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PRESSEKONFERENZ/589: Regierungspressekonferenz vom 22. April 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 22. April 2013
Regierungspressekonferenz vom 22. April 2013



Themen: Selbstanzeige von Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung, deutsch-schweizerisches Steuerabkommen, Strompreisbremse, Diskussion um zweite Amtszeit von BM Schröder, EU-Richtlinie gegen Menschenhandel, Forderung nach Rücktritt BM von der Leyen, Videoüberwachung und - aufzeichnung an öffentlichen Plätzen, zweite Amtszeit des italienischen Staatspräsidenten Napolitano, Rüge des UN-Antirassismusausschusses wegen Äußerungen des ehemaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin, Drohung der Taliban bei Verbleib deutscher Truppen in Afghanistan nach 2014, Hungerstreik von Inhaftierten im Gefangenenlanger Guantánamo

Sprecher: StS Seibert, Kotthaus (BMF), Maaß (BMU), Schlienkamp (BMWi), Steegmans (BMFSFJ), Albin (BMJ), Kutt (BMI), Flosdorff (BMAS), Schäfer (AA)

Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Eine Frage an Herrn Kotthaus vom Finanzministerium: Die Opposition hat an dem Fall Hoeneß noch einmal die Kritik am deutsch-schweizerischen Steuerabkommen festgemacht. Sehen Sie die Kritik als berechtigt an, dass das deutsch-schweizerische Steuerabkommen Steuersündern beziehungsweise Steuerhinterziehern, die ihr Geld in der Schweiz angelegt haben, ein zu leichtes Schlupfloch geboten hätte, wie jetzt der Fall Hoeneß zeigt?

Kotthaus: Ich weiß nicht, wie oft wir in dieser Runde die Vorteile des deutsch-schweizerischen Steuerabkommen schon diskutiert haben, aber ich bin gerne bereit, sie noch einmal darzulegen.

Zusatz: Es geht jetzt mehr um die Nachteile.

Kotthaus: Nein, ich nenne die Vorteile - es geht um die Vorteile. Denn wir dürfen nicht vergessen, welche Vorteile wir mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen gehabt hätten:

Wir hätten erstens alle - wirklich alle - deutschen Steuerpflichtigen mit Guthaben in der Schweiz für die Zukunft vollkommen gleich behandelt gehabt wie in Deutschland. Das heißt, von allen deutschen Steuerpflichtigen in der Schweiz wären die Steuern in der gleichen Art und Weise wie in Deutschland eingezogen worden, was die Kapitalertragssteuer oder die Abgeltungssteuer betrifft. Wie hätten also sichergestellt gehabt, dass alle ihren fairen Anteil an der Steuerlast getragen hätten, egal, ob sie Konten in der Schweiz oder in Deutschland gehabt hätten.

Zweitens. Wir hätten mit dem Abkommen sichergestellt, dass wir eine pauschale Versteuerung gehabt hätten, mit der sichergestellt worden wäre, dass all die Forderungen, die in der Vergangenheit fällig geworden sind, pauschal abgegolten worden wären. Wir dürfen dabei eine Sache nicht vergessen: Diese Steuer hätte sich auf das Kapital als solches bezogen und nicht nur auf die Kapitalgewinne, das heißt, sie wäre in der weit überwiegenden Zahl der Fälle deutlich höher ausgefallen, als wenn diejenigen damals ihre Steuern richtigerweise versteuert hätten. Deswegen gab es ja auch, als es noch nicht klar war, ob das Steuerabkommen kommen würde oder nicht, zahlreiche Hinweise von Steuerberatern, man solle besser den Weg einer strafbefreienden Selbstanzeige wählen, damit man weniger Steuern zahlen muss, als über das Abkommen erforderlich wäre. Und wie gesagt: Die Summe, die da zu erwarten gewesen wäre, wäre durchaus beträchtlich gewesen. Sie dürfen nicht vergessen: Die Schweizer Banken haben als Vorabzahlung - sozusagen nur als Abschlag - in dem Abkommen schon einmal fest vereinbart gehabt, 2 Milliarden Schweizer Franken zu überweisen - nur als Abschlag. Das heißt, wir hätten sicherlich mehr zu erwarten gehabt.

Drittens hätte dieses Abkommen auch sichergestellt, dass wir durch eine sehr einfache Abfrage stichprobenartig hätten hinterfragen können: Wer hat denn vielleicht noch ein Konto in der Schweiz? Das heißt also: Ein jeder, der gemeint hätte, sich irgendwie verstecken zu können, wäre durch die Möglichkeit einer sehr einfachen Abfrage, die über die Möglichkeiten der OECD-Abfragen deutlich hinausgeht, das Risiko eingegangen, abgefragt zu werden. Auch das war in dem Abkommen enthalten.

Außerdem darf man eines auch nicht vergessen, was gerne immer kurz geschlossen wird: Die hinter den Geldern liegenden Straftaten - wie zum Beispiel Betrug oder andere Straftaten mehr - wären ja von einer pauschalen Versteuerung überhaupt nicht betroffen gewesen; die pauschale Besteuerung hätte sich nur auf die Frage der Steuerhinterziehung bezogen. Das ist aber der gleiche Fall wie bei einer strafbefreienden Selbstanzeige, die normalerweise auch mit dem üblichen Steuergeheimnis passiert und die normalerweise auch anonym bleibt.

Langer Rede kurzer Sinn: Mit dem Abkommen hätten wir es eben gewährleistet gehabt, dass alle - alle - Steuerpflichtigen ihren Anteil für die Vergangenheit und für die Zukunft hätten leisten müssen. Dadurch, dass das Steuerabkommen nicht zustande gekommen ist, ist die Frage für die Vergangenheit leider negativ gelöst. Das heißt also, die Verjährung tritt ein und jedes Jahr verjähren hunderte Millionen Euro an Steuerforderungen und sind weg. Vermutlich wird es eine Regelung für die Vergangenheit, wie wir sie mit der Schweiz ausgehandelt hatten, so schnell auch nicht wieder geben können; also sind uns vermutlich durch die Blockade einige Milliarden Euro entgangen.

Insofern kann ich weiterhin nicht erkennen, warum Einzelfälle - den Einzelfall, um den es jetzt geht, kann ich hier nicht kommentieren; Ihnen dürfte klar sein, dass das Finanzministerium qua Amt so ziemlich der schlechteste Ansprechpartner ist, um Einzelfälle zu kommentieren, und das werde ich auch nicht tun - die Logik und die Sinnhaftigkeit des Steuerabkommens mit der Schweiz, das ja leider gescheitert ist, hinterfragen. Es wäre uns mit diesem Abkommen eben nicht nur gelungen, den einzelnen Fisch zu fangen, sondern den ganzen Schwarm im Netz zu haben. Daher wäre es eine richtige Lösung gewesen.

Zusatzfrage: So, wie Sie es jetzt beschrieben haben, ist doch die Behauptung von Herrn Hoeneß, dass er auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen gebaut hat und erst, als das nicht kam, die Selbstanzeige gemacht hat, wenig glaubhaft, weil er ja unter dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen, so wie Sie es beschrieben haben, letztlich mehr hätte zahlen müssen als jetzt.

Kotthaus: Ich werde auch um fünf Ecken herum Einzelfälle nicht kommentieren. Weder weiß ich, was wer wann wo wie gesagt hat, noch werde ich es kommentieren. Ich kann jetzt, ganz abstrakt besprochen, nicht beurteilen, ob einzelne Personen es für weniger einschneidend empfinden, eine Selbstanzeige zu machen oder eben sehr viel höher versteuert zu werden. Das kann ich nicht beurteilen - wie ich schon einmal gesagt habe: Ich bin kein Psychologe von Steuerhinterziehern. Aber noch einmal: Das Steuerabkommen als solches hat eine große Logik gehabt. Es hätte substanzielle Gelder in die Kassen von Gemeinden, Ländern und Bund gespült, und das ist jetzt erst einmal hinfällig.

Nichtdestotrotz darf man auch nicht vergessen: Wir haben seitdem ja nicht die Hände in den Schoß gelegt. Das Thema Steuerhinterziehung - auch das Thema Steuerverschiebung oder Steuerreduzierung - ist bei uns ja gerade sehr hoch auf der Agenda. Sie finden ja auch Hinweise dazu, dass wir am Thema verstärkte internationale Zusammenarbeit arbeiten und dass wir am Thema verstärkter internationaler Informationsaustausch automatischer Art arbeiten. Wir haben es sogar geschafft, diese Themen in die Statements der Frühjahrstagungen in Washington hineinzubekommen; auch das ist ein neuer Aspekt. Wir haben die Initiative der Mitgliedstaaten innerhalb der EU, dass wir die Zinsrichtlinie inhaltlich als auch territorial erweitern. Das ist ein Thema, das bei uns ganz hoch auf der Agenda ist. Wo immer wir es können, sind wir dabei - und dabei sind wir sehr aktiv und bis jetzt eigentlich auch sehr erfolgreich -, dieses Thema offensiv anzugehen. Deswegen kann ich nicht erkennen, dass an der Logik dieses Handelns etwas falsch sein könnte.

Frage: Herr Staatssekretär, die Bundeskanzlerin pflegt ja sehr enge, man könnte fast sagen freundschaftliche Kontakte zu Herrn Hoeneß. Erste Frage: Ist sie jetzt persönlich von seinem Verhalten enttäuscht?

Zweite Frage: Sieht sie Anlass für einen allgemeinen Appell an die besonders Vermögenden - vielleicht auch die besonders prominenten Vermögenden - in Deutschland, um sie noch einmal auf die staatsbürgerliche Pflicht hinzuweisen, mit ihren Steuergeldern zu diesem Gemeinwesen beizutragen?

StS Seibert: Es bedarf keines Appells, die Gesetze einzuhalten, denn jedem steht vor Augen, was ihm passieren kann, wenn er die Gesetze nicht einhält. Das wird sich nun ja möglicherweise auch in diesem Fall beweisen. Steuerhinterziehung ist ohne jeden Zweifel ein schweres Delikt, und es kann keine Rechtfertigung für Steuerhinterziehung geben.

Viele Menschen in Deutschland sind jetzt enttäuscht von Uli Hoeneß - die Bundeskanzlerin zählt auch zu diesen Menschen. Die Enttäuschung ist natürlich bei jemandem, der auch für so viel Positives steht, umso größer. Uli Hoeneß engagiert sich immer wieder über den Fußball hinaus, er bringt sich beispielsweise stark für das große gesellschaftliche Anliegen der Integration ein. Ich erinnere daran, dass die erste Fußball-Bundesliga im letzten Jahr einen ganzen Spieltag in den Dienst der Aktion "Geh' Deinen Weg" für Integrationsprojekte stellte. Diese Verdienste bleiben natürlich, aber es ist jetzt durch die Tatsache der Selbstanzeige wegen Steuerbetruges eine andere, traurige Facette hinzugekommen.

Was das deutsch-schweizerische Steuerabkommen betrifft - diesen sehr vernünftigen Versuch, eine systematische Lösung zu finden, wo jetzt nur der Zufall herrscht -, hat Herr Kotthaus für das Finanzministerium wirklich alles gesagt. Die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin bleibt davon überzeugt: Wir brauchen ein solches Steuerabkommen mit der Schweiz, so wie es die Schweiz auch mit anderen Ländern geschlossen hat. Alles spricht für diese systematische, lückenlose Lösung, und eines Tages wird ein solches Abkommen auch kommen.

Frage: Herr Kotthaus, mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen wäre ja der Name Hoeneß überhaupt nicht aufgetaucht, ist das richtig?

Zweitens. Wann ist eine Selbstanzeige - ohne jetzt auf den konkreten Fall, den Sie wahrscheinlich nicht ansprechen wollen, einzugehen - wirklich strafbefreiend?

Kotthaus: Mit dem Steuerabkommen hätte es ja - wenn es gekommen wäre - zwei Möglichkeiten gegeben. Die erste Möglichkeit wäre gewesen, dass die Schweizer Banken ihre Kunden aufgefordert hätten, nachzuweisen, dass sie die Sachen versteuert haben. Die zweite Möglichkeit wäre gewesen, das durch eine strafbefreiende Selbstanzeige zu machen, die per se - da wir in Deutschland ein Steuergeheimnis haben - genauso wenig öffentlich geworden wäre wie die pauschale Nachversteuerung. Wir haben in Deutschland das Steuergeheimnis, deswegen sind Ihre Steuerangelegenheiten erst einmal eine Angelegenheit zwischen Ihnen und dem Finanzamt. Auch wenn Sie eine strafbefreiende Selbstanzeige stellen, ist das erst einmal eine Angelegenheit zwischen Ihnen und dem Finanzamt. Vom Grad der Außenwirkung ist das also hochkompatibel.

Zu Ihrer zweiten Frage: Das kommt immer auf den Einzelfall an. Im Wesentlichen ist das Kriterium, das in dem Fall relevant ist, das Entdeckt-Werden. Die Frage ist also: Ist man tatsächlich mit einer strafbefreienden Selbstanzeige schon vor den Ermittlern tätig, oder ist es so, dass die prinzipiell schon alles wissen - oder vieles wissen oder Kenntnis haben - und damit das strafbefreiende Moment hinfällig wäre? Das ist wirklich eine Bewertung, die in jedem Fall einzeln sorgfältig gemacht werden muss. Da gibt es verschiedene Fragen, zum Beispiel: Welcher Art sind zum Beispiel Daten auf irgendwelchen CDs, wie lesbar ist das? Das kommt wirklich auf den Einzelfall an. Der Einzelfall wiederum wird von der jeweils zuständigen Finanzbehörde beziehungsweise, wenn es an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden ist, von der Staatsanwaltschaft beurteilt werden. Da kann man keine generellen Aussagen zu machen. Das Kriterium ist die Frage des Entdeckt-Seins.

StS Seibert: Es ist auf jeden Fall so - daran möchte ich erinnern -, dass es diese Bundesregierung war, die im Jahre 2011 mit dem sogenannten Schwarzgeld-Bekämpfungsgesetz die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige deutlich verschärft hat.

Kotthaus: Und zwar verschärft hat in der Form - wenn ich das noch ergänzen darf -, dass nur dann eine Strafanzeige tatsächlich strafbefreiend ist, wenn sie vollständig ist, was die jeweilige Steuer betrifft. Wenn Sie also nur sagen "Von 20.000 Euro Einkommensteuer gebe ich jetzt einmal 10.000 Euro an", dann ist das nicht strafbefreiend. Das gilt nebenbei auch für die pauschale Versteuerung: Wenn bei diesem Abkommen nicht alles durch die pauschale Versteuerung nachversteuert worden wäre, dann wäre das auch hinfällig gewesen, was Strafbarkeitsansprüche und Ähnliches mehr betroffen hätte.

Frage: Herr Kotthaus, haben Sie Erkenntnisse, wie viele strafbefreiende Steuerselbstanzeigen seit Scheitern des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens gestellt wurden beziehungsweise wissen Sie, ob die Zahl der Selbstanzeigen seit Dezember angestiegen ist oder nicht?

Kotthaus: Ich kann Ihnen das nicht mitteilen, denn die Zuständigkeiten dafür liegen in den Bundesländern. Es gibt kein zentrales Sammeln der Anzeigenzahlen, die an uns gemeldet würden. Insofern kann ich Ihnen diese Auskunft leider nicht bieten. Wie gesagt - um es ganz klar zu machen -: Die gesamte Steueradministration, das Verfolgen von Straftaten im Steuerbereich, von Steuerhinterziehung, und die Umsetzung der Verfahren, das ist alles Ländersache. Ich will mich davor nicht drücken, aber es ist eben nach der grundsätzlichen Ordnung so geregelt, dass das bei den Ländern liegt.

Frage: Herr Kotthaus, im Zuge der letzten Debatten gab es ja - ich glaube, inzwischen von allen Parteien - die Forderung nach einem Steuerfahndungs-FBI oder so etwas, also nach einer bundeszentralen Sondereinheit. Gibt es irgendjemanden in der Bundesregierung, der politische Initiativen zum Zwecke einer zentralisierten, die Länder unterstützenden "FBI-ähnlichen" Gruppierung angestellt hat, oder ist es bei den politischen Forderungen geblieben?

Zweite Frage: Hat die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige eine Art von Ewigkeitsgarantie, oder kann sich der Finanzminister Bedingungen vorstellen, die dieses Sonderinstrument in absehbarerer Zeit ad acta legen lassen? Muss es also ewig die Möglichkeit der Amnestie durch Selbstanzeige im Steuerstrafrecht geben?

Kotthaus: Ich bin immer etwas zögerlich bei dem Wort "Ewigkeit" - ewig ist verdammt lang. Ich glaube aber, das ist ein bewährtes Instrument im Bereich des Steuerrechtes und auch des Steuerstrafrechtes. Ich kann momentan in Deutschland keine Bewegung erkennen, dass dieses Instrument, so wie es jetzt durch die Koalition verschärft wurde, hinterfragt wird. Dabei möchte ich es einmal bewenden lassen. Mit dem Begriff "ewig" kann ich immer wenig anfangen.

Zweitens: FBI. Auch da muss ich noch einmal kurz etwas ausholen. Das Kernproblem bei dem Thema Steuerhinterziehung über Konten im Ausland ist nicht die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Das Kernproblem beim Thema Steuerhinterziehung durch Konten im Ausland ist der mangelnde Informationsaustausch mit Drittstaaten. Deswegen ist unser Ansatz ganz klar und eindeutig - und das ist auch sehr erfolgreich, weil wir dabei gerade ein echtes Momentum entwickelt haben -, dieses Thema zu verstärken, zu vertiefen und nach vorne zu treiben. Das fängt an bei der Initiative der sechs großen Staaten in Europa, denen sich mittlerweile weitere Staaten angeschlossen haben, den automatischen Informationsaustausch innerhalb der EU sowohl geografisch zu erweitern - auch die Luxemburger haben gesagt, dass sie daran teilnehmen wollen - als auch zu verbreitern, was die Inhalte betrifft - also weg von der reinen Zinsrichtlinie und hin zu allen erdenklichen Kapitalerträgen, die darin angewendet werden wollen. Das hat damit zu tun, dass diese Bundesregierung mit anderen Staaten fast 40 Abkommen zum Informationsaustausch in Steuerfragen geschlossen hat, und das hat damit zu tun, dass wir dieses Thema, wie ich gerade schon gesagt habe, auch im Rahmen der G20 und der Frühja hrstagung in Washington besprochen haben und es auch in den Kommuniqués auftaucht - auch ein neuer Schritt von uns. Ich glaube, da muss der Schwerpunkt liegen; denn die Frage der Bund-Länder-Koordinierung ist nicht das Hauptproblem und nicht der Kern der Probleme bei der Verfolgung.

Wenn es vonseiten der Länder, die nach dem Grundgesetz die zuständigen sind - wie ich vorhin schon zu erklären versucht habe - Anstalten gibt, den Bund in eine stärkere Koordinierungsrolle hineinzunehmen: Sehr gern. Wir dürfen uns aber nicht vertun und denken, dass das das Hauptproblem wäre. Das Hauptproblem ist der Austausch mit Drittstaaten. Daran arbeiten wir sehr intensiv.

Frage: Herr Kotthaus, ich habe noch eine Nachfrage zu der Frage, wie die Situation mit und ohne Steuerabkommen gewesen wäre. Wenn ich das richtig verstanden habe, wäre bei der strafbefreienden Selbstanzeige sozusagen nur die Steuerstraftat straffrei, alle anderen, damit verbundenen Sachen - wie Untreue oder Betrug - würden aber trotzdem verfolgt. Unter dem Steuerabkommen würde das Geld aber doch direkt von den Banken nach Deutschland überwiesen, und Sie würden gar nicht erfahren, um wen es geht. Wie würden Sie denn überhaupt Ermittlungen wegen Betrug oder wegen Urkundenfälschung einleiten können, wenn Sie nur eine anonyme Summe bekommen und keinen Namen?

Kotthaus: Das sind Fragen, die man an die Ermittlungsbehörden stellen müsste. Aber nichtsdestotrotz: Was die Strafbarkeit von Straftaten betrifft, die hinter den Geldern stehen, so wäre das die gleiche Wirkung - vollkommen die gleiche Wirkung - wie bei der strafbefreienden Selbstanzeige gewesen. Richtig ist aber: Die Gelder aus dem Abkommen würden anonym überwiesen werden. Nichtsdestotrotz: Die Strafbarkeit wäre vollkommen gegeben. Und noch einmal: Wir hätten in dem Abkommen eben die Möglichkeit gehabt, sehr einfach - und zwar sehr viel einfacher, als das nach den heutigen Möglichkeiten gegeben ist - stichprobenartig abzufragen: Wer hat eigentlich welches Konto in der Schweiz? Das wäre unter den Voraussetzungen des Abkommens leichter, einfacher, schneller gewesen, und dadurch hätte das Damoklesschwert der Entdeckung eben auch weiterhin über jedem Steuerhinterzieher geschwebt.

Zusatzfrage: Hätten Sie also nach dem Schweizer Steuerabkommen nicht gewusst, dass es um Herrn Hoeneß geht - das hätten die Behörden nicht erfahren -, und hätten Sie deswegen auch nicht ermitteln können, wie das Geld dorthin gekommen ist, wo vielleicht etwas abgeflossen ist usw.?

Kotthaus: Die Banken hätten jedem Kunden gesagt: Du hast zwei Möglichkeiten - entweder, du machst eine Selbstanzeige und weist uns das nach, oder aber, wir versteuern die Summe nach dem Steuerabkommen, und das wäre normalerweise sehr viel mehr als bei einer Nachversteuerung gewesen.

Frage: Herr Seibert, Herr Kotthaus, in Zusammenhang mit der Schuldenkrise insbesondere südeuropäischer Staaten spielte der Appell an die Steuerehrlichkeit in diesen Länder - ich denke jetzt an Griechenland - eine herausgehobene Rolle. Würden Sie sagen, dass spektakuläre Fälle wie dieser auch dazu geeignet seien, die deutsche Position innerhalb dieser Verhandlung über die Eurokrise zu schwächen?

StS Seibert: Ich würde das jetzt wirklich nicht bis zu diesem gesamteuropäischen Rahmen hochreden. Ich glaube, es ist doch offensichtlich, dass wir es hierbei mit einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung oder Steuerbetrugs zu tun haben. Das wird nun von der Justiz ermittelt und letztlich auch behandelt werden müssen. Jeder wird sehen können, dass es dafür in Deutschland ganz klare Regelungen und ganz klare Strafen gibt, und zwar empfindliche, nicht geringe Strafen. Das ist, glaube ich, alles, was dazu zu sagen ist. Man muss das jetzt nicht gleich zu einer europapolitischen Sache hochreden.

Kotthaus: Das Einzige, das mir in diesem Zusammenhang einfällt, ist, dass die Kommission den Griechen geraten hatte, ein Steuerabkommen mit der Schweiz zu schließen - so, wie es Deutschland getan hat -, und zwar aufgrund der Effizienz, der Vollständigkeit und der Sicherstellung dessen, dass die geschuldeten Steuerzahlungen geleistet werden; das darf man nicht vergessen. Man darf auch nicht vergessen, dass es andere Staaten gibt, die das Abkommen mit der Schweiz geschlossen haben und daraus auch schöne Einkommen haben. Das ist auch ein Punkt, den man sich zumindest einmal überlegen sollte.

Frage: Herr Seibert, gehörte Herr Hoeneß zu den Persönlichkeiten, deren Rat der Bundesregierung wichtig war? Hat Herr Hoeneß der Bundesregierung auch dazu geraten, dass Schweizer Steuerabkommen so umzusetzen?

StS Seibert: Herr Hoeneß gehört nicht zum Beraterkreis der Bundesregierung in Steuerfragen, nicht vorher und nicht nachher. Die Bundeskanzlerin - ich habe das gesagt - hat viel Respekt für das, was Herr Hoeneß auch abseits des Fußballplatzes und abseits des FC Bayern geleistet hat. Konkreten Kontakt gab es im vergangenen Jahr, als die Bundeskanzlerin Schirmherrin der Aktion "Geh deinen Weg" war, mit der anlässlich eines Bundesligaspieltags für Integrationsprojekte geworben wurde. Damals hat sich Uli Hoeneß - zusammen mit beispielsweise Herrn Rauball - sehr stark dafür eingesetzt, dass sich die Bundesliga, die Sponsoren und die Vereine ganz in den Dienst dieser Sache stellen. Das war ein positiver und guter Kontakt.

Frage: Ich habe noch nicht genau verstanden, Herr Kotthaus, was Sie so sicher macht, dass bei der Selbstanzeige ein niedrigerer Steuersatz als beim deutsch-schweizerischen Steuerabkommen angefallen wäre. Mit der Selbstanzeige gibt es ja keinen fixen Prozentsatz, der dann im Nachhinein als Strafe fällig wird.

Kotthaus: Erstens habe ich "in den meisten Fällen" und nicht "immer" gesagt. Zweitens: Bei der Selbstanzeige zahlt man die Steuern, die fällig geworden wären, plus 6 Prozent Zinsen. Das muss man nachversteuern. Je nach der Höhe kommt manchmal auch noch ein Aufschlag von weiteren 5 Prozent hinzu.

Bei dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen hätte man die Steuern auf das Kapital entrichtet, und zwar bis zu 40 Prozent. Deswegen wäre es in den meisten Fällen - ich sage nicht "in allen Fällen", aber "in den meisten Fällen", da die Kapitalertragsteuer die Kapitalerträge normalerweise deutlich übersteigt - zu höheren Abgaben gekommen, als wenn man das normal nachversteuert hätte.

Dies ist jetzt keine Bewertung von mir allein. Wenn Sie sich einmal die Literatur durchlesen, die im Zusammenhang mit dem Vorlauf zum deutsch-schweizerischen Steuerabkommen aufkam, sehen Sie eindeutig: Es ist besser, eine Selbstanzeige zu machen, als auf das Abkommen zu warten. Das wird teurer!

Wie gesagt, und viele haben das übersehen: Die Kapitalertragsteuer bezieht sich auf die Erträge. Man zahlt Steuern auf die Erträge. Wenn man 100 Euro hat, wenn man 5 Euro an Erträgen hat, und wenn man dann darauf Steuern zu zahlen hat, dann ist das eben dramatisch weniger, als wenn man 40 Prozent Steuern für die 100 Euro zahlen müsste, um es einmal ganz platt auszudrücken. Daher diese Aussage.

Aber ich gebe gerne zu: Das wäre nicht in jedem Fall so gewesen. Es kommt darauf an, wie lange das Geld wo lag. Es kommt auf den Kapitalertragsteuersatz und Ähnliches mehr an. Aber in den meisten Fällen wären die Erträge beziehungsweise die Abgaben über das Abkommen höher gewesen, als wenn nachversteuert wird.

Frage: Herr Seibert, möchte die Bundeskanzlerin derzeit in der Öffentlichkeit noch mit Herrn Hoeneß erwischt werden, zum Kaffeetrinken oder zum Meinungsaustausch, oder würde die Bundeskanzlerin es vorziehen, sich bis zur Klärung der Frage in der Sache nicht mehr mit Herrn Hoeneß zu treffen oder ablichten zu lassen?

StS Seibert: Entschuldigen Sie, aber die Frage stellt sich nicht. Im Terminkalender der Bundeskanzlerin finden sich nämlich keine Termine, die mit Herrn Hoeneß ausgemacht sind.

Zusatzfrage: Auch nicht das Champions-League-Finale?

StS Seibert: Meines Wissens stehen wir vor dem ersten Spiel des Halbfinales.

Kotthaus: Darf ich meine letzte Antwort noch ergänzen? Mir ist etwas eingefallen, das ich vergessen hatte: Es ist ja nicht nur so, dass die Abgabe für den Einzelnen in den meisten Fällen höher gewesen wäre. Vor allen Dingen gilt, und das darf man nie vergessen: Wir hätten alle erwischt! Alle Steuerpflichtigen wären herangezogen worden. So, wie es jetzt ist, haben wir immer nur die Einzelfälle, und das ist das Frustrierende daran. Jeder Einzelfall von Steuerhinterziehung, der aufgedeckt wird und verfolgt wird, ist gut. Aber das sind immer nur Einzelfälle, und mit dem Abkommen hätten wir alle im Netz gehabt.

Frage: Herr Kotthaus, hat es Ihres Wissens nach irgendeinen Anlass gegeben, bei dem Ihr Minister Herrn Hoeneß einmal persönlich, brieflich oder sonst irgendwie Einzelheiten und Regeln des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens erklärt hätte?

Kotthaus: Mir ist keine Begegnung bekannt, weder brieflich noch sonst irgendwie.

Frage: Herr Seibert, ich würde gerne noch einmal hinsichtlich der Frage des Kollegen nachhaken. Sie haben gesagt, im vergangenen Jahr hätte es einen guten Kontakt zwischen der Kanzlerin und Herrn Hoeneß gegeben. Jetzt zähle die Kanzlerin aber zu den Enttäuschten. Insofern würde auch mich interessieren: Wie sehen denn die Konsequenzen dieser Enttäuschung aus?

StS Seibert: Ich denke, die Worte, die ich gesagt habe, sprechen für sich. Viele Menschen sind von Uli Hoeneß und von dem, was sie jetzt über ihn erfahren haben, enttäuscht. Die Bundeskanzlerin gehört zu denen. Ansonsten lassen wir die Justiz jetzt ihren Lauf nehmen, wie es im Rechtsstaat üblich ist.

Frage: Heißt das in der Schlussfolgerung, dass die Frau Bundeskanzlerin Herrn Hoeneß bis dahin nicht mehr zu treffen versuchen wird?

StS Seibert: Ich habe zu der Frage von Terminen und Verabredungen das gesagt, was ich zu sagen habe. Schließen Sie daraus, was Sie mögen.

Zusatzfrage: Ich frage Sie: Wird die Bundeskanzlerin versuchen, Herrn Hoeneß in der Öffentlichkeit bis zur juristischen Klärung nicht mehr zu treffen?

StS Seibert: Ich gebe hier freitags immer die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin bekannt. Daran wird man das dann auch ablesen können.

Frage: Zum Thema Strompreisbremse: Am Wochenende gab es Meldungen darüber, dass die nun endgültig vom Tisch sei. Herr Seibert, eigentlich hieß es - Frau Merkel hatte das angekündigt -, dass das ganze Thema jetzt im Kanzleramt weiterverhandelt werden solle und dass im Mai Ergebnisse oder Zwischenergebnisse präsentiert werden sollten. Könnten Sie uns den Grund dafür nennen, dass das jetzt scheitert? Woran scheitert das?

StS Seibert: Die Gespräche des Chefs der Staatskanzleien mit der Bundesregierung haben gezeigt: Ein Konsens über rasch umsetzbar Maßnahmen ist vor der Bundestagswahl nicht mehr zu erreichen. Die Gespräche über eine grundlegende Reform des EEG werden fortgesetzt, und zwar im Rahmen der schon bestehenden Plattform Erneuerbare Energien. Das Ziel bleibt eine grundlegende Reform des EEG nach der Bundestagswahl.

Zusatzfrage: Was ist der Grund dafür, dass es jetzt nicht zu einer Einigung kommen kann?

StS Seibert: Der Grund ist, dass die Gespräche bis dato gezeigt haben, dass es die Basis für einen Konsens noch vor der Bundestagswahl nicht gibt.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Nachfrage, vielleicht sogar auch an das BMU: Gibt es denn eine alternative Überlegungen dazu, wie man verhindern will, dass die Strompreise im Herbst, wenn die EEG-Umlage neu festgelegt werden muss, weiter steigen?

Maaß: Die EEG-Umlage und die Berechnung der EEG-Umlage sind ja gesetzlich festgelegt. Insofern kommt man dabei an einer Gesetzesänderung nicht vorbei, Frau Blanke.

Zusatzfrage: Gibt es also eigentliche im Moment keinen Plan B?

Maaß: Es gibt immer noch Hoffnung. Wir hoffen immer noch, dass sich die politisch Verantwortlichen besonders in den Ländern der Lage bewusst werden - Sie wissen, dass wir, wenn nichts passiert, für den Herbst durchaus einen deutlichen Anstieg der EEG-Umlage erwarten - und vielleicht doch noch zu einer vernünftigen Lösung bereit sind. Insofern hat der Bundesumweltminister am Samstag der "taz" ja auch gesagt, dass er noch Chancen dafür sehe, dass sich die Länder bewegen. Aber ich gebe zu: Die Chancen sind sehr gering. Schauen wir einmal.

Frage: Herr Rösler war ja gegenüber dem Thema der Strompreisbremse ohnehin skeptisch. Fühlen sich das Wirtschaftsministerium oder der Wirtschaftsminister jetzt durch die Absage von weiteren Gesprächen vor Ende der Legislaturperiode in ihrer Haltung bestätigt?

Schlienkamp: Vielen Dank. Ich muss Sie an dieser Stelle korrigieren: Es gab keine Skepsis gegenüber der Strompreisbremse. Dass wir Bedenken hatten - etwa zum Beispiel in Bezug auf Eingriffe in den Bestand -, das ist richtig. Aber es gab keine Skepsis gegenüber der Strompreisbremse. Ganz im Gegenteil ist es so gewesen, dass das Bundesumweltministerium und das Bundeswirtschaftsministerium dazu gemeinsame Vorschläge auf den Tisch gelegt haben.

Ich will vielleicht noch einmal daran erinnern, dass es das Bundeswirtschaftsministerium gewesen ist, das bereits sehr frühzeitig, nämlich im vergangenen Jahr, darauf hingewiesen hat, dass wir bei den erneuerbaren Energien zu Reformen kommen müssen. Insofern ist der jetzige Abbruch der Gespräche aus unserer Sicht natürlich sehr bedauerlich. Wir hätten uns auch gut ein Gesamtpaket vorstellen können, das den Namen Strompreisbremse dann am Ende auch tatsächlich verdient hätte. Sie wissen: Wir sind auch bereit gewesen, gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium zu Zugeständnissen hinsichtlich der Ausnahmen für die Industrie zu kommen. Aber am Ende tragen eben die rot-grün-regierten Länder die Verantwortung für den Abbruch dieser Gespräche. Sie wissen es: Es waren vor allen Dingen die Grünen, die nicht zu Zugeständnissen hinsichtlich der doch üppigen Subventionen für die Strombranche bereit gewesen sind. Dabei ist doch gerade bekannt, dass die derzeitige Förderung der erneuerbaren Energien auch der Hauptkostentreiber für den Strompreis ist.

Das ist also bedauerlich, aber gleichwohl hoffen wir auch, dass es bald vorangehen wird. Denn jedem ist klar, und das sagen die Experten, dass die Strompreise ohne eine Reform auch weiterhin steigen werden.

Frage: Ich habe eine Verständnisfrage zum Verfahren. Ist es eigentlich üblich, dass ein Vorgang, der bei zwei Ministerien lag, dann plötzlich im Kanzleramt entschieden wird?

Schlienkamp: Es ist nicht so gewesen, dass dieser Vorgang bei zwei Ministerien lag, sondern es gibt immer ein federführendes Haus.

Maaß: In dem Moment, wo Sie Staatskanzleien koordinieren müssen, macht das nicht mehr ein Fachressort. Das ist insofern ganz normal.

Frage: Herr Steegmans, es gab Berichte, dass Frau Schröder aus familiären Gründen für keine zweite Amtszeit mehr antreten möchte. Meine Frage: Was sagen Sie dazu? Tritt sie noch einmal an, oder tritt sie nicht noch einmal an?

Steegmans: Wir haben das gestern nicht kommentiert, und wir halten das auch heute so. Einen Tipp gebe ich Ihnen: Bei so einer Geschichte, ist man immer gut beraten, sich zu fragen, welcher Stichwortgeber glaubt, dass ihm so eine Geschichte nützt. Ich empfehle Ihnen, darüber auch einmal nachzudenken.

Zusatzfrage: Können Sie uns bei der Beantwortung der Frage helfen, wem das vielleicht nützt?

Steegmans: Ich bin wahrscheinlich in der Auswahl meiner Krawatten weniger zielgerichtet als in der Auswahl meiner Worte. Wenn ich Ihnen mehr sagen wollte, dann würde ich Ihnen von mir aus mehr sagen und nicht erst auf Nachfrage.

Frage: Nachfrage dazu an Herrn Seibert. Ich hätte gerne gewusst, ob aus Sicht der Bundeskanzlerin Frau Schröder als unverzichtbares Mitglied im neuen Bundeskabinett gilt.

StS Seibert: Sie werden verstehen, dass die Bundeskanzlerin vor einer Bundestagswahl, die ja doch erst einmal bestanden werden muss, sicherlich keinen inneren geistigen Zuschnitt eines neuen Bundeskabinetts vornimmt. Ministerin Schröder ist jemand, mit dem die Bundeskanzlerin sehr gerne zusammenarbeitet. Sie schätzt die Zusammenarbeit. Ministerin Schröder erfüllt die Pflichten ihres Amtes absolut. Sie ist auch heute wieder, glaube ich, in Sachen Kita unterwegs, eines der wichtigsten Projekte ihrer Amtszeit. Insofern gibt es keinen Grund, über ihre weitere Zukunft nachzudenken - nicht in diesem Fall und auch nicht im Falle anderer Minister.

Frage: Ich würde gerne das Thema EU-Richtlinie gegen Menschenhandel aufwerfen und die beiden beteiligten Häuser Justiz und Inneres fragen wollen: Wie ist eigentlich der Stand, nachdem die Frist zur Unterzeichnung dieser Richtlinie - meines Wissens war das der 6. April - ausgelaufen ist? Ich hätte mich gerne einmal auf den neuesten Stand gebracht. Wird unterzeichnet oder nicht? Warum hat es so lange gedauert?

Albin: Als federführendes Ressort fange ich vielleicht an. Es ist üblich, dass wir uns hier in Verhandlungen befinden. Über den Stand den Verhandlungen geben wir über die Bundespressekonferenz keine Auskunft, denn dieses ist internes Regierungshandeln.

Kutt: Ich habe nichts zu ergänzen.

Zusatzfrage: Können Sie uns so nett wie Herr Steegmans wenigstens einen Fingerzeig geben, woran es jetzt noch klemmt? Die Frist ist ja definitiv abgelaufen.

StS Seibert: Wir haben schon eine halbe Regierungspressekonferenz in der letzten Woche mit genau diesem Thema verbracht. Alles, was wir Ihnen sagen können, ist, dass wir in der Bundesregierung auf einem guten Weg sind.

Frage: Eine Frage zum Kabinett. Ich würde gerne Herrn Flosdorff zur Zukunft seiner Ministerin fragen. Die Abgeordnete Steinbach hat gestern und heute nochmals den Rücktritt der Bundesarbeitsministerin gefordert, weil sie das Vertrauen der Fraktion missbraucht habe. Deswegen hätte ich gerne gewusst, ob es bei Ihrer Ministerin irgendwelche Überlegungen gibt, zurückzutreten. Wenn nein, warum nicht?

Flosdorff: Diese Überlegung gibt es nicht. Den Kommentar von Frau Steinbach möchte ich von dieser Stelle aus nicht weiter kommentieren.

Wenn ich schon einmal hier sitze, würde ich gerne die Gelegenheit ergreifen, um hier, bevor sich hier Legenden festsetzen, etwas zu den Tatsachen und Sachverhalten zu sagen.

In der Presse war am Wochenende ja einiges zu lesen. Ich möchte noch einmal erinnern, dass die Berliner Erklärung hier vor der Bundespressekonferenz im Dezember 2011 als parteiübergreifende Initiative vorgestellt worden ist. Zu den Unterzeichnerinnen gehörten auch Abgeordnete des Bundestages, darunter auch Frau von der Leyen und Abgeordnete anderer Parteien. Es hat immer zahlreiche Kontakte unter diesen Parlamentariern gegeben, die sich alle immer wieder und auch im Vorfeld der Abstimmung der vergangenen Woche zum Thema Frauenquote verständigt haben.

Soweit das draußen behauptet wird, möchte ich dem Eindruck energisch widersprechen, dass es sich hier um feste Absprachen gehandelt hat. Hintergrund ist: Zur Abstimmung stand der Hamburger Antrag und nicht etwa die Berliner Erklärung. Insofern ging es bei diesen Kontakten darum, dass man sondiert hat, unter welchen Voraussetzungen sich die größte Schnittmenge der Unterzeichnerinnen der Berliner Erklärung bilden, und zwar parteiübergreifend und je nachdem, welche Anträge im Bundestag zur Wahl stehen. Das war es.

Da das auch in der Presse zu lesen war: Nein, die Bundeskanzlerin hat nichts von möglichen Gruppenanträgen gewusst, die geplant werden, und auch nicht davon, dass man dort Stimmen zählt.

Zu dem Thema Gruppenantrag würde ich gerne auch noch Folgendes sagen: Ja, so ein Gruppenantrag war nach meiner Kenntnis eine Option. Die Quotenbefürworter auf Seiten der Union hatten vorgehabt, mit einem solchen Gruppenantrag auf die Fraktionsführung zuzugehen und um Freigabe zu bitten. Da gab es ja diesen berühmten Termin mit dem Fraktionsvorsitzenden. Ein so parteipolitisch neutraler Antrag, angelehnt an die Berliner Erklärung, hätte es diesen Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern aller Fraktionen möglich gemacht, einem fraktionsübergreifenden Antrag zuzustimmen, ohne dass man mit einem Antrag der Opposition stimmt. Vorbilder dafür gibt es. Beispiel ist zum Beispiel die fraktionsübergreifende Initiative zur Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe im Jahr 1997.

Frau von der Leyen hat am Ende nicht mit ihrer Fraktion abgestimmt. Sie ist froh darüber, dass sie das Ziel, eine feste Frauenquote zu erreichen, mit ihrer Partei nun erreichen kann.

Zusatzfrage: Herr Seibert, ist für die Bundeskanzlerin das Thema damit erledigt? Es ist ja ein relativ ungewöhnlicher Vorgang, dass trotzdem aus der Unionsfraktion offene Rücktrittsforderungen an eine Ministerin kommen. Ist das Vertrauen zu Frau von der Leyen ungebrochen oder nicht?

StS Seibert: Ja, das ist es.

Frage: "Ja, das ist ein ungewöhnliches Verfahren" oder "Ja, das Vertrauen ist ungebrochen"?

StS Seibert: Die Frage, die ich, an mich gerichtet, verstanden habe, war: Ist das Vertrauen ungebrochen?

Zusatz: Ich frage nur, weil das möglicherweise in der Schriftform nicht mehr so eindeutig ist, wie es eben in der Frage war.

StS Seibert: Ja, das Vertrauen ist ungebrochen.

Zusatz: Danke!

Frage: Ich wollte gerne das Thema Videoüberwachung noch einmal ansprechen. Frau Kutt, ich hätte gerne gewusst, was der Minister genau damit meint, wenn er sinngemäß sagt - ich sage es mit meinen Worten -, dass mehr Kameras auch zu mehr Sicherheit führt, beispielsweise auf öffentlichen Plätzen.

Kutt: Bundesinnenminister Friedrich plädiert ja seit Längerem für eine effiziente Videobeobachtung und -aufzeichnung an öffentlichen Plätzen. Mit seiner jüngsten Äußerung ist keine Ausweitung der gesetzlichen Regelungen verbunden. Ziel ist es, im Rahmen der geltenden Regelung alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Was die Verbesserung der Videotechnik angeht, sind wir in sehr konstruktiven Gesprächen mit der Deutschen Bahn.

Ich kann Ihnen gerne auch die aktuellen Zahlen nennen, wie viel Videoüberwachung und -aufzeichnung derzeit besteht: Von 5.700 Bahnhöfen werden derzeit etwa 500 Bahnhöfe videoüberwacht, und an 141 Bahnhöfen davon wird aufgezeichnet. Jetzt geht es darum, mit dem Konzept der Bundespolizei, das auch gerade noch erarbeitet wird, und in Gesprächen mit der Deutschen Bahn Lösungen zu finden, um die Videobeobachtung und -aufzeichnung zu verbessern und auszuweiten.

Zusatzfrage: Es gibt doch den Vorstoß der Deutschen Polizeigewerkschaft, die sagt, man könnte intelligente Personenerkennungssysteme verwenden, die nicht alles aufzeichnen, sondern nur bei verdächtigen Bewegungen, also wenn jemand stürzt etc. Hält das der Minister für sinnvoll? Sollte man in diese Richtung nachdenken?

Kutt: Die Bundespolizei entscheidet, was aufgezeichnet wird. Die Aufzeichnung erfolgt aufgrund einer Gefährdungs- und Kriminalitätsanalyse. Ja, es gibt auch Gesichtserkennung. Aber nach welchen Kriterien das angewandt wird, kann ich Ihnen nicht sagen.

Zusatzfrage: Ich meine nicht die Gesichtserkennung. Es geht um die Personenerkennung. Es geht nicht um Gesichter, sondern um bestimmte Vorgänge. Ich habe mir sagen lassen, dass es so etwas auf Parkplätzen schon gibt. Wenn dort jemand dreimal an der Beifahrerseite vorbeiläuft, macht es "klick" und dann wird aufgezeichnet.

Kutt: Das ist mir nicht bekannt. Es geht schon um eine Verbesserung der Technik insgesamt. Aber inwieweit das dann realisiert werden soll, weiß ich nicht.

Frage: Herr Seibert, Giorgio Napolitano ist wieder als Präsident der Republik Italien gewählt worden. Das ist in einer ganz atypischen Art und Weise passiert. Er war am Anfang kein Kandidat. Er hat die Kandidatur nur akzeptiert, weil die Parteien nicht fähig waren, ein Abkommen zu treffen. Ich möchte gerne wissen, wie die Bundeskanzlerin heute dieses neue Mandat beurteilt. Wie beurteilt sie die schwierige politische Lage in Italien in dieser delikaten Phase der Eurokrise, die besonders Italien trifft? Danke!

StS Seibert: Danke. - Im Vordergrund steht für die Bundeskanzlerin die Hochachtung vor der Person Giorgio Napolitanos, der in Italien über Parteigrenzen hinweg, aber auch international eine hoch angesehene Persönlichkeit ist. In den ersten sieben Jahren als italienischer Staatspräsident hat es immer wieder - fast regelmäßig - Kontakte zwischen der Bundeskanzlerin und ihm gegeben. Zuletzt war er Ende Februar im Rahmen seiner Deutschlandreise im Kanzleramt. Die beiden hatten ein sehr gutes Gespräch.

Grundsätzlich möchte ich nicht mehr sagen, als dass die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin die Entwicklung seit den Wahlen in Italien und den Prozess zur Regierungsbildung mit Aufmerksamkeit und mit großem Interesse verfolgt. Für uns bleibt klar, dass eine entschlossene Konsolidierungspolitik und nachhaltiges Wachstum einander bedingen und dass in diesem Sinne Deutschland immer an der Seite Italiens und der künftigen Regierung - welche auch immer es sein wird - stehen wird.

Frage: Mischt sich in das Interesse der Kanzlerin, mit dem sie die Entwicklung in Italien beobachtet, gerade bei solchen Wahlgängen, wie wir sie jetzt erlebt haben, auch Besorgnis?

StS Seibert: Aufmerksamkeit und Interesse - es ist, wie es ihre Kollegin in ihrer Frage formuliert hat, eine ungewöhnliche und schwierige Situation, in der Italien ist.

Zusatzfrage: Also unbesorgt?

StS Seibert: Ich möchte jetzt keine emotionalen Adjektive hinzufügen.

Frage: Herr Seibert, gibt es aber die Sorge, dass die Situation in Italien eine große Gefahr für die Krise in Europa sein kann? Oder gibt es überhaupt keine Sorge, was das angeht?

StS Seibert: Aufmerksamkeit und Interesse - die verantwortlichen politischen Kräfte in Italien - und ganz sicher an erster Stelle der alte und neue Staatspräsident Napolitano - wissen sehr genau, wie viel für Italien jetzt auf dem Spiel steht, wie wichtig es ist, dass eine handlungsfähige Regierung in Italien das Ruder ergreifen kann.

Frage: Die Kanzlerin hat heute Morgen bei der Buchvorstellung von Herrn Kornelius berichtet, dass sie sich schon gestern Abend mit Donald Tusk getroffen hat. Hat bei dem Treffen auch das Thema Italien eine Rolle gespielt?

StS Seibert: Das war ein privates Abendessen der Ehepaare Merkel-Sauer und Tusk. Ehrlich gesagt kann ich Ihnen nicht wirklich berichten, worum es da ging. Herr Tusk hat bei derselben Buchvorstellung ja verraten, dass man sich auch über Biografisches - Großväter, Herkunft usw. - unterhalten hat.

Frage: Herr Seibert, die Vereinten Nationen haben wegen der Äußerungen von Herrn Sarrazin Deutschland verurteilt und der Bundesrepublik 90 Tage Zeit gegeben, um eine Stellungnahme dazu abzugeben. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung der Vereinten Nationen?

StS Seibert: Die Bundesregierung wird dazu zum gegebenen Zeitpunkt innerhalb der gegebenen Frist eine Stellungnahme abgeben.

Zusatzfrage: Können Sie die Meinung der Bundeskanzlerin dazu mitteilen?

StS Seibert: Diese wird sich auch in der Stellungnahme ausdrücken.

Frage: Frage an das Auswärtige Amt. Waren Sie in das Verfahren, das dieser Entscheidung des UN-Gremiums vorangegangen ist, eingebunden? Hat Sie diese Entscheidung überrascht?

Schäfer: Ich kann, was Herr Seibert gesagt hat, gar nichts hinzufügen und müsste Ihnen gegebenenfalls die Information darüber, ob und in welcher Weise das Auswärtige Amt beteiligt war, nachtragen. Ich gehe davon aus, dass das über die einschlägigen diplomatischen Kanäle gelaufen ist und deshalb das Auswärtige Amt auch beteiligt war.

Frage: Eine Frage zum Thema Afghanistan. Die Taliban haben Deutschland mit Sonderterroroperationen gedroht, sollte es seine Truppen aus Afghanistan nach 2014 nicht abziehen. Ich bitte um eine Stellungnahme der Bundesregierung dazu.

Schäfer: Die Stellungnahme, auf die Sie Bezug nehmen, Herr Towfigh Nia ist mir unbekannt. Deshalb kann ich zu diesen Informationen, die Sie vorgetragen haben, auch nichts sagen.

Die Afghanistan-Politik ist in der letzten Woche angesichts der vom Verteidigungsminister und vom Außenminister erläuterten Haltung der Bundesregierung zur Zukunft des Engagements der Bundesregierung post 2014 ausführlichst erläutert worden. Diese oder andere Aussagen, von wem auch immer, sind nicht geeignet, die Haltung in irgendeiner Weise zu ändern.

Ich kann die Haltung gerne, wenn Sie das mögen, noch einmal darstellen. Ich bin sicher, Herr Dienst kann das für das Verteidigungsministerium in gleicher Weise tun. Das mache ich nur dann, wenn Sie das für erforderlich halten. Es ist ja in der letzten Woche auch in den Medien ausführlichst wiedergegeben worden, wie die Haltung der Bundesregierung jetzt, aber auch post 2014, also nach dem Ende des Kampfeinsatzes der Bundesregierung, ab 2015 sein wird.

Zusatzfrage: Stichwort Guantánamo. Dort befinden sich momentan Dutzende von Insassen aufgrund der Haftbedingungen und aufgrund der Tatsache, dass sie seit Jahren ohne Anklang dort inhaftiert sind, in einem Hungerstreik. Ich hätte gerne eine Stellungnahme der Bundesregierung dazu.

Schäfer: Die Haltung der Bundesregierung zum Lager Guantánamo ist bekannt, ist bekanntermaßen kritisch. Das Thema ist immer wieder Gegenstand auch der sehr vertrauensvollen Gespräche mit der US-amerikanischen Regierung. Der Bundesregierung ist sehr wohl die Haltung des US-amerikanischen Präsidenten zu Guantánamo bekannt. Ich verweise weiter auf die Stellungnahme des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Löning, ohne sie mir auf diese Art und Weise für die Bundesregierung zu eigen zu machen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 22. April 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/04/2013-04-22-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2013