglich sein sowie die Mindeststrafe ein Jahr betragen. CDU/CSU- und SPD-Fraktion begründen dies damit, dass Wohnungseinbruchdiebstähle "einen schwerwiegenden Eingriff in den persönlichen Lebensbereich von Bürgern" darstellten, der "neben den finanziellen Auswirkungen gravierende psychische Folgen und eine massive Schädigung des Sicherheitsgefühls zur Folge haben kann". Dem werde der geltende Strafrahmen nicht gerecht.

Mit der Neuregelung kann der Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nicht mehr als Vergehen gewertet werden, sondern gilt in jedem Fall als Verbrechen. Ein Aussetzen der Strafe zur Bewährung ist damit ausgeschlossen, die Haft muss in jedem Fall angetreten werden. Durch die Ermöglichung einer rückwirkenden Funkzellenabfrage bei Einbrüchen in dauerhaft genutzte Privatwohnungen soll zudem die Fahndung nach Einbrechern, insbesondere Einbrecherbanden erleichtert werden.

*

4. Beschleunigung von Asylverfahren

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PST) Die Grünen wollen durch Veränderungen im Instanzenweg eine Beschleunigung von Asylverfahren erreichen. Dazu haben sie einen Gesetzenwurf (18/12360) eingebracht, der am morgigen Donnerstag im vereinfachten Verfahren, das heißt ohne Aussprache, an die Ausschüsse überwiesen werden soll. Wegen fehlender Berufungs- und Revisionsmöglichkeiten fehle es derzeit im Asylrecht an einer obergerichtlichen Klärung elementarer Rechtsfragen, schreibt die Fraktion. Die Folge sei, dass "gleichgelagerte Fälle immer wieder neu entschieden werden und divergierende erstinstanzliche Entscheidungen Rechtsunsicherheit auslösen".

Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung sollen in Asylverfahren, so wie schon jetzt im sonstigen Verwaltungsrecht, die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht, die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht und Beschwerdemöglichkeiten in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eingeführt werden. Die Grünen beziehen sich auf einen Vorschlag des Bundesrates, den sie mit ihrem Gesetzentwurf aufgriffen.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 316 - 17. Mai 2017 - 14.50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang