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BUNDESTAG/7096: Heute im Bundestag Nr. 245 - 18.04.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 245
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 18. April 2018, Redaktionsschluss: 17.54 Uhr

1. Reaktionen auf Echo-Verleihung
2. DOSB will mehr Einfluss auf Sporthaushalt
3. Behindertengerechte Tourismus-Betriebe
4. Lebensmittel als Rekrutierungswaffe


1. Reaktionen auf Echo-Verleihung

Kultur und Medien/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will in den kommenden vier Jahren die Förderung der Kultur in ländlichen und strukturschwachen Regionen Deutschlands verstärken. Dies kündigte sie am Mittwoch vor dem Ausschuss für Kultur und Medien an. Als weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit in dieser Legislaturperiode nannte sie die kulturelle Bildung, eine geschlechtergerechte Kulturförderung, die soziale Lage von Künstlern und Kreativen, die Einbeziehung der DDR-Geschichte und des Kolonialismus in die Provenienzforschung sowie eine finanziell bessere Ausstattung des Auslandssender Deutsche Welle. Grütters stellte dem Ausschuss die Vorhaben der Großen Koalition vor und stellte sich den Nachfragen der Parlamentarier.

Vertreter der beiden Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD betonten, dass die Freiheit der Kultur und Presse, deren Verteidigung und Förderung weiterhin das oberste Leitbild für die Kultur- und Medienpolitik in Deutschland sein muss. Allerdings, so wurde von Seiten der Union eingeschränkt, zeige die umstrittene Verleihung des Echos an die Rapper Kollegah und Farid Bang, dass diese Freiheit auch Grenzen kenne. "Antisemitische und frauenfeindliche Texte" dürften nicht noch mit Preisen bedacht werden. Der Ausschuss müsse sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Die SPD- und die FDP-Fraktion gingen ebenfalls auf die Echo-Verleihung ein. Diese zeige, wie wichtig die kulturelle Bildung und die Erinnerungskultur seien und Hand in Hand gingen, hieß es aus den Reihen der Sozialdemokraten und Freidemokraten. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen regte an, den Vorsitzenden des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke, in den Kulturausschuss einzuladen, um mit ihm über die Vergabe des Musikpreises zu sprechen.

Auch die Linksfraktion bekannte sich zur Freiheit von Kultur und Presse. Allerdings sei dieses Freiheit nur dann zu realisieren, wenn Künstler und Kreative auch von ihrer Arbeit leben könnten.

Die AfD-Fraktion monierte, dass die Förderung zeitgenössischer Kunst in vielen ideologiegeleitet sei. Themen wie Gender und Postkolonialismus würden einseitig gefördert, um Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Zudem würde die nationalsozialistische Vergangenheit zu oft in den Mittelpunkt der Erinnerungkultur gestellt. Es dürfe zwar kein Schlussstrich unter die NS-Geschichte gezogen werden, umgekehrt werde aber in der öffentlichen Debatte sehr oft vorschnell die "Nazi-Keule" geschwungen. Dies aber stehe im Widerspruch zur Freiheit von Kunst und Kultur.

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2. DOSB will mehr Einfluss auf Sporthaushalt

Sport/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) haben am Mittwoch den Sportausschuss über den aktuellen Stand bei der Umsetzung der Reform der Spitzensportförderung informiert. Dirk Schimmelpfennig, im DOSB-Vorstand für den Leistungssport zuständig, machte vor den Abgeordneten deutlich, dass die Leistungssportreform deutlich mehr Verbesserungsansätze habe als nur das neue Potenzialanalysesystem PotAS. Künftig würden Athleten und Trainer stärker in den Vordergrund gerückt. Neu sei auch die "prospektische Ausrichtung" der Förderung, die sich nicht mehr an zurückliegenden Erfolgen orientiere.

Was die Umsetzung der Reform angeht, so seien bislang die Kaderathleten "reduziert und konzentriert" worden. Für die zukünftige Stützpunktstruktur laufe derzeit das Anerkennungsverfahren, welches bis 30. Juni 2018 abgeschlossen sein soll, sagte Schimmelpfennig. Noch nicht entscheidend vorangekommen sei man bei dem Thema Nachwuchsförderung, weil noch Unklarheit über die Landesstützpunkte bestehe, die erst festgelegt würden, wenn klar sei, wo es Bundesstützpunkte gebe. Auch bei den Personalstrukturen der Spitzenverbände habe sich noch nichts bewegt, weil dazu die Finanzausstattung der Reform geklärt sein müsse.

Als zeitnah zu klärendes Problem benannte Schimmelpfennig die Situation rund um die European Games im weißrussischen Minsk 2019. Die Bundesregierung habe "aus politischen Gründen" entschieden, keine Entsendungskosten dafür zu übernehmen, sagte der DOSB-Vertreter. Inzwischen sei aber klar geworden, dass in zehn Sportarten die European Games Qualifikationscharakter für die Olympischen Spiele in Tokyo 2020 haben. Im Sinne der Athleten müssten hier Lösungen gefunden werden, forderte Schimmelpfennig gemeinsam mit der neuen DOSB-Vorstandsvorsitzenden Veronika Rücker.

Leistungssport-Vorstand Schimmelpfennig machte zudem deutlich, dass der DOSB an der Konzentration der Bundesstützpunkte verbunden mit einer besseren Ausstattung der Stützpunkte festhalte. Kritisch bewertete er das Verhältnis zum für die Spitzensportförderung zuständigen Bundesministerium des Innern (BMI). Der DOSB, so Schimmelpfennig, sei in die Haushaltsaufstellung fachlich nicht eingebunden worden. Das entspräche nicht der im Konzept zur Reform enthaltenen Formulierung von "gemeinsamen Förderentscheidungen in allen Bereichen".

Eine neue Legislaturperiode sei auch eine neue Chance, entgegnete der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Stephan Mayer (CSU). Der neue Innen- und damit auch Sportminister Horst Seehofer (CSU) habe das Ziel, gemeinsam mit dem Sport die Dinge voranzubringen. Eine solch "epochale Reform" könne nur mit dem DOSB und nicht gegen den DOSB umgesetzt werden, sagte Mayer. Klar sei aber auch, dass Förderbescheide nur durch das BMI erlassen werden könnten. Man werde dabei die Stimme des DOSB berücksichtigen, machte der Staatssekretär deutlich. Mit Blick auf die European Games in Minsk sagte Mayer zu, nochmals zu prüfen und zu überdenken, ob die Entsendekosten nicht doch zur Verfügung gestellt werden könnten.

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3. Behindertengerechte Tourismus-Betriebe

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) In der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft sind mittlerweile 2150 Betriebe als behindertengerecht zertifiziert. Diese Zahl nannte der Geschäftsführer des Deutschen Seminars für Tourismus (DSFT), Rolf Schrader, am Mittwoch dem Tourismusausschuss. Das DSFT ist gemeinsam mit dem Verein "Tourismus für Alle Deutschland" (NatKo) federführend zuständig für das von der Bundesregierung geförderte Kennzeichnungs- und Informationssystem "Reisen für Alle", das dem Anliegen dient, Behinderten touristische Angebote zugänglich zu machen. Die Anfänge des Projekts reichen ins Jahr 2011 zurück.

Schrader wies darauf hin, dass in Deutschland 7,6 Millionen Menschen schwer und weitere drei Millionen leichter behindert seien, was einem Bevölkerungsanteil von etwa 13 Prozent entspreche. Tatsache sei auch, dass Behinderte signifikant seltener Urlaub machen als Nichtbehinderte, weil es für sie schwer ist, passende Angebote zu finden. Schrader zitierte eine neuere Erhebung, der zufolge 77 Prozent der Deutschen jährlich mindestens fünf Tage lang verreisen, aber unter den Behinderten nur 45 Prozent. Die deutlich geringere Reiseintensität sei charakteristisch für alle Altersgruppen.

Mit barrierefreiem Tourismus ist demnach nach Schraders Worten für den Fremdenverkehrssektor noch ein erhebliches Marktpotenzial zu erschließen. Eine höhere Reiseintensität und damit auch höhere Ausgaben von Behinderten seien zum Nutzen der Unternehmen. Das Projekt "Reisen für Alle" diene dem Zweck, durch detaillierte Informationen über die Zugänglichkeit touristischer Leistungen "Angebot und Nachfrage besser zusammenzuführen". Dies geschehe in Kooperation mit Betroffenenverbänden und "touristischen Akteuren", etwa Branchen-Organisationen oder Marketinggesellschaften der Bundesländer.

Für das Kennzeichnungssystem gelte, dass die Informationen, die Behinderte ihrer Reiseplanung zugrundelegen könnten, verlässlich, detailliert und vor allem geprüft zu sein hätten. Maßgeblich seien nicht die Auskünfte der Anbieter. Vielmehr werde jeder Betrieb von unabhängigen Kontrolleuren, die eine dreitägige spezielle Schulung durchlaufen hätten, inspiziert. Mittlerweile seien 250 solcher Prüfer im Einsatz. Die zertifizierten Betriebe müssen sich alle drei Jahr einer Evaluierung unterziehen, um das Gütesiegel zu erneuern. Damit gebe es erstmals ein deutschlandweit einheitliches Kennzeichnungssystem für behindertengerechte Angebote im Fremdenverkehr, betonte Schrader.

Nach den Worten des NatKo-Vorsitzenden Rüdiger Leidner sind unter den bisher zertifizierten Unternehmen und Einrichtungen rund 800 Hotels und Beherbergungsbetriebe, aber auch Museen, Touristeninformationsbüros, sogar zwei oder drei Flughäfen. Vertreten sei die gesamte Dienstleistungspalette. Mittlerweile seien auch fast alle Bundesländer mit im Boot. Dennoch sei das System bislang bei weitem nicht bekannt genug und auch für die Anbieter noch nicht so attraktiv, dass es sich selber trage. Die finanzielle Förderung durch das Wirtschaftsministerium sei daher bis 2021 unverzichtbar.

Leidner wies darauf hin, dass es auf europäischer Ebene vergleichbare Bestrebungen gebe. Allerdings seien "wir mit unserem System in der EU am weitesten". Hier könne Deutschland Modell stehen für andere.

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4. Lebensmittel als Rekrutierungswaffe

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Der Leiter des Welternährungsprogramms (WFP), David Beasley, hat am Mittwochnachmittag im Menschenrechtsausschuss vor neuen Migrationswellen nach Europa und einer Zunahme des Extremismus infolge von Hunger gewarnt. Nach der weitgehend erfolgreichen Bekämpfung der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und dem Irak hätten sich deren Kämpfer in die stark vom Hunger betroffene afrikanische Sahelregion zurückgezogen, wo sie Lebensmittel als Druckmittel und "Rekrutierungswaffe" nutzten. Mit Blick auf diese Entwicklung sei das Welternährungsprogramm "die erste Verteidigungslinie bei der Bekämpfung des Extremismus", schlussfolgerte Beasley. Wenn es nicht gelinge, Lebensmittelsicherheit in der Region mit ihren rund 500 Millionen Einwohnern zu gewährleisten, könnten die Folgen auch Europa destabilisieren.

Beasley verwies darauf, dass die Zahl der Hungernden jahrelang rückläufig gewesen sei, nun aber wieder steige. "Alle fünf Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind an Hunger." Als Ursache dafür nannte der WFP-Direktor "menschengemachte Konflikte" etwa in Syrien oder Jemen und den Klimawandel. "Wenn beides zusammenkommt, bedeutet das für die Menschen eine absolute Katastrophe."

Eindringlich forderte er die Staatengemeinschaft auf, die Finanzierung des Welternährungsprogramms sicherzustellen. "Die große Mehrheit der Menschen will ihre Heimat nicht verlassen." Es koste viel weniger, sie in ihren Heimatländern zu versorgen und so von der Flucht abzuhalten, als ihnen später in anderen Staaten zu helfen, betonte er. In Syrien könne das WFP einen Menschen schon für für 50 Cent am Tag humanitär versorgen. In vielen EU-Staaten seien es 50 Euro.

Das im Dezember 1961 gegründete WFP ist die größte humanitäre Organisation der Vereinten Nationen im Kampf gegen den Hunger auf der Welt. Nach Angaben von Beasley unterstützt es derzeit 90 Millionen Menschen. Deutschland ist zweitgrößter Geber nach den USA - ein Engagement, für das Beasley der Bundesregierung ausdrücklich dankte.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 245 - 18. April 2018 - 17.54 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2018

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