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PRESSEKONFERENZ/648: Regierungspressekonferenz vom 16. August 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 16. August 2013
Regierungspressekonferenz vom 16. August 2013

Themen: Lage in Ägypten/aktualisierter Reisehinweis des Auswärtigen Amtes, neuer iranischer Außenminister, Pressegespräch zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung, Termine der Bundeskanzlerin (Besuch der KZ-Gedenkstätte in Dachau, Kabinettssitzung, Tag der offenen Tür der Bundesregierung), Zeitungsbericht über Haftungsrisiken für Deutschland im Zusammenhang mit der Rettung des Euro, Einsatz von umstrittenem Kühlmittel in Pkw

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Dienst (BMVg), Mänz (BMZ), Toschev (BMWi), Kothé (BMF), Strater (BMVBS)



Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Es sind ja tief erschütternde Berichte, die uns aus Ägypten erreichen - so viel Leid, so viele ausgelöschte Menschenleben.

Die Bundesregierung verurteilt die Gewalt, die in Kairo und anderen Städten nach staatlichen Angaben mehr als 600 Menschen das Leben gekostet hat, auf das Schärfste. Wir rufen alle Seiten entschieden dazu auf - gerade auch heute -, sich friedlich zu verhalten und auf jegliche Gewaltanwendung zu verzichten. Wenn wir - wie in den letzten Tagen - Berichte über Angriffe auf Gotteshäuser hören, dann erfüllt uns das natürlich mit besonders großer Sorge.

Die politische und militärische Führung Ägyptens trägt jetzt gemeinsam mit der Führung der Muslimbrüderschaft große Verantwortung. Weitere Eskalationen würden Ägypten möglicherweise in ein Chaos von Gewalt, Gegengewalt und ständiger Eskalation stürzen. Im Interesse der Menschen und des Landes Ägypten gibt es nur einen vernünftigen Weg - zu dem rufen wir auf -, nämlich zu Gesprächen und zu einem zivilen politischen Prozess zurückzukehren, der inklusiv sein und alle politischen Kräfte einbinden muss.

Das ist also unser ausdrücklicher Appell. Es führt kein vernünftiger Weg an einem friedlichen Ausgleich zwischen den verschiedenen politischen Kräften vorbei.

Peschke: Ich wollte noch etwas zur Sicherheitslage mit Blick auf unseren Reisehinweis ergänzen:

Auf Veranlassung von Außenminister Westerwelle hat heute Vormittag erneut der Krisenstab zu Ägypten getagt. Im Rahmen der Krisenstabssitzung wurde eine weitere Aktualisierung der Reisehinweise beschlossen. Die Reisehinweise, die derzeit online gehen, sind dahingehend aktualisiert, dass aufgrund der aktuellen Lage und der Unvorhersehbarkeit der Entwicklung von Reisen nach Ägypten abgeraten wird. Von Reisen nach Kairo, nach Oberägypten und in das Nildelta wird dringend abgeraten, vor Reisen in den Nord-Sinai und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt. - Das ist die aktuelle Fassung der Reisehinweise.

Dazu möchte ich zwei Bemerkungen anschließen:

Erstens. Außenminister Westerwelle bittet alle deutsche Staatsangehörige, diese Reisehinweise sehr ernst zu nehmen. Sie sollten sie so ernst nehmen, wie sie gemeint sind.

Zweitens. Die weitere Entwicklung in Ägypten ist unvorhersehbar. Die Sicherheitslage ist zugespitzt. Es wird deshalb ständig eine Überarbeitung und Aktualisierung der Reisehinweise geben. Insofern sind alle, die ein Interesse daran haben, aufgerufen, sich ständig aktuell über unsere Reisehinweise informiert zu halten.

Frage: Herr Peschke, gilt diese Reisewarnung jetzt auch für Hurghada?

Peschke: Ja, ich habe das ja vorgetragen. Von Reisen nach ganz Ägypten wird abgeraten.

Eine Teilreisewarnung gibt es weiterhin nur für den Nord-Sinai und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet. Allerdings ist in dem Wort "abraten" der klare Hinweis enthalten, dass, wer auch immer eine Reise nach Ägypten plant, im Moment eher nicht fahren sollte, wenn er nicht muss.

Zusatzfrage: Der Vizegeneralkonsul von Hurghada hat heute in Interviews gesagt, die Lage dort sei absolut ruhig. Er meint, es gebe keine Gründe, jetzt nicht nach Hurghada zu fahren.

Peschke: Es wird immer wieder Stimmen von vor Ort geben. Wir haben ja auch unseren Honorarkonsul vor Ort. Wir werden übrigens auch Botschaftspersonal in alle anderen Reiseorte, sofern sie nicht ohnehin schon vor Ort sind, entsenden, um dort auch präsent zu sein und gegebenenfalls für Anfragen zur Verfügung zu stehen.

Die Lage in Ägypten ist differenziert. Es gibt eine sehr zugespitzte Lage in der Hauptstadt und in anderen größeren Städten des Landes.

Nach jetzigem Stand - Freitagmorgen 11.35 Uhr - müssen wir festhalten, dass sich in den Touristenzentren am Roten Meer die Sicherheitslage derzeit noch anders darstellt. Soweit wir das übersehen können, kann man noch von einer ruhigeren Lage sprechen.

Aber - ich sage es Ihnen ganz offen - die weitere Entwicklung ist unvorhersehbar. Die Entwicklung in Ägypten ist unkalkulierbar. Deswegen ist - mit dem vollen Bewusstsein der Tragweite - für viele Menschen, die eventuell einen Urlaub planen, ausdrücklich für ganz Ägypten der Rat formuliert worden, im Moment nicht zu reisen.

Frage: Herr Peschke, können Sie ein bisschen etwas dazu sagen, welche rechtlichen Auswirkungen so eine Reisewarnung hat? Was bedeutet das für die Reiseveranstalter, für Stornierungen? Müssen jetzt sozusagen alle Reiseveranstalter ihre Reisen absagen? Also was bedeutet das konkret? Können Sie ein bisschen dazu sagen?

Peschke: Wie gesagt: Es ist ein Reisehinweis. - Eine Reisewarnung sprechen wir aus, wenn es eine akute Gefahr für Leib und Leben ist, und zwar zu der Stunde, in der wir sprechen. Eine akute Gefahr für Leib und Leben gibt es in Ägypten, soweit wir das beurteilen können, im Nord-Sinai und im israelisch-ägyptischen Grenzgebiet.

Im Übrigen formulieren wir Reisehinweise, um den Menschen - den Staatsangehörigen, die unsere Reisehinweise lesen - eine Handhabe zu geben, wie sie ihre Reisen planen, was zu beachten ist, was sie lieber unterlassen sollten.

Im Rahmen dieser Reisehinweise raten wir ab. Jetzt rufen wir alle dazu auf, diese Reisehinweise auch tatsächlich zu beachten und ernst zu nehmen. Die Entscheidung, ob eine Reise angetreten wird, liegt natürlich nach wie vor bei jedem selbst. Das ist eine Verantwortung, die jeder am Ende selbst tragen muss. Wir können nur einen klaren Rat formulieren; den haben wir formuliert.

Im Übrigen ist es jetzt eine Frage, die zwischen den potenziell Reisenden und den entsprechenden Unternehmen abgesprochen werden muss. Da sind wir dann auch nicht mehr drin. Das ist dann eine Absprache, die zwischen den Firmen und den individuellen Reisenden erfolgen muss.

Frage: Herr Peschke, wird es ein Treffen der europäischen Außenminister zu Ägypten geben, und wenn ja, wann?

Peschke: Es gibt einen intensiven Abstimmungsprozess zwischen den Europäern und auch darüber hinaus. Außenminister Westerwelle hat gestern Abend noch mit der Hohen Repräsentantin für europäische Außenpolitik, Catherine Ashton, telefoniert. Beide waren der Überzeugung, dass es jetzt ein sehr schnelles europäisches Treffen geben muss. Konkret geplant ist ein Treffen auf Ebene der sicherheitspolitischen Botschafter am kommenden Montag, ein Treffen des PSK. Außenminister Westerwelle ist überdies der Ansicht, dass ein Treffen auf Außenministerebene ebenfalls stattfinden muss, aus unserer Sicht am besten in der ersten Wochenhälfte der nächsten Woche.

Das ist aber eine Frage, die noch nicht endgültig entschieden ist. Wir gehen davon aus, dass es einen engen europäischen Beratungsprozess geben wird. Wann genau die Außenminister zusammenkommen, diese Antwort muss ich Ihnen allerdings noch schuldig bleiben.

Frage: Herr Peschke, haben Sie einen Überblick, wie viele deutsche Staatsbürger sich im Moment in Ägypten befinden?

Zweite Frage. Operieren die Botschaft in Kairo und möglicherweise Konsulate in anderen Großstädten wie gewohnt, oder sind sie auch vorübergehend geschlossen worden? Gibt es solche Pläne?

Peschke: Also die Botschaft operiert. Die Botschaft ist natürlich in einem Sicherheitsmodus erhöhter Wachsamkeit. Das ist ja selbstverständlich. Aber die Botschaft ist tätig.

Wir haben mit Blick auf die Betreuung deutscher Staatsangehörigen in Ägypten - das habe ich ja gerade bereits gesagt -, um auch vor Ort, in den Touristengebieten, einen besseren oder überhaupt einen Service anbieten zu können, die Entscheidung getroffen, Leute in die Gebiete zu schicken, um dort als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, sofern das nicht bereits, wie zum Beispiel mit unserem Honorarkonsul in Hurghada, der Fall ist.

Aber es ist ganz klar: Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Niemand weiß, was heute in Kairo passiert. Herr Seibert hat die politische Erwartung der Bundesregierung, dass es zu keiner weiteren Gewalt kommen darf, ja klar formuliert. Aber wir müssen die Entwicklungen am heutigen Freitag im Zusammenhang mit den Freitagsgebeten und den Protestaufrufen abwarten.

Was die Zahl der Deutschen betrifft, so kann ich Ihnen keine gesicherte Zahl geben, weil sich immer nur ein Teil unserer Landsleute auf der deutschen Liste anmeldet und im Übrigen in Ägypten der größte Teil unserer Staatsangehörigen Urlauber sind. Wir gehen davon aus - das beruht auch auf Zahlen, die wir mit den Reiseveranstaltern ermittelt haben -, dass sich im Moment noch eine fünfstellige Anzahl von Deutschen in Ägypten aufhält.

Frage: Herr Dienst, ich wüsste in dem Zusammenhang gern: Gibt es - und wenn ja, welche - offizielle Kontakte zwischen der Bundeswehr und dem ägyptischen Militär? Falls es sie gibt, ist daran gedacht, sie auszusetzen?

Dann die grundsätzliche Frage - die gleiche an Herrn Seibert: Denkt die Regierung daran, die politischen offiziellen Kontakte in irgendeiner Form vom Verhalten des momentanen ägyptischen Regimes abhängig zu machen?

Dienst: Ob und in welcher Form wir zurzeit militärische Ausbildungshilfe oder Ausrüstungshilfe für Ägypten leisten, kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Das wird zurzeit im Haus erhoben. Sie sind nicht der einzig Anfragende. Da geht auch Genauigkeit vor Schnelligkeit, bevor wir irgendwelche Zahlen offenlegen, die nachher wieder korrigiert werden müssen.

Insofern: Das Thema ist erkannt. Sie sind nicht der einzig Anfragende. Wir arbeiten daran. Wenn wir die entsprechende Antwort haben, dann werden wir sie auch publizieren.

Zusatzfrage: Sie liefern diese Zahlen und liefern dann auch eine politische Einschätzung, ob es aus Sicht des Verteidigungsministers sinnvoll, richtig und politisch geboten ist, diese Kontakte so fortzusetzen, als geschehe nichts in Ägypten?

Dienst: Das ist ja die Standardfrage, die sich im Rahmen der militärischen Ausrüstungs- beziehungsweise Ausbildungshilfe bei allen Staaten stellt, die sich im Laufe der Zeit seitens des führenden Regimes anders darstellen als zu der Zeit, zu der man diese Initiativen gestartet hat. Insofern wird man erst einmal eine Bestandsaufnahme machen. Dann wird man da hineinsehen. Dann ist es auch nicht allein am Verteidigungsminister darüber zu entscheiden, ob diese Zyklen gegebenenfalls verändert oder abgebrochen werden.

Zusatzfrage: Um Sie beim Wort zu nehmen: Können Sie noch einmal sagen, wann sich die Diktatur in Ägypten in den letzten Jahren anders entwickelt hat?

Dienst: Sie können mich bei den Worten nehmen, die ich Ihnen eben gegeben habe. Darüber hinaus habe ich im Moment nichts zu sagen.

StS Seibert: Ich kann dazu nur sagen: Wenn wir als Deutsche wie auch als Europäer unseren Einfluss in Ägypten nutzen wollen, um unseren Beitrag für eine friedliche Weiterentwicklung zu leisten, dann brauchen wir auch Gesprächskanäle. Bundesaußenminister Westerwelle hat ja gestern erst wieder im Fernsehen und auch zuvor betont, dass das, was geschehen ist, was wir konstatieren müssen, nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Welcher Art diese Konsequenzen sind, das muss auf europäischer Ebene besprochen werden. Da ist nationales Vorgehen sicherlich nicht der richtige Weg. Das wird auf europäischer Ebene, soviel ich weiß, bereits am Montag besprochen. Dann haben wir gerade von einem Außenministertreffen gehört, das die deutsche Seite auf jeden Fall für sinnvoll hält. Dann wird sich das zeigen.

Über die Fortentwicklung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit hat das BMZ in den letzten Tagen ja auch schon gesprochen und könnte hier noch berichten.

Peschke: Da kann ich in der Tat ergänzen, dass im Moment natürlich die Drähte der Abstimmung sehr heiß laufen. Außenminister Westerwelle hat gestern Abend mit dem amerikanischen Außenminister Kerry ein längeres Telefonat geführt. Er hat ein längeres Telefonat mit der europäischen Beauftragten für Außenpolitik, Catherine Ashton, gehabt. Er wird morgen zu seinem ersten Besuch in Berlin den neuen katarischen Außenminister hier in Berlin begrüßen. Da wird es eine Abstimmung zu Ägypten geben. Er hat gestern mit dem französischen Außenminister Fabius gesprochen.

Es ist jetzt eine laufende Kette von Gesprächen mit zwei Zielen: Erstens geht es um eine gemeinsame Einschätzung der Lage und eine gemeinsame Reaktion auf die Lage. Denn je geschlossener die internationale Gemeinschaft jetzt hier reagiert, desto wirkungsvoller wird unser Auftritt vor Ort sein.

Zweitens. Was sind die Konsequenzen? Es sind sich alle einig, es muss Konsequenzen geben - das hat der Außenminister betont. Aber welcher Art die Konsequenzen sein werden, ist jetzt natürlich Gegenstand der Beratungen. Das hängt natürlich auch davon ab, wie die weiteren Entwicklungen verlaufen werden. Ich habe Ihnen ja gerade gesagt, dass wir uns nicht sicher sind, wie die Lage heute Abend sein wird. Deswegen wäre es jetzt verfrüht, über abschließende Konsequenzen zu reden. Das hängt sehr von der weiteren Entwicklung der Lage ab.

Frage: Herr Peschke, die Vereinigten Staaten haben ihre Staatsbürger aufgefordert, das Land zu verlassen. Gibt es ähnliche Pläne in Ihrem Ministerium?

Peschke: Was wir konsularisch im Sinne der Reisehinweisen unseren Bürgern raten, habe ich Ihnen vorgetragen: Es wird abgeraten, nach Ägypten zu reisen; es gibt eine Teilreisewarnung für den Nordsinai und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet; es wird dringend abgeraten von Reisen nach Kairo und Oberägypten. Das ist das, was wir im Moment dazu sagen können. Das wird aber laufend überprüft und könnte sich in Abhängigkeit von der Lage auch sehr schnell weiter ändern.

Frage: Ich hätte eine Frage an Frau Mänz vom BMZ: Können Sie sagen, wie hoch die Entwicklungszusammenarbeit mit Ägypten ist und ob es Überlegungen gibt, da Korrekturen vorzunehmen?

Mänz: Letzte Zusagen gab es Ende 2012, das waren rund 100 Millionen Euro. Aktuell sind keine Neuzusagen geplant. Wir prüfen momentan sehr genau - auch im Licht der Ereignisse, die da noch kommen mögen -, ob wir eventuell Entscheidungen treffen müssen. Aber bitte haben Sie Verständnis, dass wir das tatsächlich erst noch prüfen müssen und dass es dazu noch keine Entscheidungen gibt. Sofern es da Entscheidungen geben sollte, werden wir natürlich zeitnah darüber informieren.

Was man vielleicht zu den Arbeitsbedingungen sagen kann: Die sind tatsächlich aktuell eingeschränkt. Das betrifft aber vor allen Dingen den Großraum Kairo. Dort ist es so, dass die Mitarbeiter aufgrund der Sicherheitslage zum Teil von zuhause aus arbeiten müssen. Das wird aber täglich neu bewertet. In anderen Regionen von Ägypten wiederum kann die Entwicklungszusammenarbeit noch ganz normal fortgeführt werden.

Zusatzfrage: Auf welchen Zeitraum beziehen sich diese 100 Millionen Euro?

Mänz: Gute Frage. Die sind tatsächlich Ende 2012 zugesagt worden. Normalerweise haben wir Regierungsverhandlungen mit Kooperationsländern alle zwei beziehungsweise alle drei Jahre. Da es hier noch keinen neuen Termin gibt, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, auf welchen Zeitraum sich das bezieht.

Frage: Der Vollständigkeit halber möchte ich auch noch das Wirtschaftsministerium nach dem gegenwärtigen Stand der Informationen fragen: Inwieweit sind die wirtschaftlichen Verbindungen und Beziehungen von den gegenwärtigen Vorgängen betroffen?

Toschev: Das kann ich gern ergänzen. Das Bundeswirtschaftsministerium informiert sich laufend über die aktuellen Entwicklungen. Wir stehen natürlich mit dem Auswärtigen Amt, mit der Botschaft und vor allen Dingen auch mit der Außenhandelskammer vor Ort in engem Kontakt. Nach den uns vorliegenden Informationen haben einige Büros und Betriebe deutscher Firmen vor Ort geschlossen. Die Firmen selbst beobachten die Situation natürlich sehr genau. Sie sehen nach den uns derzeit vorliegenden Informationen aber keinen Grund für einen Rückzug aus Ägypten. Das ist der momentane Sachstand.

Frage: Hat es schon ein Gespräch zwischen Merkel und Hollande zu Ägypten gegeben? Wenn es ein solches Gespräch gegeben hat - von französischer Seite wurde das ja für 12 Uhr bestätigt -: Was wurde da gesagt?

StS Seibert: Üblicherweise informiere ich hier ja über schon stattgefundene Telefonate. Da das Telefonat, das in der Tat verabredet ist, in Frankreich bereits bekannt geworden ist, kann ich das hier bestätigen: Ja, es wird ein solches Telefonat geben, und wir werden anschließend möglicherweise informieren.

Frage: Herr Peschke, ein Land, das die neue ägyptische Regierung unterstützt, ist Saudi-Arabien. Gibt es da Gespräche, dass vielleicht Riad deeskalierend auf die neue Regierung einwirken kann?

Peschke: Wir stehen - das hatte ich ja schon gesagt - in einem sehr engen internationalen Kontakt, und zwar zuallererst natürlich mit unseren westlichen Verbündeten und Partnern innerhalb der Europäischen Union und mit den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch darüber hinaus. Das betrifft natürlich insbesondere auch die Golfstaaten. Ich hatte schon gesagt, dass der neue Außenminister Katars morgen zu seinem ersten Besuch in Berlin sein wird; da wird es ein ausführliches Gespräch mit Außenminister Westerwelle geben. Wir stehen auch mit anderen Golfstaaten in einem sehr engen Kontakt. Das betrifft insbesondere die Vereinigten Arabische Emirate und Saudi-Arabien.

Frage: Herr Seibert, Herr Peschke sagte gerade, es seien sich alle einig, dass es Konsequenzen geben muss. Verstehe ich das richtig, dass die Bundesregierung Konsequenzen nicht nur im diplomatischen Bereich prüft, sondern alle Beziehungen und alle Kontakte - sprich, militärische Ausbildung, Entwicklungszusammenarbeit - tatsächlich auf den Prüfstand stellt, mit der Möglichkeit, einschneidende Konsequenzen zu ziehen oder auch nicht?

StS Seibert: Es ist genau so, wie der Außenminister es gesagt hat: Das, was wir in den letzten Tagen in Ägypten erleben, ist von einer so gravierenden Tragweite, hat ein solches dramatisches Moment, dass darüber nicht zur Tagesordnung übergegangen werden kann. Deswegen muss auf europäischer und internationaler Ebene sehr ernsthaft darüber gesprochen werden, wie wir vereint darauf reagieren. Das ist mit den Konsequenzen gemeint. Den Besprechungen, die dazu intensiv stattfinden, möchte ich nicht vorgreifen.

Vors. Welty: Weitere Fragen zu Ägypten? - Dann Herr Peschke zum Iran, bitte.

Frage Peschke: Genau, ich hatte noch eine Information zu einem sehr wichtigen politischen Dossier, nämlich dem Iran-Dossier. Da ist es so, dass ja ein neuer iranischer Außenminister ernannt wurde, Dschawad Sarif. Außenminister Westerwelle hat heute Morgen, heute Vormittag, mit dem neuen iranischen Außenminister Dschawad Sarif telefoniert, er hat dem neuen iranischen Außenminister gratuliert, er hat ein persönliches Treffen am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen angeboten, und Außenminister Westerwelle hat zum Ausdruck gebracht, dass er darauf hofft, dass es mit der neuen iranischen Regierung jetzt einen Einstieg in konstruktive und substanzielle Verhandlungen zur Lösung des Streits um das iranische Atomprogramm gibt.

Vors. Welty: Fragen dazu? - Das ist nicht der Fall. Dann Herr Seibert mit den Terminen der Kanzlerin für die nächste Woche.

StS Seibert: Ich möchte unserer guten Freitagstradition folgen, aber das wird schnell gehen.

Bevor ich zu den Terminen der Bundeskanzlerin komme, kurz ein Hinweis: Anlässlich des Tages der offenen Tür am übernächsten Wochenende, dem 24. und 25. August, lädt mein Kollege, Herr Streiter, zu einem Pressegespräch ein. Das findet am Dienstag, dem 20. August, um 10.30 Uhr im BPA statt. Wir haben dazu auch schon schriftlich eingeladen; ich möchte die Einladung hier wiederholen.

Jetzt kommen wir zu den Terminen der Bundeskanzlerin.

Ich hatte bereits am Mittwoch auf den Termin am Dienstag der kommenden Woche hingewiesen: Dann wird die Bundeskanzlerin die KZ-Gedenkstätte in Dachau besuchen, übrigens als erste Regierungschefin der Bundesrepublik Deutschland. Sie wird dort nach Ankunft gegen 18.45 Uhr ein kurzes Grußwort sprechen. Begleitet wird sie vom Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Dachau, Herrn Mannheimer, und vom bayerischen Kultusminister Spaenle.

Am Mittwoch findet dann um 9.30 Uhr der übliche Kabinettstermin statt.

Am Samstag und Sonntag ist dann also zum 15. Mal der Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Es beteiligen sich wieder alle 14 Ministerien, das Bundeskanzleramt, das Bundespresseamt - das ARD Hauptstudio, glaube ich, auch; aber das fällt nicht in unsere Zuständigkeit - und die Bundespressekonferenz. Das ist besonders schön, denn wir freuen uns auch auf eine Bürger-Pressekonferenz hier.

Die Regelöffnungszeiten sind an beiden Tagen 10 bis 18 Uhr. Im vergangenen Jahr kamen 125.000 Menschen. Wir glauben, dass das auch ein wirklicher Beitrag zu Transparenz und Bürgernähe ist. Wir hoffen auf gutes Wetter und erneut starke Beteiligung. Es gibt einen kostenlosen und barrierefreien Busshuttle, der alle Häuser, die teilnehmen, verbindet. Das vollständige Programm ist auf der Internetseite www.bundesregierung.de einzusehen.

Am Sonntag - traditionellerweise am Sonntag - nimmt dann auch die Kanzlerin tatsächlich teil, und zwar von 14 bis 16 Uhr. Der beliebte Rundgang beginnt im Ehrenhof und führt vorbei am Hubschrauber der Bundespolizei usw. - Sie kennen das. Wir hoffen auf zahlreiche Beteiligung.

Frage: Frau Kothé, ich möchte gerne wissen, ob der Bundesfinanzminister die Haftungsrisiken im Zusammenhang mit der Eurorettung schönredet. Es gibt heute einen großen Zeitungsbericht, in dem ihm mehr oder weniger vorgeworfen wird, diese Risiken unvollständig illustriert zu haben.

Kothé: Der Darstellung, die es heute in einer großen Tageszeitung, nämlich der F.A.Z., gibt, widersprechen wir entschieden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir informieren sowohl den Bundestag als auch die breite Öffentlichkeit umfassend und auch sehr transparent. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf unser Informationsangebot im Internet hinweisen, wo alle Statistiken benutzerfreundlich aufgearbeitet sind und aktuelles Zahlenmaterial zu allen Hilfsprogrammen und deutschen Anteilen jederzeit abrufbar ist.

In der Sache noch der Hinweis: Die Haftungsobergrenze Deutschlands aus den europäischen Hilfen liegt unverändert bei 310 Milliarden Euro. Das geht aus einem Bericht hervor, über den viele von Ihnen breit berichtet haben, den wir letztes Jahr zusammen mit dem Bundesrechnungshof dem Bundestag übermittelt haben. Der Bericht, der heute in der Zeitung zitiert wird, ist insofern ein Teilausschnitt, der abgebildet wird. In diesem Bericht geht es nur um die Gewährleistungen Deutschlands. Darüber informieren wir aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung regelmäßig den Haushaltsausschuss beziehungsweise das bekommen auch andere Bundestagsausschüsse zur Kenntnis. Das als einen groben Überblick.

Zusatzfrage: Ich möchte doch noch einmal ganz konkret nachfragen: Es werde Beträge genannt, die eben nicht den beiden Schutzschirmen, sondern diesem europäischen Fonds EFSM, der KfW und Ähnlichem zuzuordnen sind. Bestreiten Sie, dass das nicht auch Teil einer Haftung Deutschlands ist? Oder ist das einfach ein Ausschnitt, der quasi in anderer Weise bekannt und dargestellt ist?

Kothé: Genauso ist es. Ich habe gerade die korrekte Zahl genannt. An der hat sich auch nichts verändert. Das maximale Haftungsrisiko Deutschlands beläuft sich unverändert auf 310 Milliarden Euro. In diesem Betrag sind genau die ganzen Bausteine enthalten, die Sie eben angesprochen haben: die bilateralen Hilfen, der EFSM, der EFSF usw. Darin sind alle Maßnahmen enthalten.

Der Bericht, den wir an den Bundestag übermittelt haben und auf den hier in der Berichterstattung Bezug genommen wird, bildet aber nur einen Teil ab, nämlich die Gewährleistungsanteile Deutschlands aus dem EFSF-Programm. Nachrichtlich wird in diesem Bericht aber auch über den aktuellen Ausleihestand beim ESM informiert, was ja keine Gewährleistungen sind, sondern es ist eine Finanzinstitution, die wir gegründet haben, die mit eigenem Kapital ausgestattet ist.

Wir verschweigen hier nichts. Wenn man sich die Mühe macht - die muss man sich dann allerdings auch machen -, sind all diese Zahlen seit geraumer Zeit in vielerlei Form bei uns im Internet und auch in vielfältigen Bundestagsunterrichtungen abruf- und nachlesbar. Hier wird nichts verschleiert. Dieser Bericht ist, wie gesagt, ein spezieller, der sich nur auf die Gewährleistungen bezieht.

Frage: Frau Kothé, nur noch einmal zum Verständnis: Wenn Sie sich jetzt die Berichterstattung der F.A.Z. anschauen und sich die Zahlen vergegenwärtigen, die dort aufgelistet sind, zählt man dort etwas anderes, bewertet man dort etwas als Risiken, was Sie nicht als Risiken bewerten? Gibt es aus Ihrer Sicht ein Missverständnis? Oder arbeiten die mit Zahlen, die es so gar nicht gibt?

Kothé: Nein, die arbeiten nicht mit Zahlen, die es so gar nicht gibt. Es ist uns unterstellt worden, dass wir, wie ich gerade gesagt habe, in einem Bericht nur über die Gewährleistungen informieren - das entspricht aber der gesetzlichen Vorgabe - und wir die anderen Risiken verschweigen würden. Ich habe, glaube ich, mehrfach deutlich gesagt: Das tun wir mitnichten. Diese Zahlen sind bekannt und zugänglich. Darüber haben wir informiert und informieren wir in vielfältiger Form, und zwar transparent und umfassend.

Zusatz: Wenn ich es richtig verstehe, sind die Zahlen, die die F.A.Z. nennt, korrekt. Sie weisen bloß den Vorwurf zurück, dass Sie sie nicht selber schon genannt hätten.

Kothé: Dass sie in diesem einen Bericht nicht genannt sind. Aber dieser Bericht bezieht sich nur auf Gewährleistungen. Die Zahlen zu den bilateralen Hilfen aus dem ersten Griechenland-Programm, das Risiko, das sich für Deutschland potenziell daraus ergibt, sind einfach bekannt. Seit Juni letzten Jahres, als die ganzen Sachen ausgehandelt waren und feststanden, ist das bekannt. Da gibt es nichts Neues.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Verkehrsministerium. Die Frist läuft ab, bis zu der die Bundesregierung eine Stellungnahme im Streit um das Kältemittel, das Daimler verwendet, abgeben muss. Ist diese Stellungnahme jetzt schon erfolgt? Wenn ja, was steht drin? Oder wird man den Termin verstreichen lassen? Wie sieht es aus?

Strater: Zur letzten Frage: Den Termin wird man nicht verstreichen lassen. Man wird das fristgerecht beantworten. Ich weiß nicht, ob das schon beantwortet ist. Meines Wissens endet die Frist am 19. August. Das wäre Anfang kommender Woche.

Was steht drin? Das kann ich im Moment im Einzelnen nicht sagen. Grundsätzlich ist dort die Position der Bundesregierung noch einmal erläutert, wie sie auch schon in zahlreichen Gesprächen mit der Kommission auf Fachebene erläutert worden ist, und zwar in puncto erweiterte Typgenehmigungen für bestimmte Daimler-Fahrzeuge, in puncto Risikobewertung, was das Kältemittel angeht, sowie die Risikoanalyse des Kraftfahrtbundesamtes. Das wird sicher noch einmal summarisch in Gänze dargestellt. Aber die Positionen der Bundesregierung sind hier schon einmal erläutert worden und Ihnen zum Großteil bekannt.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 16. August 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/08/2013-08-16-regpk.html;jsessionid=20CD4F60468B311CDD1B5CB399AD343E.s4t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2013