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PRESSEKONFERENZ/507: Regierungspressekonferenz vom 7. November 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 7. November 2012
Regierungspressekonferenz vom 7. November 2012

Themen: Kabinettssitzung (Betreuungsgeld, Praxisgebühr, 9. Existenzminimumbericht, Novelle des Filmförderungsgesetzes, Bericht "Bildung in Deutschland 2012"), nächste Sitzung des Koalitionsausschusses, Prognose der EU-Kommission für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone, Bundeshaushalt 2014, Äußerung der Bundeskanzlerin zur wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU, Zeitungsbericht über angebliche Intervention der Bundesregierung beim ZDF, Leitung der Europäischen Bankenaufsicht

Sprecher: SRS Streiter, Westhoff (BMAS), Kotthaus (BMF), Peschke (AA)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Auf der Tagesordnung der Kabinettssitzung stand zunächst das das Thema Betreuungsgeld. Zur Umsetzung der Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom Sonntag hat das Kabinett heute zwei Formulierungshilfen für die Bundestagsfraktionen der Koalition beschlossen. Zum einen geht es um einen Änderungsantrag zum Entwurf des Betreuungsgeldgesetzes, zum anderen um eine Ergänzung des Betreuungsgeldgesetzes.

Die Änderungen des Gesetzentwurfs betreffen im Wesentlichen das Inkrafttreten des Betreuungsgeldes zum 1. August 2013. Daran angepasst werden die Stichtage hinsichtlich der Höhe des Betreuungsgeldes, also bis zum 31. Juli 2014 100 Euro und danach 150 Euro. Außerdem wird klargestellt, dass Eltern nicht gleichzeitig Betreuungsgeld und Elterngeld beziehen können. Die Bundesregierung ist froh über die Einigung. Es ist ihr wichtig, dass Eltern echte Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kinder erhalten.

Die Ergänzung des Betreuungsgeldgesetzes sieht neben der Barauszahlung des Betreuungsgeldes zwei weitere Verwendungsoptionen vor: Familien können das Betreuungsgeld auch zur privaten Altersvorsorge einsetzen, und außerdem soll die Möglichkeit geschaffen werden, das Betreuungsgeld für Bildungssparen zu nutzen. In beiden Fällen erhalten die Familien einen zusätzlichen Bonus von 15 Euro im Monat. Auch diese Ergänzungen sollen am 1. August 2013 in Kraft treten.

Ein weiteres Thema im Kabinett war die Praxisgebühr. Wie Sie wissen, soll sie zum 1. Januar 2013 abgeschafft werden. Um dies auf den Weg zu bringen, hat das Kabinett Formulierungshilfen für Änderungsanträge der Regierungsfraktionen zum Entwurf des Assistenzpflegebedarfsgesetzes beschlossen. An dieses Gesetz wird die Regelung zum Abschaffen der Praxisgebühr einfach angehängt. Ziel der Bundesregierung ist es, damit die Bürger um insgesamt rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr zu entlasten. Gleichzeitig werden die Ärzte von bürokratischem Aufwand entlastet. Die gesetzlichen Krankenkassen werden durch die Abschaffung der Praxisgebühr nicht belastet. Die Ausgabensteigerungen für die Krankenkassen werden aus dem Gesundheitsfonds dauerhaft ausgeglichen.

Das Bundeskabinett hat heute außerdem den 9. Existenzminimumbericht beschlossen, also den Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014. Danach besteht ab dem Jahr 2013 ein Erhöhungsbedarf beim Grundfreibetrag in Höhe von derzeit 8.004 Euro. Er beträgt 120 Euro im Jahr 2013, also auf 8.124 Euro, und 348 Euro im Jahr 2014. Dann erhöht sich dieser Freibetrag auf 8.352 Euro.

Diesen Anpassungsbedarf hatte die Bundesregierung ja frühzeitig erkannt und auch durch eine belastbare Vorabprognose untermauert. Ihm wurde mit dem Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression Rechnung getragen; denn darin ist eine Erhöhung des Grundfreibetrages um 126 Euro im Jahr 2013 und um weitere 224 Euro im Jahr 2014, also insgesamt um 350 Euro vorgesehen. Um nicht am 1. Januar 2013 auf eine verfassungswidrige Situation zuzulaufen, ist diese Anpassung zwingend notwendig. Das Gesetz befindet sich zurzeit im Vermittlungsausschuss, da die SPD-geführten Bundesländer dem Gesetz im Bundesrat bisher nicht zugestimmt haben. Sie hatten unter anderem gefordert, die Notwendigkeit der Anpassungen beim Grundfreibetrag durch den Existenzminimumbericht zu belegen. Dieser Bericht liegt nun vor, und er bestätigt die Prognose der Bundesregierung.

Hinsichtlich des Kinderfreibetrages zeigt der Existenzminimumbericht auf, dass bis einschließlich 2013 kein Erhöhungsbedarf besteht. Erst ab 2014 weist er eine leichte Unterdeckung in Höhe von 72 Euro auf, sodass eine Erhöhung erforderlich wird. Auch dies wird die Bundesregierung rechtzeitig auf den Weg bringen.

Ebenfalls im Bundeskabinett war heute eine Novelle des Filmförderungsgesetzes. Mit dieser Novelle wird die Filmförderung modernisiert und an die neuesten Entwicklungen in der Filmwirtschaft angepasst. Die Neuregelungen beziehen sich unter anderem auf die Abgabepflicht auch von ausländischen Video-on-Demand-Angeboten, also im Internet abrufbaren Kinofilmen für deutsche Kundschaft. Auch die Teilhabe behinderter Menschen an den geförderten Filmen wird verbessert. Künftig muss es auch von jedem geförderten Kinofilm zwingend eine barrierefreie Fassung für seh- und hörbehinderte Menschen geben. Zu den Details möchte ich Sie auf eine Pressemitteilung des Kulturstaatsministers Bernd Neumann hinweisen. Die ist schon veröffentlicht worden.

Dann hat das Kabinett heute noch den vierten Bericht "Bildung in Deutschland 2012" beraten. Der Bericht "Bildung in Deutschland" erscheint alle zwei Jahre und wird im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Ständigen Kultusministerkonferenz der Länder von einer unabhängigen Wissenschaftlergruppe unter Leitung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung erstellt. In allen Bildungsbereichen dokumentiert er positive Entwicklungen: Bildungsniveau und Bildungsbeteiligung steigen, das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren macht Fortschritte, die Zahl der Schulabbrecher sinkt, das Ausbildungsplatzangebot übersteigt die Anzahl der Bewerber, die Zahl der Abiturienten steigt, die Quote der Studienanfänger liegt bei über 50 Prozent und damit auf Rekordniveau. Als Herausforderungen benennt der Bericht die weitere Verringerung von Bildungsarmut, eine stärkere Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und die Ausweitung von Bildungsangeboten.

Ziele der Bundesregierung sind, frühkindliche Bildung auch qualitativ weiter auszubauen, Bildungschancen weiter zu verbessern, keinen zurücklassen, allen eine Berufsausbildung zu ermöglichen, Flexibilität zu fördern, Attraktivität und Qualität des Hochschulstudiums zu sichern sowie die Weiterbildung mit Blick auf die demographische Entwicklung zu gestalten. Um dies zu erreichen, engagiert sich die Bundesregierung umfassend, etwa mit dem Investitionsprogramm "Kinderbetreuungsfinanzierung 2008 - 2013", dem Ausbildungspakt, der Initiative "Bildungsketten", dem Hochschulpakt, der Förderung der beruflichen Weiterbildung im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik und der Bildungsprämie. - So weit der Bericht aus dem Kabinett!

Frage: Herr Streiter, können Sie, obwohl es sich nur um Formulierungshilfen handelt, dennoch schon sagen, ob es sich bei dem Ergänzungsgesetz (zur Praxisgebühr) zweifelsfrei um ein zustimmungspflichtiges oder um ein zustimmungsfreies Gesetz handeln wird?

SRS Streiter: Da bin ich mir jetzt nicht ganz sicher. Ich meine, ich hätte gehört, es sei zustimmungsfrei. Aber ich möchte jetzt keinen Eid darauf schwören.

Frage (zum Existenzminimumbericht): Ich glaube, die Frage betrifft das Arbeitsministerium: Wann wird denn eigentlich das Kindergeld erhöht?

Westhoff: Das ist nicht unsere Sache. Ich würde die Frage gerne beantworten, wenn ich es könnte. Ich kann es leider nicht. Ich muss an das BMF und, denke ich, an das Familienministerium verweisen.

Zusatzfrage: Es wird ja alles erhöht, sozusagen auch die Freigrenzen. Deswegen stelle ich meine sich logisch anschließende Frage, in welchem Umfang und wann denn das Kindergeld angepasst werden wird.

Kotthaus: Aus dem Bericht ergibt sich erst einmal, dass der Kinderfreibetrag angepasst werden muss. Daraus ergibt sich dann eine politische Entscheidung darüber, was mit dem Kindergeld passiert. Das ist wiederum eine Diskussion, die dann innerhalb der Regierung oder auch des Parlaments geführt werden muss.

Was den Kinderfreibetrag betrifft, muss, wie gesagt, bis 2014 etwas passieren. Aber mehr haben wir da momentan nicht zu bieten.

Zusatzfrage: Herr Kotthaus, würden Sie mir recht geben, dass es bisher immer einen logischen Zusammenhang zwischen einer Anpassung des Kinderfreibetrags und der Höhe des Kindergeld gab, sodass quasi auf dem Wege eines logischen Automatismus diese oder die nächste Regierung auch eine Kindergeldanpassung an die derzeitigen Preisverhältnisse erwägen dürfte?

Kotthaus: Ich gestehe Ihnen zu, dass es recht häufig eine hohe zeitliche Kongruenz zwischen diesen beiden Dingen gab. Nichtsdestotrotz sind die nicht komplett miteinander verknüpft. Deswegen ist das eine Frage, die eben gestellt werden muss. Aber das Thema Kinderfreibetrag ist, wie gesagt, erst 2014 fällig.

Zusatzfrage: Das wurde ja berechnet. Der Finanzminister kann deshalb auch keine Vorsorge für eine Kindergelderhöhung getroffen haben. Ich frage das vor dem Hintergrund, dass 2014 eine völlig neue solide, defizitfreie und strukturell verbesserte Haushaltspolitik gelten soll. Dabei würde eine Kindergelderhöhungen ja möglicherweise stören.

Kotthaus: Der Finanzminister hat keine neue solide Finanzpolitik gemacht, sondern er macht eine dauerhaft solide Finanzpolitik.

Noch einmal: Jetzt sind wir erst einmal dabei, 2013 zu beenden, und dann gehen wir auf die Fragen in Bezug auf 2014 und die Eckpunkte ein. Fragen können dann in diesem Zusammenhang gestellt werden, aber nicht hier und heute.

Frage: Herr Streiter, Sie sind ja schon auf das Gesetz zum Abbau der kalten Progression eingegangen, das im Vermittlungsausschuss liegt. Ist es zutreffend, dass es am 22. November eine Sitzung der Koalitionsrunde geben wird, also einen Tag nach der nächsten Sitzung des Vermittlungsausschusses?

SRS Streiter: Das ist nicht zutreffend.

Zusatzfrage: Wann ist denn dann der nächste Termin?

SRS Streiter: Zutreffend ist, dass vereinbart worden ist, dass man sich regelmäßig - am liebsten vor den Sitzungen des Bundesrats - treffen wird. Das wird aber im November und Dezember nicht möglich sein, weil die Bundeskanzlerin dann jeweils beim Europäischen Rat sein wird. Aber es wird angestrebt, vielleicht noch einmal vor Weihnachten zusammenzukommen, in welcher Runde auch immer.

Zusatzfrage: Haben Sie eine Erklärung dafür, dass der FDP-Generalsekretär dazu andere Angaben macht?

SRS Streiter: Nein. Wahrscheinlich kannte er den Terminkalender der Bundeskanzlerin nicht.

Frage: Auch Herr Brüderle hat heute noch einmal bestätigt, dass im Koalitionsausschuss am Sonntag die grundsätzliche Vereinbarung getroffen wurde oder "ausfixiert" wurde, wie Herr Brüderle sagte, dass man sich als Koalitionsausschuss häufiger treffen sollte, und dies, wenn denn dann, der Einfachheit halber vor einer Bundesratssitzung. Sehe ich es richtig, dass man sich jetzt in Konsequenz dieser Vereinbarung nicht öfter treffen wird, sondern erst kurz vor Weihnachten, und wenn, dann auf keinen Fall vor der Bundesratssitzung? Ich frage nur nach der Grundsatztreue und Beschlusstreue der Regierung. Sie vereinbart am Sonntag regelmäßige Treffen vor Bundesratssitzungen, die nächsten zwei Termine finden schon einmal nicht statt, und dann gibt es einen Termin, der nicht vor der Bundesratssitzung stattfindet. Welche Logik liegt dann hinter dieser Ausfixierung des Zeitplans der Koalition?

SRS Streiter: Die Logik liegt in der Vereinbarung, die getroffen worden ist, nämlich dass diese Runde natürlich nur dann stattfinden kann, wenn die Bundeskanzlerin anwesend ist. Wenn sie nicht anwesend ist, dann kann sie auch nicht stattfinden.

Zusatz: Man tagt doch auch ohne Herrn Schäuble!

SRS Streiter: Das ist aber ein Unterschied, weil Herr Schäuble ja nicht automatisch Mitglied ist. Es wäre, glaube ich, etwas sinnfrei, eine Koalitionsrunde ohne die Bundeskanzlerin zu veranstalten.

Ich möchte die Gelegenheit noch nutzen, um die Frage von Gunther Hartwig zu beantworten. Ich habe da nicht aufgepasst. Das ist zustimmungsfrei.

Frage: Herr Streiter, es gibt Forderungen aus den Reihen der Koalitionsfraktionen danach, dass sich Mitglieder der Bundesregierung bei der Abstimmung über das Betreuungsgeld am kommenden Freitag an dem Beschluss der Koalitionsrunde halten sollten. Anderenfalls sollten Mitglieder der Bundesregierung in ihrem dortigen Amt Konsequenzen ziehen. Wie sieht das die Bundesregierung?

SRS Streiter: Das kommt aus den Fraktionen. Darauf hat die Bundesregierung ja keinen Einfluss.

Zusatzfrage: Sieht es die Bundesregierung also als unproblematisch an, wenn ein Mitglied der Bundesregierung im Bundestag anders stimmen würde, als es ein Beschluss der Koalition vorgibt?

SRS Streiter: Sie wird es, bevor es dazu käme, nicht kommentieren.

Frage: Ich möchte doch noch etwas zum Betreuungsgeld fragen, und zwar zur ständigen Betonung, dass das nicht parallel zum Elterngeld gezahlt werden soll. Das Elterngeld wird 14 Monate lang gezahlt. Heißt das, dass es dann eine Verschiebung geben wird? Bedeutet das, dass das für die Ein- und Zweijährigen nach hinten verschoben wird, oder bedeutet das, dass das Geld dann nur 22 Monate lang gezahlt wird?

SRS Streiter: Genau, es geht in diesen Fällen um 22 Monate. Es gibt ja auch Eltern, die kein Elterngeld beziehen.

Frage: Herr Streiter, ich vermute, ich gehe recht in der Annahme, dass das Betreuungsgeld ein wesentlicher Eckpunkt der Regierungsarbeit ist. Unter dieser Voraussetzung, fürchte ich, habe ich den Termin der Pressekonferenz der zuständigen Bundesministerin zur Propagierung dieses Instrumentes verpasst. Dann - mir würde ein einfaches "Ja" genügen - wäre das mein Fehler.

Falls nicht, würde mich doch Folgendes interessieren: Werden die Bundesregierung, die zuständige Bundesministerin oder vielleicht sogar die Kanzlerin das Thema, an dem sie sich über Monate hinweg abgearbeitet haben und das sie jetzt zu einem guten Ende bringen können, auch noch einmal gegenüber der Öffentlichkeit als große Errungenschaft dieser Regierung populär darstellen? Wenn ja, wann? Können Sie mir etwas über den Zeitplan verraten? Wann kommt welcher PR-Akt?

SRS Streiter: Diese Frage wundert mich jetzt ein bisschen, weil ich glaube, dass es kaum ein Thema gibt, dass öffentlicher als dieses Thema diskutiert wird. Insofern, glaube ich, muss man das nicht propagieren. Dazu ist auch alles gesagt. Warten wir doch einmal ab, bis es dann beschlossen ist und in Kraft treten kann. Dann wird das sicherlich noch mehr gewürdigt werden, als es das jetzt schon wird. Ich kenne kaum ein Thema, das öffentlicher als dieses ist. Ich weiß nicht, warum man das jetzt noch einmal propagieren müsste.

Zusatzfrage: Ich frage das deshalb, weil Mitglieder der Bundesregierung und zuständige Minister oder Ministerinnen ansonsten ja auch jedes halbwegs große Gesetzesvorhaben aus ihrem Bereich nutzen, um damit in die Öffentlichkeit zu gehen und sozusagen zu sagen: Dieses Betreuungsgeld hat ein Gesicht und einen Namen, und ich stehe voll und ganz dahinter. Das ist die tägliche Praxis in ihrer Regierung, wenn sie etwas tun. Deshalb meine Frage: Wann wird denn wer das große Thema Betreuungsgeld nach außen vertreten?

SRS Streiter: Die gesamte Bundesregierung vertritt das nach außen, und ich glaube, in letzter Zeit auch nicht zu knapp. Wir reden seit Monaten darüber, und noch Sonntagabend haben viele Leute im Dunkeln in der Kälte gestanden, um darüber zu berichten. Ich kann jetzt also keinen Mangel an Öffentlichkeit erkennen.

Zusatzfrage: Könnte es also nicht daran liegen, dass sich keiner damit identifizieren will?

SRS Streiter: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.

Frage: Herr Kotthaus, die EU-Kommission hat mitgeteilt, dass Frankreich das Defizitziel von 3,0 Prozent nicht erreichen werde, sondern es werde bei 3,5 Prozent liegen. Macht das jetzt ein Eingreifen auf EU-Ebene notwendig? Wie betrachtet Deutschland diese Situation?

Kotthaus: Ich muss gestehen: Ich habe diese Mitteilung der EU-Kommission nicht gesehen. Von wann ist die gewesen?

Zusatz: Das ist um 13 Uhr als Eilmeldung gelaufen.

Kotthaus: Danke. Ich kenne sie noch nicht und kann sie nicht beurteilen. Sie kennen aber das Prozedere: Das gesamte Defizitverfahren läuft so, dass die Kommission es bewertet und dann Vorschläge macht, die vom Rat beschlossen werden müssen. Das ist das Prozedere. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.

Frage: Herr Kotthaus, können Sie mir helfen, den Satz "Da ist noch ein bisschen Unsicherheit" im Hinblick auf das Ziel des Koalitionsgipfels der "schwarzen Null" für 2014 etwas präziser zu verstehen? Was hat im Einzelnen welche Unsicherheit beim Finanzminister verursacht, und wie wäre diese Unsicherheit in Sicherheit zu verwandeln?

Kotthaus: Ich weiß nicht genau, wie ich diesen Satz weiter interpretieren soll. Ich finde, er ist selbsterklärend. Wir haben das schon hier am Montag diskutiert.

Wir konzentrieren uns jetzt erst einmal darauf, dass wir das Haushaltsverfahren für den Haushalt 2013 beenden. Morgen findet dazu die Bereinigungssitzung im Parlament statt. Dort streben wir an, dass wir das Defizitziel der Schuldenbremse von 0,35 Prozent schon 2013 erreichen. Das ist ambitioniert, aber da sind wir auf einem guten Weg. Der darauffolgende Haushalt 2014 wird danach in Angriff genommen. Im März werden die Eckwerte beschlossen. Dann müssen wir definieren, wie das strukturelle schwarze Defizit, also die "strukturelle Null", erreicht werden soll.

Der Minister ist bei diesen Themen, wie Sie wissen, immer sehr ambitioniert. Wir haben es in der gesamten Legislaturperiode durchgängig geschafft, in den Bereichen der Neuverschuldung herunterzuarbeiten, die Ausgaben zu begrenzen und eine relativ flache Linie zu erreichen. Nichtsdestotrotz ist ein strukturelles Defizit von Null 2014 ambitioniert. Das ist klar. Der Minister ist da immer vorsichtig. Er weiß, dass das noch eine gehörige Arbeit erfordert. Diese leisten wir. Daran arbeiten wir. Wir haben bis zum März 2013, wenn die Eckwerte vorgelegt werden, Zeit, das umzusetzen. Wie Sie wissen, ist der Minister in dem Zusammenhang immer vorsichtig und will keine Versprechen machen, die er nicht halten kann. Wir arbeiten daran. Das Ziel ist klar gesetzt. Das ist die Aufgabe für die nächsten Wochen und Monate.

Zusatz: Ich verstehe es also richtig, dass Herr Schäuble sagt "Auch ich hätte gerne die 'schwarze Null' 2014. Ich weiß aber noch nicht so genau, ob wir sie erreichen können."

Kotthaus: Es gibt dazu nicht mehr zu ergänzen. Das Ziel ist gesetzt. Wir arbeiten daran. Die Eckwerte werden im März 2013 beschlossen. Es ist eben ein gehöriges Stück Arbeit, das zu erreichen.

Frage: Herr Streiter, eine Frage an Sie. Heute Morgen hat Frau Merkel beim Termin mit dem Sachverständigenrat gesagt, dass sie keine Zentralisierung der wirtschaftspolitischen Steuerung auf europäischer Ebene will. Das scheint in einem Konflikt mit vorherigen Aussagen zu stehen, dass Deutschland eigentlich will, dass Europa mehr Einfluss in Bezug auf wirtschaftspolitische Themen haben soll. Können Sie erklären, welchen Weg die Bundesregierung bei diesem Thema wählt?

SRS Streiter: Ich kann noch einmal auf die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vom 18. Oktober hinweisen. Da hat sie klargestellt: "Wir brauchen Lösungen, die einen sinnvollen Ausgleich herstellen zwischen notwendigen Eingriffsrechten der europäischen Ebene, um Fehlverhalten und Regelverstöße immer wieder zu korrigieren, und dem Selbstbestimmungsrecht und Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten und ihrer Parlamente."

Sie hat auch gesagt: "Wir brauchen auch Lösungen, die zu verbindlichen und durchsetzbaren Reformverpflichtungen der Mitgliedstaaten führen, ohne dass nationale Kompetenzen, das Subsidiaritätsprinzip oder demokratische Verfahren untergraben werden. Deshalb stellen wir uns vor, dass die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck verbindliche Reformvereinbarungen mit der europäischen Ebene schließen, denen dann die jeweiligen nationalen Parlamente zustimmen. Dann ist sozusagen die demokratische Legitimierung gegeben, dass ein Nationalstaat sich verpflichtet, bestimmte Dinge umzusetzen."

Ich kann da keinen Widerspruch erkennen.

Frage: Herr Streiter, ist es zutreffend, wie die "Leipziger Volkszeitung" heute schreibt, dass die Bundeskanzlerin im Frühjahr 2009 beim ZDF eine Kampagne gegen sich und ihre Partei vermutet hat und deswegen beim ZDF hat intervenieren lassen?

SRS Streiter: Vielen Dank für diese Frage. - Die Bundeskanzlerin und auch der frühere CDU-Generalsekretär und jetzige Kanzleramtsminister Pofalla haben an einen solchen Vorgang keine Erinnerung. Dessen ungeachtet werden kommende Sitzungen der Gremien des ZDF sicherlich Gelegenheit bieten, sich über die Zusammenarbeit in diesen Gremien auszutauschen. Ansonsten braucht, glaube ich, nicht ausdrücklich betont zu werden, dass die Pressefreiheit für die Bundeskanzlerin, die ganze Bundesregierung und die sie tragenden Parteien ein hohes Gut unserer Demokratie ist.

Zusatzfrage: Sie sagen, da gebe es keine Erinnerung. Gibt es denn Protokolle von Sitzungen, die damals erstellt wurden, in die man noch einmal hineinschauen könnte?

SRS Streiter: In der Bundesregierung nicht - mit Sicherheit nicht. Sie haben, wie gesagt, noch einmal ihre Erinnerung erforscht, und da hat sich nichts geregt.

Frage: Herr Streiter, da Sie in Erinnerung forschen lassen durften oder geforscht wurde, würde ich gerne ergänzend fragen, ob sich die Bundeskanzlerin möglicherweise noch daran erinnert hat, dass interveniert wurde, als nach dem vorletzten CDU-Bundesparteitag ein sehr forsch geführtes Interview im ZDF geführt wurde. Konnte sich die Bundeskanzlerin in ihrer Person als CDU-Vorsitzende an diesen Vorgang der Intervention erinnern?

SRS Streiter: Das weiß ich nicht. Darüber haben wir gar nicht gesprochen.

Frage: Herr Streiter, hätte es denn Auswirkungen auf die Arbeit des Kanzleramtsministers - selbstverständlich ganz abstrakt gesprochen und nicht auf Herrn Pofalla bezogen -, würde ein Kanzleramtsminister in seiner vorherigen Tätigkeit in einem öffentlich-rechtlichen Medium interveniert haben? Könnte das, ganz abstrakt gesprochen, eine Auswirkung auf seine Tätigkeit heute haben?

SRS Streiter: Ich hätte überhaupt keine Idee, warum das so sein sollte.

Zusatzfrage: Das war nur die Überlegung, wenn das so irgendwo - - -

SRS Streiter: Hier sitzen ganz viele Menschen, die auch jeden Tag mit den Medien zu tun haben. Ich weiß nicht, wie oft ich in wie vielen Redaktionen schon angerufen habe. Meistens haben die Leute sich darüber gefreut.

Frage: Herr Streiter, das Glückwunschtelegramm der Bundeskanzlerin an Herrn Obama von heute Morgen war kurz und knapp. Ich wollte fragen, ob Sie etwas ausführen können, bei welchen Themen aus Sicht der Bundesregierung die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und dem wiedergewählten Präsidenten besonders wichtig sind. Ich frage, weil Herr Cameron beispielsweise Syrien erwähnt hat. Gibt es zwei, drei, vier Themen, die für die Bundesregierung wichtig sind?

SRS Streiter: Nein. Es ist das Wesen eines Telegramms, das es kurz ist. Die Zusammenarbeit zwischen den USA und der Bundesrepublik ist hervorragend. Es ist heute auch nicht der Tag, um Dinge zu benennen, die man noch intensiver besprechen müsste. Es war ein ganz spontanes Telegramm mit dem Tenor: Herzlichen Glückwunsch! Ich würde mich sehr freuen, wenn Herr Obama Deutschland einmal besuchen würde. - Das war keine politische Grundsatzerklärung. Die möchte ich hier auch nicht abgeben.

Zusatzfrage: Gibt es denn Hoffnung, dass jetzt, wo die Wahl vorbei ist, bestimmte Themen wieder etwas intensiver angegangen werden können?

SRS Streiter: Das mag sein. Über solche Dinge möchte ich gar nicht spekulieren. Es ist in jedem Land so, dass, wenn Wahlkampf und Wahltag ist, man danach erst einmal tief durchatmet. Dann geht es weiter. Es gibt keinen Zweifel daran, dass diese Zusammenarbeit weiterhin so hervorragend sein wird, wie sie bisher war.

Frage: Herr Streiter, können Sie sich noch erinnern, wann der letzte bilaterale Besuch des US-Präsidenten in Berlin stattgefunden hat? Ich komme darauf, weil die Bundeskanzlerin ihn eingeladen hat. Ich habe nicht parat, wann Herr Obama als Präsident das letzte Mal in Deutschland war.

SRS Streiter: Das weiß ich auswendig auch nicht. Das kann ich gerne nachforschen und nachreichen.

Zusatzfrage: Könnte es sein, dass er in den letzten vier Jahren gar nicht in Deutschland war?

SRS Streiter: Das könnte auch sein.

Zusatzfrage: Welche Hoffnung knüpft die Bundeskanzlerin an ihre Einladung, dass Herr Obama dieses Mal seine vier Jahre noch nutzen möchte, um Frau Merkel zu sehen?

SRS Streiter: Das ist jetzt eine müßige Diskussion. Die Bundeskanzlerin hat ihn eingeladen. Diese Einladung wird angenommen oder auch nicht. Das wird man ja dann sehen.

Peschke: Nur eine ganz kurze Ergänzung: Herr Präsident Obama war selbstverständlich in den letzten vier Jahren in Deutschland.

Zuruf: Das war nicht meine Frage, Herr Peschke. Ich habe nach Berlin gefragt.

Peschke: Sie haben gesagt, ob es sein könne, dass er gar nicht in Deutschland war.

Zuruf: Dann korrigiere ich das.

Peschke: Ich wollte nur ergänzen: Er war in Deutschland.

Ich will auch hinzufügen, um einfach das exzellente Verhältnis zu beleuchten, dass das Dinner zu Ehren der Verleihung des Preises an die Frau Bundeskanzlerin, das in Washington im Rosengarten stattgefunden hat, als ein Zeichen der ausdrücklichen Wertschätzung und Anerkennung auch für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Regierungen gewertet werden kann.

Um im Keim dem zu begegnen, was vielleicht Ihrer Frage zugrunde liegt: Die Zusammenarbeit zwischen beiden Regierungen ist sehr eng. Sie wird auch weiter sehr, sehr eng sein.

Frage: Herr Kotthaus, ist es zutreffend, dass die deutsche Regierung es sich im Verein mit anderen europäischen Regierungen wünschen würde, dass die noch zu schaffende gemeinsame Europäische Bankenaufsicht von einer Frau geführt würde, wie das heute eine Zeitung schreibt, nachdem das mit Herrn Mersch und dem EZB-Direktorium doch etwas kompliziert war?

Kotthaus: Ich glaube, wir kennen alle den Spruch von dem Fell des Bären, der erst erlegt werden muss, bevor man sein Fell verteilt. Wir sollten jetzt erst einmal an der Bankenaufsicht arbeiten. Das tun wir mit hoher Energie und mit hohem Einsatz. Sie muss aufgebaut werden. Dann werden sich auch sicherlich interessante Personalfragen stellen. Das fände ich es jetzt etwas voreilig.

Es gibt natürlich viele gute Frauen, die für so etwas einsetzbar und denkbar sind. Das ist keine Frage; das hätte ich vielleicht klarer machen müssen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass man die Schritte nacheinander machen muss. Der erste Schritt muss sein, erst einmal die Grundlagen dafür zu schaffen. Daran arbeiten wir. Wer die Bankenaufsicht führen wird, werden wir dann sehen. Sicherlich gibt es viele gute Frauen wie auch gute Männer, die denkbar sind.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 7. November 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/11/2012-11-07-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2012