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PRESSEKONFERENZ/546: Statement von Bundeskanzlerin Merkel zum EU-CELAC-Gipfel, 27.01.13 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift Pressekonferenz in Santiago de Chile - Sonntag, 27. Januar 2013
Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel anl. des EU-CELAC-Gipfels



BK'in Merkel: Guten Morgen! Der EU-CELAC-Gipfel neigt sich seinem Ende zu, und ich kann sagen: Dies ist der vierte Gipfel zwischen der EU und Lateinamerika beziehungsweise lateinamerikanischen Staaten, den ich besuche, und ich habe noch keinen Gipfel erlebt, auf dem die Beziehungen so eng, so aufgeschlossen und auch so dynamisch waren. Das hat damit zu tun, dass sich Lateinamerika und die Karibik sehr dynamisch entwickeln. Das hat aber auch damit zu tun, dass wir eine ganze Reihe von Handelsbeziehungen entwickelt haben und dass die Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika auch von der lateinamerikanischen Seite inzwischen sehr stark gewollt sind.

Es hat in den letzten zehn Jahren ein großes Wachstum im Handel mit Asien gegeben, und man sieht jetzt, dass es für eine balancierte Kooperation auch sehr wichtig ist, sich auf die Stärken Europas zu beziehen. Dazu gehören unser Know-how in Wissenschaft und Technologie, unsere klaren, guten Investitionsbedingungen und auch unsere Erfahrungen, die wir gerne weitergeben, was zum Beispiel gerade die Berufsausbildung für Facharbeiter anbelangt. So glaube ich, dass wir nach diesem Gipfel eine gute Periode haben werden, um voranzukommen.

Ein Sorgenkind in unseren Beziehungen ist, dass wir hinsichtlich des Freihandelsabkommen mit MERCOSUR noch nicht so richtig weiterkommen. Wir verhandeln jetzt schon seit 13 Jahren und sind noch nicht zum Ende gekommen. Auf europäischer Seite wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir dabei vorankommen. Sowohl der Kommissionspräsident als auch der Ratspräsident haben das beim EU-Brasilien-Gipfel sehr deutlich gemacht, und ich habe dies gestern auch in meinem Gespräch mit der brasilianischen Präsidentin noch einmal unterstrichen.

Insgesamt war dies also eine wichtige Reise, natürlich auch für die Pflege vieler bilateraler Kontakte. Man muss nicht jedes einzelne Land selbst bereisen, sondern trifft die Verantwortlichen hier. Das ist ja auch immer ein Vorzug solcher Gipfeltreffen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie hatten uns gestern gesagt, dass heute, am zweiten Gipfeltag, auch die Eurokrise noch einmal eine Rolle spielen werde. Was haben Sie für einen Eindruck? Gibt es Erwartungen oder Interesse der lateinamerikanischen Staaten?

BK'in Merkel: Es gibt ein sehr großes Interesse daran, dass wir die Eurokrise überwinden. Viele Regierungschefs hier wissen, dass es um Haushaltsdefizite, aber auch um Fragen der Wettbewerbsfähigkeit geht. Sie sehen allerdings auch, dass wir sehr große Fortschritte gemacht haben, und sie wünschen sich, dass wir diese Schwierigkeiten jetzt noch weiter überwinden können; denn - das ist ja die Erfahrung seit dem Beginn der großen Finanzkrise 2008/2009 - unser aller Entwicklung hängt unglaublich voneinander ab. Das heißt, wenn die Europäer wieder zu Wachstum zurückfinden, wenn Amerika zu Wachstum zurückfindet, wenn sich China gut entwickelt, dann weiß Lateinamerika, dass das eben gut für Lateinamerika ist. Das gilt auch umgekehrt. Insofern gibt es ein großes Interesse.

Es gibt auch die Bereitschaft, zu sagen, dass man von lateinamerikanischer Seite der Überzeugung ist, dass wir eine gute, wichtige Wegstrecke zurückgelegt haben. Das Allerwichtigste für die Länder ist hier, dass sie den Eindruck haben, dass wir die Krise als Euroraum gemeinsam überwinden wollen und nicht sozusagen einzelne Länder hängen lassen. Dieses Signal ist angekommen, und das wird hier sehr positiv bewertet.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, gibt es nicht neue Verunsicherung hinsichtlich der Europäer, weil eine Diskussion über Großbritannien und deren künftige Mitgliedschaft in der EU losgetreten wurde?

BK'in Merkel: Es gibt immer wieder Fragen an Großbritannien. So, wie wir hier als Mitglieder der Europäischen Union vertreten sind, sagen wir ja ganz einhellig, dass wir uns ein Großbritannien in der EU wünschen. Ich finde, dass die Diskussion in den letzten Tagen auch sehr interessant verlaufen ist: Auf der einen Seite sagt man, dass David Cameron Punkte anspricht, die uns alle anbelangen, wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht, wenn es um Bürokratie geht, wenn es um die Frage geht, wer in Europa was machen muss. Das Zweite ist, dass natürlich alle fragen, ob man es auch schaffen wird, dass Großbritannien in der EU bleiben kann. Aber die Diskussion über den Euro ist noch manifester als die über Großbritannien.

Frage: Sie haben es bei der CELAC ja mit einer sehr heterogenen Gruppe zu tun, die nicht nur von liberalen Demokratien geprägt ist, sondern es sind auch Diktaturen dabei. Sie haben Raul Castro gesehen. Wie sind die Ihnen gegenüber aufgetreten? Wie waren diese Begegnungen?

BK'in Merkel: Aufmerksam diplomatisch sage ich jetzt einmal: Natürlich ist klar, dass hier nicht jeder Weg von uns unterstützt wird. Wir machen uns große Sorgen über bestimmte protektionistische Tendenzen in einigen Ländern. Ich werde heute auch noch einmal mit der argentinischen Präsidentin sprechen. Wir teilen natürlich auch bestimmte politische Vorstellungen nicht. Dennoch ist man hier auf einem Gipfeltreffen zusammen, und ich habe den Eindruck, dass diejenigen, die auf freien Handel und auch auf die Fortsetzung der Doha-Runde setzen, doch stark in der Überzahl sind. Wenn Sie sich das Abschlussdokument dieses Gipfels anschauen, dann sehen Sie, dass doch auch viele Positionen, die für uns wichtig sind, in diesem Abschlussdokument enthalten sind.

Ich will noch einen letzten Satz sagen: Wir haben ja in Hamburg die EU-Lateinamerika-Stiftung. Wir sind am Anfang sehr oft gefragt worden: Was wollt ihr denn mit der EU-Lateinamerika-Stiftung? Wir haben dann darauf hingewiesen, dass Hamburg als Hafen eine sehr wichtige Rolle in den Handelsbeziehungen spielt, und wir wollen, dass diese EU-Lateinamerika-Stiftung jetzt auch als internationale Organisation anerkannt wird. So hat Deutschland auch wirklich eine Größe auf seinem Gebiet, mit der wir wuchern können, was die Beziehungen zu Lateinamerika anbelangt. Wir werden weiter im Dialog bleiben. - Danke schön!

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 27. Januar 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/01/2013-01-27-merkel-chile.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2013