Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/461: Regierungspressekonferenz vom 8. August 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 8. August 2012
Regierungspressekonferenz vom 8. August 2012

Themen: offizieller Besuch der Bundeskanzlerin in Kanada, Gewalt auf der Halbinsel Sinai, steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe, Beförderung von Oberst i.G. Klein zum Abteilungsleiter des Bundesamtes für Personalmanagement der Bundeswehr, europäische Spielzeugrichtlinie, Prozess gegen die russische Band "Pussy Riot", Organspenden, Sportförderung für die Ruderin Nadja Drygalla

Sprecher: SRS Streiter, Augustin (AA), Kothé (BMF), Mertzlufft (BMJ), Steegmans (BMFSFJ), Schlienkamp (BMWi), Paris (BMVg), zu Erbach-Fürstenau (BMELV), Klaus (BMG)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Ich möchte Ihnen eine Reise der Bundeskanzlerin ankündigen. Sie wird vom 15. bis zum 16. August 2012 im Rahmen eines offiziellen Besuchs nach Kanada reisen und die Städte Ottawa und Halifax besuchen. Sie wird dabei von einer kleinen Wirtschaftsdelegation begleitet werden.

Am Mittwoch, dem 15. August, wird die Kanzlerin zu einem Abendessen mit dem kanadischen Premierminister Steven Harper zusammentreffen. Am Donnerstag wird Bundeskanzlerin Merkel ein Gespräch mit dem Generalgouverneur von Kanada, David Johnston, führen und anschließend mit militärischen Ehren durch Premierminister Harper vor dem Parlament begrüßt werden. Danach werden die Kanzlerin und der Premierminister politische Gespräche führen. Im Mittelpunkt werden die bilateralen Beziehungen, aktuelle außenpolitische Fragen sowie die deutsch-kanadische Zusammenarbeit insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft stehen. Eine gemeinsame Begegnung mit der Presse ist im Anschluss vorgesehen.

Nach dem Mittagessen wird die Bundeskanzlerin nach Halifax zu einem Besuch an der Dalhousie-Universität fliegen. Dort wird es um bilaterale Wissenschaftszusammenarbeit im Bereich der Meeres- und Polarforschung gehen.

Augustin: Außenminister Westerwelle ist in großer Sorge angesichts der anhaltenden Gewalt auf der Halbinsel Sinai. Die Vorfälle bergen ein erhebliches Eskalationsrisiko. Wir appellieren daher an alle Seiten, einerseits entschieden gegen den Terror vorzugehen, andererseits politisch umsichtig zu handeln.

Frage: Herr Streiter, welchen Zeitplan hat sich die Bundesregierung hinsichtlich des im Koalitionsvertrag auf Seite 12 vorgesehenen Abbaus der steuerlichen Ungleichbehandlung von Lebenspartnerschaften gesetzt? Die Legislaturperiode wird sich ja im nächsten Jahr langsam dem Ende zuneigen, und es gibt eine politische Unionsinitiative. Zunächst einmal würde mich also einfach interessieren, welchen Zeitplan es für regierungsamtliches Handeln in dieser Frage gibt.

SRS Streiter: Da fängt das Problem schon bei der Frage an. In der Koalitionsvereinbarung ist das nämlich nicht so geregelt, wie Sie es beschreiben, sondern in der Koalitionsvereinbarung ist geregelt, dass die gleichheitswidrige Benachteiligung im Steuerrecht abzubauen ist und insbesondere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten umzusetzen ist. Das ist etwas anderes.

Was den Zeitplan betrifft - ich kann es vielleicht gerne noch einmal erklären, damit es ganz leicht verständlich ist -, ist es ganz einfach: Die Bundesregierung hat das Jahressteuergesetz 2013 eingebracht. Dann haben die SPD-regierten Länder im Bundesrat gefordert, das Ehegattensplitting auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften einzuführen. Die Bundesregierung ist jetzt dabei, eine Gegenäußerung zu diesem Vorschlag zu formulieren. Dass es im Bundesrat Anforderungen gibt und die Bundesregierung dazu entsprechende Stellungnahmen formuliert, ist ein ganz normaler Vorgang, der sich Hunderte Male im Jahr ereignet. Das einmal vorweg.

Diese Gegenäußerung der Bundesregierung befindet sich zurzeit in der Ressortabstimmung. Diese Ressortabstimmung ist ein Prozess, der Gelegenheit bietet, die zweifelsohne vorhandenen unterschiedlichen Meinungen auszutauschen und möglichst in Einklang zu bringen. Das ist das Wesen einer Ressortabstimmung und in einer Demokratie auch so üblich. Die Bundesregierung wird diese Gegenäußerung rechtzeitig einbringen.

Zusatzfrage: Zum Stichwort "Gegenäußerung der Bundesregierung" möge man mir einfach der Vollständigkeit halber noch einmal etwas erklären. Ich nehme einmal an, dass das Bundesfamilienministerium seinerzeit Korrekturwünsche in Bezug auf das Jahressteuergesetz eingebracht hat, weil sich die amtierende Ministerin ja politisch entsprechend positiv zu dieser Initiative der 13 Abgeordneten geäußert hat. Welche Ministerien haben bisher in welcher Form amtlich noch Einspruchs- oder Korrekturbedarf - das ist jetzt untechnisch formuliert - beziehungsweise Veränderungsbedarf an der Stellungnahme und am Jahressteuergesetz angemeldet?

SRS Streiter: Da kollidieren jetzt unsere Aufträge ein bisschen miteinander. Das Wesen einer Ressortabstimmung ist ja, dass etwas zwischen den Ressorts und nicht mit der Presse abgestimmt wird.

Vorsitzender Wefers: Es geht aber, glaube ich, um das
Jahressteuergesetz, und das ist ja schon - - -

Zuruf: Es geht um das Jahressteuergesetz und um die Antwort der Bundesregierung!

SRS Streiter: Ja, aber da kann ich Ihnen doch jetzt nicht aus der - - -

Zuruf: Meine Frage ist, ob es derzeit Ministerien gibt, die Korrekturbedarf angemeldet haben.

SRS Streiter: Davon ist mir nichts bekannt. Ihre Frage, wenn ich sie recht verstanden habe, bezog sich ja auch auf die Einbringung des Jahressteuergesetzes und darauf, ob es diesbezüglich innerhalb der Ressortabstimmung irgendwelche unterschiedlichen Auffassungen gab. Das habe ich doch richtig verstanden, oder?

Zusatzfrage: Wir können jetzt weiter filibustern, aber dann stelle ich die praktische Frage: Gibt es angemeldeten politischen Handlungsbedarf von Bundesministerien bezüglich der steuerlichen Gleichbehandlung von Lebenspartnerschaften, vielleicht in einem Zusammenhang mit der Veränderung des Jahressteuergesetzes 2013?

SRS Streiter: Meines Wissens gibt es diesen angemeldeten Bedarf zurzeit nur in der Presse.

Vorsitzender Wefers: Frau Kothé, möchten Sie vielleicht?

Kothé: Ja. Wie gesagt - Herr Streiter hat das eben schon einmal gesagt - geht es jetzt nicht um den Gesetzentwurf als solches. Es geht um die Bewertung der Stellungnahme des Bundesrats und die Gegenäußerung. In dem Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz gibt es zu dieser einkommensteuerrechtlichen Passage ja gar keine Regelung, und es ist im Augenblick keine Regelung vorgesehen. Von daher war das vielleicht etwas unpräzise formuliert.

Wir befinden uns in der Ressortabstimmung und sind dabei auch relativ weit gekommen. Wir werden dabei bis zum Ende der Sommerpause, denke ich, zu einem Ergebnis kommen, wie Herr Streiter auch gesagt hat. Dieser eine Punkt ist bekannt: Die Gespräche darüber laufen noch.

Frage: Frau Kothé, worüber reden wir hier eigentlich finanziell? Was würde es denn kosten, wenn die jetzige Regelung zum Ehegattensplitting auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgeweitet werden würde?

Dann habe ich noch die Frage: Was hat der Finanzminister denn dagegen, das zu tun?

Kothé: Zu der haushalterischen Wirkung: Das hängt natürlich auch immer von der genauen Ausgestaltung ab. Es geht dabei aber nach unseren Schätzungen um ungefähr 30 Millionen Euro. Aber die Diskussion bezieht sich jetzt, glaube ich, nicht vordergründig auf die haushalterischen Auswirkungen, sondern das ist eine grundsätzliche Bewertungs- und Auffassungssache in der Sache.

Zusatzfrage: Können Sie das vielleicht etwas näher erläutern? Was ist denn die grundsätzliche Auffassung des Ministers in der Sache?

Kothé: Grundsätzlich ist unsere Auffassung, dass wir gesagt haben: Wir warten das Bundesverfassungsgerichtsurteil ab, das in der Sache noch aussteht. Das werden wir dann auswerten, eben entsprechend diese Diskussion führen und das entsprechend bewerten. Das ist im Augenblick unsere Haltung. Das warten wir ab, dieses Verfassungsgerichtsurteil.

Frage: Sie haben ja heute wieder ein Verwaltungsgerichtsurteil bekommen, nämlich für den Bereich der Grunderwerbsteuer, und zwar auch mit einer Fristsetzung bis zum Jahresende. Ich habe die Frage an das Finanzministerium: Wie werden Sie sich dieses Umsetzungsantrags annehmen? Das gilt rückwirkend bis zum Jahr 2001. Was heißt das?

Vorsitzender Wefers: Darf ich einmal eben unterbrechen? Wir sind jetzt noch beim Thema Ehegattensplitting.

Zusatz: Ja, das ist ja genau das!

Vorsitzender Wefers: Grunderwerbsteuer? Dann Entschuldigung!

Zusatzfrage: Es geht um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Angleichung der Grunderwerbsteuer, die ja auch Sätze zur grundsätzlichen Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft enthält. Ich will die Frage gerne auch an das Bundesjustizministerium stellen: Können Sie das bewerten? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den verfassungsrechtlichen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts? Ich glaube, damit ist auch das Familienministerium angesprochen.

Kothé: Auch da vielleicht noch einmal kurz zur Klarstellung: Es gibt ja auch steuerliche Angleichungen in diesem Bereich, die teilweise auch schon in diesem Jahressteuergesetz vorgesehen sind, beispielsweise bei der Erbschaftssteuer, um nur ein Beispiel zu nennen. Das Urteil, das heute bekannt geworden ist, bezieht sich also auch nicht auf die Einkommensteuer, sondern bekanntermaßen auf die Grunderwerbsteuer. Schon 2010 wurden eingetragene Lebenspartner dabei gleichgestellt. Bei dem Urteil geht es jetzt nur noch darum, inwieweit das jetzt rückwirkend anzuwenden ist. Aber bei der Grunderwerbsteuer geht es darum, inwieweit Ehepartner gleichgestellt werden, wenn sie sich gegenseitig etwas verkaufen oder einer dem anderen Grundvermögen verkauft. Diese Gleichstellung existiert schon.

Zusatzfrage: Ich habe das wohl verstanden. Aber ich wüsste gerne erstens, wie Sie diesen ja erheblichen Zeitraum von 11 Jahren hinsichtlich der Rückwirkung beurteilen und was das kostet. Zweitens wüsste ich gerne, ob wir damit rechnen dürfen, dass das Bundesfinanzministerium fristgerecht, also rechtzeitig zum 31. Dezember, einen Umsetzungsgesetzentwurf einbringen wird.

Kothé: Ja, damit dürfen Sie rechnen. Wir werden diese Vorgabe natürlich fristgerecht umsetzen.

Merzlufft: Vielleicht zu der an mich gerichteten Frage nach der politischen Einordnung: Im Koalitionsvertrag ist die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im öffentlichen Dienstrecht des Bundes und im Steuerrecht ja ausdrücklich vorgesehen. Die jetzige Bundesregierung hat wesentlich mehr getan als die Vorgängerregierungen, was die Gleichstellung angeht. Die Gleichstellung im öffentlichen Dienstrecht des Bundes und im Erbschaft- und Grunderwerbsteuerrecht ist ja verwirklicht worden. Sie haben es eben gehört: Hinsichtlich der Gleichstellung im Einkommensteuerrecht gibt es Gespräche.

Diese Entscheidung zum Grunderwerbsteuerrecht, die heute veröffentlicht wurde, entspricht natürlich der bisherigen Linie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reicht es in den Fällen, in denen die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer, vergleichbarer Lebensformen einhergeht, eben nicht aus, allein auf das Schutzgebot der Ehe zu verweisen, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Es bedarf vielmehr jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, und den hat das Verfassungsgericht eben rückwirkend nicht gesehen.

Das Jahressteuergesetz 2010 hat also diese Grunderwerbsteuerangelegenheiten für die Zukunft, ab dem Inkrafttreten, geregelt, und das Bundesverfassungsgericht hat für verfassungswidrig erklärt, dass eben alle Fälle, die vor dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 betroffen sind, nicht erfasst worden sind. Insofern kann ich Ihnen an dieser Stelle eben auch sagen: Selbstverständlich betrachtet es auch die Bundesjustizministerin als ihre Aufgabe, innerhalb der Bundesregierung darauf zu achten, dass die Rechtsordnung in sich schlüssig und widerspruchsfrei bleibt und dass bei Gesetzesänderungen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ausreichend berücksichtigt werden.

Steegmans: Die Bundesfamilienministerin war schon etwas überrascht, welches Echo ihre selbstverständlichen Äußerungen ausgelöst haben. Wenn man sich etwas in der Vita und in der politischen Arbeit der Ministerin auskennt, wird man rasch feststellen, dass die Ministerin diese Haltung seit Jahren verfolgt. Sie hat diese Haltung selbstverständlich nicht geändert, bloß weil sie Ministerin geworden ist. Es mag für manchen eine Überraschung sein, dass es Politiker gibt, die seit mehreren Jahren dieselbe Haltung vertreten, aber die Ministerin ist der Meinung, dass sie an dieser Überzeugung festhalten wird.

Was die konkrete Schlussfolgerungen aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts angeht, so ergingen die Arbeitsaufträge nicht primär an das Bundesfamilienministerium. Insofern lassen wir den anderen Ressorts an dieser Stelle auch sachlich den Vortritt.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Streiter. Jetzt wurde von Frau Kothé ausgeführt, dass man auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts warte. In den vergangenen Wochen und Monaten ist die Politik ja häufiger durch Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts korrigiert worden. Sind innerhalb der Bundesregierung einmal Überlegungen angestellt worden, selbst aktiv zu werden, praktisch bevor ein Urteil ergeht, um eben diesem Eindruck - salopp formuliert: man bekommt von den Richtern in Karlsruhe eins auf die Mütze -, der dem Ansehen der Politik der Bundesregierung nicht förderlich ist, zu begegnen?

SRS Streiter: Dazu möchte ich gerne grundsätzlich etwas sagen: Ich glaube, die Wahrnehmung oder die Übermittlung der Wahrnehmung, die Bundesregierung bekomme vom Bundesverfassungsgericht eins auf die Mütze, ist keine korrekte Darstellung gesamtstaatlichen Handelns. Das Bundesverfassungsgericht ist ja kein Gegenspieler der Bundesregierung, sondern das Bundesverfassungsgericht ist ebenso ein Organ dieses Staates wie die Bundesregierung, und diese Organe wirken zusammen. Das Bundesverfassungsgericht ist ja nicht Schulmeister einer Regierung, sondern das Bundesverfassungsgericht interpretiert die Verfassung verbindlich. Daraus würde ich jetzt nicht auf eine Notenvergabe schließen.

Ich weiß es ja auch, bekomme auch schon einmal Post und beantworte sie auch, und deshalb habe ich mich da einmal ein bisschen schlau gemacht: Es ist immer so gewesen, dass das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierungen jeglicher Couleur nicht korrigiert hat, sondern einfach Hinweise darauf gegeben hat, wie die Verfassung zu interpretieren ist. Ich habe die Jahreszahlen jetzt nicht mehr im Kopf, aber es gab Jahre, in denen 12 oder 14 Bundesgesetze für verfassungswidrig oder nichtig erklärt wurden. Das können Sie auch nachlesen; auf der Webseite des Bundestags ist das einmal sehr gut aufgelistet worden. Das ist nun wirklich keine Besonderheit dieser Regierung. Das ist das eine.

Das andere ist, dass ja eben im Koalitionsvertrag ausdrücklich und ganz bewusst festgelegt worden ist, dass man in dieser Frage die Entscheidung über anhängige Verfahren abwartet. Das heißt ja nicht, dass man sich dem entgegenstellt, sondern man wartet einfach die Entscheidung ab, um es dann auch richtig zu machen. Sie können, wenn jetzt in der Frage der Grunderwerbsteuer eine Entscheidung getroffen worden ist, daraus nicht unbedingt schließen, dass sie in der Frage der Einkommensteuer genauso fallen wird. Die Bundesregierung will dabei dem Verfassungsgericht auch nicht vorgreifen. Die Absicht, gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften möglichst viele anerkannte Rechte zu geben, ist ja im Koalitionsvertrag festgeschrieben, und Sie haben ja, was die Grunderwerbsteuer und etliche andere Dinge betrifft, auch gesehen, dass es eine Absicht der Bundesregierung gibt, dies alles umzusetzen. Nur wäre es ja auch nicht gerade sehr sinnvoll, eine Sache umzusetzen, von der man weiß, dass es dann wieder ein Urteil des Verfassungsgerichts geben wird und man im Nachhinein vielleicht wieder etwas nachbessern müsste.

Die Bundesregierung - so ist der heutige Stand der Beschlussfassung - wartet die Wegweisungen des Verfassungsgerichts ab. Das ist der heutige Stand. Dass es eine Diskussion darüber gibt, ist ja unübersehbar, und das ist auch gut so. Wir leben hier ja nicht in Weißrussland oder so, wo das einfach beschlossen wird.

Zuruf: Ich dachte jetzt an Herrn Seehofer.

SRS Streiter: Das wird diskutiert, und man wird sich eine Meinung bilden. Die Beschlusslage ist heute so, wie ich sie dargestellt habe.

Frage: Herr Schlienkamp, mich würde etwas von Ihrer Seite als Sprecher des Vizekanzlers interessieren, weil der Regierungssprecher jetzt gesagt hat, einen angemeldeten Veränderungsbedarf am Regierungshandeln habe er nur der Presse entnommen oder entnehmen können, und diese Diskussion werde nur in der Presse geführt. "Das gibt es zurzeit nur in der Presse", hat Herr Streiter gesagt. Meine Frage: Hat der Vizekanzler und/oder nur Wirtschaftsminister Änderungsbedarf bei der Regierung angemeldet? Ich meine, er hat es, weil ich mich an ein gestriges Zitat erinnere, wonach sich Herr Rösler genau dazu geäußert hat, dass diese Gespräche noch etwas dauern.

Könnten Sie bei dieser Gelegenheit auch sagen, wie viele andere von der FDP verwaltete Ministerien bereits auch schon Veränderungsbedarf angemeldet haben?

Schlienkamp: Vielen Dank. Lassen Sie mich vielleicht zu Beginn einige grundsätzliche Bemerkungen aus Sicht des Bundeswirtschaftsministers und Vizekanzlers machen. Eingetragene Lebenspartner tragen eine gegenseitige Verantwortung; darauf hat der Minister ja gestern nochmals hingewiesen. Sie haben die gleichen Unterhalts- und Einstandspflichten. Deshalb ist es aus seiner Sicht konsequent, dass gleiche Verpflichtungen auch gleiche Rechte nach sich ziehen, auch bei der steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften. Im Übrigen geht es ja bei der Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften auch um einen wichtigen Punkt im Hinblick auf die gesellschaftliche Toleranz in unserem Land.

Vor diesem Hintergrund hat auch das Bundeswirtschaftsministerium Bedenken mit Blick auf die eben erörterte Stellungnahme im Rahmen der Beratungen zum Jahressteuergesetz geäußert. Der Minister hat ja gestern auch noch einmal darauf hingewiesen, dass er in diesem Punkt Erörterungsbedarf innerhalb der Koalition sieht. Dieser Erörterungsbedarf hat einfach folgenden Hintergrund: Es gibt, wie ich sie einmal nenne, neue Erkenntnisse durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Es gibt zum einen ein aktuelles Urteil von Anfang August. Hierbei hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass der Familienzuschlag im Beamtenrecht Lebenspartnern genauso zusteht wie Eheleuten. Das ist das eine Urteil. Aus verfassungsrechtlichen Gründen, so das Bundesverfassungsgericht, dürfe hierbei nicht differenziert werden.

Heute ist dann ein weiteres Urteil bekannt geworden, dass eben auch schon erörtert worden ist, wonach es verfassungswidrig ist, dass eingetragene Lebenspartnerschaften in der Grunderwerbsteuer nicht von Beginn an wie Ehepartner behandelt wurden. Das sind aus Sicht des Bundeswirtschaftsministers und Vizekanzlers sehr eindeutige Indizien dafür, dass auch im Bereich des Steuerrechts eine Gleichbehandlung geboten ist. Deswegen ist aus seiner Sicht die Zeit auch reif dafür, das Thema jetzt politisch aufzugreifen und nicht bis 2013 zu warten.

Zusatzfrage: Der zweite Teil der Frage war noch, ob außer dem Bundeswirtschaftsminister und/oder Vizekanzler auch andere Ministerien Ihrer Kenntnis nach - Sie haben vielleicht einen Überblick über die FDP-Minister - Bedenken geäußert haben.

Schlienkamp: Das Bundeswirtschaftsministerium hat Bedenken angemeldet, aber nach meinen Informationen betrifft das auch mehrere Ministerien, die einem Koalitionspartner zuzuordnen sind.

Zusatzfrage: Das heißt, alle FDP-Minister beziehungsweise - Ministerinnen haben Bedenken geäußert. Ist das richtig?

Schlienkamp: Ja, nach meiner Kenntnis.

Frage: Herr Mertzlufft, ich würde gerne noch einen Schritt weiter gehen und fragen, ob die Bundesjustizministerin irgendwelche verfassungsrechtlichen Gründen erkennen kann, die dagegen sprechen, dass man die Gleichstellung auch im Einkommensteuerrecht vollzieht.

Merzlufft: Wenn Sie das, was ich vorhin präzise auszudrücken versucht hatte, sozusagen schlagwortartig zusammenfassen wollten, dann kann man nach Art. 6 die Ehe besonders fördern, aber diese eingetragene Partnerschaft nicht so diskriminieren, wie es eben in den angesprochen Entscheidungen der Fall gewesen ist. Insofern können Sie davon ausgehen, dass die Bundesjustizministerin nicht nur politisch die Notwendigkeit sieht, zu einer weitgehenden Gleichstellung auch im Einkommensteuerrecht zu kommen, sondern gerade auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat. Hinzu kommt das Dritte und Entscheidende: Es geht natürlich letzten Endes auch um Rechtssicherheit. Es gibt jetzt alle möglichen Bescheide in den jeweiligen konkreten Finanzverwaltungen. Es gibt bei den Finanzgerichten anhängige Verfahren zu diesen Fragen. Unter diesem Aspekt ist natürlich auch die Rechtssicherheit für die Betroffenen ein wichtiges Anliegen.

Zusatzfrage: Frau Kothé, für mich bietet sich jetzt folgendes Bild: Die Gleichstellung würde fast nichts kosten, und rechtliche Gründe sprechen nicht dagegen. Jetzt muss ich doch noch einmal fragen, warum der Bundesfinanzminister dagegen ist, das umzusetzen.

Kothé: Es gibt immer unterschiedliche Bewertungen, und ich glaube, das ist hier deutlich geworden. Wir haben da eine andere Bewertung. Vor allen Dingen haben wir uns dafür eingesetzt, dass, wie Herr Streiter es auch gesagt hat, wir das Verfassungsgerichtsurteil in dieser Situation abwarten und die Dinge dann im Kontext dieses Jahressteuergesetzes neu bewerten.

Frage: Frau Kothé, es gibt ja auch aus den Reihen der Regierungskoalition Äußerungen dazu, dass man dann auch gleich über ein Familiensplitting nachdenken könne. Hat das Bundesfinanzministerium einmal durchgerechnet, was das kosten würde?

Kothé: Diesbezüglich gibt es verschiedene Modelle. Im Augenblick gibt es dazu keinen Gesetzentwurf oder so etwas. Das hängt von der Ausgestaltung des entsprechenden Modells ab. Offizielle Zahlen zu einem konkreten Modell haben wir im Augenblick nicht vorliegen.

Zusatzfrage: Gibt es eine Richtung - mehr oder weniger, als es bisher kostet?

Kothé: Die Berechnungen, die es gibt oder die mir bekannt sind, waren eigentlich immer so, dass ein Familiensplitting im Ergebnis teurer wäre, ohne dass ich Ihnen jetzt irgendwelche konkreten Zahlen liefern könnte.

Frage: Frau Kothé, habe ich das jetzt richtig verstanden? Obwohl es schon einige Urteile des Verfassungsgerichts gibt, aus denen sich, wie Herr Schlienkamp gesagt hat, auch eine gewisse Tendenz abgeleitet, reicht das dem Finanzministerium noch nicht - man wartet also auf ein weiteres Urteil -, aber rein inhaltlich hat man sozusagen keine Meinung dazu, sondern sagt einfach "Wir lassen jetzt einmal das Verfassungsgericht entscheiden, und dann werden wir uns eine Meinung bilden". Ist das so richtig?

Kothé: Das ist so nicht richtig. Natürlich haben wir inhaltlich eine Meinung, und die ist auch bekannt, nämlich dass wir den Schutz der Ehe und diese steuerrechtliche Regelung anders bewerten. Aber in diesem konkreten Fall geht es jetzt wirklich um die Stellungnahme zu der Gegenäußerung des Bundesrats. Dazu haben wir gesagt: Dies ist nicht der Zeitpunkt, und in diesem Gesetzesvorhaben ist das nicht vorgesehen. Das ist ja jetzt von der Länderseite aufgebracht worden. Wir wollen, bevor wir dieses Thema inhaltlich diskutieren, warten, bis das Urteil des Verfassungsgerichts da ist, wie es eigentlich auch verabredet ist.

Zusatzfrage: Sie haben gerade ganz kurz und etwas zusammenhanglos etwas zum Schutz der Ehe gesagt. Ich habe das nicht ganz verstanden. Heißt das, aus Ihrer Sicht könnte der Schutz der Ehe sozusagen ausschließen, dass man Lebenspartnerschaften genau die gleichen Regelungen gewährt?

Kothé: So ist die Argumentation, die Rechtfertigung, bisher. Aber im Augenblick führen wir, wie gesagt, nicht die inhaltliche Diskussion, sondern wir sagen: Wir wollen warten, bis das Verfassungsgerichtsurteil kommt, und es dann bewerten.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Streiter und an Herrn Steegmans. Herr Streiter, teilt die Bundeskanzlerin die Eheauffassung ihres Bundesfinanzministers oder die Eheauffassung ihres Vizekanzlers?

Die gleiche Frage geht an Herrn Steegmans, was seine Ministerin angeht: Teilt die Ministerin das Eheverständnis des Bundesfinanzministers, das hier gerade zum Ausdruck gebracht wurde, oder teilt sie das Eheverständnis des Vizekanzlers und Bundeswirtschaftsministers?

SRS Streiter: Die Bundeskanzlerin hat ja an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen, und in den Koalitionsverhandlungen ist eine Absprache getroffen worden. Die teilt die Bundeskanzlerin.

Zusatz: Das war aber nicht die Frage, Herr Streiter.

SRS Streiter: Nein, das war aber meine Antwort.

Zusatzfrage: Die Frage war, ob Sie in der Frage des Ehebekenntnisses an der Seite des Bundesfinanzministers oder an der Seite des FDP-Vorsitzenden und Bundeswirtschaftsministers steht.

SRS Streiter: Ja, und meine Antwort war, dass die Bundeskanzlerin die Auffassung der Koalitionsvereinbarung teilt.

Zusatzfrage: Heißt das, sie steht Herrn Rösler und Herrn Schäuble gleich weit fern oder nah?

SRS Streiter: Das ist Ihre Interpretation, aber die ist vielleicht gar nicht so verkehrt. Die Bundeskanzlerin ist ja nun für die gesamte Regierung verantwortlich. Ich habe Ihnen eben dargestellt, und das weiß ja auch jeder, dass es halt unterschiedliche Auffassungen gibt. Diese unterschiedlichen Auffassungen - das ist das größte Bemühen der Bundeskanzlerin - müssen halt zu einer gemeinsamen Auffassung zusammengeführt werden.

Steegmans: Die Bundesfamilienministerin hat sich ihre Meinung ohne Rücksicht auf die Nähe oder Ferne zu irgendjemand anderem gebildet, schon vor Jahren. Sie ist eine selbstbewusste Politikerin und hat schon sehr früh angefangen, sich Meinungen selbst zu bilden, sie selbst zu vertreten und sich keine Gedanken darüber zu machen, wer im politischen Geschäft möglicherweise an ihrer Seite marschiert.

Frage: Herr Streiter, in welcher Form ist die Bundeskanzlerin denn im Augenblick mit den Fragen befasst, die wir hier gerade besprechen, und mit der Tatsache, dass sich während ihres Urlaubs ein doch erheblicher Konflikt in ihrem Kabinett ergeben hat?

SRS Streiter: Wie Sie wissen, ist die Bundeskanzlerin im Urlaub. Sie ist damit befasst. Aber sie wirft sich jetzt nicht aktiv in den Ring, sondern das wird sie nach der Rückkehr aus ihrem Urlaub tun.

Frage: Ihre letzte Bemerkung, Herr Streiter, veranlasst mich zu der Nachfrage: Wann ist denn damit zu rechnen, dass sich die Bundeskanzlerin ehemäßig in den Ring werfen wird, um Ihre Formulierung aufzunehmen? Geht es um die nächste Woche, wenn sie offiziell wieder aus dem Urlaub zurück sein wird, oder wann ist der Zeitpunkt für den Infight im Ring?

SRS Streiter: Wenn der Urlaub zu Ende ist.

Zusatzfrage: Dann wird sich die Bundeskanzlerin darum kümmern?

SRS Streiter: Ich weiß nicht, ob sie das nun gleich am Montag, am Dienstag oder vielleicht in der darauf folgenden Woche machen wird. Das wollen wir ihr auch nicht vorschreiben.

Frage: Die Frage geht an Herrn Paris. Es gibt Agenturmeldungen, dass Oberst Klein zum General befördert werden soll. Was sagen Sie dazu? Was sind die Gründe?

Paris: Ich habe auch die Meldung von kurz vor 11 Uhr gelesen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich habe, wenn Sie mich so fragen, schon Schwierigkeiten damit, dass wir hier dem eigentlichen Grundsatz nicht folgen, zu Personalentscheidungen - welcher Art und Weise sie auch immer sind - im Vorfeld Stellung zu nehmen. Ich habe mich aber entschieden, das in diesem Fall zu machen, weil Oberst i.G. Georg Klein durchaus eine Person ist, die sehr stark im öffentlichen Interesse gestanden hat. Deshalb möchte ich Ihre Frage, was der Sachverhalt ist, gerne beantworten.

Lassen Sie mich aber ein bisschen ausholen: Das hängt mit der Neuausrichtung der Bundeswehr zusammen. Im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr gründen wir derzeit verschiedene Ämter unterhalb des Ministeriums, unter anderem das sogenannte Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr. Das ist ein Amt, nachgeordnet dem Ministerium, das letztendlich aus Effizienzgründen, Zuständigkeitsgründen aus bereits bestehenden Dienststellen hervorgeht, nämlich einmal aus der für die Personalführung der Soldaten zuständigen Stammdienststelle der Bundeswehr - das ist die Dienststelle, die sich um Unteroffiziere und Mannschaften kümmert - und dem Personalamt der Bundeswehr. Das ist die Dienststelle, die sich derzeit um die Offiziere kümmert.

Daraus entsteht - sozusagen zusammengefügt - das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr. Das ist ein Prozess, der sich in anderen Bereichen auch bewegt. Wir gründen ein Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung. Wir sind auch dabei, ein Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistung der Bundeswehr zu gründen, um einfach die Grundidee der Neuausrichtung der Bundeswehr nachzuvollziehen. Diese Ämter haben alle eine andere Aufgabe. Aber sie haben alle eines gemein, nämlich ihre Struktur. Diese Ämter werden künftig durch einen Präsidenten geleitet. Unterhalb der Präsidentenebene finden Sie eine Vielzahl von sogenannten Abteilungsleitern, die in ihren jeweiligen Abteilungen bestimmte Dinge bearbeiten.

Diese Ämter sind, wie gesagt, im Aufbau begriffen. Die meisten werden ihre volle Arbeitskraft im Laufe des nächsten Jahres aufnehmen. Um diese Abteilungsleiterpositionen zu besetzen, hat man geschaut, wie es im Bereich des zur Verfügung stehenden Personals aussieht. Man hat natürlich auch in die Bereiche geschaut, wo die Aufgaben, die jetzt noch in einem anderen Amt wahrgenommen werden, künftig in diesem neuen Amt wahrgenommen werden.

Jetzt sind wir quasi bei der Frage Oberst i.G. Klein. Dieser ist derzeit der Chef des Stabes und stellvertretende Leiter der Stammdienststelle der Bundeswehr und kümmert sich um die Unteroffiziere und die Mannschaften. Das ist sein Portfolio. Dafür ist er auch ganz besonders ausgebildet; das ist seinem Werdegang geschuldet. Es ist entschieden worden, dass Oberst i.G. Klein aus dieser Funktion künftig die Funktion des Abteilungsleiters in diesem neuen Amt - dem Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr - einnehmen wird. Das ist letztendlich für ihn eine förderliche Maßnahme. Er ist dafür auch gut geeignet und erfüllt aufgrund seiner bisherigen Verwendung und Ausbildung alle fachlichen Voraussetzungen für diesen Job.

Damit einher geht: Wenn er Abteilungsleiter wird, wird er auch irgendwann in eine höhere Besoldungsgruppe befördert werden. Er ist jetzt Oberst im Generalstab. Das entspricht der Besoldungsgruppe B3. Als Abteilungsleiter in diesem neuen Amt wird er der Besoldungsgruppe B6 angehören. Diese Besoldungsgruppe B6 entspricht dem militärischen Rang eines Brigadegenerals. Das kann ich dazu sagen.

In zeitlicher Hinsicht müssen Sie sich das so vorstellen: Das Bundesamt für Personalmanagement ist jetzt quasi in der Gründungsphase. Sie müssen sich das wie einen Nasciturus vorstellen. Es sind nur ein paar Mann in einem Aufbaustab. Dieser wird zum 1. Dezember dieses Jahres anwachsen und seine volle Schönheit - ich tippe das einmal - im April/Mai nächsten Jahres entfalten. Dann spätestens wird Oberst Klein diese Funktion des Abteilungsleiters in dem neuen Amt einnehmen. Ich gehe davon aus, dass er zeitlich etwas später zum Brigadegeneral befördert werden wird. Das ist der Sachverhalt, der Ihre Frage zugrunde liegt.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema Gift im Kinderspielzeug. Ich denke, die Frage richtet sich an das Verbraucherschutzministerium. Ist es richtig, dass nächstes Jahr eine EU-Richtlinie in Kraft tritt, der zufolge künftig verschiedene Schwermetalle in sehr viel höherer Konzentration in Kinderspielzeug, das in Deutschland käuflich erworben werden kann, enthalten sein können?

Zu Erbauch-Fürstenau: Vielen Dank für Ihre Frage. - Zur Klarstellung: Es gibt in Deutschland grundsätzlich strenge Grenzwerte für Schwermetalle in Spielzeug, an die sich die Wirtschaft bereits jetzt hält und natürlich auch halten muss. Es gibt diese neue Verordnung. Die neue Verordnung enthält zum großen Teil wesentliche Verbesserungen, also strengere Grenzwerte, aber in einigen Bereichen aus deutscher Sicht Verschlechterungen beziehungsweise keine Verbesserungen. Diese Verschlechterung können wir nicht mittragen. Daher haben wir eine Klage vor dem Gericht der Europäischen Union eingereicht.

Das ist der Stand der Dinge. Insofern wird sich nichts für die Verbraucher verschlechtern oder verändern. Die Sicherheit beim Spielzeug bleibt weiterhin bestehen, weil unsere nationalen Grenzwerte strenger sind und erhalten bleiben.

Zusatzfrage: Das wäre ja ungewöhnlich. Das würde heißen, dass die EU-Richtlinie nicht ganz umgesetzt wird, weil die neuen Grenzwerte hier nicht gelten. Ist das Praxis? Kommt das häufig vor?

Zu Erbauch-Fürstenau: Wie häufig das vorkommt, kann ich Ihnen nicht sagen. Sie haben recht. Insofern trifft das zu. Wir haben über 90 Prozent dieser Richtlinie umgesetzt, weil sie strengere Grenzwerte vorsieht. Aber in Bezug auf fünf Schwermetalle haben wir sie nicht umgesetzt, weil sie die deutschen Standards aufweichen würde. Insofern haben wir mit der Kommission nachverhandelt und haben versucht, darauf einzugehen. Bei ein paar Punkten ging das auch, aber eben nicht bei allen. Daher haben wir die Klage eingereicht. Insofern gelten die alten strengen Grenzwerte.

Zusatzfrage: Der Bundesregierung ist vorgeworfen worden, sich nicht mit der Industrie zusammenzusetzen, um so etwas wie eine freiwillige Selbstverpflichtung zu erwirken. Ist das so? Wenn ja, warum?

Zu Erbauch-Fürstenau: Den Vorwurf kenne ich. Er ist, auch wenn er mittlerweile schon häufiger geäußert wurde, weiterhin relativ absurd. Sie müssen sich das so vorstellen: Die strengen Grenzwerte, die es jetzt gibt, gelten. Unabhängig davon haben wir die Klage eingereicht. Insofern muss sich die deutsche Wirtschaft auch weiterhin an diese strengen Grenzwerte halten. Eine Selbstverpflichtung, sich weiterhin an diese strengen Grenzwerte zu halten, ist hinfällig, weil es Gesetz ist.

Frage: Herr Streiter, hat die Bundesregierung eine Meinung zu dem Prozess gegen "Pussy Riot" in Moskau? Es gab gestern eine Positionierung von über 120 Bundestagsabgeordneten. Schließt sich die Bundesregierung dem an? Wie stehen Sie dazu?

SRS Streiter: Die Bundesregierung sieht mit Sorge, dass die Entfaltungsmöglichkeiten der russischen Zivilgesellschaft in jüngster Zeit eingeschränkt wurden. Beispiele hierfür sind etwa die Verschärfung des Gesetzes für Nichtregierungsorganisationen, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit sowie unverhältnismäßige Strafprozesse gegen Oppositionelle und kritische Teile der Zivilgesellschaft. Die Bundesregierung ist auch der Überzeugung, dass eine nachhaltige Modernisierung Russlands nur mit einer vielfältigen und offenen Zivilgesellschaft gelingen kann. Die Bundesregierung ist auch der Meinung, dass man unter Partnern einmal über solche Themen sprechen muss, bei denen man nicht einer Meinung ist. Die Bundesregierung verfolgt das und sieht das mit Sorge.

Zusatzfrage: Auch den Antrag der Staatsanwaltschaft, was das Strafmaß angeht?

SRS Streiter: Das wird beobachtet und mit Sorge beobachtet.

Augustin: Ich kann noch einen Satz dazu sagen: Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, der ja im Auswärtigen Amt ansässig ist, hat bereits die Unverhältnismäßigkeit dieses Prozesses verurteilt. Die deutsche Botschaft beobachtet den Prozess nicht nur sozusagen aus der Ferne, sondern war auch bei der Verhandlung anwesend und steht mit den Anwälten der Gruppe im Kontakt.

Zusatzfrage: Eine Frage an das Bundesgesundheitsministerium. Ihr Minister hat in Sachen Organspendeskandal für Ende des Monats ein Treffen mit Experten angekündigt. Nun kündigt der Präsident der Bundesärztekammer ein eigenes Treffen an. Sehen Sie das als Konkurrenzveranstaltung? Oder begrüßen Sie das?

Klaus: Das begrüßen wir ausdrücklich. Es ist gut, dass die Bundesärztekammer morgen zu diesem Gespräch eingeladen hat. Wir wollen möglichst viel Transparenz. Deswegen ist es notwendig, dass auch innerhalb dieser Organisation Gespräche stattfinden und aus dieser Organisation wie der Bundesärztekammer Vorschläge kommen. Das Bundesgesundheitsministerium wird morgen auf Arbeitsebene an diesem Gespräch teilnehmen.

Darüber hinaus haben wir, wie Sie eben schon gesagt haben, für den 27. August alle Beteiligten eingeladen, die im Bereich Organspende und Organtransplantation Verantwortung tragen. Zusätzlich wird es auch ein Gespräch mit den Ländern im BMG geben - dazu werden wir die Länder einladen -, weil die Länder die Aufsicht über die Landesärztekammern und die Kliniken, also die Entnahmekrankenhäuser und die Transplantationszentren, haben. Der Minister hat angekündigt, dass er auch im politischen Raum das Gespräch mit allen Parteien suchen wird, um möglichst die Sachverhalte aufzuklären und, wenn nötig, Konsequenzen zu ziehen und Verbesserungen zu erzielen.

Zusatzfrage: Könnte es sein, dass mit dem morgigen Treffen das Treffen Ende des Monats schon hinfällig ist?

Klaus: Nein. Das ist jetzt ein Gespräch, zu dem die Bundesärztekammer eingeladen hat. Wir hoffen, dass bei dem Gespräch Vorschläge und gute Ergebnisse herauskommen. Das sind sicherlich wichtige Grundlagen, die auch der Minister von den Beteiligten eingefordert hat, um das Gespräch am 27. August zu führen und möglichst rasch gemeinsam Verbesserungen umzusetzen.

Zusatzfrage: Schließt sich Ihr Ministerium den Forderungen nach mehr Staatsaufsicht bei der Vergabe von Spenderorganen an?

Klaus: Es gibt bereits eine staatliche Aufsicht - das hatte ich am Montag schon erklärt. Es ist so, dass die Kliniken von den Ländern beaufsichtigt werden. Darüber hinaus gibt es Regelungen im Transplantationsgesetz. So gibt es Überwachungs- und Prüfkommissionen. Diese sind von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem GKV-Spitzenverband und der Bundesärztekammer beauftragt, Prüfungen und Kontrollen durchzuführen. Mit der Neuregelung im TPG ist es jetzt sogar möglich, unangekündigte Kontrollen in den Entnahmekrankenhäusern und Transplantationszentren durchzuführen. Sollte es Fehlverhalten geben, muss dem nachgegangen werden. Die entsprechenden Kommissionen müssen Berichte erstellen. Sollte es Fehlverhalten und Verstöße gegen das Transplantationsgesetz geben, müssen diese geahndet werden.

Frage: Frau Klaus, Bundesärztekammerpräsident Montgomery habe ich so verstanden, dass er für die nächste Woche den Bundesgesundheitsminister zu einem Gespräch einladen möchte. Die Frage: Ist so eine Einladung bei Ihnen schon eingegangen? Was würden Sie sich von einem solchen Gespräch erhoffen?

Zweitens. Es geht bei der Frage zum einen um aufgetretene Skandale und zum anderen darum, ob bei dem beschleunigten Verfahren zur Organzuteilung die Kriterien verschärft werden müssen. Sehen Sie Schwachstellen in dem beschleunigten Verfahren, die nahe legen, dass die Regeln überprüft, verschärft werden müssen, bis hin zu ganz neuen Modellen in Sachen staatlicher Aufsicht, wie das auch Herr Brysch von der Deutschen Hospiz Stiftung gefordert hat?

Klaus: Das waren, wie immer, sehr viele Fragen. Ich fange einmal mit dem Termin von Herrn Montgomery an. Von der Einladung haben wir heute aus der Presse erfahren. Ich weiß nicht, ob sie inzwischen eingegangen ist oder nicht. Deswegen kann ich Ihnen dazu nichts sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass der Minister für den 27. August unter anderem auch Herrn Montgomery und die Bundesärztekammer eingeladen hat, an dem Gespräch teilzunehmen. Deswegen kann ich konkret zu einem Termin nach dem morgigen Donnerstag nichts sagen.

Zu dem beschleunigten Verfahren hat gestern die Bundesärztekammer zusammen mit Eurotransplant ausführliche Informationen zur Verfügung gestellt - ich glaube, das war eine vier- bis fünfseitige Pressemitteilung -, in denen dargestellt worden ist, was das für ein Verfahren ist und warum dieses Verfahren eingeführt worden ist. An dieser Stelle kann ich nur noch einmal betonen, dass die Überschrift "Vorbei an der Warteliste" nicht korrekt ist. Es ist immer ein Mensch, der krank ist, der auf ein Organ wartet und der dann ein Organ bekommt. "An der Warteliste vorbei" ist eine falsche Aussage.

Zusatzfrage: Kann man daraus folgern, dass Sie keine Schwachstellen in diesem Verfahren sehen? Oder sehen Sie die?

Klaus: Es ist ein Verfahren, eine Regelung, die in den Richtlinien der Bundesärztekammer festgelegt worden ist. Dieses Verfahren wird seit 2004 angewandt. Morgen findet das Gespräch bei der Bundesärztekammer statt. Dort wird sicherlich auch über dieses beschleunigte Verfahren gesprochen werden.

Es ist gestern und heute gesagt worden, dass dieses Verfahren für besondere Situationen vorgesehen ist, also wenn ein Organ möglicherweise von anderen Zentren abgelehnt wird oder das Organ von einem Spender kommt, der an einer Krankheit litt. Das sind Organe, die bisher nicht transplantiert worden wären, die jetzt von den Zentren transplantiert werden und in dieses sogenannte beschleunigte Verfahren gehen, sodass mehr Organe zur Verfügung stehen. Zu den Details empfehle ich Ihnen, sich tatsächlich die Pressemitteilung von Eurotransplant und der Bundesärztekammer anzuschauen.

Zusatzfrage: Trotzdem noch einmal die Frage: Sehen Sie Schwachstellen in dem Verfahren? Oder sehen Sie die Rolle des Bundesgesundheitsministeriums so, dass es ganz außen vor ist und Sie sich deswegen dazu auch nicht äußern möchten?

Klaus: Ich habe mich ja gerade geäußert.

Zusatz: Ich habe aber noch nicht verstanden, ob Sie Schwachstellen in dem Verfahren sehen oder nicht.

Klaus: Das Verfahren wird von der Bundesärztekammer in Richtlinien festgelegt. Diese Richtlinien gelten. Bereits seit 2004 gilt das beschleunigte Verfahren in besonderen Situationen. Es ist falsch, aufgrund dieser Antwort auf die parlamentarische Anfrage der Grünen zu sagen, dass der Anstieg der beschleunigten Verfahren mit Manipulation gleichzusetzen ist. Sollte es, egal, in welchem Bereich - im Bereich bei der Organspende oder der Transplantation selbst -, Fehlverhalten geben, gibt es Überwachungs- und Prüfkommissionen, die dem nachgehen, das klären und Konsequenzen ziehen müssen und können.

Wenn Sie die Pressemitteilung von Bundesärztekammer und Eurotransplant zu Ende lesen, so sind dort Vorschläge formuliert, wie sie sich das weitere Vorgehen oder die Diskussion bei diesem Thema vorstellen. Es ist gut, dass es die Gespräche gibt. Es ist gut, dass Vorschläge kommen. Wir werden uns das anschauen und genau prüfen.

Vorsitzender Wefers: Wollen Sie es noch einmal probieren, Herr Schröder?

Zusatz: Mangels Erfolgsaussicht verzichte ich.

Frage: Frau Klaus, Sie verweisen immer auf die verstärkte Überwachung, seit das Gesetz Anfang des Monats in Kraft getreten ist. Kann es nicht sein, dass diese Prüfungskommissionen einfach zu verbandsnah sind? Da kommen wir wieder zu der Frage von staatlicher Kontrolle und verschärfter staatlicher Aufsicht. Sehen Sie das? Können Sie nachvollziehen, dass man diese Prüfungskommissionen als zu verbandsnah betrachten könnte?

Klaus: Sie sind ja von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, vom GKV-Spitzenverband und der Bundesärztekammer beauftragt. Diese drei Parteien haben ein Interesse, dass sauber und transparent gearbeitet wird und dass es nach den gesetzlichen Regeln beziehungsweise nach den Richtlinien der Bundesärztekammer abläuft.

Im Übrigen noch einmal der Hinweis: Die Kliniken - dazu zählen auch die Entnahmekrankhäuser und die Transplantationszentren - unterliegen der Aufsicht der Länder. Das heißt: Auch die Länder können hier aktiv werden.

Frage: Frau Klaus, wenn ich mir die Berichterstattung von gestern anschaue, wurde der Einschätzung Ihres Hauses, dass die Entwicklung vor allem mit dem Alter der Spender zusammenhinge, mehrfach von Fachkräften widersprochen. Gibt es in Ihrem Haus Überlegungen, diese Aussage noch einmal zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren?

Klaus: Ich weiß nicht, von welchen Fachkräften Sie sprechen.

Zusatz: In dem Fall Fachärzte.

Klaus: Ich verweise noch einmal auf die Pressemitteilung von Bundesärztekammer und Eurotransplant. Dort sind genaue Daten abgebildet, wie sich das Alter der Spender entwickelt hat. Es ist aber nicht nur das Alter der Spender - übrigens findet man auch auf der Internetseite der DSO Zahlen zu der Entwicklung des Alters der Spender -, sondern auch die Vorerkrankungen spielen eine Rolle. Es gab bisher stärkere Ausschlusskriterien für ein Organ. Die Spendekriterien sind mit diesem beschleunigten Verfahren erweitert worden, sodass heute Organe transplantiert werden, die früher abgelehnt worden sind.

Die Menschen, die diese Organe transplantiert bekommen, werden vorher darüber aufgeklärt und müssen dieser Transplantation zustimmen. Weil die Dringlichkeit und Notwendigkeit bei den Menschen, die auf der Warteliste stehen, so hoch sind, stimmen immer mehr Menschen einer solchen Transplantation zu. Es ist also nicht ausschließlich das Alter ein Kriterium. Es ist das Alter, aber es sind auch andere Kriterien, die dazu führen, dass ein Organ nicht in dieses Verfahren geht, das über Eurotransplant in den sieben Ländern angeboten wird, sondern es ist so, dass die Organe in einem regionalen Kreis an die Menschen, die auf der Warteliste stehen, vergeben werden.

Frage: Herr Paris, trifft ein Zeitungsbericht von heute zu, dass die Ruderin Drygalla nach ihrem Ausscheiden aus dem Polizeidienst in die Sportfördergruppe der Bundeswehr aufgenommen werden sollte, das aber auf Intervention des DOSB unterblieb?

Paris: Ich war zwar am Montag nicht in Berlin, habe aber das Protokoll der Pressekonferenz von Montag gelesen, wo sich Herr Dienst bereits zu dem Thema eingelassen hatte. Ich kann das eigentlich nicht weiter ergänzen, außer noch einmal zusammenfassend sagen, dass es einen Antrag gab und dieser Antrag dann zurückgezogen worden ist. Das war die Auskunft von Herrn Dienst vom Montag. Diese hat sich bis heute in der Sache nicht verändert.

Zu der Frage, wer genau was zurückgezogen hat, müsste ich Sie bitten, sich entweder an den DOSB, für den ich nicht spreche, oder an den Deutschen Ruderverband zu wenden, weil von dort aus die Anträge gestellt werden. Dazu kann ich keine Auskunft geben, außer zu dem Faktum, dass es einen Antrag gab, diesen aber dann nicht mehr gab und dementsprechend momentan kein Antrag vorliegt.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 8. August 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/08/2012-08-08-regpk.html?nn=391778
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2012