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PRESSEKONFERENZ/570: Regierungspressekonferenz vom 11. März 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 11. März 2013
Regierungspressekonferenz vom 11. März 2013

Themen: Bundeshaushalt 2014, Brand in einem Gebäudekomplex in Backnang, Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung zur Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung, Kritik an der Veröffentlichung von Hygieneverstößen im Internet, Wahltarife bei den gesetzlichen Krankenkassen, Gespräch der Bundeskanzlerin mit Angehörigen und Hinterbliebenen der Mordopfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds", Adoptionsrecht für Homosexuelle, IT-Sicherheitsgesetz, Wahlausgang in Kenia

Sprecher: SRS Streiter, Peschke (AA), Kotthaus (BMF), Strater (BMVBS), Wackers (BMG), Lesch (BMZ), Hoch (BMWi), Westhoff (BMAS), Eichele (BMELV), Zimmermann (BMJ), Steegmans (BMFSFJ), Teschke (BMI)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Eigentlich fehlt mir der Adressat meiner Frage zum Haushalt. - Herr Streiter, im Vorgriff auf das, was man dann vielleicht noch später wird fragen können: Können Sie mir sagen, ob die Beratungen über Eckpunkte des Haushalts 2014 bereits am Mittwoch im Kabinett stattfinden werden?

SRS Streiter: Das liegt im Bereich des Möglichen. Es finden derzeit noch Gespräche statt, die sich sozusagen auf der Zielgeraden befinden. Es kann also sein, es kann aber auch nicht sein.

Vorsitzende Sirleschtov: Ich schlage vor, dass wir das Thema Haushalt vielleicht so weit zurückstellen, bis jemand vom Finanzministerium da ist. Gibt es Fragen zu anderen Themen? - Herr Blank, bitteschön!

Frage: Herr Streiter und eventuell Herr Peschke, im Zusammenhang mit der Brandkatastrophe von Backnang hat sich der türkische Präsident Gül dahingehend geäußert, dass man nicht vorschnell irgendwelche Ursachen festlegen sollte. Es gibt wohl auch eine Anfrage oder Überlegungen der türkischen Seite in Bezug darauf, ob eigene Ermittler geschickt werden können. Sehen Sie irgendeine Form der Vorbehalte oder des Misstrauens von türkischer Seite gegenüber Deutschland, nachdem sich auch die Opposition entsprechend geäußert hat? Würde die deutsche Seite zweitens unterstützen, dass auch türkische Ermittler nach Backnang reisen, um dort nach der Katastrophenursache zu forschen?

SRS Streiter: Dazu kann ich Ihnen eigentlich nur sagen, dass die Bundeskanzlerin über diese furchtbare Katastrophe zutiefst erschüttert ist und dass Staatsministerin Böhmer in ihrem Auftrag und im Namen der Bundesregierung dem türkischen Botschafter in Deutschland auch bereits gestern kondoliert hat. Der Chef des Bundeskanzleramtes hat dem Chef der baden-württembergischen Staatskanzlei jegliche Hilfe zugesagt, und die Bundeskanzlerin hat keinen Zweifel daran, dass die zuständigen Stellen nicht ruhen werden, bis die Brandursache aufgeklärt ist.

Zu der anderen Frage kann ich jetzt gar nichts sagen.

Zusatzfrage: Wie sieht das Auswärtige Amt das? Sieht man dort eine Art von Misstrauen auf türkischer Seite? Was würde man denn möglichen Zweifeln der türkischen Seite entgegenhalten, was die Ermittlungsarbeiten Deutschlands oder deutscher Ermittler angeht?

Peschke: Auf den ersten Teil Ihrer Frage kann ich ganz kurz antworten: Nein, das sehen wir nicht.

Auf den zweiten Teil Ihrer Frage hat, glaube ich, Herr Streiter vollumfänglich geantwortet. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Herr Gül kritisiert ja: "Jetzt schon etwas zu sagen, wäre nicht richtig". Dabei geht es um die Frage der Brandursache und die Äußerung der deutschen Ermittler, was diesen Feuerofen als möglichen Brandherd angeht. Sehen Sie darin also keine Art von Skepsis gegenüber den deutschen Ermittlungen?

Peschke: Nein. Ich glaube, wir haben hier jetzt gesagt, was zu sagen ist. Herr Streiter hat das umfänglich beantwortet. Ich kann Ihnen auch nur sagen: Auch von unserer Seite gibt es überhaupt keinen Zweifel daran, dass die zuständigen Behörden hier in Deutschland ihre Arbeit machen. Alle übrigen Fragen werden gegebenenfalls, wenn es notwendig ist, selbstverständlich in einem Klima des Vertrauens zwischen der deutschen und der türkischen Seite besprochen. Es gibt in vielen Bereichen eine enge Zusammenarbeit, und falls es notwendig sein sollte, wird über diese engen Kanäle natürlich auch über alles in diesem Fall Notwendige gesprochen werden.

Zusatzfrage: Wäre das dann quasi der diplomatische Draht? Falls die Türkei sagen würde "Wir würden gerne eigene Ermittler schicken", würde das über Sie laufen, über das Innenministerium, oder wie funktioniert so etwas?

Peschke: Das müssten gegebenenfalls die Kollegen ergänzen. Es gibt ja eine ganze Reihe ganz verschiedener Kontakte mit der türkischen Seite. Es gibt natürlich die diplomatischen Kontakte, aber sicherlich stehen auch immer wieder die Fachleute in verschiedenen Bereichen im Gespräch miteinander, zum Beispiel dann - um einmal ein ganz anderes Thema zu nennen -, wenn es um die Frage der Kulturbeziehungen geht. Dann sprechen neben den Gesprächen auf dem diplomatischen Draht natürlich auch die direkt Zuständigen direkt miteinander. Es ist in den allermeisten Fällen so, dass es so enge Kontakte mit der Türkei gibt, dass es nicht nur diplomatische Beziehungen, sondern auch immer wieder Kontakte zwischen den direkten Fachstellen gibt.

Teschke: Wenn ich das noch ergänzen kann: Derzeit sind keine Anfragen der türkischen Sicherheitsbehörden an uns bekannt. Ansonsten würde ich das auch eher auf Landesebene verortet sehen. Die Ermittlungen führen ja die Landespolizeibehörden, nicht die Bundespolizeibehörden.

Vorsitzende Sirleschtov: Da Herr Kotthaus es geschafft hat, durch den Schnee hierhergekommen, würde ich sagen, wir kehren zum Haushalt 2014 zurück.

Frage: Herr Kotthaus, schaffen Sie es heute noch, mit den Beratungen mit den anderen Ministerien fertig zu werden? Ist es richtig, dass Sie sich bei der Nettoneuverschuldung in Höhe von etwa 7 Milliarden Euro auf einer Einflugschneise bewegen, die es Ihnen letztendlich ermöglicht, den strukturell nahezu ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2014 komplett hinzubekommen?

Kotthaus: Wir befinden uns auf der Endgeraden der Gespräche, aber die Gespräche dauern an. Wie Sie wissen, ist das Ziel, dass wir auf jeden Fall eine strukturelle Null hinbekommen; das ist klar definiert. Es dauert so lange, wie es dauert, oder geht so schnell, wie es geht. Jetzt schauen wir einmal, wie sich das noch entwickeln wird.

Frage: Herr Kotthaus, trotzdem habe ich noch einmal die Frage: Können Sie diesen Korridor in Höhe von 7 Milliarden bis 8 Milliarden Euro bestätigen, der mittlerweile in Medien veröffentlicht worden ist?

Die zweite Frage: Werden Sie die Eckpunkte für den Bundeshaushalt an diesem Mittwoch in das Kabinett einbringen?

Kotthaus: Ich kann momentan keine Zahlen bestätigen, weil, wie ich gesagt habe, die Gespräche noch nicht abgeschlossen sind. Deswegen werde ich mich auch damit zurückhalten, zu bestätigen, was wann und wie genau im Kabinett sein wird. Dass wir alle mit Hochdruck daran arbeiten, das so schnell und so überzeugend wie möglich fertigzustellen, ist richtig. Vor allen Dingen die Zielmarke ist Ihnen gegenüber klar definiert worden. Zum Thema Schuldenbremse brauche ich ja schon gar nichts mehr zu sagen; dieses Ziel haben wir schon 2012 anstatt 2016 erzielt, also vier Jahre vor der Ziellinie. Den Rest werden wir sehen, wenn die Gespräche beendet worden sein werden.

Zusatzfrage: Werden Sie die Eckpunkte an diesem Mittwoch in das Kabinett einbringen?

Kotthaus: Wie gesagt: Dafür müssen wir erst einmal die Gespräche beendet haben. Deswegen harren wir der Dinge. Wie ich gerade gesagt habe, wird es so schnell gehen, wie es eben gehen wird. Ich kann es Ihnen aber jetzt noch nicht bestätigen.

Frage: Nun waren ja am Wochenende von einem Magazin schon drei Ministerien angedeutet worden, die sozusagen noch Probleme machen, das Entwicklungshilfeministerium, das Gesundheitsministerium und das Verkehrsministerium. Vielleicht könnten diese drei Häuser sagen, ob sich die laufenden Gespräche auf Gespräche ihrer jeweiligen Häuser mit dem Finanzministerium beziehen.

Strater: Das Wort Problem haben Sie gesagt. Dass alle Ressorts miteinander und natürlich mit dem Finanzminister sprechen, wenn es um die Aufstellung des Bundeshaushalts geht, ist klar. Diese Gespräche finden regierungsintern statt und nicht auf dem öffentlichen Marktplatz. Insofern habe ich dem, was Herr Kotthaus hier gesagt hat, überhaupt nichts hinzuzufügen.

Übrigens habe ich an dieser Stelle zu einem anderen Zeitpunkt auch schon einmal darauf hingewiesen, dass der Minister großen Wert darauf legt, dass die Verkehrsinfrastruktur vernünftig finanziert ist und dass wir als Grundlage für den Industriestandort Deutschland eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur in Deutschland brauchen. Mit diesen Vorzeichen gehen wir auch in die Gespräche.

Wackers: Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Der Finanzminister führt Gespräche mit allen Häusern. Wir haben am Wochenende auch noch einmal unsere Haltung vertreten, dass uns kein anderes Ministerium bekannt ist, dass einen ähnlich hohen Sparbeitrag wie wir leistet, also in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro und im nächsten Jahr 2 Milliarden Euro. Das ist unsere Haltung. Im Übrigen laufen die Gespräche noch.

Lesch: Zu den Gesprächen kann auch ich nichts weiter als das beitragen, was bereits gesagt worden ist. Zu den Erwartungen des BMZ an den Haushalt hatte sich der Minister auch bereits geäußert. Natürlich sind wir bereit, an der schwarzen Null mitzuarbeiten. Auf der einen Seite stehen sehr viele internationale Zusagen, die diese Bundesregierung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit eingegangen ist. Insofern ist die Erwartung des BMZ, dass wir mit dem nächsten Haushalt nicht unter der Marke des laufenden Jahres liegen werden und den Plafond fortschreiben werden.

Kotthaus: Ich mache den Reigen voll: Das ist natürlich ein gemeinsamer Einsatz aller Ministerien, der sozusagen durch das BMF koordiniert wird. Ich bin dabei, wie gesagt, ganz optimistisch, dass wir das Ziel der schwarzen Null, das wir uns alle gesetzt haben, erreichen werden. Aber noch einmal: Details gibt es dann, Herr Heller, wenn die Gespräche innerhalb der Regierung abgeschlossen sind. Dann können wir uns über die Details unterhalten.

SRS Streiter: Ich wollte nur noch einmal ergänzend zu dem, was ich vorhin gesagt habe, etwas anfügen, um Sie ein bisschen aus dem Alarmzustand herauszubringen: Die Bundesregierung hatte angekündigt, den Eckwertebeschluss zum 20. März vorzulegen. Wenn dieser 20. März eingehalten wird, dann wäre das ja nicht unbedingt eine Niederlage.

Frage: An das Wirtschaftsministerium: Sind denn die Berichte richtig, dass Herr Rösler im Gespräch mit Herrn Schäuble darauf beharrt hat, dass man doch einiges aus dem Bereich des Arbeitsministeriums herausnehmen sollte, was die Rentenrücklagen angeht, um den Haushalt ausgeglichener darstellen zu können?

Dr. Hoch: Auch ich kann Ihnen nichts anderes als das sagen, was schon gesagt wurde: Die Gespräche laufen. Insofern bitte ich um Verständnis. Wir werden Sie dann informieren, wenn es etwas Neues gibt.

Frage: Ich möchte ein Jahr zurückgehen, wenn ich schon nichts über 2014 erfahre. Herr Kotthaus, zum Bundesbankgewinn: Ist Ihnen aus Frankfurt bedeutet worden, dass der Bundesbankgewinn, der Ihnen in diesem Jahr für das vergangene Jahr ausgeschüttet wird, massiv unter dem bleiben wird, was bislang eingeplant war, und die Größenordnung gerade einmal 600 Millionen Euro beträgt?

Kotthaus: Ich kann Ihnen zu dem Bundesbankgewinn nichts sagen. Die Bundesbank ist unabhängig. Die Bundesbank entscheidet nach ihrem eigenen Ermessen. Sie wissen, dass die Bundesbank auch im letzten Jahr Vorsorge getroffen hat, und das hat sie damals auch dementsprechend erläutert. Sie wissen auch, dass wir anstatt der üblichen 2,5 Milliarden Euro, die es in der Vergangenheit waren - üblich in dem Sinne, dass dies in der Vergangenheit der Wert war -, für dieses Jahr einen Gewinn in Höhe von, glaube ich, 1,5 Milliarden Euro eingeplant hatten. Wir werden dann sehen, wie der Gewinn aussehen wird. Das ist aber eine Größe, die durch die Bundesbank bestimmt wird und mit der wir auch in der Vergangenheit - egal, wie der Gewinn dann aussah - im Haushalt dementsprechend haben arbeiten können.

Frage: Ich habe eine Frage an die Bundesregierung und an das Arbeitsministerium: Was halten Sie von dem Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung, der jetzt aufgekommen ist, Beamte und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen?

Daran schließt sich die Frage an: Was halten Sie von dem Thema "Rente mit 69"?

Westhoff: Zur Rente mit 69: Wie Sie wissen, sind wir jetzt auf dem noch langen Weg zur Rente mit 67. Die Rente mit 67 wird erst im Jahr 2029 vollständig eingeführt sein. Es ist allen klar, dass schon das für die Beschäftigten, aber auch für die Betriebe, die Unternehmen und die Sozialpartner eine große Herausforderung in Bezug darauf ist, dies mit der Schaffung von mehr altersgerechten Arbeitsplätzen zu flankieren. Das ist noch ein weiter, mit großen Anstrengungen verbundener Weg. Deshalb helfen akademische beziehungsweise theoretische Debatten darüber, was eventuell in 60 oder 70 Jahren sein wird oder sein muss, nicht unbedingt weiter.

Wir sollten jetzt politisch verantwortlich handeln. Das schließt ein, zunächst einmal diesen Weg bis zur Rente mit 67 zu gehen. Das ist der erste Schritt. Die Rente mit 69 jetzt zu diskutieren, wäre, wie gesagt, ein eher akademischer Vorgang, der der zweite Schritt vor dem ersten wäre.

Die andere Dimension, also die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen, ist immer einmal wieder gefordert worden. Abgesehen davon, welche praktischen Umsetzungsschwierigkeiten das mit sich bringen würde - Stichwort Vertrauensschutzregelungen -, ist es schwierig, sich vorzustellen, wie das tatsächlich praktisch umgesetzt werden kann. Was die Alterssicherung angeht, hat Deutschland bestimmte Traditionen: einerseits mit der gesetzlichen Rente, den berufsständischen Versorgungswerken für Selbstständige auf der anderen Seite sowie der Beamtenversorgung.

Es käme jedenfalls bei jeder Art von Umstellung zu horrenden Mehrfachbelastungen einzelner Gruppen, die nur extrem schwierig zu stemmen wären; das muss man dabei immer bedenken.

Andererseits ist es auf lange Sicht so: Wer heute die Beamten und Selbstständigen mit einbezieht, schafft Ansprüche an Auszahlungen in der - zugegeben - etwas ferneren Zukunft, aber in der Zukunft. Das heißt: Dieser kurierende Effekt, den man sich davon verspricht, wird immer nur ein vorübergehender sein, nämlich verhältnismäßig gut verdienende Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen zu lassen, um damit die Renten auf mittlere Sicht bezahlen zu lassen. Am langen Ende kostet es richtig viel Geld, weil den höheren Einzahlungen durch das Äquivalenzprinzip entsprechend höhere Auszahlungen entgegenstehen.

Insofern sollte man es bei dem belassen, was wir im Moment tun, nämlich die gesetzliche Rentenversicherung zukunftsfest zu machen, und zwar mit der Rente mit 67, den Dämpfungsfaktoren, dem Aufbau zusätzlicher Altersvorsorge und Überlegungen dahingehend, wie bei Geringerverdienern eine Rente oberhalb der Grundsicherung auf jeden Fall immer gesichert werden kann. Diese Diskussionen laufen ja auch.

Frage: Frage an das Verbraucherschutzministerium. Herr Eichele, ich möchte wissen, wie Sie die rechtlichen Bedenken bewerten, die es zumindest im Land Baden-Württemberg gibt, wo Herr Bonde Frau Aigner einen Brief geschrieben hat, was die Veröffentlichung von Testergebnissen angeht, Stichwort Lebensmittel-, und Futtermittelgesetzbuch. Da ist auch eine rechtliche Überprüfung gefordert. Wenn ich es richtig gelesen habe, hat das Land eine Veröffentlichung gestoppt. Wie fällt dazu die Bewertung Ihres Hauses aus?

Eichele: In aller Kürze: Wir nehmen die Äußerungen aus Baden-Württemberg mit Verwunderung zur Kenntnis. Man kann nicht einerseits mehr Transparenz für die Verbraucher fordern und andererseits den Vollzug bestehender Gesetze aussetzen. So ein Gesetz ist kein Abreißkalender, sondern es ist eine klare Vollzugsvorschrift für die Länder. Dieser müssen die Länder auch nachkommen.

Diese Novelle des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, von der Sie sprechen, wurde von Bund und Ländern, die ja bekanntlich für die Lebensmittelkontrolle zuständig sind, gemeinsam getragen und von Bundestag und Bundesrat gleichermaßen verabschiedet.

Es geht hier, wie Sie richtig ausgeführt haben, um die Veröffentlichung von Hygieneverstößen, zum Beispiel in Gaststätten, Metzgereien, Bäckereien und lebensmittelverarbeitenden Betrieben. Diese Novelle ist seit 1. September 2012 in Kraft und verpflichtet die zuständigen Behörden der Länder dazu, "bestimmte herausgehobene Rechtsverstöße unabhängig vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen zu veröffentlichen. Eine Veröffentlichung hat zu erfolgen, ohne dass den Behörden ein Ermessen zusteht, wenn der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht eines in der Vorschrift aufgeführten Rechtsverstoßes vorliegt."

Wir sind uns sicher, dass damit dem Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an verlässlichen behördlichen Informationen Rechnung getragen wird und auch der Verbraucherschutz und die Transparenz in Deutschland gestärkt werden.

Grundsätzlich muss man sagen, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass sich der Umgang mit neuen Vorschriften erst einmal einspielen muss. Das gilt für die betroffenen Behörden genauso wie für die betroffenen Unternehmen, für die diese Vorschrift auch erst einmal ungewohnt ist. Auch ist es nicht ungewöhnlich, dass es bei neuen Vorschriften eine divergierende Rechtsprechung gibt. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass neue Vorschriften vonseiten der Wirtschaft gerichtlich angegriffen werden. Insofern haben wir hier in mehrfacher Hinsicht Neuland betreten.

Bei den Gerichtsentscheidungen, die von Baden-Württemberg in diesem offenen Brief zitiert werden - darauf will ich hinweisen -, handelt es sich um Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz. Die Entwicklung der Rechtsprechung, insbesondere der höher- und letztinstanzlichen Rechtsprechung, bleibt abzuwarten. Es geht hier nur um Verfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.

Wir sind auf Arbeitsebene schon länger mit den Bundesländern im Gespräch, um dieses Gesetz, wie wir es immer bei neuen Gesetzesvorhaben machen, zu evaluieren, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung. Auch die Länder haben angekündigt, einen Erfahrungsbericht über den Vollzug zu erstellen. Im Lichte dieses Erfahrungsberichts wird dann zu prüfen sein, wie man weiter damit umgeht. Natürlich steht es auch Baden-Württemberg frei, nicht nur offene Briefe zu schreiben, sondern über gute Vorschläge und über den Bundesrat konkret mitzuarbeiten.

Zusatzfrage: Wann ist eine erste Evaluierung vorgesehen? Wann wird ein erster Bericht oder eine erste Auswertung vorgelegt? Gibt es da einen Zeithorizont?

Eichele: Der Prozess läuft. Ich denke, in den kommenden Monaten wird zu erwarten sein, dass es dann klar auf dem Tisch liegt. Die Arbeitsgruppe von Bund und Ländern arbeitet daran.

Frage: Ich möchte vom Gesundheitsministerium gerne wissen, ob es den Tatsachen entspricht, dass Ihr Minister das Angebot von Wahltarifen bei den gesetzlichen Krankenkassen erschweren, behindern möchte.

Wackers: Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, dazu etwas zu sagen.

Wir verstehen die Aufregung nicht. Es handelt sich lediglich um eine Klarstellung des 53 Abs. 9 SGB V, in dem steht: "Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden."

Das Bundesversicherungsamt wie auch der Bundesrechnungshof haben wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die sogenannten Halteeffekte nicht Eingang in die Kalkulation finden dürfen. Das werden wir jetzt noch einmal gesetzlich klarstellen, damit es für alle Aufsichtsbehörden gilt, beispielsweise auch auf Landesebene.

Es handelt sich, wie gesagt, lediglich um eine Klarstellung.

Zusatzfrage: Als Nichtwissender gefragt: Ist die Wirkung einer solchen gesetzlichen Klarstellung, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre jetzige Praxis beim Angebot von Wahltarifen ändern müssen?

Wackers: Das kann ich Ihnen nicht vorhersagen. Ich kenne die Kalkulationen der Krankenkassen nicht im Einzelnen. Das Gesetz ist von Anfang an klar gewesen. Die Mitnahme- beziehungsweise die Halteffekte dürfen nicht in die Kalkulation Eingang finden. Die Krankenkassen haben auch ein Gutachten darüber vorzulegen, dass das nicht der Fall ist. Insofern kann ich mich nur wiederholen: Es handelt sich um eine Klarstellung. Die Krankenkassen müssen ihre Kalkulationen gegenüber den Aufsichtsbehörden sichtbar machen.

Frage: Herr Streiter, gibt es eigentlich inzwischen einen Termin - oder hat die Bundeskanzlerin beziehungsweise das Bundeskanzleramt schon eine Kontaktaufnahme vorgenommen -, was das Treffen mit den Hinterbliebenen der NSU-Opfer angeht?

Zweite Frage: Wie ist eigentlich die Position der Bundesregierung in diesem Streit, den es gegeben hat, was einen Sitzplatz für den türkischen Botschafter beim NSU-Prozess in München angeht? Ich weiß nicht, ob Herr Peschke und Herr Teschke das ergänzen möchten.

SRS Streiter: Was dieses Treffen angeht, ist mir kein Termin bekannt, den ich Ihnen nennen könnte.

Was den Sitzplatz betrifft, ist das, glaube ich, nicht die Zuständigkeit der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Würden Sie es denn begrüßen, wenn das OLG München dem türkischen Botschafter einen Sitzplatz einräumen würde? Oder hat die Bundesregierung dazu keine Position?

SRS Streiter: Ich glaube, es ist völlig egal, ob die Bundesregierung das begrüßt oder nicht. Entweder hat er einen oder er hat keinen. Was soll ich dazu jetzt sagen?

Teschke: Ich sehe die Zuständigkeit allein bei der bayerischen Justiz. Insofern muss das zuständige bayerische Gericht dafür sorgen, dass es für alle die Möglichkeit gibt, daran teilzunehmen.

Peschke: Das sehen wir ganz genauso. Soweit wir wissen, gibt es da bereits direkte Kontakte, sodass wir optimistisch sind, dass am Ende Lösungen gefunden werden, die für alle Seiten gute Lösungen sind.

Frage: Meine Frage richtet sich - ich nehme an - an das Familienministerium: Herr Steegmans, gibt es schon Arbeiten an der Umsetzung der Karlsruher Entscheidung zum sukzessiven Adoptionsrecht für Homo-Ehen? Haben Sie schon angefangen, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, oder gibt es dafür einen Zeitplan?

Steegmans: Das müssten die Kollegen vom BMJ beantworten, weil sie in der Frage federführend sind.

Zusatzfrage: Dann stelle ich doch einfach die Frage an das Justizministerium.

Zimmermann: Die Bundesjustizministerium hat ja bereits relativ kurz nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 19. Februar bekannt gegeben, dass im Bundesjustizministerium ein Gesetzentwurf in der Schublade ist. Die Frage, wie mit diesem Thema weiter umgegangen wird, wird ja aktuell noch diskutiert. Wie es dann weitergeht, werden wir, denke ich, bald sehen. Jedenfalls scheitert es bei uns im Haus nicht an der Umsetzung.

Zusatzfrage: Dann muss ich die Frage an Herrn Streiter weiterleiten: Gibt es schon einen Zeitplan, den das Bundeskanzleramt oder die Bundeskanzlerin im Kopf haben, wann das ins Kabinett kommt oder wie man das bearbeiten wird?

Die andere, zusätzlich gestellte Frage: Wird man noch das für den Sommer erwartete Ergebnis, was die steuerliche Gleichstellung angeht, abwarten, bevor man umsetzungstechnisch tätig wird?

SRS Streiter: Den Auskünften, die Sie bisher gehört haben, können Sie schwerlich entnehmen, dass man jetzt schon prognostizieren kann, wann das ins Kabinett kommt.

Zusatzfrage: Also es gibt bei Ihnen noch nicht - -

SRS Streiter: Nein.

Zusatzfrage: Auch nicht die Festlegung, dass man erst noch das weitere Urteil abwarten möchte?

SRS Streiter: Das eine hat mit dem anderen ja nichts zu tun. Inhaltlich hat es zwar schon etwas miteinander zu tun, aber im Ablauf nicht. Das eine ist ein Urteil, das jetzt umgesetzt werden muss. Das andere ist ein Urteil, das es noch gar nicht gibt.

Zusatzfrage: Aber es gibt noch keine konkreten Schritte zur Umsetzung?

SRS Streiter: Nein.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium: Es geht um das IT-Sicherheitsgesetz. Gibt es da einen Zeitplan, und wie sieht er aus?

Daran schließt sich die Frage an: Wie verhält sich das zur EU-Ebene, wo etwas Ähnliches geplant ist beziehungsweise wo es etwas Ähnliches gibt?

Teschke: Genau, es gibt den Gesetzentwurf aus unserem Hause zum IT-Sicherheitsgesetz. Wir freuen uns, dass das Wirtschaftsministerium die Bedenken, die es zunächst noch hatte, was die Länderbeteiligung und die Verbändebeteiligung angeht, ausgeräumt hat, sodass die Verbändebeteiligung nach der CeBIT - da gab es jetzt diese Vereinbarung mit dem BMWi - aufgenommen wird. Die Frist läuft bis zum 5. April. So lange will man die Verbände anhören und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu äußern. Dann wird man sehen, wie der Verfahrensprozess fortgesetzt werden kann.

Was Ihre Frage zur EU-Ebene angeht: Wir sind zunächst einmal für unseren Gesetzentwurf zuständig. Man wird sehen, welche Richtlinie dann kommt. Diese muss man sich genau ansehen.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Auswärtige Amt im Zusammenhang mit dem Wahlsieger in Kenia. Der Minister hatte sich am Wochenende in dem Sinne geäußert, dass er jetzt eine Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof in Den Haag erwartet. Wie könnte eine solche Zusammenarbeit denn aussehen?

Der zweite Punkt dazu: Erwägen Sie wirtschaftliche Konsequenzen gegenüber dem Land, wenn nicht zusammengearbeitet wird, und was würde passieren, wenn Herr Kenyatta zu einem Auftaktbesuch nach Deutschland käme? Würde er dann quasi verhaftet, oder was würde passieren?

Peschke: Das sind, wie Sie an der mehrfachen Verwendung der Konjunktion "wenn" sehen können, viele hypothetische Fragen.

Ich möchte zunächst einsteigen, indem ich die Worte meines Ministers in Erinnerung rufe, der ja für die Bundesregierung dem kenianischen Volk zu seinem großen Engagement bei dieser Wahl gratuliert hat. Es gab eine präzedenzlos hohe Wahlbeteiligung in Kenia. Es ist in Kenia nicht, wie von einigen befürchtet worden war, wie nach der letzten Wahl zu Unruhen gekommen. Das ist bisher ausgeblieben. Insofern gibt es durchaus Elemente an dieser Wahl, die wir sehr hoch schätzen und die wir als solche sehr respektvoll anerkennen müssen.

Diese Wahl hat zu einem Ergebnis geführt. Dieses Ergebnis soll vom Wahlunterlegenen vor Gericht angefochten werden. Insofern gibt es da noch einen innerkenianischen Prozess, den es abzuwarten gilt, bevor hier eine endgültige Bewertung vorgenommen werden kann.

Ansonsten gibt es gegen Herrn Kenyatta ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Das haben Sie völlig zu Recht erwähnt. Unsere klare Erwartung ist, dass Kenia wie bisher mit internationalen Organisationen zusammenarbeitet und seinen internationalen Verpflichtungen nachkommt. In diesen Zusammenhang gehören natürlich auch die internationalen Verpflichtungen gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof. Es gibt bisher keine Anzeichen, dass das nicht der Fall sein sollte. Insofern habe ich hier keinen Anlass, irgendwelche Verdachtsmomente in den Raum zu stellen. Aber es ist unsere klare Erwartung, dass diese Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen fortgesetzt wird.

Zusatzfrage: Trotzdem noch einmal die Umsetzungsfrage: Wie wird das denn praktisch aussehen? Müsste Herr Kenyatta dann alle zwei Wochen in Den Haag zur Verhandlung kommen? - Das ist einfach eine Sachfrage.

Peschke: Ja, das ist eine Sachfrage, die ich aber sehr schwer hier allein oder überhaupt beantworten kann. Das ist eine Frage, die sich auch an den Strafgerichtshof richtet. Es ist eine Frage, die sich an die möglicherweise zu bildende kenianische Regierung richtet. Noch hat es ja auch keine Vereidigung gegeben. Es gibt ja den Prozess der rechtlichen Anfechtung in Kenia. - Das sind Dinge, die dann ganz praktisch gesehen werden müssen.

Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten: Einmal haben sich die Kenianer in einer doch sehr engagiert und zum Glück friedlich geführten Wahl für ein neues Führungsteam entschieden. Sie haben nicht nur für den Präsidenten und Vizepräsidenten, sondern auch für Gouverneure, Frauenvertreter und Lokalvertreter gestimmt. Es hat eine präzedenzlos komplizierte Wahl auf Grundlage einer neuen Verfassung stattgefunden. Jetzt stehen alle Vertreter, die auf Grundlage dieser neuen Verfassung in dieser komplizierten Wahl gewählt wurden, in der großen Verantwortung, Kenia, das ja die größte Volkswirtschaft Zentral- und Ostafrikas und auch für uns sehr wichtiges Land in Ostafrika ist, in eine gute Zukunft zu führen. - Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass Kenia natürlich internationale Verpflichtungen hat, dass es ein Verfahren gibt, das vor dem Internationalen Strafgerichtshof anhängt und dass den Notwendigkeiten dieser Verpflichtungen Rechnung getragen werden muss. Aber auch da gilt es natürlich den weiteren Verlauf und die konkreten Notwendigkeiten abzuwarten. Sie wissen, dass die Verfahrenseröffnung beziehungsweise weiteren Anhörungen in den Mai beziehungsweise Juli verschoben wurden. Es liegt natürlich in der Zuständigkeit des Strafgerichtshofs und der entsprechenden Behörden, das weitere Verfahren festzulegen und so zu definieren, dass es handhabbar ist.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 11. März 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/03/2013-03-11-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2013