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PRESSEKONFERENZ/564: Regierungspressekonferenz vom 27. Februar 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 27. Februar 2013
Regierungspressekonferenz vom 27. Februar 2013

Themen: Kabinettssitzung (Verordnung zur Änderung des Ausländerbeschäftigungsrechts, Jahresabrüstungsbericht 2012), Pferdefleisch-Skandal, Patt-Situation nach den Wahlen in Italien, Übergriff auf einem Boot der Deutschen Marine, Gutachten der Expertenkommission "Forschung und Innovation", Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften, NPD-Verbotsverfahren, Interviewäußerungen des Bundesverteidigungsministers, verminderte Mehrwertsteuersätze, automatische Etatkürzungen in den USA, Ausgaben des Bundes für V-Leute des Verfassungsschutzes

Sprecher: StS Seibert, Eichele (BMELV), Dienst (BMVg), Fels (BMVBS), Kothé (BMF), Teschke (BMI)



Vorsitzender Freitag eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren. Zwei Themen wurden heute vor allem im Bundeskabinett behandelt. Das eine ist die Verordnung zur Änderung des Ausländerbeschäftigungsrechts. Dahinter verbirgt sich ein weiterer Fortschritt bei der Bemühung der Bundesregierung, der deutschen Wirtschaft zu dem Fachkräftenachwuchs zu verhelfen, den sie braucht und der auch in Zukunft unser aller Wohlstand erarbeiten kann. Die Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland ist - das haben wir von dieser Stelle hier schon oft gesagt - eine ganz wichtige wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Aufgabe, der sich die Bundesregierung mit einer Vielzahl von Maßnahmen stellt. Dabei hat natürlich immer Priorität, die inländischen Potenziale zu fördern, das heißt die Menschen, die in Deutschland leben, möglichst zu befähigen, diese Fachpositionen einzunehmen. Aber es wird nicht ohne gezielte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte möglich sein, diese Fachkräftelücke, die sich in einigen Branchen und in einigen Regionen schon zeigt, zu schließen.

Es ist ja bisher so, dass Bürgerinnen und Bürger aus EU-Staaten völlig uneingeschränkt in Deutschland arbeiten können. Im Sommer letzten Jahres hat die Bundesregierung beschlossen, die "Blue Card EU" einzuführen. Das ist die Einwanderungsmöglichkeit für Akademiker aus Nicht-EU-Staaten. Bisher war aber der deutsche Arbeitsmarkt für Facharbeiter aus Drittstaaten weitgehend verschlossen. Das soll sich nun ändern. Künftig können also mit dem, was das Kabinett heute beschlossen hat, Facharbeiter, die aus Staaten von außerhalb der Europäischen Union kommen, in Deutschland eine Arbeit aufnehmen. Die Bedingung ist: Ihr Berufsabschluss muss gleichwertig zu einem inländischen Berufsabschluss sein, und es muss natürlich außerdem einen entsprechenden Bedarf am Arbeitsmarkt in Deutschland geben. Damit das möglich ist, hat das Bundeskabinett heute die neu gefasste Beschäftigungsverordnung zur Kenntnis genommen. Das Ausländerbeschäftigungsrecht wird also entsprechend geändert.

Der Kollege vom BMAS ist sicherlich bereit, Detailnachfragen zu beantworten.

Der zweite Punkt im Kabinett war der Jahresabrüstungsbericht 2012. Der Jahresabrüstungsbericht wird nun schon zum 30. Mal vorgelegt und enthält eine sehr umfassende Darstellung der Entwicklungen der Politik der Bundesregierung in den Bereichen Abrüstung, Rüstungskontrolle und Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Trägermitteln im Berichtszeitraum 2012. - Das war ein schwieriges internationales Umfeld. - Wesentliche Themen dieses Berichts sind die Überprüfung des Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs der Nato, natürlich das iranische Nuklearprogramm, die Entwicklung in Nordkorea, konventionelle Rüstungskontrolle in Europa und nukleare Abrüstung sowie eine Vielzahl weiterer Themen. Der Bericht selbst ist eingestellt auf www.diplo.de, also der Internetseite des Auswärtigen Amtes, und er ist auch als Broschüre veröffentlicht, die Sie über das BPA beziehen können.

Eichele: Ich habe eine aktuelle Zwischenbilanz für Sie, was die Ermittlungen im Skandal um Pferdefleisch und die Analysen der zuständigen Länderbehörden betrifft.

Zwei Wochen, nachdem ausländische Behörden erstmals eine Lieferung falsch deklarierter Lebensmittel nach Deutschland gemeldet hatten, haben die Lebensmittelkontrollbehörden bundesweit bereits insgesamt 1.323 Proben analysiert und ausgewertet. In bisher 79 Fällen wurde in den Proben Pferde-DNA nachgewiesen. Die Verteilung auf die Bundesländer stellt sich derzeit wie folgt dar: In Brandenburg gibt es vier Nachweise, acht in Baden-Württemberg, acht in Bayern, 13 in Hessen, zwei in Hamburg, 30 in Nordrhein-Westfalen, zehn in Mecklenburg-Vorpommern, zwei in Niedersachsen und zwei in Sachsen-Anhalt.

Man muss betonen, dass es sich bei den neuerlichen positiven Testergebnissen überwiegend um die Bestätigung bereits bekannter Fälle handelt, also um Produkte, die bereits aus dem Handel genommen sind und die auch bereits genannt sind - auch auf den einschlägigen Internetseiten, auch bei uns.

Bei den sehr aufwendigen Analysen auf Rückstände des Tierarzneimittels Phenylbutazon liegen bisher 33 Ergebnisse vor. Bislang wurden in keinem dieser Tests Rückstände des Arzneimittels festgestellt. Aber auch hier bleiben die Überwachungsbehörden der Länder weiter wachsam, und die Analysen dauern an.

Mit diesem breit angelegten Kontrollprogramm setzt Deutschland einen wichtigen Punkt des Aktionsplans um, auf den sich die Verbraucherminister der Länder und des Bundes am 18. Februar in Berlin verständigt hatten. Demnach soll der EU-weite Aktionsplan in Deutschland rasch umgesetzt werden, und Fleischprodukte sollen gezielt auf die Beimischung von Pferdefleisch untersucht werden. Gleichzeitig sieht das deutschlandweite Kontrollprogramm vor, Pferdefleisch gezielt auf Tierarzneimittel zu untersuchen, die nicht für die Lebensmittelproduktion zugelassen sind.

Mit der Anzahl und mit dieser Tiefe der Tests - die EU-Kommission hatte für Deutschland 150 Analysen angesetzt - gehen wir weit über die Vorgaben für das europaweite Screening hinaus. - Soweit der Zwischenstand.

Frage: Herr Seibert nachdem die Märkte Italien für die Pattsituation nach der Wahl abgestraft haben, hätte ich gern gewusst, ob die Bundesregierung optimistisch ist, dass die italienischen Parteien jetzt einen regierungsfähigen Zustand des Landes erreichen können. Oder würde die Bundesregierung dafür plädieren, lieber den Weg von Neuwahlen zu gehen?

StS Seibert: Die Bundesregierung verfolgt natürlich die Wahlergebnisse in Italien und auch den Regierungsbildungsprozess mit großer Aufmerksamkeit und mit großem Interesse. Wir haben allerdings den Wahlkampf nicht kommentiert; deswegen werde ich für die Bundesregierung jetzt auch keine Bewertung des Wahlergebnisses vornehmen.

Die Italiener haben ihre Stimme demokratisch abgegeben. Sie haben gemäß dem durchaus komplizierten italienischen Wahlrecht eine Konstellation geschaffen, mit der offenkundig nicht leicht umzugehen ist. Jetzt ist Verantwortungsbewusstsein gefragt, um Italien in dieser durchaus schwierigen Situation - damit meine ich die ganze europäische Situation -, in dieser schwierigen Zeit eine handlungsfähige Regierung zu geben.

Deutschland und Italien sind einander in engster Freundschaft verbunden. Die Bundesregierung wird auch mit der künftigen italienischen Regierung, welche es denn immer sein wird, eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Das ist unser Angebot. Es bestehen europäische Herausforderungen, die wir ohnehin nur gemeinsam wirklich erfolgreich angehen können.

Die Bundeskanzlerin empfängt, wie Sie sicherlich wissen, morgen den italienischen Staatspräsidenten Napolitano, dem ja in diesem Regierungsbildungsprozess eine zentrale Rolle zukommt. Das wird ihr die Gelegenheit geben, aus seinem Munde seine Einschätzung der italienischen Situation nach den Wahlen zu hören.

Zusatzfrage: Die französische Regierung hat die Wahl so interpretiert, dass das eine Absage an die Sparpolitik ist und dass man künftig in Europa stärker auf Wachstum setzen müsse. Interpretiert die Bundesregierung das Wahlergebnis genauso?

StS Seibert: Die Bundesregierung hält nichts von solchen monokausalen Erklärungen. Im Übrigen ist schon die Behauptung nicht richtig, Deutschland habe je in Europa einem reinen Sparkurs das Wort geredet. Europa hat sich darangemacht, die nötigen Lehren aus der Krise zu ziehen. Daraus sind Beschlüsse geworden, mit denen wir vermeiden wollen, dass wir alte Fehler noch einmal machen, sowohl Beschlüsse, die uns alle miteinander auf den Weg zu einer solideren, nachhaltigeren Haushaltsführung bringen sollen, als auch Beschlüsse für Wachstumsimpulse, für Strukturreformen, für Arbeitsplätze, für die Förderung wirtschaftlicher Dynamik und Beschlüsse gegen Jugendarbeitslosigkeit. Das sind alles Beschlüsse, bei denen die italienischen Regierungen mit diskutiert haben und die sie mit getragen haben.

Frage: Herr Seibert, Herr Brüderle hat heute Morgen den Blick noch einmal intensiver von Italien auf Frankreich gelenkt und gesagt, Frankreich sei gerade im Begriff, grandios abzustürzen. Ist vielleicht Frankreich im Vergleich zu Italien das noch viel größere Problem, was den Euro und die Stabilität, auch die Stabilität der Märkte, angeht?

StS Seibert: Ich sehe keinen Grund, aus Anlass der italienischen Wahlen über Frankreich zu reden. Ich sprach von europäischen Herausforderungen, vor denen wir alle gemeinsam stehen und die wir alle gemeinsam angehen müssen.

Zusatzfrage: Wie beurteilen Sie dann die Lage der französischen Konjunktur? Ist das nicht ein großes Problem - allgemein, ohne auf Rom zu schauen?

StS Seibert: Es ist nach meiner festen Überzeugung nicht die Aufgabe des Regierungssprechers, die französische Konjunktur zu beurteilen. Ich glaube, die französische Regierung ist sich ihrer nationalen Herausforderung durchaus bewusst. Die Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident sind ja nun wirklich in engstem Kontakt, um miteinander über das zu sprechen, was in Europa geschehen muss, damit wir die richtigen Lehren aus der Krise ziehen und damit wir die richtige Mischung von Maßnahmen - Haushaltskonsolidierung, Wachstumsimpulse setzen - finden.

Zusatzfrage: Daran, dass es morgen kein Statement Merkel - Napolitano geben wird, hat sich nichts geändert?

StS Seibert: Nein, dazu gibt es keinen neuen Stand.

Frage: Herr Seibert, Peer Steinbrück hat gestern gesagt, dass er entsetzt darüber ist, dass zwei Clowns gewonnen haben. Das hatte eine schwerwiegende Konsequenz. Steinbrück hätte heute Abend im Hotel Adlon Staatspräsident Napolitano treffen sollen. Dieses Treffen wird nun nicht stattfinden, wie wir jetzt vom Quirinale erfahren haben. Hat die Bundesregierung einen Kommentar zu diesem starken Kommentar von Steinbrück und zur starken Reaktion von Napolitano?

StS Seibert: Ich finde das, was Sie mir erzählen interessant, aber ich habe keinen Kommentar dazu.

Frage: Ich möchte doch noch einmal an die Frage anknüpfen, die sowohl Frankreich als auch Italien betraf. Nach dem Wahlsieg der Mitte-Links-Regierung in Italien haben einige die Vermutung, dass sich angesichts der ähnlich denkenden französischen Regierung das Koordinatensystem in Europa etwas verschieben und es ein größeres Verständnis für Defizitsünder geben wird. Darauf deutet auch hin, dass die französische Regierung jetzt höchstwahrscheinlich ein Jahr mehr Zeit fordert, um ihr Defizitziel zu erreichen. Ist die Bundesregierung besorgt, dass sich die Großwetterlage in Europa zugunsten eines größeren Verständnisses für Defizitsünder ändern könnte?

StS Seibert: Die europäische Großwetterlage - oder sagen wir einmal: die europäische Problemlage, wenn wir auf unsere Wirtschaften, auf unsere Haushalte, auf die Herausforderungen blicken, die wir zu bewältigen haben, um wieder wettbewerbsfähiger zu werden, entzieht sich der Einteilung in "rechts" und "links" und "sozialistisch" und "konservativ". Es sind europäische Probleme, die diskutiert werden müssen, unabhängig davon, welcher Parteienkonstellation eine Regierung in einem Land angehört. Ich glaube, dass Europa ganz gut damit gefahren ist, nicht Parteipolitisches in den Vordergrund zu rücken, wenn es um die Lösung unserer europäischen Probleme geht, sondern die Sachfragen. Das ist die Haltung, mit der die Bundesregierung immer wieder in die Gespräche mit ihren Partnern und in die Gespräche in Brüssel geht.

Frage: Zu Italien, ohne das monokausal zu sehen: Würden Sie trotzdem ein Signal sehen, dass man in der Eurokrise weniger auf Sparpolitik und mehr auf Wachstum setzen sollte?

Würden Sie außerdem Herrn Brüderle raten, etwas leiser zu werden, was Frankreich angeht?

StS Seibert: Dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion habe ich als Regierungssprecher überhaupt nichts zu raten.

Was die Frage zum angeblich einseitigen Sparkurs betrifft, so habe ich gerade geantwortet. Es gibt keinen einseitigen Sparkurs, jedenfalls nicht von der Bundesregierung vertreten, sondern es gibt die Notwendigkeit, die in Jahrzehnten aufgebaute Überschuldung abzubauen, damit uns die Welt, damit die Märkte auch außerhalb Europas überhaupt wieder vertrauen. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, nachhaltiges Wachstum zu schaffen. Solches wird nicht durch staatliche Programme, sondern nur zu schaffen sein, indem man der Wirtschaft, den Unternehmen möglichst gute Arbeitsbedingungen gibt, indem man unnötige Fesseln von Ihnen nimmt, damit sie nachhaltig arbeiten und Wachstum und Arbeitsplätze schaffen können. Das ist die Grundüberzeugung, nach der wir handeln. Das hat nichts mit einem einseitigen Sparkurs zu tun. Insofern gebe ich in anderen Worten noch einmal die gleiche Antwort wir vorhin.

Frage: Herr Dienst, das Einsatzführungskommando hat gestern schon den Übergriff auf einem Boot der Deutschen Marine als solchen und eine Menge zu diesem Vorgang bestätigt. Dazu habe ich einige Nachfragen.

Erstens. Angeblich - das kann ich der Meldung jetzt nicht entnehmen - sei man zu der Einschätzung gekommen, dass es keinen fremdenfeindlichen Hintergrund gebe. Wie kam man denn zu dieser Einschätzung?

Dienst: Wie Sie richtig einleiten, ist es so, dass das Einsatzführungskommando gestern Abend den Sachverhalt, so wie er sich gesichert für uns darstellt, in einer Online-Meldung auf die Homepage der Bundeswehr gestellt hat, was wir bei besonders öffentlichkeitswirksamen Zwischenfällen in der Regel tun. Wir haben das gestern Abend tun müssen, da der Vorgang durch eine Indiskretion in die Presse gelangt ist. Ursprünglich war vorgesehen, zuerst den Verteidigungsausschuss heute Morgen in seiner routinemäßigen Sitzung damit zu befassen und dann an die Öffentlichkeit, also an die Presse, zu gehen. Es ist nun so, wie es ist.

Das Einsatzführungskommando spricht dazu, steht mit uns in dieser Hinsicht in engem Kontakt. Alles, was das Einsatzführungskommando bisher zu Protokoll gegeben beziehungsweise online gestellt hat, gilt nach wie vor. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zu der Frage, die Sie im Speziellen beschäftigt, würde ich aufgrund der Hintergründe, die mir gegenwärtig sind, sagen, dass man zu der Aussage, dass es keinerlei rassistischen Hintergrund gebe, kommen kann, wenn man die zwischenmenschliche Gemengelage an Bord in diesem speziellen Fall vor Augen hat. Mehr kann ich dazu nicht sagen, da es sich, wie Sie alle lesen können, um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen handelt. Da ist unserer Auskunftsfähigkeit naturgemäß eine Grenze gesetzt.

Zusatzfrage: "Zwischenmenschliche Gemengelage" - das macht einen verdammt neugierig. Das würde zu der Frage führen: Gehört dieser Vorgang aus den Erkenntnissen, die Sie im Hintergrund haben, vielleicht zu einigermaßen üblichen Ritualen - ich habe keine Ahnung, wie es bei der Marine zugeht -, oder ist das aus Ihrer Sicht schon ein sehr außergewöhnlicher Vorgang, wofür ja spricht, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt?

Dienst: Es entspricht keinem Ritual. Wenn wir uns jetzt schon im Bereich der Homestories bewegen, kann ich Ihnen sagen, dass ich selbst einmal ein Boot dieses Typs kommandiert habe. Ich bin also mit den Gegebenheiten perfekt vertraut. Von daher ist es so, dass dieser Fall ein wirklich höchst bedauernswerter Einzelfall ist. Solche Rituale gibt es in der Form überhaupt nicht. Wie ich Ihnen sagte: zwischenmenschliches Fehlverhalten aufgrund einer speziellen Gemengelage. Tiefer kann ich nicht gehen.

Frage: Können Sie sagen, welche Staatsanwaltschaft zuständig ist?

Gab es ähnliche Vorfälle in den letzten zwei, drei Jahren häufiger?

Dienst: Ähnliche Vorfälle in den letzten zwei, drei Jahren kenne ich nicht. Die zuständige Staatsanwaltschaft müssten Sie über das Einsatzführungskommando erfragen.

Frage: Herr Dienst, eine Verständnisfrage vorweg: "Mongo" - ist das "Bundeswehrsprech" für Asiaten?

Meine zweite Frage: In welche Richtung ermittelt die Bundeswehr eigentlich? Ist es korrekt, dass es auch in die Richtung eines fremdenfeindlichen Hintergrunds geht, oder wird in diese Richtung zurzeit nicht ermittelt?

Dienst: Die Ermittlungen, die laufen, sind allumfassend.

Zusatzfrage: Das heißt, also auch in Richtung fremdenfeindlicher Hintergrund bei der Bundeswehr?

Dienst: Die Ermittlungen sind allumfassend. Es geht um den speziellen Vorfall, und was wir als Institution, als Bundewehr, ermitteln, befasst sich dann natürlich auch mit der Gesamtlage an Bord überhaupt, mit dem Führungsverständnis und ähnlichen Dingen. - Dies nur als Überschriften. Natürlich gehört auch die Betrachtung der Konfiguration der Personen mit in die Ermittlungen. Ich sage noch einmal: Tiefer kann und will ich hier auch nicht gehen.

Die ermittelnde Staatsanwaltschaft ist Rostock, wie ich eben erfahren habe. Insoweit brauchen Sie also nicht mehr nachzufragen.

Dann hatten Sie noch einen Punkt angesprochen, Herr Spangenberg. Geben Sie mir bitte noch einmal ein Stichwort.

Zusatzfrage: Was ist ein "Mongo"?

Dienst: Ach ja. Genau. - Ich habe mich gestern selber schlaumachen müssen. Sie können das googlen oder bei Wikipedia nachschauen. Die gesicherte Erkenntnis bei uns im Presseinformationsstab ist, dass heutzutage der Begriff "Mongo" in der Jugendsprache für das steht, was zu meiner Zeit in diesem Alter als Idiot bezeichnet wurde.

Zusatzfrage: Und nicht, dass es, wie man aus Bundeswehrkreisen hört, für einen Asiaten steht? Das soll "Bundeswehrsprech" sein.

Dienst: Es ist kein "Bundeswehrsprech", wie Sie sagten, sondern es ist "Jugendsprech". Aber ich bin kein Soziologe, der Ihnen das auseinandersetzen kann. Ich sage nur: Das ist der Pfad, der im Moment in der Analyse, die jeder machen kann, der einleuchtendste zu sein scheint. Ich greife hier aber den Ermittlungen in keiner Weise vor.

Frage: Zu meiner Zeit stand das bei relativ beschränkten Zeitgenossen auch als Kurzform für "mongoloid"; das ist heute wahrscheinlich auch nicht anders.

Vielleicht können Sie eventuell "unter zwei" etwas zum Führungsverständnis auf so einem Boot etwas sagen. Sie sagten eben, es gehe auch um das Führungsverständnis, was natürlich auch wieder die Frage aufwirft, ob der Betroffene möglicherweise Dinge vollzogen hat, die aus Sicht der Bundeswehrführung nicht unbedingt ideal für die Führung eines solchen kleinen Bootes waren.

Dienst: Da braucht man nicht "unter zwei" zu gehen, das können wir auch "unter eins" machen. "Führungsverständnis" heißt, dass bei disziplinarischen Vorfällen natürlich immer geschaut wird: Wie ist die Dienstaufsicht in diesem speziellen Fall konfiguriert gewesen? Wer war zu welchem Zeitpunkt an Bord, nicht an Bord? Da gibt es weiter nicht irgendetwas hineinzugeheimnissen.

Zu Ihrer ersten Ableitung: Ich nehme einmal an, dass wir beide ungefähr aus derselben Generation stammen. Die wesentlich jüngere Generation spricht anscheinend anders. Der Obermaat und der Bootsmann gehören zu dieser jüngeren Generation. Aber ich will hier, wie gesagt, kein Soziologieseminar veranstalten.

Frage: Wenn ich es richtig gelesen habe, hat die Bundeskanzlerin heute Morgen das Gutachten der Expertenkommission "Forschung und Innovation" entgegengenommen. Es enthält eine sehr deftige Kritik an der Forschungspolitik der Bundesregierung und an der fehlenden Umsetzung des Koalitionsvertrags. Ich nenne hier die Stichworte "Wagniskapital" und "Umsetzung der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung in Unternehmen". Da heißt es wörtlich: "Zur Umsetzung dieser Maßnahmen scheint der politische Wille zu fehlen." Können Sie das aus Sicht der Bundeskanzlerin, die das Gutachten entgegengenommen hat, kommentieren?

StS Seibert: Dieser Termin ist um 11 Uhr gewesen. Ich glaube, er ist mit einem O-Ton verbunden gewesen. Ich habe nicht die Information, was die Bundeskanzlerin dort genau gesagt hat; deswegen würden wir das nachreichen. Es sei denn, der Sprecher des Bildungs- und Forschungsministeriums möchte darauf jetzt eingehen.

FELS: Es ist in der Tat so, dass das Gutachten erst vor gut zwei Stunden übergeben worden ist. Insofern ist es natürlich für eine eingehende Bewertung all der Vorschläge noch zu früh. Das wird sicherlich noch passieren.

Vielleicht haben Sie schon gesehen, dass wir eine Pressemitteilung zu dem Thema herausgegeben haben. Bundesministerin Frau Wanka hat sich zu dem Thema geäußert. Sie hat darauf hingewiesen, dass das Gutachten den Innovations- und Wachstumskurs der Bundesregierung bestätigt. Sie hat angekündigt, dass die Themen "Bildung" und "Forschung" auch in Zukunft Priorität für die Bundesregierung haben werden, aber dass es sicherlich Hinweise aus dem Gutachten gibt, in welchen Bereichen wir noch zulegen können.

Wie gesagt: Das Gutachten ist vor gut zwei Stunden übergeben worden. Wir werden das eingehend prüfen und dann Rückschlüsse daraus ziehen.

Frage: Herr Seibert, eine Frage zum Thema Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften: Nachdem es Äußerungen aus der Fraktion und gestern eine intensive Diskussion in der CDU/CSU-Fraktion gab, hätte ich gerne gewusst, ob die Bundesregierung bei dem Thema weitermachen möchte. Das Bundesjustizministerium sagt ja, Gesetzentwürfe für die Gleichstellung lägen in der Schublade. Wie gedenkt die Bundeskanzlerin, bei dem Thema weiter vorzugehen?

StS Seibert: Ich kann hier nur für die Bundesregierung sprechen und nicht für das, was es in der Fraktion und in den Parteien an Diskussionen und Debatten gibt. Wir haben ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das hat sich mit der Sukzessivadoption beschäftigt, also mit einer sehr speziellen Konstellation von Adoption. Nun prüft die Bundesregierung sehr eindringlich, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, konkret, wie man den Forderungen dieses Urteils entsprechen kann, in welchem Umfang man also Änderungen im Adoptionsrecht vornehmen muss. Ob dann darüber hinaus gegebenenfalls weitere Konsequenzen aus diesem Urteil zu ziehen sind, prüft die Bundesregierung auch. Wenn diese Prüfung abgeschlossen ist, werden wir Sie das natürlich sofort wissen lassen.

Zusatzfrage: Gibt es einen Zeitplan, irgendeinen Termin, den man sich gesetzt hat, um mit dieser Prüfung fertig zu sein?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier keinen Termin sagen. Aber es ist erkennbar - Sie haben das auch alle gestern berichtet -, dass eine intensive und nachdenkliche Diskussion im Gange ist.

Frage: Nachdem bekannt geworden ist, dass die Bundeskanzlerin beim Thema NPD-Verbotsverfahren auch die FDP sozusagen konsultieren oder in die Diskussion einbeziehen möchte, die Frage: Hat das schon stattgefunden? Oder wird das noch stattfinden? Gibt es da einen Zeitplan?

StS Seibert: Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, dass die Bundesregierung angekündigt hatte, dass sie, die Bundesregierung, vor Ablauf des ersten Quartals 2013, also vor Ende März, ihre Haltung zur Frage Antrag auf Verbot der NDP erarbeiten und bekanntmachen wird. Wenn die Bundesregierung das tut, dann ist es selbstverständlich, dass sie das mit allen Mitgliedern der Bundesregierung tut. Diese gehören unterschiedlichen Parteien an. Deswegen ist das ein völlig normaler Vorgang.

Der Zeitplan gilt immer noch so, wie es die Bundeskanzlerin neulich auch auf Ihre Anfrage bestätigt hat. Das heißt: Die Bundesregierung wird über einen Verbotsantrag vor Ablauf des ersten Quartals 2013 entscheiden.

Frage: An das BMVg zum Thema Soldatenschelte des Ministers: Das hat ja jetzt doch ein bisschen für Wirbel und weitere Aufregung gesorgt. Hält der Minister nach wie vor an seiner Äußerung fest - die jetzt ziemlich in die Kritik gekommen ist -, dass Soldaten nach Anerkennung gieren?

Dienst: Herr Spangenberg, ich kann dazu nur wiederholen, was ich Ihnen persönlich am Montag schon dazu gesagt habe: Der Minister ist nicht missverstanden worden.

Frage: Das habe ich wiederum nicht verstanden. Wie muss ich den Minister verstehen? Die Soldaten sollten sich zu Recht gescholten fühlen?

Dienst: Nein. Ausgangspunkt ist eine Stellungnahme gegenüber dem MDR-Inforadio vom Montag. Da war die Frage: Fühlt sich der Minister richtig wiedergegeben, also richtig verstanden? Dazu ist zu sagen: Er ist nicht missverstanden worden. Denn viele Leute sind gekommen und haben gesagt: Der ist ja sicherlich missverstanden worden. Nein, er ist nicht missverstanden worden. Der Inhalt des Interviews ist der, der immer stand und auch heute noch steht.

Zusatzfrage: Die Soldaten gieren also nach Anerkennung, sind süchtig nach Anerkennung?

Dienst: Ich habe hier jetzt keinen Anlass, in ein semantisches Seminar überzugehen. Der Minister hat so gesprochen, und der Text steht so, wie er ihn gesprochen hat. Ich wiederhole noch einmal: Seit Montag hat sich auch nichts geändert. Der Minister verfolgt den Diskurs mit Aufmerksamkeit und ist durchaus auch über jeden kritischen Beitrag froh, da das eben Grundbedingung für einen Diskurs ist.

Frage: Die Forderung, der Minister möge sich entschuldigen, wäre also aus Ihrer Sicht eine absurde Forderung?

Dienst: Wenn Sie mich persönlich fragen: Absolut absurd.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium zu den verminderten Mehrwertsteuersätzen. Herr Steinbrück hat angekündigt, dass er die Zahl der Ausnahmetatbestände auf vier bis fünf reduzieren möchte. Nun war es ursprünglich ja auch ein Ziel der Bundesregierung, in dieser Legislaturperiode eine grundlegende Reform der ermäßigten Mehrwertsteuersätze anzugehen. Würden Sie sagen, dass die Bundesregierung bei diesem Thema gescheitert ist, oder gibt es da noch Initiativen bis zur Wahl?

Kothé: Ich würde nicht sagen, dass die Bundesregierung an diesem Thema gescheitert ist. Wie Sie wissen, haben wir das auch immer daran gemessen, was möglich ist. Eine solche Reform ist ein sehr anspruchsvolles Vorhaben. Wir haben die dafür nötigen politischen Basismehrheiten nirgendwo gesehen. Aber natürlich halten wir grundsätzlich - das hat unser Minister auch mehrfach gesagt - an dem Ziel fest und fänden es lohnenswert, hier zu einer Vereinfachung zu kommen. Zu Ihrer konkreten Frage, ob wir dazu noch eine Initiative in dieser Legislaturperiode planen: Nein.

Zusatzfrage: Dann muss ich noch nachfragen. Da Herr Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat das Ziel "vier bis fünf" ausgegeben hat und ich Sie jetzt so verstanden habe, dass das anscheinend mit der FDP als Koalitionspartner nicht zu machen ist: Können wir eine Reform der ermäßigten Mehrwertsteuersätze nur in einer Großen Koalition erwarten?

Kothé: Das habe ich so nicht gesagt. Wie Sie vielleicht auch wissen - vielleicht ist das für Sie aber auch eine neue Erkenntnis -, sind Steuergesetze zustimmungspflichtig im Bundesrat. Wie gesagt, in dieser Legislaturperiode werden wir - das ist nichts Neues - dieses Projekt nicht noch einmal aufgreifen.

Zusatzfrage: Könnten Sie dann vielleicht noch sagen, an wem es gelegen hat?

Kothé: Es waren die Umstände insgesamt. Ich habe nicht die Absicht, jetzt irgendwelche Schuldzuweisungen zu treffen.

Frage: Noch einmal an das Finanzministerium: In den USA treten ja am 1. März die automatischen Kürzungen im Haushalt ein, falls sich Republikaner und Demokraten bis dahin nicht auf ein neues Finanzkonzept einigen. Ist die Bundesregierung oder das Bundesfinanzministerium eigentlich besorgt, dass das auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben kann? Amerikanische Ökonomen erwarten ja, dass das amerikanische Wachstum dadurch kräftig beschädigt werden dürfte.

Kothé: Das muss man jetzt erst einmal abwarten. Aktuell haben wir da keine Besorgnis. Sie wissen aber auch, dass die Situation der Weltwirtschaft in den internationalen Gremien diskutiert und beobachtet wird. Insofern müssen wir sehen, wie sich die Dinge entwickeln.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium zum Thema 20 Millionen Euro für V-Leute und einer sogenannten Spitzelsteuer: Ist es richtig, das 10 Prozent der Ausgaben für V-Leute an das Finanzamt abgeführt werden?

In diesem Zusammenhang noch eine Frage zum NPD-Verbotsverfahren: Es hieß doch, diesmal sei kein V-Leute-Material verwendet worden. Ist es angesichts dessen, dass so und so viele Millionen Euro für V-Leute ausgegeben werden, nach wie vor richtig, dass in dem Material, das jetzt vorbereitet worden ist, kein Material von V-Leuten verarbeitet worden ist?

Teschke: Ich komme zuerst zu Ihrer zweiten Frage: Die Innenminister der Länder haben auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember ganz klar erklärt, dass es V-Mann-freies Material ist. Für unseren Anteil an der Materialsammlung gilt das sowieso.

Zu den V-Mann-Zahlungen insgesamt, die da heute kolportiert werden, hat sich ja bereits der Sprecherkollege vom Bundesamt für Verfassungsschutz geäußert. Er hat diese Berichte als unwahr zurückgewiesen. Wörtlich hat er gesagt: "Das Zahlentableau ist falsch und entbehrt jeder Grundlage." Die weiteren Antworten können Sie ansonsten der Antwort der Bundesregierung auf die entsprechende Kleine Anfrage entnehmen. Darin ist auch ein Passus zu der Frage, wie das versteuert wird, enthalten, in dem es heißt: "Die betroffenen staatlichen Stellen führen 10 Prozent der Prämiensumme für die an ihre V-Leute und nachrichtendienstlichen Verbindungen in jedem Kalenderjahr gezahlten Entschädigungen an die einzelnen Finanzkassen der Länder ab. Diese Regelung ist allgemeingültig."

Zu den 20 Millionen Euro kann ich, wie gesagt, nur sagen: Das sind Zahlen, die ich nicht bestätigen kann. Ansonsten ist das aber auf jeden Fall Material, das eigentlich in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags zu finden ist. Von daher werten wir diese Veröffentlichungen insgesamt als Bruch der Vertraulichkeit.

Frage: Mit welchen Konsequenzen?

Teschke: Das wird noch geprüft.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 27. Februar 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/02/2013-02-27-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2013