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PRESSEKONFERENZ/397: Regierungspressekonferenz vom 28. März 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 28. März 2012 Regierungspressekonferenz vom 28. März 2012

Themen waren unter anderem: Personalie, Glückwunschtelegramm der Bundeskanzlerin an den gewählten Präsidenten Senegals, Kabinettssitzung (Entwurf der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung, Bericht zur Umsetzung des 10-Punkte-Sofortprogramms für das Energiekonzept, Zukunftsprojekte der Hightech-Strategie, Arbeitsprogramm "bessere Rechtsetzung", Tagung der Eurogruppe/informelle Sitzung des Ecofin-Rats).
Weitere Themen waren: angebliche Anfrage der USA an Deutschland hinsichtlich einer Freigabe von Ölreserven, Vorratsdatenspeicherung, Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für unter Dreijährige, Reise der Bundeskanzlerin nach Prag, deutsch-schweizerisches Steuerabkommen, EADS, drohende Altersarmut von Frauen wegen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse, Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Straftaten von Soldaten im Auslandseinsatz, Verbundstruktur der Deutschen Bahn AG, Lage in Syrien

Sprecher: StS Seibert, Kraus (BMWi), Rouenhoff (BMWi), Kothé (BMF), Mertzlufft (BMJ), Teschke (BMI), Steegmans (BMFSFJ), Westhoff (BMAS), Dienst (BMVg), Mehwald (BMVBS), Schäfer (AA)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Kraus: Meine Damen und Herren, ich würde Ihnen gerne unseren neuen Mitarbeiter in der Pressestelle des Wirtschaftsministeriums vorstellen, Herrn Rouenhoff.

Rouenhoff: Guten Tag, meine Damen und Herren! Mein Name ist Stefan Rouenhoff, wie Sie bereits gehört haben. Ich arbeite seit zwei Jahren im Wirtschaftsministerium, habe vorher in der Abteilung Mittelstandspolitik im Referat "Grundsatzfragen für Mittelstandspolitik" gearbeitet und bin jetzt seit Kurzem in der Pressestelle. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen!

StS Seibert: Guten Tag auch von mir. Ich grüße besonders die Damen und Herren aus Tunesien und danke noch einmal für die sehr interessante Stunde der Diskussion, die Sie mir gestern gewährt haben!

Meine Damen und Herren, ich wollte Sie zunächst darüber informieren, dass die Bundeskanzlerin dem gewählten Präsidenten Senegals, Herrn Macky Sall, ein Glückwunschtelegramm zu seiner Wahl geschickt hat. Sie schreibt darin: "Das senegalesische Volk hat mit dieser Wahl ein starkes Signal für die weitere Demokratisierung Afrikas gesetzt. Ich möchte Sie ermutigen, diesen Weg der Demokratie fortzusetzen. Sie ist die Voraussetzung für Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung."

Jetzt kommen wir zum Kabinett, das heute ein sehr reichhaltiges Arbeitsprogramm hatte. Über einige Punkte haben Ihnen Ministerinnen und Ministern heute schon berichtet.

Ich mache es deswegen kurz und beginne mit dem Gesetzentwurf für die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Der Bundeswirtschaftsminister hat das ins Kabinett eingebracht und hat auch bereits der Presse darüber berichtet. Ich will nur kurz sagen: Wie Sie wissen, ist es ein Vorhaben und eine Grundüberzeugung der Koalition, dass die wettbewerblichen Rahmenbedingungen in Deutschland modernisiert werden sollen. Es geht der Koalition vor allem darum, Missbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle zu verbessern und die Verbraucherverbände verstärkt zu beteiligen, wenn es darum geht, das Kartellrecht durchzusetzen. Mit dieser Gesetzesnovelle wird in Deutschland die Möglichkeit geschaffen, marktbeherrschende Unternehmen zu entflechten, wenn sie ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen. Was viele Menschen in Zeiten hoher Benzinpreise sicherlich interessiert, ist die Regelung, dass das Verbot der sogenannten Preiskostenschere, das bis Ende 2012 befristet war, nun dauerhaft verlängert wird. Die Preiskostenschere beschreibt das Phänomen, dass Mineralölkonzerne Kraftstoffe an Betreiber freier Tankstellen zu einem höheren Preis als an die von ihnen selbst betriebenen Tankst ellen abgeben. Dies ist verboten und bleibt nun verboten. Um jeweils fünf Jahre wird die spezielle Preismissbrauchsvorschrift für marktbeherrschende Strom- und Gasanbieter jetzt verlängert. Auch das ist eine Maßnahme, die Endkunden vor überhöhten Preisen schützt.

Der zweite Punkt im Kabinett war das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung. Auch darüber hat Minister Bahr ich glaube, hier und heute in der BPK schon gesprochen. Ich will nur kurz sagen: Das Wichtigste an diesem Beschluss ist das, was er an Mehrleistung, an besserer Leistung für eine ziemlich große Zahl von Menschen mit sich bringt, insbesondere für demenzkranke Menschen. Die Leistungen für sie werden verbessert, pflegende Angehörige werden entlastet, und Pflegebedürftige und ihre Angehörigen werden besser beraten. Der Beitragssatz wird dazu ab dem 1. Januar 2013 auch das ist Ihnen sicherlich schon bekannt um 0,1 Prozentpunkte steigen. Dieses Geld bleibt im System, um die von mir beschriebenen Verbesserungen zu ermöglichen.

Der nächste Punkt im Kabinett war der Bericht zur Umsetzung des 10-Punkte-Sofortprogramms für das Energiekonzept. Wer sich erinnert, weiß: Im September 2010 wurde das Energiekonzept der Bundesregierung zusammen mit diesem zehn Punkte umfassenden Sofortprogramm beschlossen. Heute gab es nun den Bericht des Umweltministers und des Wirtschaftsministers darüber, wie dieses Programm umgesetzt worden ist. Die Bilanz könnte man sehr erfolgreich nennen: Sieben von zehn Punkten sind umgesetzt worden, drei befinden sich in der Ressortabstimmung. Die Schwerpunkte dieses 10-Punkte-Programms waren natürlich die Maßnahmen zum Netzausbau sowie zum Ausbau der Offshore-Windenergie. Der Bericht zeigt: Die beschleunigte Umsetzung des Energiekonzepts wird konsequent angegangen. Die Energiewende ist bei dieser Bundesregierung in guten Händen.

Die Bildungs- und Forschungsministerin hat dem Kabinett anschließend über die Zukunftsprojekte der Hightech-Strategie berichtet. Die Hightech-Strategie ist sicherlich eines der wichtigsten Vorhaben deutscher Forschungspolitik, das mit diesem heutigen Tag in eine neue Phase tritt. Es werden in Bezug auf die fünf Bedarfsfelder, die die Hightech-Strategie abdeckt als da wären Klima/Energie, Gesundheit/Ernährung, Kommunikation, Mobilität und Sicherheit , nun zehn konkrete Zukunftsprojekte entwickelt, in denen Maßnahmen der Ressorts und das ist wichtig Beiträge der Wirtschaft zusammengeführt werden.

Ich werde Ihnen kurz vortragen, was diese zehn Zukunftsprojekte sind: Das betrifft die die CO2-neutrale, energieeffiziente und klimaangepasste Stadt, nachwachsende Rohstoffe als Alternative zum Öl und den intelligenten Umbau der Energieversorgung. Der vierte Punkt ist, Krankheiten mit individualisierter Medizin besser zu therapieren. Fünfter Punkt: Mehr Gesundheit durch gezielte Prävention und Ernährung. Sechster Punkt: Auch im Alter ein selbstbestimmtes Leben führen. Siebtens: Nachhaltige Mobilität. Achtens: Internetbasierte Dienste für die Wirtschaft. Neuntens geht es um einen Punkt, der sich Industrie 4.0 nennt und im Wesentlichen die Verschränkung von IT-Technik mit Ingenieurswissenschaften meint. Zahlreiche Beispiele dafür werden demnächst auf der Hannover Messe zu besichtigen sein. Der zehnte Punkt betrifft sichere Identitäten. - Dies alles sind Gebiete, in denen Deutschland, deutsche Wissenschaft und deutsche Forschung auf Leitmärkten in der Lage sein und eine Chance haben sollen, sich einen wichtigen Spitzenplatz im globalen Wettbewerb zu sichern.

Fast zuletzt ging es im Kabinett um das Arbeitsprogramm "bessere Rechtsetzung", das das Bundeskabinett heute beschlossen hat. Sie wissen: Es gibt ein Programm "Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung", mit dessen Hilfe die Bundesregierung die Bürokratiekosten in Deutschland sowohl für Bürger als auch für Wirtschaft und Verwaltung ganz erheblich gesenkt hat und auch zu einem neuen Kostenbewusstsein beispielsweise bei der Vorbereitung neuer Gesetzentwürfe beigetragen hat. Nun sieht sich die Bundesregierung weiterhin in der Pflicht, den Aufwand, den Bürger, Wirtschaft und Verwaltung betreiben müssen, um das Recht durchzusetzen, dauerhaft niedriger zu halten.

Dafür werden folgende Maßnahmen vorgesehen: Es soll zunächst einmal der Erfüllungsaufwand, der konkret besteht, in mehreren bestimmten Lebens- und Rechtsbereichen untersucht werden. Ich nenne als Beispiel den Bereich des Leistungsbezugs nach Steuer- und Sozialrecht sowie die Rahmenbedingungen für gemeinnützige Betätigungen und für ehrenamtliches Engagement. Dieser Untersuchung folgt natürlich eine Bestandsaufnahme dessen, wie man die Bürokratiekosten in diesen Bereichen noch senken kann. Darüber hinaus strebt die Bundesregierung zusammen mit den Wirtschaftsverbänden mehrere gemeinsame Projekte an, um ausgewählte betriebliche Prozesse zu vereinfachen. Konkrete Beispiele sind Prozesse rund um die Betriebsgründung und die Besteuerung sowie die Verfahrensabläufe in der elektronischen Buchführung.

Zum Schluss hat der Bundesfinanzminister einen kurzen Ausblick auf die Tagung der Eurogruppe und die informelle Sitzung des Ecofin-Rats am 30. und 31. in Kopenhagen gegeben, die sich mit den beiden Themen "Überprüfung der Ausstattung der Rettungsschirme" und "Finanztransaktionssteuer" befassen wird. - Das war die Kabinettssitzung.

Frage: Herr Seibert, ich habe eigentlich mehrere Fragen, aber das wird ja heute eine größere Rolle spielen. Es ist ein Vorschlag in der Diskussion, den eigentlich die Bundeskanzlerin gemacht hatte, nämlich dass in Bezug auf den ESM die Bareinzahlung im nächsten Jahr schneller vonstattengehen sollte, als im Moment vorgesehen ist. Wird die Kanzlerin ihren Vorschlag noch einmal auf Euro- oder EU-Ebene einbringen? Wie sehen Sie die Durchsetzungschancen?

StS Seibert: Es ist ja bereits auf deutschen Vorschlag hin ein schnellerer Rhythmus der Einzahlungen in den ESM beschlossen worden, nämlich, die ersten beiden Tranchen noch in diesem Jahr einzuzahlen. Darüber hinaus kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, wie die europäische Debatte in diesem Punkt weiterlaufen wird.

Zusatzfrage: Darf ich noch eine Zusatzfrage mit Blick auf den Fiskalpakt stellen? Herr Gabriel hat in der Diskussion über die Abstimmung und den Abstimmungszeitpunkt hinsichtlich des Fiskalpakts vorgeschlagen, doch im deutschen Alleingang eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Ich nehme an, die Haltung der Bundesregierung dazu hat sich nicht geändert.

StS Seibert: Von einem deutschen Alleingang kann und wird nicht die Rede sein. Ich habe schon gesagt: Das Treffen der Finanzminister in Kopenhagen wird auch dem Zweck dienen, zu sondieren, was in Sachen Finanztransaktionssteuer getan werden kann. Es ist bekannt Minister Schäuble hat das heute noch einmal dargelegt , dass es nicht gut für das aussieht, was unser eigentliches Ziel wäre, nämlich eine Durchsetzung der Finanztransaktionssteuer in der EU der 27 Mitglieder. Es wird sicherlich in Kopenhagen auch darum gehen, alternative Vorschläge zu besprechen, die eine Chance auf Umsetzung haben, aber sicherlich in einem größeren Kreis als in einem Land.

Zusatzfrage: Was spricht dagegen, der Forderung von SPD und Grünen nachzukommen, über den Fiskalpakt erst im Herbst abzustimmen?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat immer einen inhaltlichen politischen Zusammenhang zwischen dem ESM als Ausdruck unserer europäischen Solidarität und dem Fiskalpaket als Ausdruck europäischer Verbindlichkeit auf dem Gebiet der Haushaltsdisziplin, also, wenn Sie so wollen, europäischer Solidität gesehen. Diese beiden Dinge gehören zusammen. Deswegen ist der Zeitplan für die Bundesregierung weiterhin, dass beides in diesem Sommer gemeinsam beschlossen werden soll.

Zusatzfrage: "In diesem Sommer" heißt "vor der Sommerpause"?

StS Seibert: Ja.

Frage: Ich habe im weiteren Sinne noch eine Frage zum Thema ESM/EFSF. Da gibt es immer noch eine gewisse Unklarheit, und zwar geht es um das Gesamtausleihvolumen und darum, was jetzt durch diese Parallelität erreicht wird. Können Sie dazu noch einmal eine Zahl nennen und auch noch einmal sagen, was jetzt wirklich die Haftungsobergrenze ist?

StS Seibert: Bevor Frau Kothé das sicherlich gleich fürs Finanzministerium tun wird, will ich nur kurz sagen: Dass es eine gewisse Unklarheit gibt, ist ja nicht wirklich sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die entscheidende Tagung der Finanzminister noch bevorsteht. Wir haben ja noch keinen Beschluss gefasst. Der politische Beschluss soll in Kopenhagen herbeigeführt werden. Daran wollte ich noch einmal erinnern, aber weitere Details wird sicherlich Frau Kothé erläutern.

Kothé: Wir können uns wirklich nur auf den augenblicklichen Diskussionsstand auf europäischer Ebene beziehen. So ist es auch von der Bundeskanzlerin und von unserem Minister in den unterschiedlichen Gremien vorgestellt und dargestellt worden. Eine Seite dieses Vorschlags sieht vor, dass es jetzt für eine gewisse Zeit eine zeitliche Parallelität beider Instrumente gibt, im Rahmen derer auch die EFSF anders, als ursprünglich vorgesehen war noch ein Jahr länger aktiv sein könnte. Wenn man das Kreditausleihvolumen beziehungsweise die Kreditvergabemöglichkeit, die sich dadurch abbilden lässt, zusammenfasst, dann stünden eben bis zum nächsten Jahr die noch nicht verbrauchten EFSF-Mittel zur Verfügung und diese 500 Milliarden Euro, die der ESM zur Verfügung hat, dann aber eben auch in voller Höhe. Das ist ein weiterer Punkt dieses Vorschlags.

Zusatzfrage: Wie viel ist das jetzt maximal?

Kothé: Wir liegen bei 700 Milliarden Euro, und wenn Sie noch einen Teil aus diesem ersten Vorläuferinstrument des ESM hinzu nehmen das waren ursprünglich noch einmal irgendwie 49 Milliarden Euro , dann kommen Sie auf etwa 750 Milliarden Euro. Davon zu trennen ist natürlich sozusagen die ganze Geschichte, wie sich diese ganz verschieden konstruierten Instrumente finanzieren und wie sie unterlegt sind, auf der einen Seite mit Garantien und Kapital. Dazu sagen wir: Das kann man jetzt nicht so einfach addieren.

Zusatzfrage: Was ist mit der deutschen Haftung?

Kothé: Der deutsche Anteil am Garantierahmen der EFSF beträgt das bleibt auch so - 211 Milliarden Euro. Mit dem ESM das ist, wie gesagt, ganz anders gründen wir eine internationale Institution. Da zahlen wir Kapital ein, und daran beträgt der deutsche Anteil, den wir einzahlen, 22 Milliarden Euro. Dann gibt es noch die Vereinbarung hinsichtlich des abrufbaren Kapitals für den Fall der Zahlungsunfähigkeit, und das wären dann dafür werden haushaltsrechtlich bei uns Vorkehrungen getroffen 168 Milliarden Euro, die auf Deutschland entfallen würden, an Garantien, um dieser Verpflichtung nachkommen zu können, dieses abrufbare Kapital für den ESM bereitzustellen.

Frage: Frau Kothé, Herr Seibert, können Sie noch einmal ein bisschen Licht in die Dunkelheit bringen, was die Frage der Notwendigkeit einer Bundestagsabstimmung über diese neue Regelung in Bezug auf EFSF und ESM angeht? Dazu hat die Bundeskanzlerin, glaube ich so sagten es Teilnehmer an der Fraktionssitzung , gestern etwas gesagt.

Kothé: Die Gesetzgebung für den ESM war ja Thema im Kabinett und befindet sich jetzt in den parlamentarischen Beratungen. Wir bräuchten also eine Sache, die jetzt anders ist: Im ESM-Vertrag ist eben diese Verrechnung von EFSF mit dem ESM vorgesehen gewesen, und das müsste geändert werden. Darüber müsste der Gouverneursrat des ESM, wenn er dann gegründet sein wird, entsprechend entscheiden, und Deutschland beziehungsweise der deutsche Vertreter müsste dazu auch vom Deutschen Bundestag ermächtigt werden. Das muss dann also auch noch einmal in den Bundestag.

Zusatzfrage: Das würde dann aber zwei Abstimmungen bedeuten, weil der ESM erst einmal bis zum Sommer eingerichtet werden muss und dann der Gouverneursrat beschließen kann, dass man das noch einmal verändert. Oder geht das alles in einem Abwasch, sodass es nur eine Abstimmung geben wird?

Kothé: In Bezug auf den ESM gibt es jetzt auch schon zwei verschiedene Gesetze: Es gibt dieses Ratifizierungsgesetz, und dann gibt es dieses Finanzierungsgesetz. Ich denke also, dass das in diesem Kontext aufgegriffen werden würde. Aber dazu gibt es, wie gesagt, noch keine Festlegung. Wir haben ja auch noch gar keinen Beschluss der Finanzminister, worauf wir vorhin auch schon zweimal hingewiesen haben. Wenn es also so kommen würde, dann würden wir darüber beraten, wie das parlamentarisch irgendwie aufzuarbeiten ist. Aber theoretisch müsste es so ablaufen.

Frage: Frau Kothé, hält das Finanzministerium die Berechnungen der OECD für falsch?

Kothé: Berechnungen der OECD sind sicherlich nie falsch. Da arbeiten lauter kluge Experten und Ökonomen. Die OECD ist mit ihrer Forderung einfach zu einer anderen Einschätzung gekommen, als wir sie haben, was die Ausstattung der Firewall angeht. Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen.

StS Seibert: Es ist schon bedauerlich, dass offenbar in dieser Diskussion keine Zahl je hoch genug ist. Sofort wird draufgesattelt, und dabei wird leider oft übersehen, dass solche Rettungsschirme auch glaubhaft sein müssen. Die Märkte werden jeweils international fragen, ob diese Glaubwürdigkeit gegeben ist und ob die dahinter stehenden Länder es im Ernstfall auch wirklich packen könnten. Das Ergebnis solcher Vorschläge wie des Vorschlags, den Sie gerade ansprechen, ist eben leider, dass es immer wieder eine Verunsicherung der Märkte gibt, wo wir doch gerade vor einem Kopenhagener Finanzministertreffen stehen, das eigentlich zu einer Beruhigung der Märkte beitragen soll. Wir haben ohnehin in den letzten Wochen dankenswerterweise eine gewisse Beruhigung und Entspannung auf den Anleihemärkten verzeichnet, und das sollten wir nicht gefährden.

Zusatzfrage: Das bedeutet, unter dem Strich werfen Sie der OECD eigentlich vor, dass sie die Märkte beunruhigt, was in der logischen Konsequenz zur Folge haben könnte, dass die bisherige Firewall eben nicht ausreicht. Schafft die OECD da also eine "self-fulfilling prophecy"?

StS Seibert: Das ist Ihre Wertung. Ich würde es gerne positiv formulieren: Die Bundesregierung will dazu beitragen, einen glaubwürdigen Rettungsschirm aufzubauen.

Frage: Herr Seibert, mit Verlaub eine Vorbemerkung: Die Bundesregierung hat ja durch die Zusammenlegung von EFSF und ESM gerade erst draufgesattelt. Diese Erweiterung war ja bisher von der Bundesregierung immer ausgeschlossen worden.

Schließen Sie gerade vor dem Hintergrund der OECD-Berechnungen weitere Erweiterungen ebenfalls aus, oder halten Sie sich das diesmal offen?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat noch nicht draufgesattelt, sondern sie steht mit ihren europäischen Partnern vor einem wichtigen Treffen in Kopenhagen, für das sie dabei ist, sich eine Position zu erarbeiten, um diese mit den europäischen Partnern zu besprechen. Das ist ein kleiner Unterschied.

Ich habe gesagt: Das muss ein glaubwürdiger Rettungsschirm sein. Wir handeln jetzt genau so, wie wir es besprochen haben, als wir im Europäischen Rat im Dezember mit der Verabredung auseinandergegangen sind, dass wir im März die Ausstattung der Rettungsschirme erneut überprüfen werden. Das ist das berühmte "reassessment", auf das dann immer angespielt wird. Genau diese Überprüfung findet statt.

Es gibt seit Dezember das habe ich gerade gesagt für viele Länder zweifellos eine erfreuliche Entwicklung an den Anleihemärkten. Es gibt trotzdem immer noch eine international sicherlich fragile Situation. Es gibt eine gesamtwirtschaftliche Situation, die es möglicherweise notwendig machen wird darauf bereitet sich die Bundesregierung mit ihren europäischen Partnern vor , zu reagieren. Solch eine Reaktion auf eine sich verändernde Situation haben wir nie ausgeschlossen.

Frage: Frau Kothé, nur noch einmal zur Klarstellung: Sie sagten vorhin, die nicht verbrauchten EFSF-Mittel würden dem ESM zugeschlagen werden. Meinen Sie die an Portugal, Irland und Griechenland vergebenen Mitteln?

Kothé: Ja.

StS Seibert: Die gebundenen Zusagen.

Frage: Herr Seibert, ich habe eine kleine Frage zum Verständnis: Was ist die zwingende Notwendigkeit, den EFSF wirklich noch ein Jahr weiterlaufen zu lassen und nicht bereits im Sommer durch den ESM ablösen zu lassen?

Die zweite Frage: Wo liegt da das deutsche Interesse, mit dem diese Parallelität begründet wird?

StS Seibert: Das deutsche Interesse ist in drei Punkten zusammenzufassen, von denen ich einen schon genannt habe: Wir wollen für andauernde Risiken, die wir weiterhin sehen, einen glaubwürdigen Rettungsschirm errichten. Wir wollen zweitens ein Gesamtpaket durchsetzen wovon der Fiskalvertrag ein Teil, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ein zweiter und der robuste Schirm ein dritter Teil ist , um die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu sichern.

Wir haben immer gesagt: Es ist sinnvoll und wünschenswert, dass auch andere Länder außerhalb Europas bilaterale Kredite für den IWF geben, damit dieser über ausreichende Ressourcen für das, was er "Global Risk Sharing" nennt, verfügt. Es ist international bekannt, dass diese anderen Länder das sind Länder aus dem G20-Kreis, aber auch außerhalb dieses Kreises es für sinnvoll halten, wenigstens temporär den Rettungsschirm stärker auszustatten.

Es handelt sich das darf man nicht vergessen bei dem Ganzen um eine temporäre Maßnahme. Wir bleiben bei der Ausleihkapazität des ESM von 500 Milliarden Euro. Die Erhöhung auf 750 Milliarden Euro, wie Frau Kothé sie vorgerechnet hat, wird ja auch wieder in dem Maße zurückgeführt, in dem die Kreditrückzahlung an die EFSF läuft.

Zusatz: Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, warum man die EFSF nicht zum Sommer auslaufen lassen könnte, wenn der ESM in Kraft tritt.

StS Seibert: Wollen Sie es noch einmal erklären, Frau Kothé?

Kothé: Wir sind im Gespräch und in Verhandlungen mit unseren Partnern in der Eurozone. Im Augenblick haben wir es mit einer Beruhigung zu tun. Wir lassen sozusagen im Hintergrund diese Möglichkeit einfach temporär bestehen. Das scheint im Augenblick eine konsensfähige Lösung auf europäischer Ebene zu sein. Wir haben ein großes Interesse auch im Sinne der Glaubwürdigkeit der ganzen Finanzstabilisierungsmaßnahmen, die wir bisher schon getroffen haben , möglichst schnell zu einer nachhaltigen und überzeugenden Lösung zu kommen.

Zuruf: Das heißt im Endeffekt, 200 Milliarden Euro hineinzupacken, um eine mögliche Glaubwürdigkeitslücke zu schließen?

Kothé: Nennen Sie es Vorsorge. Das ist ja gerade der Gedanke hinter einer Firewall, dass es einen gewissen Schutz gibt. Das hat immer etwas mit Vorsorge zu tun, wenn Sie so wollen.

Frage: Herr Seibert, rechnet die Bundesregierung damit, dass Spanien oder Portugal in absehbarer Zeit in Schwierigkeiten kommen könnten, sodass sie Mittel aus dem Rettungsfonds benötigen?

StS Seibert: Spanien und Portugal sind beides Länder, die sich sehr anspruchsvollen, auch mühsamen und ehrgeizigen Reformprogrammen unterzogen haben. Der jüngste Troika-Bericht über Portugal hat gerade wieder festgestellt, dass die portugiesische Regierung sehr gut in der Umsetzung des Verabredeten und des Geforderten ist. Auch in Spanien sind schon unter der alten Regierung und nun auch unter der Regierung Rajoy wesentliche Reformen auf den Weg gebracht worden. Ich werde hier keine Voraussagen für diese beiden Länder machen. Aber ich werde feststellen, dass beide Länder erhebliche Eigenanstrengungen aufwenden, um die Krise nachhaltig zu überwinden.

Frage: Eine Frage an die Bundesregierung: Hat es in Sachen Ölreserven eine Anfrage der USA mit dem Ziel einer Freigabe von Ölreserven in Deutschland gegeben?

StS Seibert: Eine solche offizielle Anfrage aber das kann möglicherweise das Wirtschaftsministerium besser erklären zur Freigabe der Ölreserven ist nach meinen Informationen bei uns nicht eingetroffen. Wenn es konkrete Vorschläge oder Anfragen gäbe, würden wir diese prüfen.

Zusatzfrage: Was ist denn dann eine inoffizielle Anfrage, wenn Sie sagen, dass es keine offizielle gegeben hat?

StS Seibert: Ich kann Ihnen nur sagen: Es hat keine offizielle gegeben.

Zuruf: Gab es denn eine Voranfrage?

StS Seibert: Vielleicht
brauchen wir jetzt doch das Wirtschaftsministerium.

Kraus: Ich kann ergänzen: Dem BMWi liegen keine Informationen bezüglich einer Anfrage vor.

Frage: Eine Frage an Justiz- und Innenministerium zum immer wieder beliebten Thema Vorratsdatenspeicherung: Wie weit ist man mit der Kabinettsvorlage? Wann wird das Thema ins Kabinett kommen?

Merzlufft: Die Kabinettsbefassung wird heute eingeleitet. Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wann dann die Kabinettsbefassung stattfinden wird. Wir sind neugierig und gespannt auf die konstruktiven Vorschläge aus dem Innenministerium.

Zusatzfrage: Herr Friedrich hat heute schon gesagt, er werde bei der Vorratsdatenspeicherung hart bleiben. Dann muss ich doch noch einmal auf Sie zurückkommen, Herr Mertzlufft. Gilt das auch für die Bundesjustizministerin?

Merzlufft: Ich habe an der Stelle nichts Neues mitzuteilen. Wir behandeln die Frage hier jedes Mal. Sie wissen, dass wir gesagt haben, dass wir in die Kabinettsbefassung gehen. Diese wird jetzt eingeleitet.

Zusatzfrage: Die Kanzlerin hat sich bei den letzten Kabinettssitzungen eingeschaltet. Gab es danach zwischen den beiden Ministerien Kontakte auf Arbeitsebene oder gar auf Ministerebene, um vielleicht einen Konsens herzustellen?

Merzlufft: Es waren gute Gespräche am Rande des Kabinetts vor einer Woche. Es gibt dem nichts Neues hinzuzufügen. Ich will hier an dieser unbequemen Stelle nicht das Geschäft der Opposition betreiben.

Vorsitzende Sirleschtov: Möchten Sie an dieser unbequemen Stelle etwas sagen, Herr Teschke?

Teschke: Die Stelle finde ich jetzt nicht unbequem, aber ich habe auch nichts hinzuzufügen.

Merzlufft: Ich meinte den Sitz.

Frage: Eine Frage an das Familienministerium zum Thema Kita-Versorgung. Es gibt die Prognose des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, dass 200.000 Plätze fehlen werden und damit der für 2013 geplante Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz in Gefahr ist. Erstens. Sind die Zahlen korrekt? Zweitens. Wenn sie korrekt sein sollten oder in der Größenordnung stimmen, was erwägt die Bundesregierung zu tun, um diesen Rechtsanspruch dann doch verwirklichen zu können?

Steegmans: Ich danke Ihnen, dass Sie dieses Thema in den Fokus rücken, wiewohl die Zahl, die in dieser Meldung der "Neuen Osnabrücker Zeitung" genannt wird, von der Größenordnung her nicht neu ist. Die Zahl geht zurück auf Meldungen des Statistischen Bundesamtes, die, wenn ich mich recht entsinne, schon einige Wochen wenn nicht sogar schon Monate zurückliegen.

Richtig ist, dass viele Städte, viele Kommunen und viele Länder noch einen kräftigen Zahn zulegen müssen, wenn sie das Ziel, das 2007 beim Krippengipfel vereinbart worden ist, erreichen wollen. Richtig ist auch, dass viele Länder und Kommunen den Ernst der Lage begriffen haben und dementsprechend auch an Tempo zulegen. Wir haben gerade zu Beginn dieser Woche aus Nordrhein-Westfalen Zahlen gehört, dass dort der Rechtsanspruch nach der jetzigen Planung schon ab 2013 gewährleistet sein soll. Die Ministerin hatte sich dementsprechend schon geäußert, dass sie die nordrhein-westfälische Landesregierung mit dieser Ansage selbstverständlich auch noch im August 2013 beim Wort nehmen wird.

Es ist auch richtig, dass noch eine Menge an Geldern, die im Sondervermögen des Bundes vorhanden sind, teilweise noch nicht bewilligt und teilweise auch noch nicht abgerufen ist.

Zum Verfahren selbst: Was ist der Unterschied zwischen Bewilligung und Abrufung? Die abgerufenen Gelder bedeuten tatsächliche Fertigstellung. Die Bewilligungen bedeuten konkrete Planungen. Da liegen manche Länder noch in einem Bereich, wo man ahnen könnte, dass im letzten Jahr, das vor uns liegt, noch eine ganze Menge gebaut werden muss. Tatsache ist, dass noch viele Gelder da sind. Tatsache ist, dass die Lücke auch noch beachtlich ist. Es ist aber auch Tatsache, dass die allermeisten der Beteiligten den Ernst der Lage erkannt haben und sich dementsprechend redlich bemühen, der Verantwortung gerecht zu werden.

Es gibt seit Anfang des Jahres eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die das ist unser Eindruck sehr konstruktiv bemüht ist, Lösungen zu finden, wenn es vor Ort hakt. Es sind oftmals sehr praktische Fragen, die zu gewissen Schwierigkeiten vor Ort führen. Ich will als einfachstes Beispiel nur nennen, dass manche Großstädte Probleme haben, in Innenstadtlagen geeignete Standorte zu finden. Man muss dahinter also gar nicht immer das große Problem vermuten. Es ist oftmals auch die Vielzahl kleinerer Probleme. Aber es ist auch viel, viel Bewusstsein vorhanden, sich dieser Probleme anzunehmen.

Zusatzfrage: Gibt es ein Bundesland, das wirklich zurzeit die rote Laterne mit sich herumträgt?

Steegmans: Es gibt kein Bundesland, das nicht begriffen hätte, dass der Rechtsanspruch 2013 real ist.

Frage: Herr Seibert, Frau Merkel reist nächste Woche nach Prag. Was sind die Ziele dieser Reise? Möchte Sie vielleicht Premierminister Necas überreden, den Fiskalpakt zu unterschreiben? Danke!

StS Seibert: Zunächst einmal ist das Ziel dieser Reise, das gute Gespräch, das wir mit der tschechischen Regierung in allen Bereichen der Politik haben, auf hoher Ebene fortzusetzen. Die Kanzlerin wird Herrn Necas treffen, und sie wird mit Staatspräsident Klaus zusammentreffen. Das ist das eine Ziel. Es gibt zwischen unseren beiden Ländern eine Vielfalt von Themen. Energiepolitik ist ein solches Thema, und die großen europapolitischen Herausforderungen gehören auch dazu. Aber die Kanzlerin erwartet nicht, mit einem tschechischen Ja zum Fiskalpakt zurückzukommen. Die Tschechen haben sich sicherlich ihre Position dazu gut überlegt. Diese wird nun einfach zur Kenntnis genommen und respektiert.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium zum Thema Steuerabkommen mit der Schweiz. Es gibt Berichte, dass die Schweiz bereit ist, Altvermögen mit 45 Prozent zu besteuern, was auch eine Forderung aus der SPD war. Ist das korrekt?

Kothé: Das kann ich Ihnen im Augenblick nicht bestätigen. Die Gespräche gehen weiter. Wir hoffen, möglichst bald mit allen Seiten zu einem Einvernehmen zu kommen.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium zum Thema EADS: Gestern war, wenn mich nicht alles täuscht, Herr Gallois hier. Es soll eine Zusage gegeben haben, über "alles" zu sprechen. Wenn es heißt, dass man mit der Bundesregierung über "alles" sprechen wolle, dann gibt es zwei Fragen: Erstens. Was macht der Sitz der EADS? Wie weit sind Gespräche gediehen, diesen eventuell nicht nur nach Toulouse zu verlagern, sondern auch den deutschen Sitz zu behalten? Zweitens. Wie sieht es mit einem Aufsichtsratssitz aus?

Kraus: In Ihrer Frage klingt schon an, dass man sprechen wird. Das heißt: Die Gespräche, die Verhandlungen laufen noch. Über interne Wasserstandsmeldungen kann ich nicht öffentlich berichten und diese auch nicht kommentieren.

Zusatzfrage: Andersherum gefragt: Strebt die Bundesregierung weiterhin an, dass es einen deutschen Sitz der EADS geben soll?

Kraus: Deutschland ist ein Gleichgewicht zwischen Frankreich und Deutschland in diesem Konzern sehr wichtig.

Zusatzfrage: Heißt das nun Ja oder Nein?

Kraus: Das heißt, was es heißt. Die deutsch-französische Balance ist weiterhin ein sehr wichtiges Gut für die deutsche Bundesregierung.

Zusatzfrage: Wenn ich Sie so interpretierte, wenn Sie von einer deutsch-französischen Balance sprechen, dass es neben Toulouse auch noch einen deutschen Sitz geben würde, läge ich nicht ganz falsch?

Kraus: Zu Einzelheiten von laufenden Verhandlungen kann ich Ihnen keine Antwort geben.

Frage: Ich weiß nicht, wer meine Frage beantworten mag. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass einigen Millionen Frauen Altersarmut wegen geringer Rentenansprüche aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen droht?

Westhoff: Das ist, glaube ich, mein Part. Sie sprechen einen Beitrag an, der heute auf Grundlage von gewissen Zahlen ableitete, dass Millionen von Frauen unaufhaltsam und unabänderlich in die Altersarmut marschieren. Das wird nicht so sein. Man muss schon bestimmte Variablen als konstant setzen, damit das Sinn machen kann, was da aufgeschrieben wurde. Das bedeutet, dass man unterstellen muss, dass eine Frau alleinstehend ist, dass sie 45 Jahre lang jeden Monat nicht mehr als 400 Euro nach Hause gebracht hat. Wenn man das unterstellt, ist es in der Tat nicht überraschend, dass einem solchen Dasein als Minijobberin 45 Jahre lang über die gesamte Erwerbsbiografie hinweg auch nur eine Minirente folgen kann. Das dürfte nicht wirklich überraschend sein.

Die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus. Nicht alle Millionen von Frauen, die einen Minijob haben, haben diesen 45 Jahre lang ausgeübt. Sie sind auch nicht alle alleinstehend. Sie haben auch nicht niemals die Möglichkeit gehabt, eine zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben. Man muss also mit dem Zusammenmixen von Zahlen und möglichen Folgen sehr vorsichtig sein. Das muss man differenzierter sehen.

Wir haben dieses Thema hier immer wieder behandelt. Die Frage, ob der Minijob an sich, ob das Instrument Minijob gut oder schlecht ist, muss man differenziert sehen. Sie wissen, dass aus der Fraktion, aus dem Bundestag heraus der Impuls kommt, die Zuverdienstgrenze von 400 auf 450 Euro zu erhöhen. Wenn das umgesetzt wird, muss und soll gleichzeitig das ist sehr, sehr in unserem Sinne eine regelhafte Rentenversicherungspflicht beziehungsweise eine Mitgliedschaft in der Rentenversicherung dabei sein. Jeder/jede, der/die einen Minijob ausübt, ist zunächst einmal Mitglied in der Rentenversicherung und zahlt eigene Beiträge. Die Erhöhung der Zuverdienstgrenze auf 450 Euro ist sozusagen die zweite Seite der Medaille.

Wenn das so ist Erhöhung auf 450 Euro und Mitgliedschaft in der Rentenversicherung , dann heißt das eigene Beiträge zur Rentenversicherung. Dann heißt das auch, einen höheren Rentenanspruch zu erwerben. Dann heißt das insbesondere aber auch, Möglichkeiten für eine Zuschussrente zu haben, die wir ja planen. Das bedeutet auch die Möglichkeit, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben.

Diese Ausweitung der Hinzuverdienstgrenze, diese Veränderung bei den Minijobs ist noch nicht so weit vorangeschritten, dass ich dazu endgültig Stellung nehmen könnte. Wichtig wäre in der Tat, dann auch die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Minijobbenden deutlich zu verbessern. Das muss auf jeden Fall dazu kommen, wenn es zu der Ausweitung der Hinzuverdienstgrenze käme.

Noch einmal einige Ausführungen zum Minijob ich glaube, wir haben dieses Thema vor anderthalb oder zwei Wochen schon einmal behandelt :

Minijobs sind eine Möglichkeit für viele und auch eine gewünschte Möglichkeit für viele , am Arbeitsleben teilzuhaben. Minijobs sind nicht der Königsweg zu einem auskömmlichen Alterseinkommen oder zu einer Rente; sie sind auch nicht das Muster einer Erwerbsbiografie, die man nun empfehlen sollte. Als zusätzliches Instrument sind sie aber von vielen gewünscht und haben auch Sinn. Man muss die möglichen negativen Konsequenzen und die fehlenden Möglichkeiten zum Aufbau einer ausreichenden Altersvorsorge allerdings immer mit berücksichtigen.

Zusatzfrage: Auch wenn der Worst Case, der hier sozusagen auch errechnet worden ist, nach Ihrer Einschätzung so nicht massenhaft eintreten wird, gilt doch gleichwohl, dass eine zunehmende Zahl vor allem eben von Frauen auch existenziell in solchen Minijobs steht. Das bedeutet dann doch logischerweise, dass tendenziell eine Verringerung der Rentenansprüche erfolgen wird, wenn nicht konsequent die von Ihnen beschlossenen Maßnahmen als Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, ist das richtig? Wenn es so weitergeht wie bisher, droht also tendenziell wachsende Altersarmut?

Westhoff: Das hängt, wie gesagt, zum Beispiel sehr davon ab, ob diese Frauen verheiratet sind oder nicht, in welchem Familienzusammenhang sie stehen, ob sie zusätzliche Altersvorsorge betreiben und welche Arten anderer Einkünfte sie haben. Hier wird ja auch unterstellt beziehungsweise in Ihrer Frage liegt so ein bisschen die Begründung, dass das alles Frauen wären, die vorher einen Vollzeitjob hatten, vorher sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, jetzt aber einen Minijob machen. Es wird also vorausgesetzt, dass die Alternative zu diesem Minijob immer eine sozialversicherungspflichtige Vollzeit-, mindestens aber eine sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung ist. So ist es aber nicht. Viele machen ganz bewusst einen Minijob, verdienen sich etwas nebenbei dazu, und das Haupteinkommen bringt immer noch der Mann nach Hause. Deshalb muss man das wirklich differenziert sehen.

Wir sagen natürlich deutlich: Ja, wer sich nur auf den Minijob konzentriert, der ist in hoher Gefahr, in Altersarmut zu fallen; wenn ihr schon einen Minijob macht, dann leistet zumindest eigene Rentenversicherungsbeiträge. Im Moment ist das freiwillig, und wer gibt schon gerne etwas von dem wenigen, was er da verdient, noch ab. Wie gesagt, wir wollen es dann zu einer regelhaften Veranstaltung machen, dass auf jeden Fall auch eigene Beiträge geleistet werden. Damit ist man Riester-berechtigt und damit kann man auch in die Zuschussrente kommen. Wir reagieren an dieser Stelle also differenziert, aber wir reagieren eben auf einen Wandel in der Arbeitswelt und eine vermehrte Frauen-Erwerbsbeteiligung, die eben auch zu mehr Frauen in Minijobs führt. Sie führt nicht nur zu Minijobs, denn die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen; es hat aber eben auch einen Zuwachs bei den Minijobs gegeben. Das ist aber kein Nullsummenspiel, das sind nicht alles Jobs, die irgendwo anders weggefallen sind. Ich sage es einmal ganz überspitzt und kurz: Die Frauen, die früher wie selbstverständlich am Herd gestanden haben oder Kinder erzogen haben, sind vermehrt in Arbeit, und ja, sie sind auch in Minijobs. Sie sind natürlich auch relativ häufiger als früher alleinstehend und zum Beispiel auch alleinerziehend. Sie haben aber eben die Möglichkeit, zusätzlich noch ein anderes Einkommen zu erwirtschaften.

Wie gesagt, diese rein negativen Konnotationen, die bei den Minijobs immer mitschwingen, muss man jedenfalls sehr differenziert sehen. Minijobs sind nicht nur des Teufels; sie müssen allerdings tatsächlich differenziert betrachtet werden und in ihren Folgen realistisch betrachtet werden.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium zum Thema Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Kempten/Allgäu: Ab wann wird es diese Schwerpunktstaatsanwaltschaft geben, die für alle Straftaten von Soldaten im Auslandseinsatz zuständig sein wird? Was erwartet sich das Verteidigungsministerium von dieser Neustrukturierung der Strafverfolgungsbehörde?

Dienst: Ich würde Sie bitten, die verfahrenstechnischen Fragen an das BMJ zu richten. Wir selber sind seitens des Hauses und der jeweilig führenden Minister in der Vergangenheit immer dafür gewesen, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft zu bestimmen, weil wir uns davon erstens eine zügigere Abwicklung der Verfahren erhoffen. Von diesen Verfahren sind ja Soldaten betroffen, die in besonderen Auslandsverwendungen gestanden haben; insofern erwarten wir zweitens, dass auch die Kompetenz dieser Schwerpunktstaatsanwaltschaft in den Spezifika, die mit dem Auslandseinsatz verbunden sind, naturgemäß steigen wird.

Merzlufft: Das ist in der Tat heute im Kabinett beschlossen worden. Es geht, wie es gerade auch aus dem Verteidigungsministerium anklang, um die Bündelung der Kompetenzen an einem Ort, also der Kompetenzen, die vor allen Dingen mit den Besonderheiten des Einsatzes vor Ort zu tun haben. Wenn jemand einer Straftat bei einem Einsatz im Ausland bezichtigt wird sei es in Kundus oder wo auch immer , dann sind natürlich auch Besonderheiten zu berücksichtigen. Bislang ist es so, dass diese Verfahren vom Verteidigungsministerium zum Teil der Staatsanwaltschaft in Potsdam übergeben werden, zum Teil aber auch vereinfacht gesprochen direkt an den Wohnort des jeweiligen Soldaten. Mit der heute beschlossenen Maßnahme, die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Kempten einzurichten, wird ja die Koalitionsvereinbarung umgesetzt. Das soll gerade auch deshalb in Kempten geschehen, weil dort schon eine solche Sonderstaatsanwaltschaft ist, deren Know-how und Kompetenzen, die dort vor Ort vorhanden sind, man dann auch einsetzen kann.

Zusatzfrage: Ab wann?

Merzlufft: Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, ob es zwischen unseren beiden Ressorts einen solchen Zeitplan gibt. Ich kann aber gerne die Information nachliefern, ob ein konkreter Zeitplan feststeht, in dem beschrieben ist, ab wann wirklich operativ angefangen wird. Es ist ja so, dass das jetzt ein Gesetzentwurf ist, der heute im Kabinett beschlossen worden ist. Der muss natürlich in die parlamentarische Beratung. Vielleicht haben wir auch einen Zeitplan, der zu antizipieren versucht, wie der Lauf der Dinge ist; denn davon wird ja abhängen, wann das Gesetz in Kraft tritt. Ich kann das gerne nachliefern.

StS Seibert: Ich habe das leider auch nicht in meinen Unterlagen über den Gesetzentwurf, der heute dem Kabinett vorlag und ohne Aussprache beschlossen wurde deshalb hatte ich ihn vorhin nicht erwähnt.

Zusatzfrage: Herr Dienst, nur eine kurze Nachfrage: Wie viele Vorfälle, wie viele Verfahren gab es eigentlich in den letzten zehn Jahren bei der Bundeswehr, bei denen man die Staatsanwaltschaften eingeschalten musste, um solche möglichen Straftaten zu untersuchen?

Dienst: Wenn Sie von mir erwarten, dass ich die Statistik der letzten zehn Jahre mit mir führe, muss ich Sie leider enttäuschen.

Zuruf: Ich denke einmal, dass Sie erwartet haben, dass so eine Frage kommt!

Dienst: Ich werde Ihre Frage in das Haus weiterreichen, darf aber darauf aufmerksam machen, dass wir längst nicht aller Verfahren, die sich zum Beispiel im Status der Vorermittlung befinden also bevor überhaupt Verfahren eröffnet werden , gewahr werden. Es ist eine Sache der Staatsanwaltschaft, ob sie sich in dieser Hinsicht gegenüber der Bundeswehr, den Rechtsberatern, den Zuständigen offenbart oder auch nicht.

Zusatzfrage: Ich würde mich aber freuen, wenn Sie eine Zahl oder einfach eine Größenordnung nachreichen könnten, damit man das einmal einigermaßen einordnen kann.

Dienst: Ich denke, meine Kolleginnen und meine Kollegen haben mitgehört und kennen auch Ihre E-Mail-Adresse.

Frage: Ich habe eine wettbewerbs- und bahnpolitische Frage. Und zwar würde mich einmal interessieren, ob die Bundesregierung der Meinung ist, dass die zentralen Anforderungen an die Organisation einer Eisenbahn in Europa durch die DB-Verbundstruktur in ihrer Gesamtheit effizient erfüllt werden und mit dieser Verbundstruktur erhebliche gesamtwirtschaftliche Vorteile verbunden sind.

Mehwald: Tja.

Frage: Ich sage es gern noch einmal. Es geht um den integrierten Konzern, also die zentrale bahnpolitische Frage. Dieser Satz sagt ja aus, dass diese Struktur effizient ist, mit dem Europarecht in Einklang steht und gesamtwirtschaftliche Vorteile hat. Deswegen wollte ich fragen, ob die Bundesregierung oder in diesem Fall das Verkehrsministerium hinter diesem Satz steht.

Mehwald: In einer Stunde und zehn Minuten wird der Bundesverkehrsminister gemeinsam mit Herrn Grube vor die Presse treten. Ich würde einfach vorschlagen, dass Sie Ihre Frage dort noch einmal stellen.

Zusatzfrage: Okay. Dann möchte ich die gleiche Frage gern noch an das Wirtschaftsministerium stellen.

Kraus: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Wieso? Das verstehe ich nicht ganz. Warum? Ich meine, das ist eine wettbewerbspolitische Frage, und Ihr Ministerium ist auch mit im Eignerkreis. Erfüllt die DB-Verbundstruktur die europapolitischen Anforderungen und ist sie gesamtwirtschaftlich von Vorteil?

Kraus: Ich gehe davon aus, dass sie die europarechtlichen Erfordernisse erfüllt. Wie Sie aber wissen, gibt es auch ein laufendes Verfahren vor dem EuGH zur Umsetzung des ersten Bahnpakets. Da dieses Verfahren noch läuft, möchte ich mich nicht weiter dazu äußern.

Zusatzfrage: Noch eine Frage, vielleicht auch an Herrn Seibert: Hat es das eigentlich jemals in der Geschichte der Deutschen Bahn gegeben, dass der Eignerkreis in einer zentralen verkehrspolitischen, europapolitischen Frage gespalten ist?

StS Seibert: Wenn Sie da von mir eine fundierte Antwort wollen und etwas anderes kann ich mir gar nicht vorstellen , werde ich ihnen die nachreichen müssen.

Zusatzfrage: Es ist ja so, dass es zwischen FDP-Vertretern und Unionsvertretern im Bahn-Aufsichtsrat grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen in dieser Frage gibt, was sich heute nach allen Erkenntnissen auch manifestieren wird.

Mehwald: Die Fragen, die Sie jetzt gerade haben, sind so spezifische Fragen zu diesem Thema, dass ich mich gerne wiederholen wollen würde: In einer Stunde und neun Minuten findet die Pressekonferenz zu diesem Thema statt, versuchen Sie es dort noch einmal oder reichen Sie uns diese Frage schriftlich ein. Wir beantworten Ihre Frage gerne, aber das ist jetzt wirklich in einer Form, dass ich sagen muss: Damit müssen wir uns noch beschäftigen.

Zusatzfrage: So detailliert ist das nicht; das ist ja die Frage, die in den vergangenen Jahren immer im Mittelpunkt stand. Auch in der Koalition gab es ja genau über diese Frage Diskussionen.

Mehwald: Schon aufgrund Ihres Ansatzes "jemals in der Geschichte" müsste man noch ein bisschen recherchieren.

Zusatzfrage: Ja, gut, okay. Aber normalerweise ist ja der Eigner einer Meinung, was die Konzernstrategie angeht.

StS Seibert: Sie bekommen von der Bundesregierung dazu heute eine Antwort. Welches Ressort diese Antwort gibt, finden wir noch, aber Sie bekommen eine fundierte Antwort.

Zusatzfrage: Am liebsten hätte ich gern von jedem Ressort eine, also auch vom Wirtschaftsministerium.

StS Seibert: Jedes Ressort wird Ihnen das Gleiche sagen, weil wir uns da sicherlich einig sind.

Vorsitzende Sirleschtov: Gibt es zu diesem Thema weitere Fragen? Dann hat Herr Mertzlufft noch ein Datum oder zumindest einen Zeitraum nachzuliefern.

Merzlufft: Ich kann noch eine Antwort auf Ihre Frage nachliefern, wann die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Kempten operativ tätig werden kann. Noch einmal vorausgeschickt: Ich bin Ministeriumssprecher, und letztlich entscheidet das der Bundestag selbst. Geplant ist aber, dass die Schwerpunktstaatsanwaltschaft unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes operativ tätig werden kann. Das ist aus unserer Sicht, auf Regierungsseite, für November 2012 geplant.

Frage: Aus aktuellem Anlass muss ich noch einmal auf das Thema der Ölreserven zurückkommen. Vorhin ist der Begriff der deutsch-französischen Balance ja schon eingeführt worden. Jetzt gibt es eine französische Entscheidung, die Ölreserven wegen der Preisstabilität doch anzuzapfen. Meine Frage an Herrn Seibert oder an das Wirtschaftsministerium wer auch immer sich zuständig fühlt : Ist die Bundesregierung bereit, zur Stabilisierung der Ölpreise sprich, damit eventuell mittelbar auch zur Stabilisierung der Benzinpreise die deutschen Ölreserven anzuzapfen? Wenn ja, in welchem Umfang?

Kraus: Da kann ich vielleicht für das BMWi kurz antworten: Es gibt ja ein Erdölbevorratungsgesetz. Dieses Gesetz regelt genau, in welchen Fällen die Ölreserven zur Krisenvorsorge dem Markt zur Verfügung gestellt werden dürfen und wann nicht. Die Reserven sind grundsätzlich immer für physische Versorgungsstörungen vorgesehen. Eine physische Knappheit liegt derzeit aus unserer Sicht nicht vor.

Zusatzfrage: Im Klartext heißt das also: Kein Rückgriff auf die deutschen Ölreserven?

Kraus: Ich habe Ihnen die gesetzliche Grundlage dargelegt. Nach der wird verfahren.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Herr Schäfer, haben Sie konkrete Anhaltspunkte dafür, ob Herr Assad diesmal geneigt ist, seine Zusagen, er werde sich auf einen Friedensprozess einlassen, auch wahrzumachen, oder spielt er doch wieder nur auf Zeit, wie bei der gescheiterten Mission der Arabischen Liga?

Schäfer: Die einfache Antwort in einem Wort wäre wahrscheinlich "Nein". Die Informationen darüber, dass der Sechs-Punkte-Plan von Präsident Assad, von der syrischen Regierung akzeptiert worden ist, stammen ja nicht aus Damaskus, sondern stammen von einem Sprecher von Kofi Annan gestern in Genf. Soweit mir bekannt ist, gibt es keine offizielle Verlautbarung aus Damaskus.

Insofern stehen wir jetzt da, wo wir stehen. Das bedeutet, dass aus Sicht des Außenministers Westerwelle die Zustimmung von Präsident Assad und seiner Regierung zu diesem Sechs-Punkte-Plan ein wichtiger erster Schritt wäre, den wir und das sage ich ganz bewusst im Konjunktiv begrüßen würden. Wesentlich ist jedoch die rasche Umsetzung des von allen 15 Mitgliedern des VN-Sicherheitsrats unterstützten Plans und das ist das Einzige, woran wir die syrische Regierung messen werden, nämlich an den konkreten Taten und nicht an den bislang ja sogar auch noch ausbleibenden Worten.

Was das bedeutet: Im Sechs-Punkte-Plan ist ja die Rede davon, dass sofortiger humanitärer Zugang gewährt werden muss. Es heißt dort, dass die syrische Regierung unverzüglich die Gewalt einzustellen hat und dass sie ferner die Überwachung dieser Einstellung der Gewalt durch die Vereinten Nationen zu dulden hat. Dann gibt es noch einige andere Punkte darin, die ebenso wichtig sind, etwa die Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Entlassung politischer Gefangener. Dass all das geschieht, wollen wir jetzt sehen.

Es bleibt dabei, dass die Bundesregierung mit voller Kraft und aus voller Überzeugung die Aktivitäten des Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Kofi Annan, unterstützt.

StS Seibert: Wenn ich noch eines hinzufügen darf: Auch eine andere schon länger im Raum stehende Forderung der Vereinten Nationen ist ja vom Regime in Damaskus nicht erfüllt worden, denn es gibt eben keinen ungehinderten Zugang für Hilfsorganisationen. Auch dieser Forderung ist Syrien bisher nicht nachgekommen. Auch in dem Punkte müsste aus unserer Sicht die syrische Regierung jetzt mit Taten beweisen, dass sie tatsächlich vorhat, die Waffengewalt zu beenden.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 28. März 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/03/2012-03-28-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2012