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PRESSEKONFERENZ/452: Regierungspressekonferenz vom 16. Juli 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 16. Juli 2012
Regierungspressekonferenz vom 16. Juli 2012

Themen: Kauf einer CD mit Steuerdaten aus der Schweiz, in China inhaftierter Kunstspediteur Jennrich, Interviewaussagen des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, möglicher Wechsel an der Spitze des Bundeskriminalamts, Nachfolgeregelung im Bundesamt für Verfassungsschutz, Reform der Verfassungsschutzämter, Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes, religiös motivierte Beschneidungen von Jungen, Personalie im Familienministerium, Haftung bei direkten Hilfen an Banken in Europa, geplante Testkäufe der BaFin bei Banken, Energiewende, Opel, Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006

Sprecher: StS Seibert, Kotthaus (BMF), Aden (BMJ), Schäfer (AA), Lörges (BMI), Paris (BMVg), Wiegemann (BMWi), von Jagow (BMFSFJ), Stamer (BMU)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Herr Seibert, Herr Kotthaus, es geht natürlich um das Thema Schweiz. Mich interessieren drei Fragen, zum einen, wie die Bundesregierung den Ankauf solcher Daten durch Nordrhein-Westfalen bewertet. In dem, was Herr Schäuble der "Bild"-Zeitung gesagt hat, habe ich noch keine richtige Bewertung erkannt.

Zum Zweiten würde mich interessieren, ob die Bundesregierung im Vorfeld in irgendeiner Weise von dieser Aktion Nordrhein-Westfalens informiert war und ob sie konsultiert worden ist.

Zum Dritten interessiert mich: Ist es denn so, dass als Teil des Abkommens festgelegt wird, dass man in Zukunft nicht mehr Steuerdaten ankaufen wird, oder ist es - so hatte ich es im Kopf - nur eine Verständigung, die man bei der Schließung des Abkommens getroffen hat, dass es in Zukunft nicht mehr notwendig sein wird, Daten anzukaufen, dass aber de facto in dem Abkommen nicht ausgeschlossen worden ist, dass man auch zukünftig solche CDs ankaufen wird?

Kotthaus: Vielen Dank. Ich versuche, Ihre drei Fragen zu beantworten. Fangen wir vielleicht mit der mittleren Frage an: Dieser CD-Ankauf ist im Wesentlichen in NRW motiviert und wird im Wesentlichen auch dort gehandhabt. Wir haben davon erfahren, aber das wird im Wesentlichen in NRW gemacht, getan und ausgeübt.

Zum Zweiten: Wir sind der festen Auffassung, dass es richtiger, sachgerechter und hilfreicher ist, wenn wir die Fragen der unzureichenden oder unbefriedigenden Besteuerung von Vermögen, das in der Schweiz belegen ist und deutschen Steuerpflichtigen gehört, in einem systematischen Ansatz regeln, sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft. Das Steuerabkommen, das mit der Schweiz intensiv verhandelt wurde, besitzt genau diese beiden Elemente: Es gibt eine pauschale Lösung für die Vergangenheit, die zu einer beträchtlichen Nachzahlung führen wird, und es findet für die Zukunft eine komplette Gleichbehandlung mit deutschen Steuerpflichtigen statt, die ihr Vermögen in Deutschland belegen haben. Durch dieses Abkommen wird gewährleistet, dass wir nicht diesen unerfreulichen Zustand haben, dass jedes Jahr Steuerforderungen in beträchtlicher Höhe verjähren. Dadurch hätten wir einen systematischen und umfassenden Ansatz, der obendrein durch zusätzliche systematische Kontrollmöglichkeiten bewährt ist. Dadurch wären wir nicht mehr abhängig von irgendwelchen zufälligen Funden - Datenfunden oder welcher Art auch immer -, und dieser Zustand würde auch dafür sorgen, dass wir einen Rechtsfrieden hätten, was die Befindlichkeiten der beiden Staaten sicherlich auch besser gewährleisten könnte und ihnen besser Rechnung tragen könnte als im jetzigen Zustand.

In dem Abkommen selbst verständigt man sich darauf, dass sich die Vertragspartner nicht mehr aktiv um den Kauf von CDs bemühen werden. Nach unserem Verständnis ist das Abkommen so gestrickt, dass, wenn es einmal ratifiziert und in Kraft getreten ist, es schwer vorstellbar ist, dass in diesem Zusammenhang dann noch ein CD-Kauf Sinn haben könnte, weil es halt die Pauschalregelung für die Vergangenheit gibt, weil es die Gleichbehandlung für die Zukunft gibt und weil wir diese Kontrollmöglichkeiten über direkte Klarnamenabfragen haben. Das ist der Status quo.

Wir sind weiterhin der Überzeugung und der Auffassung, dass das auch der richtige Weg ist, um dieses Problem, das ja seit vielen Jahren ungelöst ist und hinsichtlich dessen es viele Ansätze gab, die aber alle nicht befriedigend waren, zu lösen. Einen so umfassenden, so weitreichenden und so handhabbaren Ansatz wie jetzt hat es noch nicht gegeben, und deswegen sind wir weiterhin optimistisch, dass wir das Abkommen auch ratifiziert bekommen.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, Sie hätten davon gehört. Von welcher Seite haben Sie denn von diesem Ankauf Nordrhein-Westfalens gehört? Hat Nordrhein-Westfalen Sie aktiv informiert?

Kotthaus: Wir haben davon gehört.

Zusatzfrage: Zum Zweiten: Die Schweizer äußern sich jetzt in die Richtung, dass diese Aktion ein Verstoß gegen das Abkommen darstelle, weil man quasi schon während der Ratifizierung davon ausgehen müsste, dass das Nicht-Ankaufen geregelt ist. Wenn ich Sie so höre, so ist ein Ausschluss solcher CD-Käufe nicht in dem Abkommen enthalten, sondern es gibt nur das gemeinsame Verständnis, dass das nicht mehr laufen sollte und nicht mehr aktiv betrieben wird. "Aktiv betreiben" heißt doch aber wohl nicht, dass, wenn jemand auf mich zukommt und mir etwas anbietet, das interessant ist, ich es dann nicht kaufen darf. Oder habe ich da ein falsches Verständnis von "aktiv betreiben"?

Kotthaus: Die Formulierung ist so, wie ich sie formuliert habe. Darin steht: Der Bund wird sich nicht aktiv darum bemühen. Das können Sie jetzt selbst interpretieren.

Zum Zweiten glaube ich, das Wichtigere ist: Wenn das Abkommen in Kraft getreten ist, wenn diese Regelungen für die Vergangenheit und für die Zukunft umgesetzt worden sind und wenn wir dann damit einhergehend auch diese umfassende Kontrollmöglichkeiten haben, dann ist es schwer vorstellbar, wozu CD-Käufe noch dienen könnten. Damit erübrigt sich diese Frage aus unserer Perspektive. Das Abkommen schafft vielmehr eben genau die Basis dafür, dass sich diese Frage, die immer wieder aufkommt - Was ist wo und wie mit CD-Käufen und Ähnlichem mehr? -, dann eigentlich erledigt haben dürfte. Das ist ja der große Vorteil: Es geht nicht nur um irgendwelche Zufallsfunde. Es geht nicht um irgendwelche Datensätze, die die Seiten unterschiedlich bewerten, was die rechtliche Qualität betrifft.

Es ist sogar rein faktisch so: Wenn man solche Daten-CDs hat, dann gibt es darauf einen unklaren Satz an Daten welcher Qualität auch immer. In Zukunft wird es eben möglich sein, dass wir im Zweifelsfall, soweit es überhaupt angebracht ist, dann tatsächlich Kontrollen mit normalen Klarnamenabfragen durchführen können. Das ist natürlich ein deutlicher Fortschritt und eine deutliche Verbesserung. Noch einmal: Daher gehe ich davon aus, dass sich die ganze Frage der CD-Käufe dann in der Zukunft erübrigen würde.

Frage: Herr Kotthaus, bisher ist das Verfahren bei CD-Ankäufen ja immer so gewesen: In einem Land wird das geprüft, und wenn das Land entschieden hat, dass gekauft wird, dann werden die Kosten nach einem festgelegten Schlüssel auf Bund und Ländern umgelegt. Wird das in diesem Fall auch so sein?

Kotthaus: Dass das so eine ganz allgemeine Regel ist, die man auf alle Fälle anwenden kann, Frau Riedel, kann ich Ihnen nicht bestätigen. Ich habe meine Formulierung "Wir haben davon gehört" vorhin, wie gesagt, schon mit Bedacht gewählt.

Zusatzfrage: Dass Sie von dem Fall gehört haben, ist ja sowieso logisch, weil jeder Fall, der geprüft wird, beim Bundeszentralamt für Steuern hinterlegt wird, damit so ein Datenverkäufer nicht in jedem einzelnen Land und noch einmal extra beim Bund abkassieren kann. Das heißt, darüber wird sowieso jeder der beteiligten Finanzminister in irgendeiner Art und Weise informiert.

Wenn es jetzt zu einem Kauf kommt oder gekommen ist, dann gibt es ja auch ein Verfahren, das in den früheren Fällen, die es gegeben hat, verabredet worden ist, wonach die Kosten dann entsprechend zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Wenn jetzt eine neue CD angekauft wird, wird dieser Schlüssel dann nicht mehr zur Anwendung kommen?

Kotthaus: Das Verfahren liegt momentan, soweit mir bekannt ist, im Wesentlichen bei NRW. Darüber hinaus habe ich darüber keinerlei Information, die mich in die Lage versetzen würde, Ihnen eine weitere Auskunft zu geben.

Frage: Heißt das mit anderen Worten, der Bund hat bisher kein Geld für diese jüngste CD überwiesen?

Kotthaus: Die Sachlage ist so, wie ich sie Ihnen gerade geschildert habe: Wir haben davon gehört, dass NRW irgendwie in Gesprächen oder was auch immer ist. Da endet es im Augenblick.

Frage: Herr Kotthaus, die Schweizer sind ja der Meinung, schon die Unterschrift unter dieses Abkommen bedeute, dass man sich daran hält, dass man keine weiteren CDs ankauft. Ist das auch Ihr Rechtsverständnis, oder muss das erst ratifiziert sein, bevor man das nicht mehr machen kann?

Kotthaus: Ich habe gerade versucht, mit Ihrem Kollegen das Thema zu erörtern, wie man die Formulierung "nicht aktiv darum bemühen" interpretieren kann. Das muss ich Ihnen und auch den anderen überlassen. Aber das ist die Formulierung, die sich in dem Abkommen findet. Man wird sich nicht aktiv darum bemühen, weitere Datensätze oder Ähnliches mehr zu kaufen.

Ich weiß, dass es jetzt offensichtlich eine Interpretation in Bezug darauf gibt, was ab einer Unterschrift alles nicht möglich wäre. Ich kann Ihnen dazu noch keine schlussendliche rechtliche Bewertung liefern. Man kann sich auch fragen, auf wen sich diese Pflicht oder dieses Verständnis des nicht aktiven Bemühens dann genau erstreckt. Nichtsdestotrotz ist die Tatsache, die ich gerade geschildert habe, aus der Perspektive des Bundes: Wenn das Abkommen existiert, wenn es ratifiziert und umgesetzt worden ist, dann wird sich aus unserer Perspektive die Frage der Käufe von CDs nicht mehr stellen können.

Frage: Herr Kotthaus, Sie sagten - so habe ich es zumindest verstanden -, dass sich der Kauf solcher Daten - Banken-CDs usw. - erübrigen werde, weil im Abkommen ähnliche Kontrollmaßnahmen vorgesehen seien. Können Sie also beschreiben, wie sich diese Kontrollmaßnahmen oder Kontrollmöglichkeiten im Vergleich mit dem Erhalt einer CD verhalten, auf der einfach "Herr X hat so und so viel Geld" steht? Wie sind diese Dinge miteinander zu vergleichen?

Kotthaus: Das sind jetzt, glaube ich, mehrere, verschiedene Schritte, die da zusammenkommen. Zum einen müssen die Banken - Sie kennen das - diese verschiedenen Maßnahmen ergreifen, um den Steuerpflichten der Deutschen nachzukommen, die bei ihnen ein Konto beziehungsweise Vermögen haben, indem die Beträge von den Banken abgeführt werden, und zwar automatisch, soweit es um deutsche Steuerpflichtige geht. Diese Banken unterliegen natürlich auch in der Schweiz der Aufsicht durch die staatlichen Behörden.

Last, but not least, haben wir ja die Möglichkeit, in der Periode der ersten zwei Jahre bis zu mehr als 1.000 anlasslose Nachfragen an die Schweizer zu stellen, und zwar nach dem Motto: Hat der Bürger X aus der Stadt Y bei Ihnen ein Konto? Wenn ja mit welchem Vermögen? Wie sieht es damit aus, was die Besteuerung betrifft? - Die Vorstellung, dass es auf einer CD genauso ist, wie Sie gerade gesagt haben, dass es also darauf Angaben zu lauter Namen, zu vernünftigen Konten und zur Steuerpflicht gibt, entspricht ja in den wenigsten Fällen der Realität. Es gibt meistens Datensätze, die man erst umfangreich auswerten muss, und zwar mit allen damit einhergehenden Schwierigkeiten und normalerweise nicht mit Klarnamen und Ähnlichem mehr. Dieses anlasslose Nachfrageverfahren, das in dem Abkommen ausdrücklich geregelt wird, ist also der deutlich einfachere Weg, weil man einfach fragen kann: Hat dieser und jener Mensch mit dieser und jener Adresse bei euch ein Konto, und wie sieht das aus?

Zusatzfrage: Meinen Sie also, das Bankgeheimnis wird dadurch praktisch aufgehoben? Wird der Schweizer Staat also wirklich die Möglichkeit haben, in der Praxis von den Banken solche Informationen zu bekommen, was bisher nicht der Fall war, und wird er es auch ausüben?

Kotthaus: In dem Abkommen ist vorgesehen, dass der deutsche Staat die Frage "Hat der Herr Müller aus Ravensburg bei Ihnen ein Konto?" stellen darf und die Schweizer Seite auch dazu verpflichtet ist, darauf mit entsprechenden Informationen zu antworten. Das ist in dem Abkommen so geregelt, und mir wäre nicht bekannt, dass die Schweiz nicht vertragstreu wäre oder sein wird. Daher gehe ich davon aus: Ja, das wird auch so umzusetzen sein.

Frage: Herr Kotthaus, Sie haben vorhin gesagt, das werde in NRW umgesetzt. Können Sie jetzt einfach zu Händen des Plenums bestätigen, dass dieser Kauf tatsächlich stattgefunden hat?

Kotthaus: Nein, das kann ich nicht.

Zusatzfrage: Können Sie uns ein bisschen über die rechtlichen Kompetenzen aufklären? Können die Behörden in Nordrhein-Westfalen autonom entscheiden, ob sie eine solche Daten-CD kaufen wollen, oder kann das BMF einen solchen Kauf untersagen?

Kotthaus: Die Frage der Verfolgung von Steuerdelikten wie auch die gesamte Frage der Steuereinziehung liegt bei den Bundesländern. In der Vergangenheit hat man sich immer miteinander ins Benehmen gesetzt. Aber noch einmal: Die Kompetenz in diesem Zusammenhang liegt bei den Bundesländern.

Zusatzfrage: In früheren heiklen Fällen war es so, wie Sie es gesagt haben, nämlich dass man sich miteinander ins Benehmen gesetzt hat. Ist es aus Ihrer Sicht ein Affront, dass der Finanzminister jetzt nicht gefragt worden ist?

Kotthaus: Ich kann nicht beurteilen, welche nächsten Schritte jetzt kommen. Ich kann nicht beurteilen, in welchem Stadium das Verfahren um diesen Kauf oder Nicht-Kauf ist. Da muss ich selbst noch abwarten. Dann kann ich im weiteren Verlauf sicherlich eine Bewertung abgeben, die ich jetzt noch nicht abgeben kann.

Frage: Ich möchte mich nach dem Stadium eines anderen Verfahrens erkundigen. Mit den Ländern gibt es doch Gespräche über dieses Steuerabkommen. Die laufen meiner Ansicht nach noch, oder?

Kotthaus: Ja.

Zusatzfrage: Ich würde mich gerne nach dem Stand dieser Gespräche erkundigen und wüsste gerne, ob Sie glauben, dass sie durch diesen Vorfall beflügelt werden.

Kotthaus: Die Gespräche dauern an. Sie wissen, dass die gesamte Planung für die Umsetzung des Abkommens in Deutschland bis Ende des Jahres reicht. Solche Fragen rund um das Thema Steuerhinterziehung, CD-Käufe und Ähnliches machen die Sachlage immer nicht leichter. Gleichzeitig belegen sie aber, wie dringend erforderlich es ist, dass wir ein Abkommen finden, um diesen Zustand einer Lösung entgegenzuführen.

Wir alle in diesem Saal wissen, wie oft auch schon in der Vergangenheit über dieses Thema diskutiert worden ist. Wir wissen, dass verschiedene Bundesregierungen in der Vergangenheit verschiedene Modelle versucht haben, um das Problem zu klären. Dies ist nie befriedigend gelungen.

Ich muss Folgendes betonen: Jedes Jahr verjähren äußerst beträchtliche Beträge an Steuereinnahmen, die eigentlich dem deutschen Fiskus zukommen sollten, weil wir kein Abkommen haben, um das vernünftig zu regeln. Jetzt haben wir eine Möglichkeit, genau diesen unerfreulichen Zustand abzustellen. Zudem haben wir die Möglichkeit, für die Zukunft sicherzustellen, dass alle Steuerforderungen, die gegenüber Steuerpflichtigen existieren, die Vermögen in der Schweiz haben, genauso behandelt werden, als wenn das Vermögen in Deutschland wäre. Und wir haben diese Kontrollmöglichkeiten. Das ist schon der umfassendste und beste Ansatz, der bis jetzt auf dem Tisch lag. Daher ist es für die Bundesregierung wirklich von hoher Priorität, dass er dann auch zum Tragen kommt.

Natürlich schüren solche CD-Käufe - oder auch nicht - immer etwas die Emotionen. Aber gleichzeitig belegt dies, wie hochwichtig es ist, dass dieses Abkommen umgesetzt wird.

Frage: Herr Kotthaus, die SPD argumentiert nun, dass es auch eine gewisse abschreckende Wirkung hätte, wenn solche CDs immer wieder auf den Markt kommen. Es gibt Meldungen, dass NRW auch noch über den Ankauf von zwei weiteren CDs verhandelt. Was sagen Sie denn dazu?

Kotthaus: Solange das Abkommen nicht greift und wir daher dessen positive Wirkungen nicht haben, ist es für potenzielle Steuerhinterzieher immer abschreckend zu wissen, dass irgendwelche Daten in der Welt sind. Wenn wir dann das Abkommen haben, haben wir dies nicht nur für die Vergangenheit, indem die Problematik der Verjährung gelöst wird, sondern wir haben auch die Gleichbehandlung für die Zukunft.

Man muss immer gewärtigen, dass jemand versucht, einen Trick zu finden, sich vor seiner Steuerpflicht zu drücken. Der Staat hat die Möglichkeit, mit Klarnamen abzufragen: Wie sieht das in der Schweiz mit dem Herrn Sowieso aus? Hat er dort Gelder und, wenn ja, in welcher Höhe? Das heißt, das ist eigentlich ein sehr effektvoller und sehr effizienter Weg, um auch dort für eine Abschreckung in jeglicher Hinsicht zu sorgen.

Noch einmal: Ich finde, das Abkommen ist der umfassendere, der systematischere und der bessere Weg, um das Problem als Ganzes anzugehen, und nicht immer nur einzelne blitzlichtartige Aufhellungen für einen kleinen Teil der Steuerforderungen zu haben, die wir dort haben. Wir hätten dann einen umfassenden Ansatz. Das wäre für das Steueraufkommen in Deutschland sicherlich sehr viel produktiver und hilfreicher als immer die einzelnen CD-Käufe.

Frage: Herr Kotthaus, Sie argumentieren verständlicherweise mit dem Blick in die Zukunft und sagen: Das Abkommen gibt uns Möglichkeiten, in der Zukunft an diese Kapitalien heranzukommen. - Ich glaube, das stört die Länder weniger. Die Länder stören sich eher an der Regelung, die für die Vergangenheit getroffen worden ist. Dafür gibt es sogar Musterbeispiele - ich glaube, auf der Website des NRW-Finanzministeriums -, anhand derer man nachrechnen kann, dass derjenige, der ehrlich war und seine Zinseinkünfte hier versteuert hat, unter dem Strich schlechter dasteht als derjenige, der unter die Regelung fällt, die Sie mit der Schweiz getroffen haben. Bestünde die Möglichkeit, dass man mit der Schweiz nachverhandelt, um es auf diesem Wege zum Beispiel auch den SPD-regierten Ländern zu ermöglichen zuzustimmen?

Kotthaus: Sie wissen, dass wir die Verhandlungen mit der Schweiz sehr intensiv geführt haben und dass wir gerade auch auf Bitten der Länder noch einmal auf die Schweiz zugegangen sind und dementsprechend nachgebessert haben. Ich finde, es ist ein etwas bedingt hilfreicher Ansatz zu sagen: Wir wollen hier die allumfassende, komplette Gerechtigkeit für jedermann.

Das ist eine Pauschalregelung für die Vergangenheit; das ist richtig. "Pauschalregelung" heißt, Einzelne werden deutlich mehr Steuern zahlen müssen, als sie hätten zahlen müssen, wenn sie seriös versteuert hätten. Aber Einzelne werden auch weniger Steuern zahlen müssen, als wenn sie komplett normal versteuert hätten. Das Wort "pauschal" impliziert das. Was man dadurch endlich abstellt und verhindert, ist, dass jemand überhaupt keine Steuern zahlt - weder diejenigen, die bessergestellt werden, noch diejenigen, die weniger gut gestellt werden -, weil das verjährt ist. Dadurch gingen dem Fiskus jährlich Millionen von Euro verloren. Das ist doch ein Zustand, der zutiefst unbefriedigend ist.

Mit der pauschalen Nachversteuerung - Sie alle kennen die Zahlen, die in der öffentlichen Diskussion herumgeistern; wir sprechen da von einem zweistelligen Milliardenbetrag - hätten wir dieses Problem gelöst, allerdings nicht mit der schlussendlich perfekten Gerechtigkeit für jedermann. Aber wir würden den wirklich zutiefst unbefriedigenden Zustand abstellen, dass jedes Jahr am 31. Dezember um Mitternacht der Gong ertönt und wieder Millionen an Steuerforderungen verjährt sind.

Deswegen glaube ich, dass das ein richtiger Ansatz ist. Der Ansatz, der sich anbietet, ist der Ansatz, der zwischen zwei souveränen Staaten verhandelt worden ist. Dieser Ansatz bietet zwar nicht die perfekte Gerechtigkeit, aber er kommt ihr so nah wie keiner zuvor.

Zusatzfrage: Aber das reicht ja Herrn Walter-Borjas und seinen Unterstützern in den Ländern offenbar nicht. Deshalb die Frage.

Kotthaus: Wenn ich in meinen Kalender schaue, dann muss ich sagen, dass wir bis Ende des Jahres noch ein paar Tage Zeit haben. Man muss immer mit allen Leuten reden. Wir sind im Dialog, und wir bleiben im Dialog. Wir werden das weiterhin diskutieren. Dieses Abkommen hat all die Vorteile, die ich vorhin versucht habe zu schildern. Ich kenne nicht wenige, wenn man mit ihnen im direkten Dialog spricht, die einem erklären: Ja, das ist sicherlich der beste Ansatz, den wir bisher gehabt haben. Er wird dafür sorgen, dass wir zu Rechtsfrieden finden.

Wir sind weiterhin der Auffassung, dass das der beste Ansatz ist. Wir werden uns weiterhin darum bemühen, auch die dementsprechende Zustimmung zu bekommen. Noch haben wir ein paar Tage Zeit.

Frage: Herr Kotthaus, Sie können sich sicherlich noch daran erinnern, als die schweizerische Bundesrätin Widmer-Schlumpf nach Berlin gekommen ist und das Abkommen feierlich mit Herrn Schäuble unterzeichnet hat. Sie können sich sicherlich auch noch daran erinnern, dass Herr Schäuble damals explizit gesagt, dass der Verzicht auf den Ankauf von CDs ab Unterzeichnung der Abkommens - ich glaube, er hat sogar gesagt: "also ab heute" - gelte. Es ist natürlich ein bisschen seltsam, dass jetzt trotzdem eine CD gekauft worden ist. Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat Herr Schäuble etwas versprochen, was er nicht halten kann, weil nämlich die Länder die CDs kaufen, oder er hat es sich anders überlegt. Können Sie diesen Widerspruch auflösen?

Kotthaus: Ich weiß bis jetzt nicht, ob die CD gekauft worden ist. Daher kann ich Ihre Frage momentan nicht vernünftig beantworten. Noch einmal: Das Abkommen sieht vor, dass sich die Frage der CD-Käufe mit dem Inkrafttreten erledigt hat. Den Rest müssen wir jetzt einfach abwarten.

Frage: Ganz platt gefragt: Hat sich die Schweiz schon bei Ihnen gemeldet? Hat sie mit der Bundesregierung, vielleicht auch mit dem Kanzleramt Kontakt aufgenommen, um in dieser Frage Weiteres zu diskutieren?

Kotthaus: Das ist mir bis jetzt nicht bekannt.

Frage: Herr Kotthaus, Sie haben gerade gesagt, die Pauschallösung sei die bessere Variante, auch wenn dies keine hundertprozentige Gerechtigkeit herstelle, was die Vergangenheit angeht. Eine vielleicht hypothetische Frage: Nehmen wir einmal an, das Abkommen wird ratifiziert, wie Sie es beschrieben haben. Das heißt, die Verjährung gibt es dann nicht mehr, weil das Ganze pauschal behandelt wird. Wie wäre es dann, wenn trotzdem eine CD gekauft beziehungsweise geliefert würde, auf der bestimmte Daten in Bezug auf Steuerhinterziehung vorhanden sind? Würde das bedeuten, dass derjenige, der eine Steuerhinterziehung begangen hat, nur nach der Pauschalregelung oder nach den Sätzen, die hätten gelten sollten, besteuert würde?

Kotthaus: Wenn es nicht um Verbrechen geht - das ist noch eine besondere Frage -, sondern um eine "normale" Steuerhinterziehung, wenn das entsprechende Vermögen aufgenommen und pauschal nachversteuert worden ist, dann hätte sich damit die Steuerschuld erledigt.

Frage: Ich komme auf den Deutsch-Chinesischen Rechtsstaatsdialog zu sprechen. Frau Aden, Sie haben am Freitag angekündigt, Ihre Ministerin würde gegebenenfalls den Fall des seit mehr als 100 Tagen inhaftierten Nils Jennrich in China ansprechen. Hat sie das getan, und wie war die Reaktion der chinesischen Seite?

Aden: Der Rechtsstaatsdialog hat gerade erst begonnen. Ich habe gesagt, dass möglicherweise Gespräche stattfinden werden. Ich bin ganz offensichtlich nicht dort, sondern sitze hier, und kann Ihnen deswegen nichts dazu sagen. Selbst wenn ich dabei wäre, muss ich Ihnen sagen, dass solche Gespräche üblicherweise vertraulich stattfinden. Auch aus diesem Grund könnte ich Ihnen nichts dazu sagen.

Zusatzfrage: Es könnte ja sein, dass Ihnen die Ministerin eine Rückmeldung gibt. Aber davon abgesehen: Wenn Sie "ansprechen" sagen, was heißt das eigentlich? Informiert sich die Ministerin bei den chinesischen Vertretern über den Fall? Weist sie auf rechtsstaatliche Probleme hin? Setzt sie sich für eine Freilassung ein? Wie muss man das Wort "ansprechen" verstehen?

Aden: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Wie gesagt: Ich bin bei diesen Gesprächen nicht dabei. Diese Gespräche werden vertraulich geführt. Dazu, in welcher Art und Weise das Thema möglicherweise angesprochen wird, kann ich Ihnen nichts sagen.

Zusatzfrage: Werden Sie später noch eine Information herausgeben, wenn Sie von der Ministerin beispielsweise informiert worden sind?

Aden: Das werden wir dann sehen.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Nachfrage an das Auswärtige Amt: Die Botschaft in China betreut ja den Fall. Hat das Auswärtige Amt in den Gesprächen mit der chinesischen Botschaft in irgendeiner Weise etwas darüber erfahren, ob es in Bälde zu einer Anklageerhebung oder Ähnlichem kommen wird?

Schäfer: Wir nehmen den Konsularfall von Herrn Jennrich außerordentlich ernst. Die deutsche Botschaft in Peking betreut Herrn Jennrich intensiv und umfangreich. Er ist in seiner Haft in Peking bereits mehrfach von Vertretern der Botschaft besucht worden. Das ist zuletzt am vergangenen Freitag, also heute vor drei Tagen, geschehen. Auch der deutsche Botschafter in China hat Herrn Jennrich in Haft besucht. Es ist völlig selbstverständlich, dass wir den Fall weiter intensiv begleiten werden. Ebenso selbstverständlich ist, dass die Botschaft bei der Betreuung von Herrn Jennrich in intensivem Kontakt mit den chinesischen Behörden, mit den Rechtsvertretern von Herrn Jennrich und mit den Angehörigen von ihm steht. Ich kann darüber hinaus nichts sagen und muss Ihnen mitteilen, dass wir die Gespräche - insbesondere die Gespräche, die wir mit der chinesischen Seite führen - nicht in der Öffentlichkeit führen können.

Zusatzfrage: Können Sie etwas über die Haftbedingungen im Gefängnis Nummer 1 sagen?

Schäfer: Ich habe darüber keine Informationen, die ich jetzt mit Ihnen teilen könnte.

Frage: Herr Seibert, wie würde die Bundeskanzlerin ihr Verhältnis zum ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi bezeichnen? Würde auch sie von einer sehr herzlichen Beziehung sprechen, wie es Silvio Berlusconi heute in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung getan hat?

StS Seibert: Seit Herr Berlusconi nicht mehr Ministerpräsident ist, hat es keine größeren Kontakte mehr gegeben. Insofern kann ich Ihnen nicht über eine aktuell herzliche Beziehung berichten. Sie war zu der Zeit, in der er Ministerpräsident war, gut; das war eine intensive deutsch-italienische Zusammenarbeit.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium: Können Sie bestätigen, dass der Chef des BKA, Jörg Ziercke, zum Jahresende in den Ruhestand geht und dass ihm Helmut Teichmann nachfolgen wird? Haben Sie Erkenntnisse darüber, dass auch im Bundesamt für Verfassungsschutz bereits eine Nachfolgeregelung gefunden worden ist?

Lörges: Ich möchte hier und heute Folgendes sagen: In Bezug auf den Präsidenten des BKA, Herrn Ziercke, ist festzustellen, dass er zum Jahresende ohnehin in den Ruhestand treten wird und dass zu gegebener Zeit über eine Nachfolge entschieden wird.

Zusatzfrage: Darf ich die Frage noch an das Bundesverteidigungsministerium weiterleiten? Denn dort ist Herr Teichmann wohl zurzeit tätig. Haben Sie Erkenntnisse darüber?

Paris: Das ist reine Spekulation, wie Herr Lörges es gesagt hat.

Zusatzfrage: Auf die Frage nach dem Bundesamt für Verfassungsschutz haben Sie noch nicht geantwortet.

Lörges: Auch das sind Personalien, über die wir nicht spekulieren wollen. Wie Sie wissen, wird Herr Fromm Ende Juli in den Ruhestand gehen. Wir kümmern uns natürlich um die Nachfolge. Das wird vom Bundeskabinett zu gegebener Zeit entschieden. Das wird zeitlich vor der Entscheidung hinsichtlich des BKA-Präsidenten sein. Aber ich werde Ihnen hier und jetzt keinen Zeitpunkt und keinen Namen nennen.

Frage: Herr Lörges, was heißt eigentlich "zu gegebener Zeit"? Die eine Entscheidung steht ja schon in 14 Tagen an. Heißt "zu gegebener Zeit" also kurz vor Ultimo? Wann wäre mit der anderen Entscheidung zum Jahresende, wenn es auch wieder "zu gegebener Zeit" heißt, zu rechnen?

Lörges: Wie gesagt: Ich werde Ihnen jetzt nichts zu Zeitpunkten sagen. Auch über eine Definitionsfrage werden Sie mich jetzt nicht bekommen. Ich sage nur: Wenn die Umstände es erfordern und wenn es die Personen, die darüber entscheiden, für richtig halten.

Zusatz: Aber die Umstände erfordern das doch, denn der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz geht doch in absehbarer Zeit.

Lörges: Aber man hat ja noch ein bisschen Zeit. Das wird zu gegebener Zeit, rechtzeitig entschieden.

Frage: Wird es einen nahtlosen Übergang geben?

Lörges: Das werden wir sehen. Die Arbeit des Verfassungsschutzes wird jedenfalls gewährleistet sein. Es gibt auch Vertretungen. Aber das heißt nichts in die eine oder andere Richtung.

Zusatzfrage: Wenn ich darf, eine Nachfrage zu einem verwandten Thema an Innenministerium und Justizministerium: Wie ist der weitere Gang der Entscheidung für die Reform der Verfassungsschutzämter? Wie werden das Kabinett und die Bundesregierung darüber entscheiden? Mit anderen Worten: Was soll die Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt?

Lörges: Wie die Diskussion angestoßen wurde beziehungsweise warum sie geführt wird, ist Ihnen wohl klar. Ich kann Sie in diesem Zusammenhang nur auf ein umfassendes Interview des Ministers im "Deutschlandradio" am Samstagmorgen verweisen. Wir stehen da am Anfang. Es geht darum, sich die Aufgaben des Verfassungsschutzes genau anzuschauen, ihn mit Blick auf die Herausforderungen zu modernisieren und sich auch die Strukturen, was die Organisation und das Personal angeht, anzuschauen. Das ist eine große Aufgabe. Wir stehen da, wie gesagt, erst am Anfang.

Der Minister hat eine Kommission innerhalb des Hauses eingesetzt, die sich schon mit der Materie auskennt und Vorschläge erarbeiten wird. Es gibt die Bund-Länder-Kommission - das sind zwei Personen von Bundesseite und zwei Personen von Länderseite -, die zum einen Aufklärung in Bezug auf die Geschehnisse in den vergangenen zehn Jahren leistet und zum anderen wahrscheinlich auch Vorschläge machen wird, welche Konsequenzen man aus möglichen Fehlern ziehen sollte. Das alles wird dann in eine Reform münden. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob das sozusagen eine ressortinterne Reform ist - dann bedarf es nicht unbedingt einer Entscheidung des Kabinetts - oder ob es darüber hinausgeht. Der Minister hat ja angekündigt, dass er intensive Gespräche auch mit den Länderkollegen führen wird. Uns sind jederzeit Vorschläge von außen willkommen.

Aden: Frau Leutheusser-Schnarrenberger hatte sich schon nach Bekanntwerden der Mordserie dazu geäußert, dass diese beispiellose Pannenserie nicht ohne Folgen bleiben darf und dass man auch über grundlegende Strukturreformen nachdenken muss. Sie hatte zu Anfang immer gesagt, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses - mittlerweile beschäftigen sich vier Untersuchungsausschüsse mit diesen Fragen - abgewartet werden muss.

Sie hat sich gerade dazu geäußert, dass sich zeigt, dass innerhalb einzelner Verfassungsschutzämter und erst recht zwischen den Verfassungsschutzämtern offensichtlich nicht ausreichend kommuniziert wird.

Sie hatte sich schon früh dafür stark gemacht, dass man sich über eine Zusammenlegung einzelner Verfassungsschutzämter auf Landesebene Gedanken macht. Sie hat jetzt wiederum dafür plädiert, dass man die Zahl der Ämter reduziert, bündelt und auch über die Aufgaben neu nachdenkt.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium: Besteht Konsens innerhalb der Bundesregierung, dass die Zahl der Verfassungsschutzämter - es gibt 16 Verfassungsschutzämter - reduziert wird?

Lörges: Sie wissen, dass sich Frau Leutheusser-Schnarrenberger hinsichtlich der Reduzierung an die Länder wendet. Wir können ja nicht darüber bestimmen, wie die Länder ihre Verwaltungen organisieren. Deswegen bedarf es da, wie ich gerade schon erwähnt habe, intensiver Gespräche mit den Länderkollegen.

Zusatzfrage: Deswegen die Frage: Besteht Konsens innerhalb der Bundesregierung darüber, dass die Zahl der Verfassungsschutzämter reduziert werden soll? Sprich - um einmal andersherum zu fragen -: Wirbt auch Herr Friedrich dafür, die Zahl der Verfassungsschutzämter zu reduzieren?

Lörges: Der Minister hat in dem Interview am Samstagmorgen auf diesen Vorschlag reagiert und gesagt, dass er das für eine sehr pauschale Forderung halte, die er nicht ganz nachvollziehen könne. Ihm kommt es darauf an, die Herausforderungen zu definieren und zu prüfen, welche Fehler gemacht worden sind. Es geht aber auch darum, auf neue Herausforderungen - Stichworte "Internet" und "Spionage" - zu reagieren, die Konsequenzen zu ziehen und dann eine Reform auf den Weg zu bringen.

Zusatzfrage: Andersherum gefragt: Es gibt also keinen Konsens innerhalb der Bundesregierung, die Struktur derart zu ändern, wie es Frau Leutheusser-Schnarrenberger vorschwebt?

Aden: Ich glaube, es gibt einen Konsens, dass sich hier etwas tun muss. Ich meine, es ist normal, dass es da verschiedene Vorschläge gibt. Sie haben am Wochenende sicherlich gelesen, dass auch die SPD-Innenminister Vorschläge gemacht haben. Dass nach einer solchen Pannenserie eine Diskussion stattfindet, ist wohl ein normaler Vorgang.

Lörges: Man muss sich genau anschauen, was passiert ist. Daran muss man das Ganze festmachen und daraus dann die entsprechenden erforderlichen Konsequenzen ziehen. Man darf nicht pauschal etwas zum Anlass nehmen, um etwas zu fordern, was ja auch nicht neu ist.

Frage: Herr Lörges, nach meinem Kenntnisstand hat Ihr Minister hinter den Kulissen schon eindeutig gesagt, dass Herr Maaßen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird. Mir ist nicht ganz klar, warum Sie diese Personalie jetzt nicht bestätigen.

Eine zweite Frage: Es war auch in der Diskussion, den Posten des Präsidenten des BfV eine Weile unbesetzt zu lassen, bis die ganze Aufarbeitung abgeschlossen ist und bis man weiß, wie es sozusagen mit dem Amt weitergeht. Warum ist man davon abgekommen?

Lörges: Ich kann hier jeden Namen derzeit nur als Spekulation bezeichnen. Vom Verfahren her ist es so, dass das Bundeskabinett darüber entscheidet. Bevor das Bundeskabinett nicht darüber entschieden hat, werden Sie von uns keine öffentliche Äußerung dazu hören.

Zusatzfrage: Aber Sie könnten doch sagen, dass Herr Maaßen dem Bundeskabinett vorgeschlagen wird und dass unter dem Vorbehalt, dass das Bundeskabinett dem zustimmt, Herr Maaßen neuer Präsident des Bundesamtes für den Verfassungsschutz wird?

Lörges: Das tue ich aber nicht.

Frage: Herr Seibert, wann steht diese Personalfrage auf der Tagesordnung des Kabinetts?

StS Seibert: Ich kann Ihnen die Tagesordnung des Bundeskabinetts nicht sagen. Sie wird immer in der Staatssekretärsrunde kurz zuvor festgelegt. Erst dann können wir darüber berichten. Herr Lörges hat, so glaube ich, wirklich alles rund um diese Personalie gesagt, was es zu sagen gibt. Sie wird bekannt gegeben, wenn es sachgerecht ist, sie bekannt zu geben.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium zum Stichwort "Außenwirtschaftsgesetz": Am Wochenende gab es Meldungen, wonach in der Neufassung des Gesetzes Rüstungsexporte erleichtert würden. Das haben Sie dementiert. Heute gibt es Medienberichte, wonach das doch in dem Gesetz stünde. Wie erklärt sich der Widerspruch?

Wiegemann: Die Medienberichte, die nahelegen, dass Rüstungsexporte erleichtert würden, sind unzutreffend. Die Novelle verfolgt einerseits das Ziel, das Außenwirtschaftsrecht zu entschlacken. Das liegt daran, dass es nach 50 Jahren konstanter Änderungen ein Flickenteppich ist. Andererseits ist das Ziel, dass deutsche Sondervorschriften aufgehoben werden, die deutsche Exporteure gegenüber europäischen Konkurrenten benachteiligen. Auch diese Sondervorschriften, die aufgehoben werden, beziehen sich gerade nicht auf Waffen und Rüstungsgüter, sondern sie betreffen die Ausfuhr von Dual-use-Gütern, also zivilen Produkten. Hier gibt es bereits seit Langem einheitliche europäische Regelungen. Die ergänzenden deutschen Sondervorschriften stammen aus einer Zeit, als es diese europäischen Regelungen noch nicht gab. Das wird jetzt angepasst.

Auch was die Überarbeitung von Straf- und Bußgeldvorschriften in diesem Bereich angeht, gibt es ebenfalls keine Erleichterungen. Im Gegenteil: So sollen Verstöße gegen Waffenembargos nunmehr mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren statt, wie bisher, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden.

Wie gesagt: Es gibt keine Erleichterungen im Bereich der Ausfuhr von Rüstungsgütern. Das betrifft sowohl Rüstungsexporte in Drittländer als auch in EU-Mitgliedsstaaten.

Frage: Zum Thema Beschneidung hieß es ja, dass es nun eine rechtliche Regelung, also Rechtssicherheit, geben solle. Heute hört man, dass die Ministerin sagt, dass dauere noch. Wie ist der Zeitplan? Bis wann will man das erreichen? Wer ist da überhaupt federführend? Welche Gesetze und Vorschriften schaut man sich in diesem Zusammenhang an?

StS Seibert: Die Justizministerin hat heute sehr klar die Spannbreite der Möglichkeiten aufgezeigt. Die Bundesregierung insgesamt ist sich bei diesem Thema ihrer Verantwortung bewusst und wird intensiv auf eine zügige Lösung hinarbeiten. Hinsichtlich der Frage, wie diese Lösung aussieht, ist noch keine Entscheidung gefallen.

Aden: Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat sich bereits heute Morgen in einem Interview zu diesen Fragen geäußert. Sie hat verschiedene Möglichkeiten erläutert, etwa eine Regelung im Strafrecht, eine Regelung im Bereich des Familienrechts, also des Sorgerechts. Sie hat auch gesagt, dass es den Vorschlag gebe, dies im Patientenrecht zu regeln. Diese Möglichkeiten gibt es. Das wird geprüft werden. Zu einem Zeitplan kann ich Ihnen im Moment nichts sagen.

Zusatzfrage: Ist ausschließlich das Justizministerium damit befasst, oder ist auch das Gesundheitsministerium einbezogen? Die Frage an das Gesundheitsministerium: Hat auch Herr Bahr Vorschläge dazu?

Die zweite Frage: Sie haben ausgeführt, Sie könnten nichts zum Zeitplan sagen. Können Sie dann wenigstens sagen - das ist ja eine höchstrichterliche Rechtsprechung -, dass bis zum Jahresende eine Regelung erwartet wird?

Aden: Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Sie haben gesagt, es gebe eine höchstrichterliche Rechtsprechung. Es gibt eine Rechtsprechung des Landgerichts Köln. Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat heute im Interview darauf hingewiesen, dass das eine Einzelentscheidung ist, die sich von den überwiegenden Rechtsauffassungen zu diesem Thema abwendet, und dass dies keinesfalls Bindungswirkung hat. Bindungswirkung hätte allenfalls eine Entscheidung eines obersten Gerichts, nämlich des Bundesgerichtshofs oder des Bundesverfassungsgerichts. Deswegen sollte man nicht glauben, dass diese Entscheidung des Landgerichts Köln bundesweit Geltung hätte. Da scheint bei Ihnen ein Missverständnis vorzuliegen.

Ich weiß, dass sich Herr Bahr dazu geäußert und gesagt hat, eine Möglichkeit wäre, das im Patientenrecht zu regeln. Er hat aber auch gesagt, dass der entsprechende Lösungsvorschlag dann aus dem Bundesjustizministerium kommen müsste.

Sie haben noch einmal zum Zeitplan nachgefragt. Dazu ist schon letzte Woche gesagt worden, dass das nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfe. Aber ein konkretes Datum kann ich Ihnen nicht nennen.

Frage: Ich habe noch eine kleine Verständnisfrage: Das heißt also, das Urteil des Landgerichts Köln ist im Prinzip nur auf diesen Einzelfall anzuwenden und maximal noch für NRW? Das heißt, alle Ärzte in anderen Bundesländern brauchen sich gar keine Sorgen zu machen, dass sie eventuell mit dem Vorwurf der Körperverletzung konfrontiert werden?

Aden: Es gibt die theoretische Möglichkeit, dass sich andere Gerichte so entscheiden wie das Landgericht Köln. Deswegen gibt es die Rechtsunsicherheit, ob sich auch andere Gerichte so entscheiden. Aber das Urteil des Landgerichts Köln hat keine bundesweite Wirkung. Eine Wirkung für wirklich alle Gerichte hätte nur eine Entscheidung eines obersten Gerichts in Deutschland.

Zusatzfrage: Aber Sie können schon die Sorgen der Ärztekammer und der Ärzteverbände nachvollziehen, dass dort jetzt auf einmal bundesweit eine Unsicherheit existiert?

Aden: Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat heute in dem Interview auch davon gesprochen, dass es da eine Rechtsunsicherheit gibt. Das ist faktisch so.

Frage: Wird es im Vorfeld der beabsichtigten Bundestagsresolution irgendeine Art von Formulierungshilfe seitens der Bundesregierung geben?

StS Seibert: Ich habe gesagt, dass die Bundesregierung noch nicht entschieden hat - obwohl sie intensiv diskutiert -, wie der Rechtsfrieden - so haben wir es auch am Freitag genannt - wiederhergestellt und die Rechtsunsicherheit, die besteht, geheilt werden kann. Welche Form die Bundesregierung dafür findet, das hat sie, wie gesagt, noch nicht entschieden. Aber sie ist sich ihrer Verantwortung bewusst.

Hier geht es um die Ausübung der Religionsfreiheit, die in Deutschland ein verfassungsrechtlicher Grundsatz ist. Es geht darum, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland möglich ist. Wir sind sehr froh darüber, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder eine Heimat gefunden hat. Wir nehmen das sehr ernst. Deswegen werden wir einen Weg finden. Aber ich kann Ihnen heute noch nicht sagen, welcher Weg es sein wird.

Zusatzfrage: An der Resolution des Bundestages beteiligt sich die Bundesregierung durch Formulierungshilfen oder Ähnliches nicht?

StS Seibert: Ich habe Ihnen gesagt: Ich kann jetzt noch nicht sagen, welchen Weg wir finden. Die Resolution des Bundestags ist per se zunächst einmal eine parlamentarische Vorgehensweise.

Frage: Sie haben so betont, worum es hier geht. Es geht natürlich auch um die körperliche Unversehrtheit des Kindes. Spielt dieses Rechtsgut bei der Abwägung der Bundesregierung überhaupt keine Rolle mehr? Wie ist eigentlich die Position des Familienministeriums dazu?

von Jagow: Ich kann Ihnen jetzt noch keine genaue Position des Familienministeriums zu diesem Thema sagen; das reiche ich gerne nach.

Aden: Ich kann dazu noch etwas ergänzen. Es geht um verschiedene Grundrechte und um eine grundrechtliche Abwägung. Da spielen die Artikel 2, 4 und 6 eine Rolle, nämlich die körperliche Unversehrtheit des Kindes, das Elternrecht und die Religionsfreiheit. Diese Grundrechte müssen miteinander in Abwägung gebracht werden. Für diese Anforderungen muss dann eine Lösung gefunden werden.

StS Seibert: Bei dieser Abwägung ist man in Deutschland seit Jahrhunderten sowohl gesellschaftlich als auch juristisch zu dem Schluss gekommen, dass die Beschneidung von Jungen ein akzeptabler Eingriff ist.

Frage: Auch ich habe eine Frage an das Familienministerium: Gibt es mittlerweile einen offiziellen Grund für die Versetzung von Frau Welskop-Deffaa im Familienministerium in den vorzeitigen Ruhestand? Wird der Grund bekannt gegeben, und welcher Grund ist das?

von Jagow: Wir haben uns schon häufiger zu diesem Thema geäußert. Wir haben gesagt, dass wir zu einzelnen Personalveränderungen keine Stellung nehmen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass es derzeit eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Griese gibt, die dieselbe Frage gestellt hat wie Sie. Die Frist, auf diese Anfrage zu antworten, läuft morgen ab. Wir werden natürlich antworten. Das heißt, morgen wird es eine offizielle Antwort an Frau Griese zu diesem Thema geben.

Frage: Ich bin nach den Nachrichten des Wochenendes etwas über die Frage der Haftung bei direkten Hilfen an Banken in Europa verwirrt. Ich habe verstanden, dass Herr Regling sagt: Der Staat ist raus. - Ich habe verstanden, dass Herr Schäuble gesagt hat: Der Staat ist drin. - Ich habe verstanden, dass die Kanzlerin gesagt hat, die Sache sei nicht entschieden.

Es geht ja wohl um den Fall ESM, also dass der ESM direkte Bankenhilfen vergibt. Damit geht es um den Fall Spanien. Spanien soll ja in Bezug auf die direkten Bankenhilfen vom EFSF in den ESM überführt werden. Deshalb würde ich gerne wissen, wie da die Haftungsfrage geregelt ist, insbesondere nachdem es am Donnerstag eine Bundestagsentscheidung gibt.

StS Seibert: Ich nehme Ihnen da sehr gerne Ihre Ungewissheit. Die Rekapitalisierungshilfe für die spanischen Banken wird nach den Richtlinien des EFSF abgewickelt, so wie der Bundestag diese Richtlinien beschlossen und genehmigt hat. Das heißt, der Staat stellt den Antrag. Der Staat beziehungsweise die FROB als sein Bevollmächtigter, also die spanische Bankenrestrukturierungsorganisation, nimmt das Geld entgegen, und der Staat haftet. Das ist absolut glasklar.

Sobald der ESM funktionsbereit ist, soll diese Bankenrekapitalisierungshilfe für Spanien auf den ESM übergehen. Das wird sich aber überhaupt nicht in der Frage auswirken, wer haftet. Auch dann ist der spanische Staat haftend.

Kotthaus: Die Instrumente des ESM entsprechen so, wie sie jetzt designed sind, vollkommen den Instrumenten der EFSF, dem der Bundestag auch schon zugestimmt hat. In den Guidelines finden Sie es genauso beschrieben, wie es gerade Herr Seibert geschildert hat. Es gibt eine gewisse Verwirrung. Da werden verschiedene Sachen einfach zusammengemischt. Vielleicht kann ich ganz kurz versuchen, sie auseinanderzudröseln:

Beim Europäischen Rat, beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe wie auch später beim Treffen der Eurogruppe am Montag darauf ist gesagt worden: Wir wollen hin zu einer europäischen Aufsicht. Das ist ein Projekt. Da wollen wir hin. Daran arbeiten wir. - Da sind wir noch lange nicht. Als erster Schritt muss erst einmal von der Kommission ein Vorschlag gemacht werden. Dieser ist für den Herbst angekündigt. Das ist also ein juristischer Vorschlag, der erst einmal im Rat beraten werden muss. Das soll alles nach 127 Abs. 6 AEUV gehen. Dann muss der Rat erst einmal zustimmen. Dann muss das Europäische Parlament angehört werden. Dann muss die EZB angehört werden. Das ist das Verfahren entsprechend 127 Art. 6 AEUV.

Wenn eine europäische Aufsicht rein rechtlich beschlossen ist, muss sie aufgebaut werden. Dann muss sie funktionieren. Dann muss sie effizient sein. Dann können wir darüber nachdenken - das ist die unabdingbare Voraussetzung -, was mit der Bankenrekapitalisierung ist. Kann man sie auch in Zukunft eventuell direkt gestalten? Man wird rundherum sehr viele Fragen klären müssen, so auch die Frage: Wie ist die Rolle des Staates?

So gesehen glaube ich, dass es keinen Widerspruch gibt. Alle, die ich kenne, sagen: Das sind Fragen, die in der Zukunft geklärt werden müssen. Das sagt mein Minister. Wenn ich das Statement des Sprechers der EFSF an diesem Wochenende richtig gelesen habe, sagen auch die: Das sind alle technische Fragen, die in Zukunft geklärt werden müssen. - Damit sind wir vollkommen kongruent mit der Bundeskanzlerin, denn alle drei sagen das Gleiche.

Das hat aber alles mit dem gegenwärtigen spanischen Programm nichts, gar nichts und überhaupt nichts zu tun. Das ist Zukunftsmusik für die Frage, ob das Instrumentarium des ESM dann erweitert werden sollte. Wenn das so wäre, müsste vorher auch der Bundestag zustimmen. Wir hoffen, hier im Tandem bei Ihnen für ausreichende Klarheit gesorgt zu haben.

Frage: Zwei Zusatzfragen. Herr Seibert, war das gerade schon von Ihnen die Erklärung, die sich zum Beispiel Herr Seehofer gestern in seinem Sommerinterview gewünscht hat, als er sagte, er empfehle, was den Donnerstag beträfe, seinen Abgeordneten Zustimmung, wenn vorher von der Regierung klargestellt sei, dass eben der Staat hafte?

Eine zweite Frage an Herrn Kotthaus, was die Zukunftsmusik betrifft. Die deutsche Vorstellung ist klar: Der Staat soll weiter haften und nicht einzelne Banken, wenn ich das richtig verstehe. Ist diese Position im Konzert mit 26 anderen EU-Staaten zu halten? Wir haben schon einmal erlebt, dass in Brüssel deutsche Positionen etwas modifiziert werden mussten.

StS Seibert: Wenn ich ganz kurz anfangen darf: Das, was wir Ihnen gerade dargestellt haben, wird von uns so ganz klar dargestellt, seit überhaupt über die Rekapitalisierung spanischer Banken gesprochen wird. Wir haben immer gesagt: Das läuft nach den Richtlinien der EFSF. Diese kennt überhaupt keine Form der direkten Bankenfinanzierung. Sie kennt nur diese Form, dass der Staat den Antrag stellt, das Geld entgegennimmt und auch haftet. Deswegen ist jetzt kein neues Element dazu gekommen.

Über das andere, das Herr Kotthaus beschrieben hat, ist überhaupt erst zu reden und zu entscheiden, wenn eine einheitliche, unabhängige europäische Bankenaufsicht eingerichtet und wirksam geworden ist. Erst dann wird diese mögliche nächste Diskussion geführt, wenn wir aber auch eine ganz andere Grundlage von Kontrolle über nationale Grenzen hinweg bekommen haben. Auch diese Entscheidung der Zukunft wird dann wieder einstimmig herbeigeführt werden müssen. Das heißt wieder: Befassung des Bundestages und Entscheidung des Bundestages. So haben wir das immer dargestellt. An den Fakten hat nichts geändert, weshalb ich auch ganz klar sagen möchte, dass sich auch beim letzten Europäischen Rat an den Fakten und den Grundüberzeugungen nichts geändert hat.

Kotthaus: Um es noch einmal ganz klar zu machen: Nicht nur die EFSF kennt dieses Instrument nicht, der jetzt zu ratifizierende ESM kennt es auch nicht. Die Instrumente von ESM und EFSF sind im Wesentlichen deckungsgleich.

Die Position der Bundesregierung ist bei der Frage ganz einfach: Wir reden darüber, wenn darüber zu reden ist. Jetzt müssen wir erst einmal erste Schritte machen. Das heißt, jetzt eine europäische Bankenaufsicht einzurichten. Wenn diese existiert, muss man schauen, wie sich das genau mit der Frage der direkten Bankenrekapitalisierung gestaltet. Es macht jetzt wirklich keinen Sinn, hier und jetzt eine Diskussion der Zukunft zu führen.

Frage: Das Finanzministerium hat ja schon bestätigt, dass es offensichtlich Überlegungen gibt, der BaFin Testkäufe bei Banken zu erlauben beziehungsweise Testkäufe einzusetzen, um zu kontrollieren, ob in den Beratungsgesprächen die Vorgaben erfüllt werden, die den Banken seit 2010 gegeben sind. Können Sie uns da vielleicht einen Zeithorizont nennen? Dafür wäre wohl eine Änderung im Wertpapierhandelsgesetz notwendig, aber das ist ja gerade erst mit der Umsetzung einer europäischen Richtlinie geändert worden; insofern könnte man diese Möglichkeit von Testkäufen nicht noch schnell anfügen, sondern das müsste aus meiner Sicht dann ein neuer Gesetzgebungsvorgang sein.

Kotthaus: Sehe Sie es mir nach, aber dieses schöne Detail - wie die Zeithorizonte aussehen - habe ich momentan nicht greifbar. Das müsste ich nachreichen.

Zusatzfrage: Aber das ist alles so, wie das berichtet ist, ja?

Kotthaus: Ganz ehrlich, ich habe mich heute Morgen, aus Brüssel kommend, um viele Themen gekümmert, aber noch nicht um dieses Thema im Detail. Das liefere ich einfach nach.

Frage: Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, in der Sache der Eilanträge am 12. September - also doch sehr spät - eine Entscheidung bekanntzugeben? Bringt das Zeitpläne durcheinander, trägt das zur Verunsicherung bei?

StS Seibert: Die Bundesregierung beurteilt das gar nicht, sondern sie nimmt das mit allem gebotenen Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht zur Kenntnis, wie die Bundeskanzlerin gestern auch im ZDF-Sommerinterview gesagt hat. Das Gericht hat eine umfassende Anhörung durchgeführt und nimmt sich nun die Zeit, die es zur Beratung und Urteilsfindung für nötig erachtet.

Frage: Ich habe eine Frage zur Energiewende an das Bundesumweltministerium: Wie sind die gestrigen Interview-Äußerungen von Minister Altmaier zu bewerten? Das hört sich ein bisschen wie eine Rolle rückwärts an, denn er hat die Klimaschutzziele und die Ziele der Energiewende als sehr schwer erreichbar bezeichnet. Was heißt es denn, wenn diese Ziele nicht erreicht werden? Für diesen Fall muss man ja einen Plan B haben. Wo sollen die Abstriche, die man dann machen muss, kompensiert werden?

Stamer: Zunächst einmal: Der Bundesumweltminister hat die Ziele der Energiewende nicht in Frage gestellt. Ich kann Ihnen das an zwei oder drei Beispielen kurz erläutern: Es gilt das Ziel, beim Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2020 einen Stromanteil von 35 Prozent zu erreichen, es gilt auch das Langfristziel, diesen Anteil bis 2050 auf 80 Prozent zu erhöhen, und es gilt auch das gesetzlich festgeschriebene Ziel, dass das letzte Kernkraftwerk in zehn Jahren vom Netz geht. Das hat der Minister im Übrigen gestern beziehungsweise am Wochenende und auch heute noch einmal öffentlich betont und hervorgehoben.

Worum geht es ihm? Es geht darum, zu schauen, wie weit wir in zwei Jahren mit der Energiewende gekommen sind, um zu sehen, wo es gut läuft und wo es möglicherweise weniger gut läuft. Zum Beispiel stehen wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien sehr gut da: Hier liegt der Anteil am Stromverbrauch heute schon über 20 Prozent. Der Minister hat zwei weitere Beispiele genannt, nämlich den Stromverbrauch und das Ziel, bis zum Jahre 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen. Auch diese Ziele werden nicht in Frage gestellt. Es geht einfach darum, rechtzeitig zu erkennen, wo gegebenenfalls die Maßnahmen und die Bemühungen verstärkt werden müssen, damit die Ziele am Ende auch erreicht werden können. Der Minister hat wiederholt betont, dass er alles tun wird, damit die Energiewende gelingt. Das Gelingen der Energiewende ist für den Standort Deutschland von hoher Bedeutung.

Zusatzfrage: Aber wie erklären Sie sich, dass man trotzdem den Eindruck bekommt, dass der Minister letztlich sagt: Naja, was im letzten Jahr von der Bundesregierung beschlossen worden ist, war alles ein bisschen blauäugig? Warum macht der Minister nicht mehr Mut und sagt, dass man das, was man als Ziel gesetzt hat, erreichen kann?

Stamer: Zunächst einmal sind das nicht die Worte des Ministers gewesen. Ich kann nur noch einmal auf das verweisen, was er selber am Wochenende betont hat und was ich hier noch einmal zusammengefasst gesagt habe.

Nehmen wir ein Beispiel: Es geht zum Beispiel darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Ausbau der Netze besser zu koordinieren. Das ist auch ein Beitrag dazu, die Kosten für die Umsetzung der Energiewende zu reduzieren. Es geht des Weiteren auch darum, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern besser zu koordinieren. Der Minister hat dazu beispielsweise gesagt: Wenn sechzehn Bundesländer sechzehn Einzelpläne zur Umsetzung der Energiewende vorlegen, dann macht das noch kein Gesamtkonzept aus. Das sind Themen und Fragen, um die es jetzt nach vorne gerichtet geht. Da gilt es, mit allen Beteiligten darüber zu sprechen und alle an einen Tisch zu bringen.

Frage: Herr Seibert und Frau Wiegemann, gibt es angesichts der Unsicherheiten, die das, was im Moment personalpolitisch bei Opel passiert, auslöst, auf irgendeiner Ebene im Kanzleramt oder im Wirtschaftsministerium Gespräche zum Thema Opel beziehungsweise sind solche Gespräche geplant?

StS Seibert: Es gibt ein natürlich ein Interesse an der Entwicklung, aber es gibt keine Gespräche. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich General Motors an die Absprachen hält, die es mit den Beschäftigten gemacht hat.

Wiegemann: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Eine Frage an das Sportministerium zum Thema FIFA, Blatter und Verkauf der Rechte für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland: Inwieweit macht es Sie besorgt, dass jetzt solche Diskussionen hochkommen, wie sie hochgekommen sind? Wie weit gehen Sie dem nach? Sind Sie dort in Verbindung? Haben Sie eigene Erkenntnisse darüber? Inwieweit sind Sie dazu in Verbindung mit dem Justizministerium?

Lörges: Die Entscheidungen über die Vergabe von solchen Sport-Großveranstaltungen sind Entscheidungen des autonomen Sports. Dazu äußern wir uns auch nicht.

Zusatzfrage: Gibt es vom Justizministerium eine Äußerung dazu?

Aden: Nein.

Kotthaus: Ich hätte noch eine Ergänzung. Es gibt beim Thema Testkäufe der BaFin noch keinen neuen Stand. Wir prüfen das noch. Da gibt es verschiedene Probleme verfassungsrechtlicher und auch datenschutzrechtlicher Art. Ich kann Ihnen noch keinen konkreten Zeitplan nennen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 16. Juli 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/07/2012-07-16-regpk-breg.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2012