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PRESSEKONFERENZ/551: Regierungspressekonferenz vom 4. Februar 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 4. Februar 2013
Regierungspressekonferenz vom 4. Februar 2013

Themen: Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen in Deutschland, Treffen des Bundesfinanzministers mit dem Generalsekretär der italienischen Partito Democratico, Finanzhilfen für Zypern, Bewertungsreserven von Lebensversicherungen, Plagiatsverfahren gegen Bildungsministerin Schavan, Wettskandal im Fußball, Medienbericht über den Euro-Rettungsfonds ESM, NSU-Untersuchungsausschuss

Sprecher: StS Seibert, Angeli (BMFSFJ), Kotthaus (BMF), Schäfer (AA), Fels (BMBF), Spauschus (BMI)



Vorsitzender Freitag eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Angeli: Ich möchte noch einmal auf den gestrigen "Spiegel"-Artikel zur Familienpolitik eingehen und Ihnen dazu sagen: Es gibt weder einen Regierungsbericht noch einen Zwischenbericht zur Gesamtevaluation familienpolitischer Leistungen. Die Beiträge einiger Wissenschaftler als Regierungsmeinung oder Regierungsstudie zu bezeichnen, ist falsch und auch zutiefst unseriös. Richtig ist: Die Arbeiten an der Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen laufen, und die Ergebnisse werden immer dann veröffentlicht, wenn sie vorliegen.

Im Gegensatz zu der im "Spiegel" vorgenommenen Wertung ist die Bundesregierung der Auffassung: Familienpolitik muss immer alle Familien im Blick haben und nicht nur eine vermeintlich für den Staat besonders produktive Klientel. Wir wollen Familien ermöglichen, so zu leben, wie sie es wollen. Wir geben kein einseitiges Familienbild vor. Deswegen richten sich unsere Familienleistungen auch an unterschiedliche Gruppen und an unterschiedliche Bedürfnisse - von der Alleinerziehenden oder dem Alleinerziehenden bis hin zu Familien mit sieben oder mehr Kindern. Es ist völlig unpassend, diese Gruppen insgesamt über einen Kamm zu scheren. Die Familie, bei der beide spätestens ein Jahr nach der Geburt wieder Vollzeit arbeiten, ist nicht das einzige Familienmodell. Das trifft in etwa auf 11 Prozent der Familien in Deutschland zu. Knapp 90 Prozent der Familien sollen also nach der Denkart, die im "Spiegel" zitiert ist, weniger bekommen und für ihre Lebensentscheidung bestraft werden, weil sie nicht sofort ein "Return on Investment" bringen. Das ist ein zutiefst unmenschliches Denken. Deswegen richten wir die Familienpolitik an dem aus, was den Wünschen und Bedürfnissen der Familien in Deutschland entspricht, und nicht am volkswirtschaftlichen Nutzen.

Wir haben Teile der Gesamtevaluation familienpolitischer Leistungen bereits veröffentlicht, darunter eine Akzeptanzanalyse. Ein Ergebnis dieser Akzeptanzanalyse ist, dass 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung mindestens eine ehe- und familienbezogene Leistung nutzen. Mehr als 80 Prozent der Bezieher der wichtigsten Familienleistungen sagen: Sie ist besonders wichtig für meine Familie.

Familien wollen Leistungen, die sie passgenau in ihrer Lebensphase unterstützen. Dazu gehören Kindergeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss, Elterngeld und andere Leistungen. Wir wollen die Familien dabei unterstützen, dass sie so leben können, wie sie es wollen, und nicht nach einem von uns vorgeschriebenen Familienmodell.

Frage: Sie haben schon in der E-Mail vom Wochenende deutlich gemacht, dass das keine Regierungsmeinung und kein Zwischenbericht sei. Aber trotzdem: Das sind, wenn ich es richtig verstanden habe, Leute, die auch an diesem Bericht mitarbeiten. Von daher könnten Sie sich auch zu diesen Meinungen verhalten, was die Wirksamkeit von Kindergeld und des Ehegattensplittings angeht. Stehen diese Punkte bei der Überprüfung im Nachhinein überhaupt nicht zur Disposition, oder wollen Sie später auch darüber reden?

Angeli: Die Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen ist ein vierjähriges Forschungsprogramm, das 2009 als Auftrag aus dem Koalitionsvertrag gemeinsam vom Finanzministerium und vom Bundesfamilienministerium gestartet wurde. Im Herbst 2009 ging es los. 2013 wird es abgeschlossen sein. Es geht darum, das Zusammenwirken verschiedener familienbezogener Leistungen - darunter auch die von Ihnen angesprochenen Leistungen wie Kindergeld und Elterngeld - und verschiedener steuerlicher Maßnahmen zu überprüfen, bezogen auf die familienpolitischen Zielsetzungen, zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die wirtschaftliche Stabilität von Familien oder auch die frühe Förderung von Kindern.

Es geht also nicht darum, eine einzelne Leistung anzusehen und zu fragen "Wo können wir hier kürzen?", sondern es geht darum, zu sehen, wie wir mit den Maßnahmen, die es momentan gibt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder andere familienpolitische Ziele wirksam unterstützen können und wie diese Leistungen in Bezug auf dieses Ziel zusammenwirken. Daraus werden dann natürlich auch Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Das kann aber eben erst dann passieren, wenn die Gesamtevaluation abgeschlossen ist.

StS Seibert: Wenn ich auch etwas dazu sagen darf, Herr Garvert, weil Sie den Begriff der Wirksamkeit aufbringen, der auch in diesem "Spiegel"-Artikel zentral ist, und weil ich glaube, dass man über diese Wirksamkeit schon noch einmal grundsätzlich nachdenken muss: Wir müssen uns doch klarmachen, warum der Staat familienpolitische Leistungen gibt, nämlich doch wohl, weil wir alle zusammen ein Leitbild von einem Land haben, in dem Menschen mit Kindern möglichst gute Lebensbedingungen haben - das ist doch wohl das Entscheidende -, von einem Land, in dem die Entscheidung eines Paares, Eltern zu werden, gewürdigt und unterstützt wird. Wir geben diese Familienleistungen, damit Menschen ihre Vorstellungen vom Leben mit Kindern und vom Glück, mit Kindern zu leben, verwirklichen können, damit ihr Lebensstandard wenigstens dem Lebensstandard ähnelt, den Menschen ohne Kinder haben. Das ist das Ziel, und das ist die Wertvorstellung hinter der Familienpolitik. Es ist keine Familienpolitik mit Blick auf eine Geburtenstatistik. Es ist eine Familienpolitik mit Blick auf die Menschen mit Kindern. Daran muss sich doch auch die Wirksamkeit messen lassen.

Das heißt, die Frage, die wir uns immer wieder stellen müssen, ist: Wie kommen diese Maßnahmen bei den Menschen an? Helfen sie ihnen genau dort und genau in der Lebensphase, in der sie diese Hilfe brauchen? Das ist immer wieder neu zu beantworten, weil sich natürlich auch die Einstellung der Menschen zu der Art und Weise des Familienlebens, das sie führen wollen, ändert. Deswegen sind solche Gesamtbetrachtungen aller Leistungen sehr sinnvoll, und sie werden uns, im Zusammenhang betrachtet, auch Erkenntnisse bringen, die uns weiterbringen können. Ich finde nur, die Frage der Wirksamkeit muss berücksichtigen, was man eigentlich mit Familienpolitik beabsichtigt. Das habe ich noch einmal klar zu sagen versucht.

Zusatzfrage: Frau Angeli, gibt es denn für Frau Schröder bestimmte Tabus, an die sie gar nicht herangehen will? Sie macht sich zum Beispiel immer wieder für das Elterngeld stark. Ganz populär bei uns ist ja auch das Kindergeld. Sind das Punkte, an denen sie unbedingt festhalten möchte, oder stehen die bei der Diskussion über diese familienbezogenen Leistungen auch zur Disposition?

Angeli: Wir müssen uns doch eines klarmachen, wenn wir zum Beispiel über das Kindergeld reden, das Sie gerade herausgegriffen haben: Das Kindergeld ist kein Almosen des Staates an Familien, sondern das Kindergeld ist eine steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes. Das muss man sich wirklich klarmachen. Es geht hierbei nicht darum, zu sehen, was die Familie leisten und was wir der Familie geben, sondern es geht darum, Familien in bestimmten Lebenssituationen entsprechend ihrer Bedürfnisse zu unterstützen. Darauf sind die verschiedenen Leistungen ausgerichtet - zum Beispiel das Elterngeld, das einen Schonraum für die Familien schafft, um nach der Geburt für das Kind da zu sein, das Kindergeld, das das Existenzminimum sichert, der Unterhaltsvorschuss, der dann greift, wenn Unterhalt für das Kind nicht bezahlt wird, sowie auch verschiedene andere Maßnahmen.

Frage: Ich habe drei Frage, wenn Sie gestatten, Frau Angeli. Ich habe nicht ganz verstanden, wann diese Gesamtevaluation denn vorliegen wird. Wird das vor der Bundestagswahl sein, weit vor der Bundestagswahl oder erst danach?

Zweitens kann ich mir ganz schwer vorstellen, dass das Ministerium jetzt erst einmal abwartet, was ermittelt und analysiert wird, und sich nicht heute schon über Konsequenzen Gedanken macht. Ein paar Punkte wurden ja schon angesprochen.

Zur letzten Frage: Die Auswirkungen des Betreuungsgeldes sind davon offenbar noch nicht erfasst.

Angeli: Wie ich gerade schon gesagt habe, hat die Evaluation von Familienleistungen im Herbst 2009 begonnen, und die geht vier Jahre lang. Sie können sich ausrechnen, dass das dann noch in diesem Jahr veröffentlicht werden wird. Es gilt aber: Die Ergebnisse werden dann veröffentlicht, wenn sie vorliegen, also nicht zu einem bestimmten, von uns vorgegebenen Termin, sondern dann, wenn die Ergebnisse da sind. Dann können wir auch wirklich auf Basis eines wissenschaftlichen Datensatzes über Handlungsempfehlungen reden, die sich daraus ergeben. Das ist ein komplexes Programm, das vier Jahre in Anspruch nimmt, weil die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Familienleistungen analysiert wird. Hierbei gilt: Gründlichkeit vor Schnellschüssen. Deswegen wird das Programm auch so, wie es 2009 geplant war, innerhalb von vier Jahren durchgeführt, und zwar mit zwölf Modulen, die nach und nach im Laufe des Jahres fertiggestellt werden. Wenn sie fertig sind, werden die einzelnen Module auch von uns veröffentlicht werden. Bereits veröffentlicht sind zum Beispiel eine Akzeptanzanalyse und eine Schnittstellenanalyse. Die sind im Internet abrufbar. Genauso wird es mit den anderen Modulen ablaufen. Das Endergebnis kann dann vorliegen, wenn alle Module fertig sind und wenn die Querverbindungen zwischen den einzelnen Leistungen gezogen werden können, weil wir nur dann Aussagen darüber treffen können, wie die Leistungen - bezogen auf die familienpolitischen Ziele, die wir haben - zusammenwirken.

Das Betreuungsgeld ist tatsächlich nicht Teil dieser Evaluation, und zwar aus dem einfachen Grund, dass das Betreuungsgeld eine neue Maßnahme ist. Es geht um 13 zentrale familienbezogene Leistungen, die hier analysiert werden: Kindergeld und Kinderfreibetrag, Elterngeld, höheres Arbeitslosengeld für Arbeitslose mit Kindern, Sozialgeld für Kinder, Kinderzuschlag, Wohngeld für Haushalte mit Kindern, beitragsfreie Mitversicherung des Ehepartners in der gesetzlichen Krankenversicherung, relativ ermäßigter Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung für Eltern mit Kindern im Vergleich zu Kinderlosen, Ehegattensplitting, steuerlicher Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten, Kinderbetreuung, Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende. Das sind die 13 Maßnahmen. Die komplexen Wechselbeziehungen dieser Maßnahmen werden analysiert, und zwar dann, wenn sie vorliegen.

Frage: Herr Seibert, weil Sie jetzt gerade das Wesen der Familienpolitik beschrieben haben, frage ich nur noch einmal zum Verständnis nach. Sie sagten, es sei nicht Ziel, sozusagen die Geburtenzahlen zu erhöhen, sondern eben, Familien mit Kindern einen ähnlichen Lebensstandard wie Familien ohne Kinder zu ermöglichen. Heißt das jetzt, die Steigerung der Geburtenrate ist aus Ihrer Sicht überhaupt nicht Gegenstand der Familienpolitik und der familienpolitischen Leistungen?

Die zweite Frage geht an Sie, Frau Angeli. Sie sagten, es sei unseriös, jetzt schon etwas darüber zu sagen. Sie sagen ja jetzt schon eine ganze Menge, auch zu einzelnen Leistungen. Mich würde noch einmal das Verhältnis zwischen der politischen Position Ihres Hauses beziehungsweise Ihrer Ministerin zu diesen einzelnen Leistungen einerseits und dem Wesen und Wert dieser Studie andererseits interessieren. Sie können ja offensichtlich auch unabhängig von dem Endergebnis dieser Studie schon jetzt etwas zu wesentlichen Teilen der familienpolitischen Leistungen sagen. Was bedeutet diese Studie aus Ihrer Sicht also überhaupt? Auf welcher Basis urteilen Sie jetzt?

StS Seibert: Ich hatte mich auf dieses Thema der Wirksamkeit eingelassen, die nach der Überzeugung der Bundesregierung nicht an der Steigerung der Geburtenrate zu messen ist. Sie ist vielmehr an der Art und Weise zu messen, auf die Familien mit Kindern und Eltern mit Kindern in diesem Land ihre Lebensvorstellungen verwirklichen können, und daran, wie wir sie dabei unterstützen. Das halte ich für das Entscheidende. Es ist eine Politik für Menschen mit Kindern und nicht für die Veränderung einer Statistik. Dass sich ein Land mit der demografischen Entwicklung Deutschlands freuen müsste, wenn sich noch mehr Menschen für Kinder entschieden, das liegt auf der Hand, und das ist natürlich auch Absicht unsere Regierung sowie, glaube ich, aller in der Politik Tätigen. Aber das ist nicht das, woran wir die Wirksamkeit familienpolitischer Maßnahmen messen. Die messen wir daran, wie sie bei Menschen ankommen und wie sie das Leben von Menschen positiv verändern.

Zusatzfrage: Wenn ich da gleich kurz nachfragen darf: Wenn ich mich an die Einführung des Elterngeldes in der vergangenen Legislaturperiode erinnere, dann ging es ja schon dabei sehr gezielt darum, ein Instrument zu finden, das es den Menschen erleichtert oder sie dazu ermutigt, mehr Kinder als bisher zu bekommen.

StS Seibert: Es erleichtert es den Menschen, Kinder zu bekommen und sich die Entscheidung für ein Kind leichter zu machen. Das ist, glaube ich, auch beim Elterngeld unbestritten. Diejenigen, die es inklusive Vätermonaten in Anspruch genommen haben, betrachten es als eine Erleichterung ihres Lebens mit dem Kind. Ich glaube auch, dass eine gewisse gesellschaftliche Veränderung ganz besonders durch die Einführung der Vätermonate gefördert worden ist.

Es sind mit der Kanzlerschaft von Bundeskanzlerin Merkel große praktische Fortschritte für Eltern und Kinder verbunden. Ich denke an die Einführung des Elterngeldes mit den Vätermonaten. Ich denke an die Einführung des Rechtsanspruches auf die Betreuung der unter Dreijährigen, zu der es jetzt, im Sommer dieses Jahres, kommen wird. Ich denke an die letzten Jahre, in denen der Bund massiv die Einrichtung solcher Betreuungsplätze für unter Dreijährige gestützt und gefördert hat. Das alles ist eine praktische Politik für Eltern und Kinder, und das verstehen wir unter Familienpolitik.

Angeli: Ich würde das gerne auch noch einmal grundsätzlich ergänzen. Es gibt zwei Wege, Familienpolitik zu machen. Der erste Weg ist: Die Politik gibt ein Ziel vor, und nur die Familien, die sich dem unterwerfen, werden gefördert. Der zweite Weg ist, dass die Politik fragt, was die Wünsche und Bedürfnisse von Familien sind, und die Förderung dann an diesen Bedürfnissen von Familien ausrichtet. Es ist definitiv der zweite Weg, den wir wählen, nämlich zu schauen, was die unterschiedlichen Bedürfnisse von Familien sind. Es gibt sehr, sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse, und darauf ist die Familienpolitik ausgerichtet. Nur dann haben die Familien die Wahlfreiheit. Das hat nichts mit Ziellosigkeit zu tun, sondern sie haben dann die Wahlfreiheit, das von ihnen gewählte Familienmodell auch zu leben.

Zum zweiten Punkt, den Sie angesprochen haben, dem Elterngeld: Nein, das Elterngeld ist gerade nicht als eine Gebärprämie eingeführt worden, sondern das Elterngeld - das ist auch ganz genau in der Gesetzesbegründung nachzulesen - verfolgt drei Ziele. Das ist zum einen, einen Schonraum für Familien für die Zeit nach der Geburt des Kindes zu schaffen, um sich der Betreuung des Kindes zu widmen. Es soll zweitens die wirtschaftliche Stabilität der Familien in dieser Zeit sichern und drittens dafür sorgen, dass die Frauen wieder stärker erwerbsbeteiligt werden, also die Erwerbsbeteiligung der Frauen erhöhen. All diese Ziele - dazu gibt es eine Studie, und das war auch schon vermehrt in der Bundespressekonferenz ein Thema - sind mit dem Elterngeld voll erfüllt worden.

Zu der Frage der Unseriosität: Ich sage natürlich nicht, dass die Meinungsäußerung von Wissenschaftlern unseriös ist. Das ist auf keinen Fall das Ziel. Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen, und die muss es auch geben. Das Thema soll natürlich diskutiert werden. Unseriös ist es nur, das, was die Meinung von Wissenschaftlern ist, als Regierungsstudie zu verkaufen. Sie hatten auch von "Studie" gesprochen, davon, wie man mit dieser "Studie" umgeht. Es gibt keine Studie! Das noch einmal zu unterstreichen, ist ganz wichtig. Das ist ein Prozess von vier Jahren. Am Ende dieser vier Jahre wird ein Ergebnisbericht stehen. Es gibt Teilberichte, die regelmäßig veröffentlicht werden. Aber erst am Ende dieses Prozesses kann das Ergebnis veröffentlicht werden, und dann können wir daraus wissenschaftlich basierte Handlungsempfehlungen ableiten.

Frage: Frau Angeli, es wurden doch ganz bestimmt irgendwelche Lieferfristen mit den Auftragnehmern vereinbart. Haben Sie aufgrund dessen eine Vorstellung, ob dieser Bericht vor oder nach dem 22. September zur Verfügung stehen wird?

Angeli: Das habe ich gerade schon gesagt. Wir richten uns nicht nach Terminen, sondern die Studie wird dann veröffentlicht, wenn sie fertig ist. Die Module werden im Laufe des Jahres nach und nach fertig werden. Sie werden veröffentlicht werden, und dann wird es möglich sein, die Querverbindungen zwischen den einzelnen Modulen, den einzelnen Familienleistungen zu ziehen. Die Studie wird dann veröffentlicht werden, wenn sie fertig ist.

Zusatzfrage: Wann soll es fertig sein?

Angeli: In diesem Jahr.

Frage: Eine Frage zu diesem Thema an Herrn Seibert und Frau Angeli. Woran liegt es Ihrer Ansicht nach, dass Deutschland trotz dieses ganzen Maßnahmenbündels im internationalen Vergleich eine sehr niedrige Geburtenrate hat?

Angeli: Die Gründe für die Geburtenrate sind sehr vielfältige. Auf einige kann die Politik einwirken, auf andere nicht. Wenn man Elternbefragungen durchführt, sieht man, dass die Kinderwünsche stärker sind, dass aber, was die Gründe angeht, warum Kinderwünsche nicht verwirklicht werden, Gründe auftauchen, dass man zum Beispiel nicht den richtigen Partner gefunden hat oder andere Gründe, die die Politik nicht beeinflussen kann.

Was wir tun können, ist, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Kinderwünsche nicht am Geld scheitern. Das machen wir zum einen mit Leistungen wie die direkten Finanzleistungen, die dafür sorgen, dass Familien mit Kindern nicht schlechter gestellt werden - dazu gehört zum Beispiel auch der Kinderzuschlag -, und zum anderen mit Leistungen, die die Infrastruktur ausbauen. Sie wissen, dass der Bund die Kinderbetreuung mit 5,4 Milliarden Euro fördert. Die Länder werden in ihrer Kompetenz, die Kinderbetreuung auszubauen, vom Bund auf allen Ebenen unterstützt. Das sind Dinge, die der Staat tun kann. Aber den Eltern vorschreiben, Kinder zu bekommen, kann der Staat ganz sicher nicht. Dafür sind mehrere Faktoren ausschlaggebend, die nicht alle beeinflusst werden können.

Zusatz: Die gleiche Frage richtet sich an Herrn Seibert.

StS Seibert: Ich glaube, Frau Angeli hat wirklich eine sehr gute Antwort gegeben. Das ist etwas, das sich aus unglaublich vielen Faktoren zusammensetzt - gesellschaftlichen Einstellungen, individuellen Einstellungen -, die nicht alle von der Politik oder einer Bundesregierung zu beeinflussen sind. Ich glaube, das was sie genannt hat, sind die wesentlichen Gründe.

Es wird sehr viel zusammenkommen müssen, damit sich in diesem Land noch mehr Menschen für Kinder entscheiden. Die Wirtschaft wird sich verändern müssen. Es werden sich wahrscheinlich individuelle Lebensentwürfe verändern müssen, sodass nicht alles in die Zeit zwischen 30 und 40 Jahren gepackt ist. Das sind tatsächlich Dinge, die von der Bundesregierung nicht per Gesetz oder auch nicht per familienpolitischer Leistungen zu beeinflussen sind. Wir tun das, was wir können. Ich glaube, das ist eine Menge. Es lohnt sich, eine solche Gesamtbetrachtung aller familienpolitischen Leistungen in den Wechselwirkungen vorzunehmen. Daraus werden Erkenntnisse zu ziehen sein. Es ist sinnvoll, zu warten, bis wir das Gesamtbild vor uns haben.

Zusatzfrage: Die Gründe, die Sie genannt hatten - unter anderem schwierige Partnerwahl - sind, wenn ich das richtig sehe, nicht spezifisch für Deutschland. Woran liegt es denn, dass die Geburtenrate in Deutschland im Vergleich zu durchaus vergleichbaren Ländern so gering ist? Herrscht in Deutschland möglicherweise ein kinderfeindliches Klima? Oder würden Sie das bestreiten?

Angeli: Die gesellschaftlichen Einstellungen spielen ganz sicher eine wichtige Rolle. Gerade in diesem Bereich sind wir zum Beispiel mit einem Gesetz tätig, dass Kinderlärm keine Belästigung ist, sondern dass Kinderlärm dazu gehört. Das sind Bereiche, wo wir natürlich etwas tun können.

Ein wichtiger Bereich ist auch die Familienfreundlichkeit der Arbeitswelt. Wenn wir die Geburtenrate einmal ansehen, sieht man, dass die Geburtenrate seit einigen Jahren stabil ist. Was aber gravierend sinkt, ist die Anzahl der Frauen im gebärfähigen Alter und damit natürlich die absolute Zahl an Kindern. Die Frauen bekommen heute durchschnittlich gleich viele Kinder wie die Frauen in sehr geburtenstarken Jahrgängen. Allerdings verschiebt sich die Zeit, in der Frauen Kinder bekommen, auf die Jahre 30 und mehr. Wir müssen also an dem Punkt ansetzen, dass die Frauen zwischen 20 und 30 Jahren unterstützt werden. Wir müssen da ansetzen, dass die Arbeitswelt familienfreundlicher wird, dass es zum Beispiel nicht mehr unmöglich ist, ein Kind zu haben und gleichzeitig Vollzeit oder nahezu Vollzeit zu arbeiten. Das sind alles Punkte, die die Politik mit beeinflussen kann. Andere Punkte sind schwieriger zu beeinflussen.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert und Frau Angeli. Nach Ihren grundsätzlichen Ausführungen zur Familienpolitik die Frage: Sehen Sie überhaupt ein Problem darin, wenn in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr viel mehr Geld für familienpolitische Leistungen ausgegeben wird und dafür eine unterdurchschnittliche Geburtenrate zu verzeichnen ist?

Frau Angeli, ich würde gerne eine Frage von vorhin noch einmal wiederholen, die sich auf die 13 Leistungen bezieht, die Sie genannt haben, die jetzt diskutiert und evaluiert werden. Stehen für Frau Schröder alle zur Disposition? Oder gibt es welche, an denen sie absolut festhalten möchte?

Angeli: Die 13 Leistungen, die ich gerade vorgelesen habe, stehen nicht auf dem Tableau, um an der einen oder anderen Stelle zu kürzen. Wir greifen jetzt nicht eine Leistung heraus und fragen, wo wir kürzen können, sondern es geht darum: Wie werden die familienpolitischen Ziele sinnvoll durch die Leistungen, die es gibt, unterstützt? Wo wirken die Leistungen gut zusammen? Wo muss man eventuell nachjustieren? Es geht nicht um die Frage, wo wir kürzen können.

Ihre Frage impliziert: Die Geburtenrate wollen wir steigern, und deswegen muss da gekürzt werden, wo die Leute keine Kinder bekommen. - Das ist keine Politik, wie wir sie machen wollen.

Der Gedanke, dass der Staat Familienpolitik nicht mehr an den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen ausrichtet, sondern auf ein kaltes "Return on Investment" reduziert, ist nicht der Gedanke von Familienpolitik, den sich die Bundesregierung vorstellt, sondern eine Ausrichtung an dem, was Familien brauchen, um ihre eigenen Lebensvorstellungen zu verwirklichen. Deswegen werden wir jetzt nicht schauen, wo die Familie dem Staat Bares leistet und wo nicht und dann wird da gekürzt, sondern es geht darum, die Bedürfnisse von Familien in den Blick zu nehmen und daraufhin den Familien gezielt Leistungen zur Verfügung zu stellen.

Frage: Noch ein Versuch: Wenn man die Leistungen zusammenzählt, sind es etwa 201 Milliarden Euro, Frau Angeli. Ich hätte gerne gewusst, ob Ihre Ministerin das für ausreichend, für zu viel, für zu wenig hält. Will sie da möglicherweise draufsatteln? Sie muss doch bestimmte Vorstellungen haben, wenn so eine breite Analyse in Auftrag gegeben worden ist.

Angeli: Das hatte ich gerade gesagt. Es geht nicht darum, zu schauen, wie viel Geld wir ausgeben und was wir dafür bekommen - das ist nicht unsere Vorstellung von Familienpolitik -, sondern es geht darum, wie wir die Familien in Deutschland wirksam unterstützen können. Da ist jede einzelne Familie systemrelevant und nicht nur diejenigen, die bares Geld bringt.

Zu Ihrer Frage, wie viele Familienleistungen es gibt: Es gibt insgesamt 148 familienbezogene Leistungen und acht ehebezogene Maßnahmen mit einem finanziellen Gesamtvolumen von 203 Milliarden Euro. Die familienbezogenen Leistungen machen dabei 125,5 Milliarden Euro aus. Von denen sind 55,4 Milliarden Euro als Familienförderung im engeren Sinn zu verstehen und rund 52,9 Milliarden Euro als weitgehend verfassungsrechtlich gebotener Familienlastenausgleich.

Frage: Eine Frage an Herrn Kotthaus. Wir haben erfahren, dass Minister Schäuble morgen Luigi Bersani treffen wird. Können Sie das bestätigen? Wenn ja, können wir Näheres über dieses Treffen erfahren? Worum wird es gehen?

Kotthaus: Der Minister trifft regelmäßig zahlreiche Politiker aus dem In- und Ausland. Manchmal trifft er auch italienische Politiker.

Zusatzfrage: Können wir das politisch als eine Unterstützung der deutschen Regierung interpretieren, was die demokratischen Parteien in Italien angeht? Herr Bersani wird bei den nächsten Wahlen gegen Herrn Monti antreten.

Kotthaus: Nein, das können Sie überhaupt nicht in diese Richtung interpretieren. Deswegen habe ich es genauso formuliert, wie ich es formuliert habe. Der Minister trifft regelmäßig Politiker aus dem In- und Ausland und bespricht mit ihnen die verschiedensten Themen. Das hat mit irgendwelchen Unterstützungen und Ähnlichem mehr in den seltensten Fällen etwas zu tun, sondern es geht darum, immer im Gespräch zu bleiben. Mehr kann man dazu momentan nicht sagen.

Zusatzfrage: Können Sie etwas mehr über die Gesprächsthemen sagen?

Kotthaus: Nein.

Zusatzfrage: Herr Seibert, hat Luigi Bersani auch die Möglichkeit, die Bundeskanzlerin zu treffen?

StS Seibert: Es gibt kein solches Treffen mit der Bundeskanzlerin.

Zusatzfrage: Er hat nicht versucht, sie zu treffen?

StS Seibert: Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob es eine Anfrage gab. Er trifft den Bundesfinanzminister. Die Bundeskanzlerin trifft er nicht.

Frage: Herr Kotthaus, ich wollte Sie fragen, ob sich das Bundesfinanzministerium dem Vorschlag des SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück anschließt, der sich in Sachen Zypern auf die Finanztransaktionssteuer bezieht. Das sei eine Voraussetzung, um Hilfen aus dem Rettungsfonds zu bekommen.

Herr Seibert, eine Frage zum EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag. Ist man bereit, über das Wochenende in Brüssel zu bleiben, falls man sich Donnerstagabend oder Freitagmorgen nicht einigt?

Kotthaus: Frau Pop, Sie waren zu lange in Brüssel. Das ist ja fast die Fünf-Hemden-Frage.

Was Zypern betrifft, habe ich schon letzte Woche mehrfach gesagt, dass es auf die verschiedenen Berichte und Evaluierungen ankommt - angefangen bei der Frage über die Systemrelevanz Zyperns, endend bei der Frage, wie ein nachhaltiges Programm für Zypern aussehen könnte. Das wird sicherlich solche Aspekte beinhalten müssen, dass man ganz klar gegen Dinge wie Geldwäsche und Ähnliches entschieden vorgeht. Das wird Fragen beinhalten, dass der Bankensektor für die Zukunft sicherlich in der Größe schwer vorstellbar ist, aber auch eindeutig den Aspekt, dass bei den Steuern die Themen Transparenz und Kooperation ganz vorne stehen.

Sie wissen auch, dass Steuern immer nationale Fragen sind - gerade in Europa. Aber nichtsdestotrotz: Das, worauf wir alle abzielen, ist ein Paket, eine Lösung für Zypern, die hinterfragt werden muss, die nachhaltig sein muss und die darauf zielen muss, dass Zypern wieder vernünftig auf eigenen Beinen stehen kann.

StS Seibert: Zu Ihrer an mich gerichteten Frage: Die Bundeskanzlerin ist jederzeit zu jedem sinnvollen Einsatz für ein gutes europäisches Ergebnis bereit.

Frage: Eigentlich sind die von Herrn Steinbrück genannten Bedingungen für ein Programm - zum Beispiel, was die Finanztransaktionssteuer betrifft - ja realistisch. Sollte man solche Bedingungen für ein Programm nicht eigentlich stellen?

Kotthaus: Wir müssen jetzt tatsächlich erst einmal schauen, wie die konkreten Vorschläge aussehen. Ich glaube, es ist klar geworden, dass vor den Wahlen in Zypern die vertieften Diskussionen mit der jetzigen Regierung nur sehr bedingt Sinn haben. Sie kennen die verschiedenen Äußerungen, die da getätigt worden sind und die wir hier auch schon mehrfach erwähnt haben - zum Beispiel was das Thema Privatisierungen betrifft -, die die Sache schwierig machen.

Ich glaube, es ist allen klar: Wir müssen, wie gesagt, ein Paket haben, das die Fragen des Finanzsektors und ähnliches mehr auf wirklich deutlich stabilere Füße stellt. Dabei geht es eben auch um die Frage: Wie kann sich die Regierung Zyperns nachhaltig finanzieren? Sie kennen diese Diskussion; wir haben sie in ähnlicher Form schon bei anderen Staaten geführt. Auch die Diskussion über Steuern wurde bei anderen Staaten, die unter ein Programm geschlüpft sind, schon geführt. Im Endeffekt kommt es vor allen Dingen darauf an, dass wir - wie ich jetzt schon dreimal gesagt habe - ein nachhaltiges Paket haben, bei dem wir alle davon ausgehen, dass es die Probleme in Zypern wirklich angeht.

Was das Thema Steuern betrifft: Ja, ich glaube, die Themen, die ich gerade erwähnt habe - bessere, verbesserte Kooperation, verbesserte Transparenz -, sind da wichtig. Dass wir als Deutschland nachhaltig bei jeder Gelegenheit für das Thema Finanztransaktionssteuer werben - bei jeder Gelegenheit tun wir das -, ist Ihnen als britischem Journalisten mit am besten bekommt. Wir haben bis jetzt die Unterstützer, die Sie alle kennen. Es ist immer zu begrüßen, wenn das mehr sind. Aber noch einmal: Es hat keinen Sinn, hier jetzt schon einzelne Aspekte vorzudiskutieren. Ich glaube, wir müssen jetzt schauen, wann wir das wieder vernünftig mit der zypriotischen Seite diskutieren können. Das wird vermutlich erst nach den Wahlen in Zypern der Fall sein.

StS Seibert: Alles, was Herr Kotthaus dazu gesagt hat, ist natürlich richtig. Ich will nur kurz daran erinnern, dass die europäischen Partner mit Zypern vom Anfang der Gespräche an über ebendiese Themen - Bekämpfung von Geldwäsche, Informationsaustausch in Steuerfragen, Restrukturierung des Finanzsektors - gesprochen haben. Das alles sind ja die Themen, die von vornherein auf den Tisch gebracht worden sind, weil sie notwendig sind. Da sehe ich jetzt also nichts Neues in dem Vorstoß, von dem ich da gehört habe.

Zusatzfrage: Gehören die politischen Fragen von Zypern - also dass man eigentlich auch Fortschritte hinsichtlich der Wiedervereinigung der Insel erreichen will - auch dazu? Ist das auf dem Tisch?

StS Seibert: Ich halte das nicht für ein Thema, das zwischen der Troika, ihren Vertretern und den Zyprern geklärt werden kann. Es ist nach meinem Wissen jedenfalls keines der Themen, die da bisher im Vordergrund standen.

Kotthaus: Die Themen, die im Vordergrund standen, sind genau die, die Herr Seibert gerade erwähnt hat. Dass es der zypriotischen Wirtschaft vermutlich insgesamt gut tun würde, wenn sich da Verbesserungen ergäben, ist keine Frage. Wir konzentrieren uns zurzeit aber auf die Frage "Wie ist die Wirtschaft des Euro-Mitgliedstaates Zypern aufgestellt?" und müssen da jetzt die Lösungen finden. Dass andere Sachen wünschenswert wären, ist eine andere Frage.

StS Seibert: Die Bundesregierung - ich habe das neulich schon gesagt - nähert sich dem Thema Zypern mit genau den gleichen Fragen wie jedem anderen Land, und es werden genau die gleichen Bedingungen zu erfüllen sein wie bei jedem anderen Land, das Hilfe bekommen hat. Das heißt nicht, dass es nicht immer sehr individuelle Umstände gibt; aber die Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor aus einem europäischen Rettungsfonds ein Hilfsantrag gewährt werden kann, sind die gleichen, da ist Zypern keine Ausnahme.

Kotthaus: Noch eine Ergänzung - ich glaube, Herr Peel, wir haben das hier in den letzten Wochen regelmäßig, jeden dritten Tag, neu diskutiert -: Es sind die gleichen Forderungen, die seit geraumer Zeit im Raum stehen und die wir hier auch formuliert haben. Daran arbeiten wir zurzeit in Brüssel. Ich glaube, da gibt es auch einen ganz großen Konsens in Deutschland, wie das ausgestaltet sein muss.

Zusatzfrage: Hat man daran gedacht, dass wegen der sehr engen Beziehungen zwischen Großbritannien und Zypern vielleicht auch Großbritannien ein bisschen hilfreich bei diesem Programm sein sollte?

Kotthaus: Ich habe zur Frage von Drittstaaten mehrfach abstrakt formuliert: Man muss schauen, welche Drittstaaten welche Interessen auf Zypern haben und inwieweit diese Staaten dann auch in ihrem eigenen Interesse daran interessiert sind, bei der Frage, wie man die zypriotische Wirtschaft und gerade auch die zypriotischen Finanzen wieder stabilisieren kann, mitzumachen. Insofern ist die Frage, was mit Drittstaaten ist, die vielleicht auch Interessen haben, aber nicht Mitglieder des Euroraums sind, eine der Fragen, die im Raum stehen. Aber wie gesagt, das ist nur einer von vielen Aspekten.

Frage: Herr Seibert, ist das Thema der Wiedervereinigung Zyperns vom Tisch, wird über dieses Thema nicht mehr diskutiert?

StS Seibert: Ich glaube nicht, dass ich das in meinem vorigen Statement gesagt habe. Das Auswärtige Amt könnte dazu vielleicht gut Stellung nehmen.

Schäfer: Ich glaube, es ist wichtig, dass die Themen getrennt voneinander behandelt werden. Die Frage nach der Wiedervereinigung hat Herr Peel gerade ja auch schon gestellt. Es ist natürlich so, dass aus Sicht der Bundesregierung die Situation des geteilten Zypern keine ist, die wir uns auf Dauer wünschen. Es wäre schön, wenn es irgendwann in absehbarer Zeit zu einer Lösung in dieser Frage kommt. Wir sind sehr daran interessiert - und werden uns in der bisher geschehenen Weise auch daran beteiligen, alle Versuche zu unterstützen -, dass es da eine Lösung gibt. Das ist aber natürlich in erster Linie eine Frage der Kontakte, des Dialogs und der Verhandlungen zwischen den beiden Seiten auf Zypern. Da gibt es ja bereits zahlreiche unterschiedliche Kanäle, auf denen gesprochen wird und auf denen auch international geholfen wird. Ich glaube aber, es ist ganz wichtig, das eine vom anderen zu trennen: Es geht auf der einen Seite um ein Hilfsprogramm für Zypern und auf der anderen Seite um die schon lange auf dem Tisch liegende Frage einer möglichen Lösung der großen Zypernfrage, nämlich des griechischen und des türkischen Teils Zyperns.

Frage: Herr Kotthaus, eine Frage zu dem sperrigen Thema Bewertungsreserven von Lebensversicherungen: Was beabsichtigt die Bundesregierung, das Bundesfinanzministerium denn jetzt? Oder bleibt es dabei, dass überhaupt nichts getan wird? Wenn ich Herrn Meister in dem Interview richtig verstanden habe, soll bis zur Bundestagswahl erst einmal nicht geändert werden. Ich hätte darüber gerne Aufklärung.

Kotthaus: Im Vermittlungsausschuss ist das ja in eine AG überwiesen worden, in der das Finanzministerium und die Länder beteiligt sind. Man darf, glaube ich, bei diesem Thema eine Sache nicht gänzlich aus dem Auge lassen: Das ist immerhin ein Teil des SEPA-Gesetzes. Wenn man einmal schaut, wo die höchste Eile besteht, dann sieht man, dass wir auf jeden Fall die Themen SEPA und Unisex-Tarife, die sich uns ja aufgrund von europäischen und auch gerichtlichen Vorgaben stellen, jetzt möglichst schnell umsetzen müssen. Ich glaube, das ist die erste Sache - das muss jetzt ohne Verzögerung schnell kommen.

Hinsichtlich der Bewertungsreserven sind wir weiterhin der Auffassung, dass das ein wichtiges Thema ist. Wir haben da präventiv handeln wollen, weil wir in der Niedrigzinsphase Probleme auf die Versicherungen zukommen sehen, vor allem Dingen, was die Frage der Gerechtigkeit zwischen denjenigen der Versicherungsteilnehmer, die jetzt Ausschüttungen haben, und denjenigen, die in Zukunft Ausschüttungen haben werden, betrifft. Sie kennen das Thema: Bewertungsreserven unterliegen einer sehr starken Volatilität, gehen rauf und runter. Wenn Sie zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bewertungsreserven sehr hoch sind, eine Ausschüttung haben, dann geht das eindeutig zulasten derjenigen, die später eine Ausschüttung haben. Da ist es eben eine Frage der Gerechtigkeit, wie man einen fairen Ausgleich findet.

Die Diskussion läuft in dieser Arbeitsgruppe weiter. Wir müssen jetzt sehen, was da geschehen kann. Wir müssen es aus den bekannten Gründen auf jeden Fall schnell machen. Wir müssen aus den bekannten Gründen dieses SEPA-Gesetz als ein eigenes umsetzen und auch die Frage der Unisex-Tarife möglichst schnell erledigen, weil wir ansonsten ein richtiges Verzugsproblem bekommen.

Zusatzfrage: Heißt das, man nimmt die Bewertungsreserven heraus aus dem SEPA-Gesetz?

Kotthaus: Wir haben jetzt die AG. Das jeweils vorläufige Ergebnis des Vermittlungsausschusses ist ja: Wir gründen eine AG, das BMF und die Länder gemeinsam, um eine Lösung zu finden. Ich will gar nichts vorwegnehmen. Ich sage nur: Wir haben einen verschiedenen Zeitdruck. - Wenn die Lösung als Ganzes erfolgreich ist, dann ist das sehr positiv.

Aber wir dürfen nicht vergessen: Wir haben zum Teil einen sehr hohen Zeitdruck. Wir müssen sehen. Ich möchte den Ergebnissen der AG nichts vorwegnehmen. Wir werden uns darin sicherlich so stark wie irgend möglich engagieren.

Frage: Es handelt sich um eine Frage an das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Es geht um die jüngsten Veröffentlichungen im Fall des Plagiatsverfahrens gegen Ministerin Schavan. Ich würde gern wissen, ob sich aus Sicht Ihrer Ministerin durch die Veröffentlichung des Bekanntwerdens dieses Leitfadens, also dieses Hefts, über das am Wochenende berichtet worden ist, die Situation in irgendeiner Weise geändert hat? Teilt sie die verschiedentlich geäußerte Verwunderung darüber, dass dieses Heft jetzt kurz vor der nächsten Sitzung des Fakultätsrates bekannt geworden ist, und mit welchen Erwartungen blickt sie auf die morgige Sitzung?

Fels: Ich fange einmal hinten an: Wir wissen nicht, was morgen passiert. Insofern kann ich die Frage nicht beantworten. Da müssen wir uns einfach überraschen lassen.

Grundsätzlich gilt aber weiterhin, dass die Ministerin sich zu dem Verfahren öffentlich nicht äußern möchte, weil sie, wie sie es schon häufig kundgetan hat, nicht den Eindruck erwecken möchte, Einfluss auf dieses Verfahren auszuüben.

Zusatzfrage: Ich möchte die gleiche Frage noch einmal anschließen: Sie äußert sich nicht zum Verfahren. Sie äußert sich aber zur Entstehungsgeschichte ihrer eigenen Arbeit. Für das Entstehen ihrer eigenen Arbeit ist ja möglicherweise die Existenz oder die Kenntnis dieses Leitfadens von einer gewissen Bedeutung, auch hinsichtlich der Einschätzung, ob es sich jetzt tatsächlich, wie Ihre Ministerin es selber gesagt hat, um Flüchtigkeitsfehler handelt oder aber um einen erkennbaren Verstoß gegen die schriftlich dargelegte Promotionsordnung oder einen Leitfaden zur Verfassung dieser Arbeit. Ich wünsche mir keine Erklärung zum Verfahren, aber eine Einordnung oder eine Ergänzung dessen, was Ihre Ministerin zum Entstehen ihrer eigenen Arbeit bereits gesagt hat.

Fels: Sie haben ja in der Tat das Stichwort Flüchtigkeitsfehler angesprochen. Vielleicht zur Einordnung: Es ist im Zusammenhang mit dem Porträt im "Zeit"-Magazin aufgekommen. Da hat sie am Beispiel einer Textstelle von Flüchtigkeitsfehlern gesprochen. Auf diese Textstelle muss man diesen Terminus Flüchtigkeitsfehler beziehen, also auf den Kontext, wie das in dem Text dargestellt worden ist.

Mir ist nicht bekannt, ob ihr dieser Leitfaden, von dem jetzt in der Presse die Rede ist, bekannt ist. Dazu kann ich nichts sagen.

Zusatzfrage: Äußert sie sich auch nicht dazu? Wäre das noch zu klären?

Fels: Wir warten jetzt ab, wie das Verfahren weiter läuft. Sie hat sich ja gegenüber der Uni Düsseldorf geäußert und eine Stellungnahme abgegeben. Das ist im Grunde genommen der Weg, auf dem sie sich zu diesem Thema äußert.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innen- und Sportministerium: Europol hat soeben bekanntgegeben, dass es den größten Wettskandal in der Fußballgeschichte mit 380 manipulierten Spielen gegeben hat. Inwiefern war denn die Polizei in Deutschland an den Ermittlungen beteiligt? Haben Sie schon eine erste Bewertung?

Spauschus: Nein, das tut mir leid. Die Meldung kenne ich nicht. Wenn es dazu eine Bewertung gibt, dann würde ich sie nachreichen.

Zusatzfrage: Oder auch Informationen, inwiefern deutsche Behörden daran beteiligt waren.

Spauschus: Genau. Das würde ich dann nachliefern.

Vorsitzender Freitag: Wahrscheinlich werden viele Kollegen, da die Meldung jetzt neu ist, Sie auch noch mit Fragen überschwemmen. Deswegen würden wir uns sehr freuen, wenn uns das schriftlich auf dem üblichen Weg bekannt gegeben würde.

Frage WACKET: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium: Es gibt da einen Bericht zum ESM, dass dieser für eine Finanzierung der Altfälle der Banken nicht groß genug ausgelegt sei. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung?

Kotthaus: Das ist ja ein bisschen visionär, was darin steht.

Wir reden zurzeit in Europa darüber, wie wir die europäische Bankenaufsicht ausgestalten können. Dahinter gekoppelt gibt es auch Diskussionen zu dem Thema, wie ein weiteres Instrument für den ESM, die direkte Bankenrekapitalisierung, technisch ausgestaltet sein könnte.

Sie kennen da die Haltung der Bundesregierung, die ganz klar und ganz einfach ist: Erstens brauchen wir eine vernünftige, funktionierende, existente und effiziente europäische Bankenaufsicht, bevor dieses Instrument überhaupt in Frage kommt. - Den Zeitplan dazu kennen Sie. Der EZB-Chef hat, glaube ich, zu einer Gelegenheit gesagt, dass eine europäische Bankenaufsicht erst ungefähr ein Jahr, nachdem die dementsprechenden Gesetzesregelungen verabschiedet worden sind, vernünftig funktionieren kann.

Wenn das so ist, dann soll es auch die Möglichkeit des neuen Instrumentes der direkten Bankenrekapitalisierung geben. Das ist richtig. Wie sie konkret ausgestaltet wird, ist offen. Nach der deutschen Auffassung kann das - wie immer bei den Instrumenten des europäischen Bankenrettungsschirms - nur der letztmögliche Schritt sein.

Es gibt also wie immer prioritär die Frage: Können die Eigentümer die Bank stabilisieren? Kann es andere Möglichkeiten geben? Was macht der Mitgliedstaat? Hat der Mitgliedstaat Möglichkeiten? - Wenn all diese Sachen ausscheiden und diese Hilfe erforderlich ist, dann wird es auch die Möglichkeit der direkten Bankenrekapitalisierung geben.

Die Konditionen, wie das aussieht, also welches Geld das für den ESM bedeutet und wie stark der ESM dadurch belastet ist, kann ich Ihnen momentan noch nicht seriös sagen. Das ist sicherlich eine der Fragen. Neue Aufgaben können neue Ausgaben implizieren. Da muss man genau sehen, wie das in Relation zu setzen ist. Der ESM ist vorrangig dafür gedacht, Staaten zu stabilisieren. Da muss man sehen, wie dieses neue Instrument da hinein passt.

Über die technischen Details diskutieren wir. Ich kann Ihnen schlicht und ergreifend heute keine Aussage dazu machen, wie die Auswirkungen auf den ESM sein werden. Aber dass wir bei der Diskussion genau auf diese Fragen schauen werden, das ist unstreitig.

Nur, wie gesagt: Es ist ein Prozess, der noch ein bisschen in die Zukunft gerichtet ist. Wir sind gerade dabei, die Fragen rund um das Thema europäische Bankenaufsicht zu finalisieren. Dann fangen wir mit den technischen Fragen zu dem Thema "direkte Bankenrekapitalisierung" an.

Frage(zum NSU-Untersuchungsausschuss): Ich würde gern eine Frage an das Bundesinnenministerium zum Stichwort V-Mann stellen: Herr Edathy hat angekündigt, die Informationen über den V-Mann 'Corelli' notfalls per Gericht einzufordern. Wird das Ministerium die Informationen erst nach einem Gerichtsurteil an den Ausschuss weitergeben?

Und zweitens eine Terminfrage: Ich glaube, da soll es ein Treffen des NSU-Untersuchungsausschusses mit dem Minister geben. Wann ist denn das genau?

Spauschus: Vielleicht erst einmal zum ersten Punkt: Es schwingt ja etwas der Vorwurf mit, das BMI würde die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses behindern. Diesen Vorwurf kann ich nur zurückweisen. Es ist so, dass das BMI die Arbeit des Untersuchungsausschusses im Rahmen des rechtlich Möglichen unterstützt und das auch in der Vergangenheit entsprechend getan hat.

Dem Untersuchungsausschuss liegen relevante Informationen für seine Arbeit vor. Die jetzt noch offenen Fragen sollen im Dialog mit den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses geklärt werden. Dafür ist ein Termin am 20. Februar vereinbart. Bei diesem Termin wird sich für das Bundesinnenministerium Herr Staatssekretär Fritsche mit den Obleuten des Untersuchungsausschusses treffen.

Zusatzfrage: Das heißt, es wird von Ihrer Seite aus vor dem 20. Februar keine Dossiers oder irgendwelche anderen Papiere an den Ausschuss geben?

Spauschus: Nein, das soll dann im Dialog in den relevanten Gremien besprochen werden.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 4. Februar 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/02/2013-02-04-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2013