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PRESSEKONFERENZ/651: Regierungspressekonferenz vom 21. August 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 21. August 2013
Regierungspressekonferenz vom 21. August 2013

Themen: Kabinettssitzung (Bericht "Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung: Gemeinsame globale Herausforderungen, Interessen und Ziele", Lage in Ägypten), bilateraler völkerrechtlicher Vertrag zur Lösung der Ems-Dollart-Grenzproblematik, Äußerungen des Bundesfinanzministers zu Finanzhilfen für Griechenland, Konflikte um Asylbewerberheime, von der britischen Regierung veranlasste Löschung von NSA-Daten bei der britischen Zeitung "The Guardian", Merkblatt des Bundesfinanzministeriums zur Übermittlung von Steuerdaten an Behörden, Berichte über einen möglichen Giftgaseinsatz in Syrien

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Kotthaus (BMF), Lörges (BMI)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Das Kabinett hat sich heute mit dem Bericht "Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung: Gemeinsame globale Herausforderungen, Interessen und Ziele" befasst und hat diesen Bericht beschlossen.

Was heißt das? Das heißt, dass die Bundesregierung sich für die Zeit nach 2015, wenn die UN-Millennium-Entwicklungsziele auslaufen, für ein Zielsystem einsetzt, das weiterhin die Beseitigung der Armut im Blick hat und sich als Ziel setzt, dies innerhalb einer Generation durch nachhaltige Entwicklung zu bewirken. So sollen nachhaltiger Wohlstand und Wohlergehen aller Menschen innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten gewährleistet werden.

Inhaltlich soll sich dieses Zielsystem an der Millenniumserklärung und an der Rio+20-Abschlusserklärung orientieren. Das heißt, die Millenniumsziele, die im Jahr 2015 noch nicht erreicht sind - und die gibt es bedauerlicherweise -, müssen weiter verfolgt und weiter entwickelt werden. Sie sollen dann durch Elemente der Nachhaltigkeit sowie durch die Achtung und Verwirklichung universeller Menschenrechte und - sehr wichtig - gute Regierungsführung ergänzt werden. Das sind Instrumente, mit denen diese Millenniumsziele erreicht werden können. Darauf wollen wir jedenfalls hinarbeiten.

In dem Zusammenhang würdigt die Bundesregierung die schon geleisteten Vorbereitungsarbeiten. Es gibt dieses sogenannte "High-Level Panel of Eminent Persons" unter Mitwirkung unseres Altbundespräsidenten Prof. Köhler. Die hervorragenden Arbeiten dieses Panels werden von der Bundesregierung gewürdigt.

Dann hat Bundesaußenminister Westerwelle vor dem heutigen Treffen der europäischen Außenminister kurz noch einmal zum Thema Ägypten vorgetragen. Man könnte sagen, er hat die Grundhaltung, mit der die Bundesregierung sich diesem Problem, diesem Konflikt nähert, dargestellt.

Ich könnte sie folgendermaßen zusammenfassen: Wir nehmen in Ägypten nicht Partei für eine Seite, sondern wir nehmen Partei für unsere Werte, für die Überzeugung, dass ein Transformationsprozess in Richtung Rechtsstaatlichkeit und Demokratie notwendig ist. Eine besondere Rolle dabei spielt - wie immer in der Außenpolitik dieser Bundesregierung - das Eintreten für Religionsfreiheit und den Schutz der Christen.

Schäfer: Ich würde gerne eine Mitteilung machen, die die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu den Niederlanden betrifft. Ich kann Ihnen mitteilen, dass sich die Bundesregierung vor Kurzem mit den Niederlanden auf Eckpunkte für einen bilateralen völkerrechtlichen Vertrag zur Lösung der Ems-Dollart-Grenzproblematik geeinigt hat.

Der von beiden Seiten einvernehmlich angestrebte völkerrechtliche Vertrag wird die Nutzung und Aktivitäten im Küstenmeer in der gemeinsamen Grenzregion in der Nähe der Emsmündung und nördlich des räumlichen Anwendungsbereichs des existierenden Ems-Dollart-Vertrags regeln. Ich würde Ihnen dazu gerne im Namen des Außenministers Folgendes sagen:

Deutschland und die Niederlande sind einen großen Schritt dabei vorangekommen, offene Fragen in der Ems-Dollart-Grenzregion zu lösen. Indem wir uns mit unseren niederländischen Partnern auf die Eckpunkte für einen neuen völkerrechtlichen Vertrag geeinigt haben, ist nun der Weg frei, die Verhandlungen im Herbst auch förmlich aufzunehmen. Als gute Nachbarn verbindet uns das gemeinsame Interesse, die wirtschaftlichen Aktivitäten im Meeresgebiet nahe der Emsmündung zum beiderseitigen Nutzen zu regeln.

Ich ergänze dazu - vielleicht noch als Hintergrundinformation -: Das ist deshalb sehr wichtig, weil es in der Gegend insbesondere den Plan, die Absicht, aber auch schon konkrete Projekte gibt, Offshore-Windparks einzurichten. Dafür war es wichtig, gewisse Fragen im Zusammenhang mit der Grenzregion mit unseren niederländischen Partnern zu klären. Das ist jetzt geschehen. Irgendwann im Herbst werden die förmlichen Verhandlungen aufgenommen und dann hoffentlich auch bald abgeschlossen, sodass das dann ratifiziert werden kann. - Vielen Dank!

Frage: Herr Seibert, hat die Fragestellung Griechenland heute Morgen im Kabinett irgendeine Rolle gespielt? Hat vielleicht der Bundesfinanzminister noch einmal seine Position erläutert? Ist irgendeine Äußerung der Kanzlerin überliefert?

Zweitens. Teilt die Bundeskanzlerin die Einschätzung von Herrn Schäuble, dass es ein weiteres Programm geben muss?

Zum Dritten eine Frage an Herrn Kotthaus: Was hat denn Ihren Minister bewegt, die bisherige, mit vielen Konjunktiven versehene Position in eine doch direkte und, wie ich finde, unmissverständliche Form zu überführen?

StS Seibert: Das Thema Griechenland hat heute im Kabinett keine Rolle gespielt. Es gibt dafür auch keinen aktuellen Anlass.

Vielleicht noch einmal ein paar kurze Fakten: Das zweite Kreditprogramm für Griechenland läuft bis Ende 2014. Die Troika hat in ihrer dritten Überprüfung zu diesem Programm festgestellt, dass insgesamt das Land Fortschritte unter diesem Programm gemacht hat - vor allem bei der Verbesserung der Staatsausgaben, ebenso bei der Restrukturierung des Bankensektors. Das Programm befindet sich also "on track" oder im Fahrplan - so hat es die Troika gerade wieder festgestellt.

Die Eurogruppe hat den Bericht der Troika gerade im Juli erörtert. Sie hat ihn gebilligt. Daraufhin hat auch der IWF auf Grundlage des Berichts Ende Juli die Auszahlung einer weiteren Tranche von 1,7 Milliarden Euro gebilligt.

Die Troika geht, Stand jetzt, davon aus, dass die Schuldentragfähigkeit weiter gewährleistet ist. Der letzte Bericht Ende Juli gibt keinen Anlass, über irgendwelche Änderungen in der Finanzierung zu entscheiden.

Der Bundesfinanzminister hat lediglich auf den zwischen der Troika und Griechenland vereinbarten Zeitplan und stets von uns auch gegenüber Öffentlichkeit und Parlament kommunizierten Zeitplan hingewiesen. Die Eurogruppe hat im Februar 2012 und dann noch einmal im November 2012 Beschlüsse gefasst, die da heißen: Griechenland wird während der Programmdauer und darüber hinaus bis zur Wiedererlangung des Marktzugangs gegebenenfalls auch durch weitere Maßnahmen ausreichend unterstützt werden. Dafür gibt es die Voraussetzung, dass Griechenland vollständig umsetzt, was es mit seinen Partnern vereinbart. Diese Voraussetzung - die Eckpunkte, die Erklärungen der Eurogruppe beispielsweise im Dezember 2012 - bleibt auch die Grundlage für unser weiteres Vorgehen. Das war im Übrigen auch die Grundlage für den zustimmenden Beschluss des Bundestages zum zweiten Anpassungsprogramm für Griechenland.

Es gilt also weiterhin, was für die Bundesregierung jeher galt: Solidarität und Hilfe ja, aber immer gebunden an die Eigenanstrengung und die Umsetzung des Vereinbarten an Reformen in dem Land, dem die Solidarität erwiesen wird. Da gibt es also nichts Neues. Deswegen war das kein Grund, das Thema heute im Kabinett aufzunehmen.

Kotthaus: Es fällt mir fast schwer, dazu noch etwas zu sagen. Prinzipiell hat Herr Seibert alles umfassend dargestellt.

Ich möchte noch auf drei Sachen hinweisen, die vom Minister geschrieben und gesagt worden sind. Es ist immer eine völlig klare Kommunikation gewesen, dass wir, wenn die Griechen nach 2014 weiterhin einen Bedarf haben, gucken müssen, was da zu machen ist. Es gibt in dem Zusammenhang zwei Zitate, die ich gerne erwähnen würde.

Das ist zum einen die Regierungserklärung vom 30. November: "Die Probleme Griechenlands können nicht - ich sage es noch einmal - über Nacht gelöst werden. Das Anpassungsprogramm läuft noch zwei Jahre. Wenn danach ein weiterer Finanzbedarf bestehen sollte, dann werden wir Griechenland - das haben wir schon vor einem Jahr erklärt - zur Wiedererlangung des Marktzugangs weiter Hilfestellung geben, unter der Voraussetzung, dass Griechenland die Programmauflagen uneingeschränkt erfüllt."

In einem "Bild"-Interview hat der Minister vor Kurzem gesagt: "Das beschlossene Programm ist so angelegt, dass Griechenland seine Schulden am Ende wieder selbst bedienen kann, spätestens im Jahr 2020" - respektive 2022; das muss man gucken. "Bis dahin muss die Regierung in Athen ihre Hausaufgaben machen. Das kann Griechenland niemand abnehmen. Ich weiß, wie hart das für die Menschen ist. Die Finanzminister der Eurozone haben bereits im letzten Jahr zugesagt, weitere Unterstützung zu prüfen, wenn das Programm Ende 2014 vollständig umgesetzt wurde."

Dazu gibt es keinen neuen Sachstand. Ich hätte auch einfach auf unser Gespräch hier in der Bundespressekonferenz am Mittwoch letzter Woche verweisen können. Wir haben jetzt die Mitte des gegenwärtigen Programms erreicht. Es ist August 2013, wenn ich das richtig sehe. Wir werden sicherlich Mitte 2014 schauen müssen: Wo stehen wir? Wie ist die Sachlage? Ist das Programm erfüllt? Bis jetzt können wir sagen: Ja, die Griechen erfüllen ihr Programm. Das haben wir durch die Berichte der Troika belegt. Das haben wir durch das laufende Monitoring belegt. Das ist nicht immer leicht. Es gibt manchmal Verzögerungen. Im Endeffekt kann man sagen: Ja, das Programm ist "on track". Die Griechen erfüllen das. Dann werden wir schauen müssen, wie es aussieht.

Sie wissen auch, dass in einem Teil des Programms, und zwar in dem revidierten Programm vom November 2012, gesagt worden ist, dass Griechenland im Jahr 2022 einen Schuldenstand von 113,6 Prozent erreicht haben soll und dass man davon ausgeht, dass dann auch die Schuldentragfähigkeit gegeben ist. Das heißt, es war immer klar, dass zwischen 2014 und 2022 geschaut werden muss, wie es aussieht, was die Griechen machen müssen und was sie nicht machen müssen, inwieweit sie Unterstützung brauchen oder nicht - für den Fall, dass Griechenland das Programm absolviert, für den Fall, dass Griechenland das Programm einhält.

Sie kennen auch die Bedingungen, die gestellt worden sind: Absolvierung des Programms, Erreichung des Primärüberschusses. Dann wird geprüft, ob es ein weiteres Bedürfnis gibt. Dann würde die Eurogruppe prüfen, wie man Griechenland weiter unterstützen kann. Als Beispiel, wie eine weitere Unterstützung aussehen könnte, wird genannt, dass man zum Beispiel bei den Strukturfonds eine Erleichterung bei der Kofinanzierung anstreben könnte.

All das ist ein bisschen alt - das gebe ich zu. Es tut mir auch leid, sie so lange in die Vergangenheit zurücktragen zu müssen. Aber wir müssen kurz festhalten, wo wir herkommen. Deswegen ist die Sachlage in dem Punkt unverändert.

Zusatzfrage: Ich fand das jetzt sehr interessant. Eines ist mir aufgefallen: Der Minister hat gestern nicht in der Wenn-dann-Form gesprochen. Ich denke, das ist schon etwas anderes. Wenn ich sage "Wenn das geschieht, dann werde ich das tun", dann ist das etwas anderes, als wenn ich sage "Es wird ein weiteres Programm geben müssen". In der Art hat er es gesagt.

Zweitens. Wenn Sie die Presse heute anschauen, haben Sie dann den Eindruck, dass Sie eigentlich sehen, dass die Presse offenbar in den letzten Monaten und Jahren nur nicht richtig gelesen hat? Sonst würden die Äußerungen des Ministers nicht als einen neuen Stand, als eine Weiterentwicklung seiner bisherigen Position empfunden werden. Wenn das alles schon kommuniziert wäre, wäre das letztendlich eigentlich nur ein großer Irrtum.

Kotthaus: Ich bin nicht dafür da, zu interpretieren und zu bewerten, wer was wo wie interpretiert. Das ist nicht meine Aufgabe. Das ist Ihre Aufgabe; das sei Ihnen auch unbenommen. Ich bin dafür da, zu versuchen darzustellen, wie die Sachlage ist. Wenn Sie sich die Presse von heute anschauen, werden Sie überall lesen, dass der Minister das immer gesagt hat. Jetzt wird eine neue Nuance gesehen. Das ist eine Interpretation, die ich nicht teilen kann.

Der Minister - deswegen habe ich gerade die Zitate erwähnt - hat durchgängig darauf hingewiesen, dass wir am Ende des Programms 2014 sehen müssen, wie die Sachlage ist. Wie ich schon letzten Mittwoch versucht habe zu erklären, finde ich es im August 2013 höchst kompliziert, zu bewerten, wie die Sachlage 2014 sein wird. Wir können feststellen: Griechenland absolviert das Programm. Wir können feststellen: Die Entwicklungen Griechenlands sind positiv. Wir können feststellen: Bis jetzt erfüllen die Griechen das alles. Das heißt, die Bedingung, die da heißt "Griechenland muss das Programm absolvieren", wäre schon einmal zumindest erfüllt. Aber ich habe weiterhin Schwierigkeiten, anderthalb Jahre vorher zu bewerten, was Ende 2014 kommen wird.

Noch einmal: Die Interpretation dessen, was der Minister gestern genau gesagt hat oder nicht gesagt hat, überlasse ich gerne Ihnen und nicht mir. Ich kann nur darauf hinweisen, wie der Sachverhalt ist. Es ist so, wie ich es gerade versucht habe zu schildern. Es ist so, wie ich es auch letzte Woche versucht habe zu schildern.

Frage: Ich möchte direkt anschließen und Herrn Seibert fragen: Ist das, nachdem das Thema jetzt im Wahlkampf angekommen ist und nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Opposition das ganz offensichtlich als Neuigkeit aufgefasst hat, für die Kanzlerin Anlass, vielleicht die Zeit der Sondersitzung, also Anfang September, für eine Regierungserklärung zu nutzen, um ihren Kurs in Sachen Griechenland-Hilfe zu erklären?

StS Seibert: Ich kann Ihnen von solchen Plänen nichts sagen. Ich bin auch nicht für Wahlkampf zuständig. Ich kann Ihnen sagen, dass die Bundesregierung nie davor zurückgescheut hat, über ihre Europapolitik, über ihre Politik gegenüber Griechenland und über ihre Politik zur Stabilisierung der Eurozone zu sprechen, weil wir glauben, dass wir dabei in den letzten Jahren eine positive Rolle in Europa gespielt haben, vieles erreicht haben, viele wichtige Grundsätze durchsetzen konnten und mit dazu beigetragen haben, dass die Entwicklung eine vorsichtig positive ist, obwohl wir sicherlich nicht davon sprechen können, dass wir die Krise hinter uns haben. Aber all das hat die Bundeskanzlerin und haben auch andere Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere Herr Schäuble, immer der Öffentlichkeit mitgeteilt, darüber debattiert, Argumente ausgetauscht und intensiv für unseren Kurs geworben. Das wird sicherlich auch weiterhin so sein.

Zusatzfrage: Herr Kotthaus, hat es beim Minister oder in seinem Büro möglicherweise irritierte Anrufe oder Nachfragen von Amtskollegen aus Europa hinsichtlich seiner gestrigen Sätze gegeben? Die haben ja auch über die Grenzen hinweg eine Rolle gespielt.

Kotthaus: Nein, mir ist von irgendwelchen irritierten Anrufen nichts bekannt.

Zusatzfrage: Gibt es auch keine Reaktion aus Griechenland, wo es ja zumindest in der Öffentlichkeit beziehungsweise in den Zeitungen eine heftige Reaktion gibt?

Kotthaus: Nein, davon ist mir nichts bekannt.

Frage: Herr Kotthaus, ich habe noch eine Frage zum Zeitplan. Sie sagten, das sei ein Thema für 2014. Dann werde diese Frage behandelt werden. Jetzt muss der IWF ja ein Jahr vorher wissen, wenn er Finanzzusagen abgibt, wie die kommenden zwölf Monate verlaufen werden. Spricht das nicht dafür, dass Griechenland spätestens im Herbst wieder akut werden wird, weil dann die nächste Entscheidung des IWF ansteht?

Zur zweiten Frage: In diese Regierungserklärung vom 30. November 2012 hat Herr Schäuble auch angedeutet, dass man über weitere Zinsermäßigungen für den Fall sprechen könnte, dass ab 2015 eine Lücke entsteht. Gibt es denn bei den Zinsen überhaupt noch Spielraum?

Kotthaus: Sie haben vollkommen recht: Der IWF muss immer eine Schuldentragfähigkeit für die nächsten zwölf Monate sehen, um einer weiteren Auszahlung von Tranchen zuzustimmen. Das ist vollkommen zutreffend.

Prinzipiell ist das Programm bis zum vierten Quartal 2014 durchgeplant. Die Troika wird dann, wie immer - wahrscheinlich im Oktober; ich weiß nicht, wann die neue Bewertung der Troika kommen wird -, im nächsten Quartal hinfahren und wahrscheinlich im Oktober 2013 eine Bewertung in Bezug darauf haben, wie die Situation ist, und zwar sowohl, was die Frage der Programmumsetzung betrifft - dabei gibt es wieder bestimmte Milestones, bestimmte Dinge, die erreicht werden müssen, und bestimmte "prior actions", die unternommen werden müssen -, als auch, was die Frage betrifft, wie es mit dem Programmvolumen aussieht.

Sie haben auch gelesen, dass der griechische Premierminister gestern, glaube ich, gesagt hat, dass, falls es Lücken geben würde, man dabei wäre, diese zu schließen. Es ist auch in dem Programm so vorgesehen, dass, wenn es Lücken gibt, zum Beispiel aufgrund nicht ausreichender Erlöse im Privatisierungsbereich, Griechenland dann zusätzliche Leistungen erbringen wird, um das aufzufangen. Das hat Griechenland im Laufe dieses Programms auch mehrfach gemacht und mehrfach erreicht, und jedes Mal wurde das positiv von der Troika bewertet.

Wir werden sehen, wie die Sachlage sein wird, wenn die Troika dann im Oktober der Eurogruppe berichten wird. Die Troika hat, wie es Herr Seibert eben betont und auch dargestellt hat, gerade gesagt: Griechenland ist "on track". Griechenland setzt um. Griechenland erfüllt das Programm. Nur auf dieser Basis konnten wir ja auch die jetzige Tranche auszahlen, was geschehen ist. Jetzt schauen wir einmal, wie die Sachlage sein wird, wenn die Troika im Oktober wieder berichten wird, um das dann zu sehen.

Was war noch einmal die zweite Frage?

Zusatzfrage: Wird es weitere Zinsermäßigungen geben?

Kotthaus: Noch einmal: Das einzige Beispiel, das in der Erklärung der Eurogruppe genannt wird, sind Erleichterungen beim Thema der Kofinanzierung von Strukturfonds. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie das dann aussehen wird. Ich weiß nicht, wie der Bedarf im Jahr 2014 aussehen wird und was für Möglichkeiten es dann geben wird. Es ist richtig, dass wir Griechenland hinsichtlich der verschiedenen Erleichterungen in der Vergangenheit schon entgegengekommen sind, was die Zinsen angeht. Ob da noch Luft drin ist und wie das aussehen könnte, kann ich jetzt einfach nicht sagen, weil ich darauf warten muss, wie der Bedarf, die Möglichkeiten und die Ideen 2014 aussehen werden.

Eines will ich auch noch einmal sagen: Dabei gehen auch ein paar Sachen durcheinander. Das habe ich auch heute wieder in einer großen Zeitung sehen dürfen. Der Begriff "Schuldenschnitt" und der Begriff "weitere Maßnahmen" werden ja auch ganz gerne einmal synonym gebraucht. Das ist, glaube ich, ein bisschen verwirrend und ein bisschen unzulässig. Es gab einen Schuldenschnitt in Griechenland. Dafür hat sich sicherlich auch Deutschland sehr stark eingesetzt. Das waren 53 Prozent, und damit ist Griechenland eine deutliche Erleichterung zugekommen. Das war ein schwieriger, aber ein wichtiger Schritt. Danach haben die Staats- und Regierungschefs ganz klar gesagt "Das war es! Das war der Schuldenschnitt für Europa!", auch mit dem Hinweis darauf, dass man das Vertrauen in die Eurozone erhalten muss. Das ist auch weiterhin eindeutig die Linie. Selbst wenn es Mitte 2014 zu einer Diskussion darüber kommen sollte, weitere Maßnahmen für Griechenland zu treffen, dann wäre damit nicht ein zweiter Schuldenschnitt impliziert. Das ist eine klare Entscheidung auf europäischer Ebene, die auch weiterhin gilt.

Frage: Herr Seibert, sind Sie denn sicher, dass Herr Schäuble in Sachen Griechenland-Hilfe das ausdrückt, was Frau Merkel als Bundeskanzlerin denkt?

StS Seibert: Ja, weil ich weiß, dass die beiden engstens zusammenarbeiten und sich ständig über alle Aspekte der europäischen Rettungsprogramme und unserer Politik zur Stabilisierung des Euro austauschen.

Zusatzfrage: Ist es dann auch legitim, das, was der Finanzminister gelegentlich dazu sagt, auch als Meinung der Bundeskanzlerin in Anspruch zu nehmen, selbst dann, wenn es sich einmal missverständlich darstellen sollte?

StS Seibert: Der Finanzminister ist ein Mitglied der Bundesregierung, und wenn er sich innerhalb seines Ressorts äußert, dann spricht er natürlich für die Bundesregierung.

Zusatzfrage: Spricht er damit auch für die Kanzlerin?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin ist die Chefin dieser Bundesregierung.

Frage: Herr Kotthaus, können Sie uns bitte erklären, worauf Ihre Feststellung basiert, dass sich die wirtschaftliche Situation in Griechenland positiv oder vorsichtig positiv entwickelt? Ich frage angesichts dessen, dass die Wirtschaft des Landes eben aufgrund der Erfüllung des Hilfsprogramms ruiniert ist und jeden Tag mehr ruiniert wird - das zeigt sich anhand der wichtigsten Indikatoren wie zum Beispiel der Arbeitslosigkeit, die noch schlimmer wird -, und auch angesichts dessen, dass der einzige Faktor, der eine Verbesserung zeigt, nämlich die Existenz eines Primärüberschusses, nur deswegen positiv ist, weil das Geld aus der EU, aus den Strukturfonds und auch aus den Zentralbanken der verschiedenen Länder nach Griechenland geflossen ist, nicht aufgrund dessen, dass die Quellen der griechischen Wirtschaft wieder sprudeln.

Kotthaus: Die Bewertung geht auf die letzten Zahlen zurück, die wir jetzt allesamt kennen, was die Eurozone als Ganzes betrifft und was auch die Programmländer betrifft. Wenn Sie es sich anschauen, sehen Sie, dass Griechenland ein massives Problem im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit hatte. Die griechische Industrie beziehungsweise die griechische Wirtschaft waren nur noch bedingt wettbewerbsfähig, was unter anderem an Strukturen und Ähnlichem mehr lag. Wenn Sie jetzt einmal schauen, sehen Sie, dass die Griechen es geschafft haben, dass ihre Lohnstückkosten beträchtlich gesenkt werden konnten. Wir können feststellen, dass ein Primärüberschuss existiert. Wir können feststellen, dass die Arbeitslosigkeit auf einem deutlich zu hohen Niveau ist, aber stagniert. Die Projektionen von allen internationalen Institutionen, die Sie jetzt sehen können, sagen aus, dass die griechische Volkswirtschaft im kommenden Jahr die Rezession beenden wird und wieder auf einen positiven Wachstumskurs zurückkehren wird.

Wir haben immer gesagt, dass das Programm den Griechen und der griechischen Bevölkerung Härten abverlangen wird; das ist völlig unstreitig. Sicherlich ist hinsichtlich des einfachen Griechen auch ganz klar, dass momentan viele Leute stärker in Anspruch genommen werden, als man es den Leuten eigentlich zumuten möchte. Nichtsdestotrotz ist Griechenland dabei, verlorene Wettbewerbsfähigkeit, überfällige Strukturreformen und Ähnliches mehr aus vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, aufzuholen. Die griechische Bevölkerung hat sich ja nun auch in der Wahl dafür entschieden, diesen Weg zu gehen. Sie hat sich dafür entschieden, im Euro bleiben zu wollen und die Reformen durchzuziehen. Die jetzige Regierung unter ihrem Premierminister macht das eben, und deswegen ist das auch beeindruckend, wofür wir auch Hochachtung zollen müssen. Das sind harte Zeiten für Griechenland, aber nichtsdestotrotz wird am Ende eine wettbewerbsfähigere und stabilere Wirtschaft dastehen, die auf eigenen Füßen stehen kann. Aber noch einmal: Das ist kein Prozess von heute auf gleich. Aber alle Zeichen und alle Bewertungen auch von internationalen Institutionen, die man lesen kann, zeigen: Ja, in einem weiten Tunnel ist ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Das ist meine Bewertung, und die basiert auf den internationalen Bewertungen der Institutionen, die Griechenland anschauen und bewerten, auch der Troika. Da kommt das her.

Frage: Herr Kotthaus, ich habe akustisch nicht verstanden, was Sie über den Schuldenschnitt gesagt haben. Schließen Sie einen Schuldenschnitt aus?

Kotthaus: Ja.

Zusatzfrage: Eine Frage ist offen geblieben, glaube ich, nämlich die nach dem Zeitpunkt. Wenn alles "on track" ist, können Sie uns dabei helfen, zu verstehen, warum der Minister dann gerade jetzt, mitten im Wahlkampf, über ein Programm redet?

Kotthaus: Der Minister macht im Moment sehr viele Wahlkampftermine. Bei diesen Wahlkampfterminen, zu denen ich eigentlich nichts sagen kann, wird er - davon gehe ich aus - die verschiedenen wichtigen Themen dieser Legislaturperiode erörtern. Dabei wird auch sicherlich die Stabilisierung des Euro, die ja ganz erfolgreich läuft, ein Thema sein. Dabei wird er dann auch sicherlich über Griechenland reden.

Noch einmal: Aus unserer Perspektive ist die Linie genau die, die ich gerade noch einmal, zum x-ten Male, zu skizzieren versucht habe, und da gibt es auch nichts Neues. Ich habe heute auch die mannigfaltigen Interpretationen gelesen, dass es etwas Neues gäbe. Ich kann das nicht erkennen. Daher kann ich nur noch einmal auf das verweisen, was der Minister, was diese Regierung und was die Eurogruppe seit Monaten und zum Teil seit über einem Jahr sagen. Daran hat sich nichts geändert.

Frage: Herr Kotthaus, wie ich es verstanden habe, ist das griechische Problem ja quasi ein bipolares, ein zweiseitiges. Zum einen könnte es Probleme mit laufenden Lasten geben, die das Land zu tragen hat, also mit Finanzlücken im laufenden Haushalt beziehungsweise auch im laufenden Programm, wie es der IWF vorsieht. Zum anderen könnte es ein Problem mit der Schuldenhöhe geben, also letztendlich mit dem vorgeschriebenen Pfad für den Abbau der Schuldenquote. Aus dem, was Sie sagen, wie ich es verstehe - der Gedanke von Zinserleichterungen und Ähnlichem -, ergeben sich aber nur Erleichterungen bei laufenden Belastungen. Was für ein Instrument außer einem Schuldenschnitt gibt es denn noch, das Partnern zur Verfügung stände, um die absolute Schuldenhöhe zu senken? Gibt es noch ein anderes Instrument, eine Alternative?

Kotthaus: Ich erinnere mich nicht daran, dass ich irgendetwas in Bezug auf Zinsen bestätigt habe. Sie haben mich danach gefragt, und ich habe gesagt: Ich weiß nicht, welche Instrumente wir danach verwenden werden.

Zweitens gibt es in Griechenland, glaube ich, zwei Themen, wenn Sie danach fragen, wo ein Geldbedarf aufkommen kann. Im laufenden Programm ist das ausreichend durchfinanziert. Dazu hat die Troika jetzt gerade gesagt: Ja, das ist es. Die nächste Bewertung dieser Frage werden wir dann wahrscheinlich im Oktober 2013 vorliegen haben. Die zweite Frage ist die Perspektive dessen, wann Griechenland wieder auf völlig eigenen Füßen stehen kann, wann in Griechenland die Schuldentragfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Das betrifft ja jetzt aufgrund der Erklärung vom November 2012 das Jahr 2022. Dann soll Griechenland einen Schuldenstand von 113,6 Prozent erreicht haben. Zwischen 2014 und 2022 ist ein gewisser Zeitraum. Dann wird man schauen müssen - das ist aber immer schon so gesagt worden, und deshalb habe ich die Zitate vorhin nochmal angebracht -, ob es weiteren Bedarf gibt, Griechenland zu unterstützen. Ob das dann der Fall sein wird und wie das dann sein wird, werden wir sehen.

Sie wissen auch: Die relevante Größe ist die Schuldenquote. Das ist wiederum eine Funktion aus dem BIP und der Schuldenstandshöhe. Schauen wir doch einmal, wo wird dann im Endeffekt stehen werden. Ich kann es Ihnen momentan nicht sagen. Nur eines weiß ich: Wir werden uns über das Thema einer weiteren Unterstützung Griechenlands nicht im August 2013 unterhalten, sondern wir werden uns darüber in einer größeren zeitlichen Nähe zum Ende des Programms hin unterhalten müssen.

Frage: Die Opposition beziffert die Finanzlücke von 2015 bis 2020 im Falle Griechenlands auf 50 Milliarden Euro. Ist das überzogen? Ist das adäquat?

Kotthaus: Diese Zahl ist mir neu. Die kann ich weder bestätigen noch sonst etwas dazu sagen. Die kenne ich nicht. Ich finde es, wie gesagt, auch weiterhin schwierig, weil wir uns jetzt, im August 2013, in der Mitte des zweiten Programms befinden und weil wir im Endeffekt meines Erachtens frühestens Mitte 2014 werden bewerten müssen, wo wir stehen, was Griechenland geschafft hat, wie die Wachstumsperspektive ist und Ähnliches mehr. Ich bin deswegen nicht in der Lage, irgendeine Lücke zu beziffern.

Frage: Herr Kotthaus, irre ich jetzt, oder hat Herr Schäuble den Satz gesagt "Es wird in Griechenland noch einmal ein Programm geben müssen"? Ist dieser Satz neu oder alt? Ist dieser Satz deckungsgleich mit der augenblicklichen Meinung der Bundeskanzlerin? Das ist mir nach Ihren vielen Antworten, die ich so gehört habe, jetzt noch nicht ganz klar. Das kann an mir liegen.

Kotthaus: Nein, das kann bestimmt nicht an Ihnen liegen, lieber Kollege. Es muss nur an mir liegen. - Der Minister hat in der Vergangenheit schon mehrfach gesagt: Wenn die Bedingungen gegeben sind - weiterer Finanzbedarf, Programm erfüllt, Primärüberschuss erreicht -, dann wird die Eurogruppe prüfen, wie Griechenland weitere Unterstützung bekommen kann.

Zuruf: Das war nicht die Frage, Herr Kotthaus!

Kotthaus: Zweitens: Ich war bei der gestrigen Veranstaltung nicht dabei und kann das nicht selbst beurteilen. Ich habe gelesen, was Ihr Kollege geschrieben hat, und ich gehe davon aus, dass er es immer richtig sagt. Ich weiß aber auch, dass sich der Minister am gleichen Tag zu dem gleichen Thema genau so geäußert hat, wie er sich immer geäußert hat. Daher kann ich nur sagen: Ich sehe die Interpretation, und die habe ich heute wieder in der Presse gesehen. Ich kann nur festhalten: Es gibt keinen neuen Sachstand, verglichen mit dem vor einer Woche, verglichen mit dem von gestern oder von vorgestern. Wir sind vielmehr da, wozu der Minister und auch diese Bundesregierung als Ganzes seit langer Zeit sagen: Im Jahre 2014 werden wir schauen müssen, wo Griechenland steht und was weiter erforderlich sein müsste. Das ist die Zusage der Eurogruppe gewesen.

Zusatzfrage: Herr Kotthaus, Sie sind ja ein qualifizierter Sprecher. Wollen Sie mir sagen, dass Sie es zwischen gestern und heute nicht fertiggebracht haben, Herrn Schäuble persönlich danach zu fragen - es ist ja immerhin eine gewichtige Diskussion, die daraus entstanden ist -, ob Herr Schäuble jetzt den Satz gesagt hat "Es wird ein neues Programm für Griechenland geben müssen" oder nicht?

Kotthaus: Lieber Kollege, Sie werden mir verzeihen, wenn ich jetzt nicht Ihre genaue Frage "Dreimal schwarzer Kater, was genau waren Ihre Worte?" beantworte. Die Frage, die für mich relevant ist, ist vielmehr "Gibt es einen neuen Sachstand?", und den gibt es nicht.

Zusatzfrage: Wer klärt jetzt, ob Herr Schäuble gesagt hat "Es wird ein neues Programm geben müssen"?

Kotthaus: Ich weiß jetzt nicht ganz genau, wo die tiefere Sinnfälligkeit einer feinsinnigen Wortexegese in Bezug darauf ist, wann welches Komma wie und wo gesagt worden ist. Für mich ist die relevante Frage: Hat sich an der Haltung der Bundesregierung zu dem Thema einer weiteren Unterstützung für Griechenland irgendetwas geändert? Die Antwort ist ganz klar: Wir sind da in der Kontinuität. Deswegen habe ich noch einmal die Regierungserklärung vom November 2012 angeführt. Es gibt dazu keinen neuen Sachstand. Das ist für mich die relevante Frage, und nicht die Frage, welches Komma, welcher Punkt, welches Ü oder Ä oder so etwas Ähnliches gesetzt worden ist.

Frage: Ich wollte mit der Bitte anschließen. Die Bewertung, ob man über die Üs oder Äs berichtet, die irgendwo ausgesprochen worden sind, oder ob man die für wichtig hält, ist ja auf der einen Seite auch ein bisschen unsere Aufgabe. Auf der anderen Seite kommt es gerade in diesem Zusammenhang dauernd auf die Üs und Äs an, weil Märkte irgendwie darauf reagieren. Insofern würde ich Sie auch noch einmal bitten, Ihren Chef zu fragen, ob er die Üs oder Äs, über die wir hier heute reden, gestern geäußert hat oder nicht.

Kotthaus: Noch einmal: Ich habe volles Vertrauen in den Journalisten, der für seine Qualität und Seriosität bekannt ist, wenn er darüber berichtet. Deswegen aber noch einmal: Die relevante Frage ist, ob es einen neuen Sachstand gibt, und den gibt es nicht. Der Minister hat sich noch einmal klar gegen einen Schuldenschnitt geäußert, und der Minister hat noch einmal gesagt: Wenn es relevant ist usw., dann kann man schauen, was wir für Griechenland machen. Ich glaube, auch gestern gab es mehrere Veranstaltungen, bei denen das immer in ähnlicher Form vorgetragen wurde. Deswegen sage ich - lange Rede, kurzer Sinn - zusammenfassend: Same procedure as last week.

Frage: Herr Kotthaus, ich hätte gerne noch gewusst, wie Ihr Haus den Bericht der "Süddeutschen Zeitung" von heute kommentiert oder bewertet, dass Teile eines Hilfspakets aus dem EU-Haushalt finanziert werden könnten.

Kotthaus: Ja, da habe ich auch etwas gestaunt. Es gibt momentan nach meiner Kenntnis nirgendwo Überlegungen, wie sich ein drittes Griechenland-Programm zusammensetzen könnte. Ich weiß daher nicht, wo diese Berichterstattung herkommen könnte. Es gibt einen einzigen Hinweis, den ich mir selber zurecht gereimt habe - das ist das, was ich Ihnen vorhin schon geschildert habe -: Es gibt eine Erklärung der Eurogruppe, in der sie gesagt hat, dass wir 2014 prüfen werden, wenn es einen Primärüberschuss gibt und wenn die Griechen das Programm erfüllt haben, und dass dann als ein Beispiel für mögliche weitere Unterstützungshilfen für die Griechen weitere Erleichterungen bei der Kofinanzierung der EU-Strukturfonds denkbar wären. Das ist die einzige Assoziation, die ich zu diesem Thema habe.

Vielleicht kann man in diesem Zusammenhang noch auf eines hinweisen - vielleicht interessiert Sie das -: In der Förderperiode 2007 bis 2013 stehen Griechenland Gelder aus Strukturfonds in Höhe von 20,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Bis 2011 wurden davon 7,1 Milliarden Euro abgerufen. Das heißt also, dass in den Jahren 2012/2013 bis zum Ende der Periode den Griechen noch 13,4 Milliarden Euro aus der alten Strukturfondsverordnung zustehen. Sie wissen auch, dass aufgrund der langfristigen Planung in der EU - die neue Finanzplanung geht ab 2014 los - noch nicht klar ist, wie das aussehen wird; da gibt es noch keine Planung zu.

Aber wie gesagt: Ich kann es Ihnen nicht erklären. Den einzigen Reim, den ich mir daraus machen kann, habe ich Ihnen in dem Hinweis auf die Eurogruppenerklärung vom letzten Jahr mitgeteilt.

Zusatzfrage: Herr Seibert, in diesem Bericht sind Regierungskreise zitiert, und der Kollege, der den Bericht geschrieben hat, ist gewöhnlich auch sehr gut informiert. Gibt es also Pläne in der Regierung oder gibt es keine?

StS Seibert: Ich glaube, Herr Kotthaus hat dazu alles gesagt, und ich kenne diese Regierungskreise nicht.

Frage (zu den Konflikten um Asylbewerberheime): Zunächst eine Frage an Herrn Lörges vom Innenministerium: Herr Bosbach hat heute - auch im Zusammenhang mit den Vorgängen in Hellersdorf - ein Krisentreffen, ein Spitzentreffen ins Gespräch gebracht, in dem sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände mit der Situation der Flüchtlinge befassen sollen. Ist so etwas aus Ihrer Sicht nötig und geplant?

Lörges: Die Bundesregierung ist sich sehr wohl bewusst, dass die steigenden Asylbewerberzahlen die für die Unterbringung zuständigen Bundesländer und Kommunen vor große Herausforderungen stellen. Wir sind mit den Bundesländern im Asylbereich im engen und konstruktiven Austausch und arbeiten eng zusammen. Deswegen ist aus unserer Sicht derzeit kein Krisentreffen erforderlich.

Die Bundesregierung nimmt die Sorgen der Bürger und der Anwohner von Unterkünften für Asylbewerber sehr ernst. Solchen Sorgen muss vor Ort mit Besonnenheit und Augenmaß Rechnung getragen werden. Von solchen Sorgen zu unterscheiden ist aber die Propaganda von Rechtsextremisten. Die Bundesregierung wendet sich entschieden dagegen, dass dieses sensible Thema durch radikale Gruppen zu deren politischen Zwecken missbraucht wird. Wir bekennen uns uneingeschränkt zum Recht auf Asyl wie auch zum darüber hinausgehenden Schutz vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Menschen, die tatsächlich dieses Schutzes bedürfen, müssen und sollen in Deutschland auch Schutz bekommen. Dagegen muss der Aufenthalt derer, die aus asylfremden Gründen zu uns kommen, möglichst schnell beendet werden.

Zusatzfrage: Die Bundesregierung hat zugesagt, dass im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien 5.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen werden. Können Sie aktuelle Zahlen nennen, wie viele schon hierhergekommen sind und wie sich die Verteilung nach Bundesländern aufschlüsselt?

Lörges: Das mache ich sehr gerne. Dazu muss ich kurz ausholen.

Die Flüchtlinge kommen auf zwei Wegen. Es gibt einen kleinen Teil, der als sogenannte Selbsteinreiser kommt. Da sind die ersten seit Juli hier angekommen. Das sind ungefähr 200 Personen, von denen wir ausgehen und von denen wir auch erst im Nachhinein erfahren. Der ganz große, überwiegende Teil wird von uns organisiert nach Deutschland kommen. Wir rechnen mit der ersten Ankunft dieser Personen für Ende August/Anfang September. Auf die Bundesländer verteilt werden diese nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel.

Zusatzfrage: Und diesen Schlüssel finden wir bei Ihnen auf der Internetseite?

Lörges: Der Königsteiner Schlüssel ist ein Verteilungsmechanismus, der auch in anderen Bereichen Anwendung findet. Im Internet gibt es die genauen Prozentzahlen, damit können Sie dann weiter arbeiten.

Frage: An den Regierungssprecher: Hat sich die Bundesregierung auch mit den Vorgängen um die britische Zeitung "The Guardian" befasst hat. Hat die Bundesregierung angesichts dessen, dass die Unabhängigkeit der Presse ein hohes Gut ist, Bedenken gegenüber dem Vorgehen der britischen Regierung gegen die Zeitung? Hat es irgendwelche Kontakte gegeben, um sich schlau zu machen, was da in der Tat passiert ist? Schließlich ist Großbritannien ein wichtiger und enger Partner in der EU.

StS Seibert: Ich habe diese Berichte natürlich auch verfolgt. Dieses Thema wird ja in der Politik, in den Medien, in der Öffentlichkeit Großbritanniens intensiv diskutiert, so wie es in einer lebendigen Demokratie auch sein sollte. Ich habe zu dieser Diskussion nichts beizutragen.

Ich kann ganz grundsätzlich noch einmal für die Bundesregierung sehr klar machen, dass Pressefreiheit und auch journalistischer Quellenschutz für uns hohe Güter sind. Gerade im Bereich des Quellenschutzes hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode im Straf- und Strafprozessrecht Verbesserungen aus der Sicht des Journalismus erreicht. Das zeigt, wie hoch wir dieses Gut schätzen. ich denke, ein solches Szenario, wie es jetzt in Großbritannien diskutiert wird, ist bei uns kaum vorstellbar.

Zusatzfrage: Es gibt ja konkrete Hinweise darauf, dass sich Herr Cameron da - auch im Vorfeld dieser Aktion beim "Guardian" - persönlich eingeschaltet hat. Würden Sie sagen, dass das bei uns in Deutschland absolut undenkbar ist?

Zweitens. Der Menschenrechtsbeauftragte Löning hat gesagt, damit sei eine rote Linie überschritten. Das sind starke Worte. Gibt es vor dem Hintergrund dieser Einschätzung möglicherweise den Bedarf, bilateral einmal nachzufragen, was da passiert ist und wie es um das Presserecht in Großbritannien, einem wichtigen EU-Partner, bestellt ist?

StS Seibert: Großbritannien ist ein Land der Freiheit, der Demokratie, und ein Land mit einer extrem lebendigen Presselandschaft. Genau deshalb wird dieses wichtige Thema dort jetzt so intensiv diskutiert - wie es auch richtig ist. Wie gesagt, ich glaube, dazu braucht es kein Zutun durch den Regierungssprecher in Deutschland.

Zusatzfrage: Und das Wort von der überschrittenen roten Linie, das im engeren Sinne tatsächlich auch aus der Bundesregierung kommt, bleibt jetzt einfach ohne Folgen stehen?

StS Seibert: Ich habe meinen Äußerungen nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Vielleicht Schäfer für das Auswärtige Amt?

Schäfer: Ich habe das Interview einer deutschen Zeitung mit Herrn Löning heute Morgen auch gelesen. Da hat sich Herr Löning in der Tat als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung positioniert. Es ist aber nicht meine Aufgabe, seine Worte hier zu interpretieren oder zu kommentieren. Es ist die Aufgabe von Herrn Löning als Menschenrechtsbeauftragtem, sich prononciert aus seiner Sicht zu aktuellen Fragen der Menschenrechte zu äußern. Ich schließe mich insofern Herrn Seibert an und möchte das gar nicht ergänzen.

Frage: Herr Kotthaus, in der "Bild"-Zeitung wird berichtet, der Verfassungsschutz sei angewiesen oder angehalten worden, bei der Verfolgung - ich nenne es jetzt einmal so - von Steuerflüchtlingen zu helfen. Mir ist irgendwie so, als wenn wir dieses Thema hier schon einmal gehabt hätten, aber vielleicht können Sie dazu noch einmal etwas sagen?

Kotthaus: Ich muss heute immer die hässliche Rolle spielen, Ihnen mitzuteilen, dass es nichts Neues gibt. Es gibt praktisch keine neuen Pflichten zur Übermittlung steuerlich relevanter Daten. Das Merkblatt, das in der großen Tageszeitung erwähnt wird, finden Sie ohne Probleme auch auf der Webseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Das ist ein altes Merkblatt, es ist nur gerade - im Juni - aktualisiert worden. Es ist aber nicht um den von Ihnen angesprochenen Punkt aktualisiert worden; vielmehr ging es bei der Aktualisierung um eine Frage hinsichtlich der Fälle, in denen Tatsachen an Zollbehörden übermittelt werden müssen.

In dem Merkblatt wird aufgeführt, welche Pflichten sich aus der Abgabenordnung für die verschiedenen Verwaltungsbehörden ergeben, welche Informationen also von Gerichten, von Staatsanwaltschaften, von Verwaltungsbehörden übermittelt werden müssen. Sie finden auf der Seite 3 dieses Merkblattes auch den Hinweis, wer darunter alles fallen kann und wer das so machen soll, nämlich zum Beispiel Arbeitsagenturen, Sozialversicherungsträger, Gewerbeämter, Grundbuchämter, Verfassungsschutzämter usw. usf. Dabei geht es um die Verfolgung von Steuerstraftaten. Das ist nichts Neues, das ist eine alte Pflicht, die sich aus der Abgabenordnung - um präzise zu sein: aus § 116 der Abgabenordnung - ergibt.

Wie gesagt, gab es im Juni nur hinsichtlich der Frage, dass solche Sachen auch an die Zollbehörden übermittelt werden soll, eine Aktualisierung dieses alten Merkblattes. Warum das jetzt aufgegriffen worden ist, kann ich Ihnen nicht erklären. Ich muss aber leider noch einmal sagen: Das ist nichts Neues.

Frage: Auch an das Außenministerium: Herr Schäfer, es gibt Berichte über einen möglichen Giftgaseinsatz in Syrien. Hat die Bundesregierung dazu eigene Erkenntnisse? Ist in diesem Zusammenhang ein Vorgehen der internationalen Gemeinschaft nötig?

Schäfer: Die Meldungen über die Tötung von mehreren hundert Syrern in der Nähe von Damaskus sind der Bundesregierung bekannt. In diesem Zusammenhang steht auch der Vorwurf im Raum, dass dabei vonseiten der syrischen Regierung Giftgas genutzt worden sei. Wir können diese Vorwürfe zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht - auch nicht mit eigenen Quellen - bewerten und stehen deshalb bereits seit heute Morgen unter anderem in engem Kontakt mit den Vereinten Nationen, um eine Einschätzung der zurzeit in Syrien befindlichen Waffeninspekteure zu erhalten.

Ich ergänze ausdrücklich im Namen des Außenministers, dass die seit einigen Tagen in Syrien aufhältigen Waffeninspekteure der Vereinten Nationen umgehend Zugang zu den Orten erhalten sollen, an denen es angeblich den Einsatz von Giftgas gegeben habe, damit diese überaus ernsten Vorwürfe so schnell wie möglich von unabhängiger Seite aufgeklärt werden können.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 21. August 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/08/2013-08-21-regpk.html;jsessionid=B3322E50CD1D2785E9B2A767286CCF29.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2013