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PRESSEKONFERENZ/652: Regierungspressekonferenz vom 23. August 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 23. August 2013
Regierungspressekonferenz vom 23. August 2013

Themen: Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche (Tag der offenen Tür der Bundesregierung, Kabinettssitzung, Internationale Fahrradmesse EUROBIKE 2013, Gespräch mit den Leiterinnen und Leitern der deutschen Auslandsvertretungen), Briefing zum G 20-Gipfel in St. Petersburg, Äußerungen des Bundesfinanzministers zu Finanzhilfen für Griechenland, Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses, Entwicklung des deutschen Staatshaushalts, Forderungen nach einem Krisengipfel im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften, Berichte über einen möglichen Giftgaseinsatz in Syrien, Haftentlassung des früheren ägyptischen Präsidenten Mubarak

Sprecher: StS Seibert, Kothé (BMF), Teschke (BMI), Peschke (AA)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Ich beginne mit den Terminen der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche. Es geht schnell.

Es beginnt mit einer kleinen Erinnerung: Am Wochenende - Samstag und Sonntag - haben wir ja hier in Berlin den Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Die Bundeskanzlerin - das hatte ich schon ausführlich erzählt - wird am Sonntag ab 14 Uhr die Bürgerinnen und Bürger im Kanzleramt empfangen und einen Rundgang machen. Ich hoffe auf rege Beteiligung der Bürger. Das Wetter sieht schön aus. Es würde uns eine Freude machen, wenn viele das wahrnehmen.

Am Mittwochmorgen leitet die Kanzlerin, wie üblich, die Kabinettssitzung um 9.30 Uhr.

Sie reist dann am Mittwoch nach Friedrichshafen am Bodensee. Ab 14 Uhr besucht sie dort die Internationale Fahrradmesse EUROBIKE 2013. Sie eröffnet diese Messe mit einer Rede und unternimmt dann einen Rundgang, um sich über die neuesten Trends - zum Beispiel Elektrofahrräder - zu informieren. Die EUROBIKE - ein Hinweis für diejenigen, die das nicht so verfolgen - ist die größte Fahrradmesse der Welt.

Am Donnerstag, den 29. August, empfängt die Bundeskanzlerin dann im Kanzleramt die Leiterinnen und Leiter der deutschen Auslandsvertretungen zu einem Gespräch im Bundeskanzleramt. Das geht von 9 Uhr bis 10.15 Uhr. Das ist ein traditioneller Bestandteil der vom Auswärtigen Amt veranstalteten sogenannten Botschafterkonferenz, die in diesem Jahr unter dem Motto "Europa in der Welt" vom 26. bis 29. August im Auswärtigen Amt stattfindet.

In genau einer Woche sehen wir uns hier zum Briefing wieder, nämlich um 12.30 Uhr am kommenden Freitag. Dann werden wir - der wirtschaftspolitische Berater der Bundeskanzlerin, Herr Röller, der außen- und sicherheitspolitische Berater, Herr Heusgen, und ich - mit Ihnen über den bevorstehenden G 20-Gipfel in St. Petersburg am 5. und 6. September reden und Ihre Fragen gern beantworten.

Frage: Was hat die Bundeskanzlerin bewogen, der EUROBIKE einen Besuch abzustatten?

StS Seibert: Die EUROBIKE ist, wie ich das gerade gesagt habe, die größte Fahrradmesse der Welt. Das Fahrrad ist neben dem Auto und dem öffentlichen Nahverkehr - das kann man hier in Berlin jeden Tag beobachten, aber auch in vielen anderen Städten - ein unheimlich wichtiges Verkehrsmittel. Es nimmt an Wichtigkeit noch zu. Ich habe gelesen, dass etwa zehn Prozent aller Wege in Deutschland - und die Tendenz ist steigend - mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Die Bundesregierung hat einen nationalen Radverkehrsplan, den wir Ihnen hier auch schon einmal vorgestellt haben, der die Grundlage für die Radverkehrspolitik des Bundes bietet. - All das sind Gründe genug für die Bundeskanzlerin, erstmals diese Messe zu besuchen.

Vorsitzender Wefers: Gibt es weitere Fragen dazu oder zu anderen Terminen in der nächsten Woche? - Ich darf ergänzen, dass der Tag der offenen Tür der Bundesregierung am Samstag und am Sonntag ja auch hier im Haus mit diversen Pressekonferenzen, einer Regierungspressekonferenz und diversen Ministerkonferenzen, stattfinden wird. Wir werden also das Haus an diesen beiden Tagen öffnen.

Frage: Ich wollte noch einmal auf das hinlänglich diskutierte Thema Griechenland zurückkommen. Herr Seibert, wenn die Kanzlerin nun mit den Worten zitiert wird, dass das, was Schäuble zu Griechenland gesagt hat, jeder gewusst habe, heißt das, wir können künftig ganz offiziell schreiben, dass die Bundesregierung ein drittes Hilfspaket für Griechenland für notwendig hält?

Ich würde zum Zweiten gern vom Finanzministerium wissen: Wenn Ihr Minister heute in einem Interview erzählt, dass er davon ausgeht, dass ein drittes Paket ein geringeres Volumen als die vorangegangenen Pakete haben wird, dann würde mich interessieren, wie sich das ableitet, wie er zu dieser Überlegung kommt, wo doch angeblich alles noch so offen und unklar ist.

StS Seibert: Ich glaube, Sie haben es schon selber gesagt. Das Thema ist hinlänglich diskutiert. Wir haben uns hier am Mittwoch ausführlich damit befasst. Es liegen mehrere Interviews sowohl des Bundesfinanzministers als auch der Bundeskanzlerin vor, die genau die gleiche Linie verfolgen. Man kann das heute noch einmal im Interview des Bundesfinanzministers mit dem "Handelsblatt" nachlesen.

Was sind die Fakten? - Die Fakten sind das zweite Hilfsprogramm für Griechenland Ende 2014. Weitere Hilfen sind unter bestimmten Voraussetzungen und bei Notwendigkeit in Aussicht gestellt. Dieses hatte die Eurogruppe im Winter 2012 bereits schriftlich festgelegt. Dies ist auch dem Bundestag mitgeteilt worden.

Also es gibt gar keinen neuen Sachstand. Die Bundeskanzlerin und der Finanzminister sprechen in den gleichen Tönen über den gleichen Sachverhalt, der tatsächlich schon länger bekannt ist.

Kothé: Daran anschließend möchte ich ebenfalls auf das Interview verweisen, in dem sich der Minister zu all diesen Fragen ausführlich eingelassen hat.

Dann vielleicht noch einmal der Hinweis: Wir sind mitten im zweiten Programm. Es ist einfach verfrüht, sich auf irgendwelche konkrete Zahlen festzulegen. Das ist auch in diesem Interview erklärt. Die Gründe dafür haben wir auch mehrfach genannt.

Er hat zum zweiten Programm darauf hingewiesen, dass sich, wenn es einen Primärüberschuss in Griechenland gibt - das unterstellt ja eine weiterhin positive Entwicklung, von der wir jetzt irgendwie ausgehen -, daraus ein geringerer Betrag im Vergleich zu dem jetzigen Programm ergeben würde. Aber, wie gesagt, es ist jetzt einfach verfrüht, um genaue Zahlen zu nennen. An Spekulationen beteiligen wir uns wirklich nicht.

Zusatzfrage: Nur damit ich das richtig verstanden habe. Also diese Mutmaßung eines geringeren Volumens ist einfach eine Hoffnung, dass es in Griechenland in der Folge bergauf geht? Das ist der einzige Hintergrund, und nichts anderes?

Zum Zweiten, Herr Seibert: Sie haben uns auch schon am Mittwoch gesagt, dass es eigentlich nichts Neues gibt. Wenn ich Herrn Schäuble heute lese, dann sagt er ja schon, dass es einen Bedarf gegeben habe, etwas deutlich zu machen, Klarheit zu schaffen. Er hat Formulierungen verwendet wie: "Das ist nötig gewesen. Deswegen musste das sein." Diese Formulierungen waren im Indikativ und nicht in der Form von "wenn dann". Von daher kann ich nicht genau nachvollziehen, weshalb Sie uns seit drei Tagen immer sagen, dass es nichts Neues gibt, wenn der Finanzminister sagt, es musste offenbar neu kommuniziert werden, damit die Bevölkerung Klarheit hat und der Regierung keiner etwas vorwerfen kann.

StS Seibert: Worauf der Finanzminister sich gestern bezogen hat, das ist ganz klar. Die Behauptung, man laufe in irgendeiner Weise auf einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland zu, haben wir auch hier in der Regierungspressekonferenz schon gute Dutzend Male zurückgewiesen. Das ist nicht die deutsche Absicht; das ist nicht richtig aus unserer Sicht. Wir werden einen solchen Schuldenschnitt nicht mitmachen. Aber nichtsdestotrotz hielt sich das offensichtlich in der Presse. Wir haben Wahlkampfzeiten. Der Minister hat gesagt: Es war ihm wichtig, darauf einzugehen. - Der Sachstand ist deswegen kein neuer.

Frage: Die SPD in ihrer Wahlkampagne hat Frau Merkel in dieser Woche mindestens zweimal als Lügnerin definiert. Ich würde gern wissen, warum Frau Merkel nicht auf diese Attacken reagiert oder eine klare Mitteilung an die Bevölkerung gibt.

Wenn nach den Wahlen ein neues Paket für Griechenland kommen sollte, überlegt man vielleicht auch, die Sparmaßnahmen für die anderen Südländer ein bisschen zu flexibilisieren, also nicht so hart weiterzumachen?

StS Seibert: Wahlkampfäußerungen und Behauptungen der SPD sind natürlich nicht Sache des Regierungssprechers. Ich kann darauf verweisen, dass sich die Bundeskanzlerin in mehreren Interviews in den letzten Tagen sehr klar zu unserer Politik gegenüber Griechenland und zur Kontinuität dieser Politik geäußert hat, die vor allem immer unter der Überschrift steht: Ja, wir sind bereit zur Solidarität. - Aber diese Solidarität ist immer an die Eigenanstrengungen und den Reformwillen des Landes gebunden, dem gegenüber man solidarisch ist. Dazu hat sie sich mehrfach geäußert. Ich glaube, das ist an Klarheit kaum zu überbieten.

Zusatzfrage: Was ist mit den zukünftigen Maßnahmen oder einer Flexibilisierung für die anderen Süd-Länder?

StS Seibert: Das ist immer alles in der Umsetzung der Programme zu prüfen. Dort, wo es richtige Rettungsprogramme sind, prüft die Troika in den üblichen Intervallen. Weder, was Griechenland betrifft, noch, was andere Länder betrifft, ist Spekulation dabei hilfreich.

Kothé: Vielleicht noch kurz ein Hinweis: Mit der Bundestagswahl hängt das ja wirklich nur bedingt zusammen. Das sind alles europäische Programme, und das ist auch da entschieden worden. Vor daher sind das ja keine alleinigen deutschen Regierungsentscheidungen.

Zusatzfrage MINGUEZ: Haben Sie überhaupt keine Sorge, dass sich die Situation erst im ändern wird? Die Statistiken in Spanien oder in Portugal sind natürlich nicht so positiv wie hier in Deutschland. Kann es sein, dass plötzlich am 1. September alle aus diesem schönen Träumen erwachen und man dann verstehen wird, dass die Situation in Südeuropa nicht besser, sondern viel schlimmer geworden ist?

StS Seibert: Wir träumen uns nicht durch diese europäische Krise, sondern wir handeln, und zwar auf europäischer Ebene und zusammen mit unseren Partnern. Es ist sehr viel erreicht worden, sowohl, was die Zusammenarbeit innerhalb Europas betrifft, als auch, was die Reformanstrengungen in einzelnen Ländern betrifft. Es wird in jedem Land sehr genau hingeschaut, wie sich die Dinge entwickeln und wie Verabredungen, die man mit der Troika und der Eurogruppe getroffen hat, eingehalten werden. Da wird es also kein jähes Erwachen geben.

Ich glaube: Diejenigen, die das in Europa ständig überprüfen, wissen sehr genau, wie sich die Dinge entwickeln. Wir sehen in der Tat Probleme, die weiterhin bestehen, aber wir sehen auch in jedem einzelnen Land und ganz besonders auch in Griechenland Fortschritte, die durch Reformen erreicht worden sind, die jetzt zu greifen beginnen, was nicht heißt, dass das genügt.

Frage: Ich wollte noch einmal nach ein paar Fakten fragen, und zwar zur Information des Parlaments. Ich meine im Ohr zu haben, dass der Finanzstaatssekretär Kampeter davon gesprochen hat, dass man Anfang September im Haushaltsausschuss und im Plenum in Verbindung mit Griechenland über alle aktuellen Fragen der Finanzpolitik sprechen werde. Konkret gefragt: Wird Herr Schäuble im Haushaltsausschuss noch einmal über das informieren, was Sachstand in Sachen Griechenland ist? Wird es womöglich im Parlament noch einmal eine Erklärung zu diesem Faktum geben, von wem auch immer, oder wie habe ich Herrn Kampeter zu verstehen?

Frau Kothe, ich habe noch eine Lernfrage: Wenn es in Europa noch einmal ein neues Programm geben wird, wird das dann über den alten und vorläufigen Schutzschirm, den EFSF, abgewickelt, oder ist der quasi mit den Programmen, die es bislang gibt, geschlossen, während alle neuen Programme über den ESM laufen? Dieser rein technische Vorgang würde mich interessieren. Oder kann man im Zweifel ein nächstes Griechenland-Programm auch noch über den EFSF abwickeln, der, glaube ich, noch erhebliche Mittel besitzt?

Kothé: Zu Ihrer ersten Frage: Herr Kampeter hat nach meiner Kenntnis darauf hingewiesen, dass, wenn die parlamentarische Pause vorbei sein wird, es Gelegenheit geben wird und die Bundesregierung natürlich wie immer in der Vergangenheit dem Parlament dafür zur Verfügung stehen wird, dem Parlament Rede und Antwort hinsichtlich aller Fragen zu stehen, die es da gibt. Das war auch immer so. Die Regierung hat das Parlament und die Ausschüsse - das ist gut geübter Brauch - immer umfassend informiert. Die genaue Planung dessen, wann und in welcher Form dies gewünscht wird, obliegt dem Parlament und nicht der Regierung. Das gilt irgendwie auch für die Terminfindung. Von daher gibt es da einfach im Augenblick nach meinem Kenntnisstand noch keinerlei terminliche Planung.

Zusatzfrage: Gilt das auch für die Kanzlerin? Die könnte ja im Plenum auch etwas dazu sagen. Gibt es also irgendwelche Erwägungen dazu, dass die Kanzlerin - - -

StS Seibert: Ich kann Ihnen da jetzt keine Termine nennen.

Vorsitzender Wefers: Die EFSF/ESM-Frage war noch offen.

Kothé: Es gibt die Festlegung, dass für neue Programme der ESM genutzt werden soll. Aber auch das geht jetzt wieder in den Bereich der genauen Ausgestaltung. Ich bitte jetzt wirklich darum, das hier nicht dahin gehend zu interpretieren, wie ein eventuelles drittes Programm für Griechenland grundsätzlich ausgestaltet wird. Ja, der ESM wäre die nahe liegende Möglichkeit, aber das ist jetzt, wie gesagt, eine hypothetische und theoretische. Wir haben immer gesagt: Im Augenblick können wir zur Ausgestaltung und dazu, welche Art von Unterstützung dann für Griechenland notwendig wäre, nichts sagen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium, und zwar geht es um die Situation der Polizei im Rahmen des NSU-Untersuchungsausschusses. Jetzt wurde quasi noch einmal thematisiert, was alles schief gelaufen ist. Es wurde von den Opferanwälten latenter Rassismus unterstellt. Jetzt haben sich verschiedene Polizeigewerkschaften zu Wort gemeldet. Sie wehren sich sehr stark dagegen. Gibt es zu dem Rassismusvorwurf einen Kommentar?

Zum anderen werden auch noch einmal konkrete Forderungen von Polizeigewerkschaften aufgestellt, also unter anderem, dass sie besser informiert werden müssten, unter anderem auch von den Nachrichtendiensten. Das müsse gesetzlich festgelegt werden, wird gefordert. Gibt es irgendwelche ganz konkreten Konsequenzen und neuerlichen Wendungen?

Teschke: Die Vorwürfe gegen die Bundespolizei und insbesondere gegen den Präsidenten der Bundespolizei, Herrn Romann, haben wir gestern mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen, weil die Bundespolizei mit dem ganzen Prozess eigentlich überhaupt nichts zu tun hatte. Insofern haben wir gesagt, dass Frau Högl damit offensichtlich und hoffentlich nur eine Einzelmeinung vertritt. Wir weisen nachdrücklich darauf hin, dass die Bundespolizei eben nicht rassistisch agiert und auch in der Vergangenheit nicht rassistisch agiert hat, und wir weisen diesen Vorwurf entschieden zurück. Wie gesagt: Herr Romann und auch die Bundespolizei hatten mit dem NSU und dem ganzen Aufarbeiten dieses Prozesses überhaupt nichts zu tun. Insofern haben wir das nicht verstanden.

Konsequenzen aus dem NSU-Untersuchungsausschussbericht haben wir sicherlich auch schon in der Vergangenheit sehr schnell gezogen. Sie erinnern sich vielleicht, dass der Minister bereits Ende November 2011 erste Maßnahmen auf Organisationsebene umgesetzt hat. Wir haben ein Gemeinsames Abwehrzentrum ins Leben gerufen, in dem BKA und BfV zusammenarbeiten. Wir haben eine "Verbunddatei Rechtsextremismus" und weitere Maßnahmen zur verbesserten koordinierten Zusammenarbeit ins Leben gerufen. Insofern haben wir bereits viele Maßnahmen, die gestern ja auch gefordert wurden, schon umgesetzt. Wir werden uns aber trotzdem auch die 47 Forderungen im Katalog noch einmal anschauen.

Ich glaube, insgesamt - das hatten wir ja gestern auch erklärt, und das hat der Minister erklärt - haben wir die Arbeit des Untersuchungsausschusses gewürdigt und sehen sie als wichtig an. Jetzt ist die Zeit, nach vorne zu schauen und die Konsequenzen, die wir bereits gezogen haben, weiter umzusetzen.

Frage: Herr Teschke, alle Abgeordneten sagen ja, es bedürfe bei den Sicherheitsbehörden eines Mentalitätswandels, einer Öffnung für neue Theorien und auch mehr Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Ich weiß nicht, ob dabei die Aussage von Ihnen besonders hilfreich ist, dass man pauschal sagt "Bei der Bundespolizei gibt es überhaupt keine Probleme und vielleicht deswegen auch keine Notwendigkeit für einen solchen Sinneswandel". Halten Sie solche Vorschläge wie die für mehr Mitarbeiter mit Migrationshintergrund eben nicht doch für sinnvoll und bedenkenswert?

Herr Seibert, die Kanzlerin hat die Ermittlungspannen ja "beschämend für Deutschland" genannt. Unterstützt sie diesen Sinneswandel und hält sie ihn in den Ermittlungsbehörden auch für nötig und sinnvoll?

Teschke: Dann weise ich Sie gerne noch einmal auf das Programm "Mehr Migranten in den öffentlichen Dienst" hin, das gerade Innenminister Friedrich sehr befürwortet. Dazu gehört natürlich auch die Polizei. Die Länderpolizeien sind auch aufgerufen, mehr Migranten in den öffentlichen Dienst hereinzuholen. Vielleicht darf ich auch darauf verweisen, dass das Bundesinnenministerium jetzt ein spezielles Mentorenprogramm durchführt, das auch besonders Auszubildende mit Migrationshintergrund fördern soll. Insofern, glaube ich, sind wir dabei auf dem richtigen Weg. Der Minister hat auch immer klargemacht, dass wir natürlich gerade Menschen mit Migrationshintergrund auch besonders fördern.

StS Seibert: Ich denke, dazu ist vom Sprecher des Bundesinnenministeriums wirklich alles gesagt.

Für die Bundesregierung, für die Bundeskanzlerin kann ich sagen, dass wir die sehr umfassende und wirklich für unsere Gesellschaft ungeheuer wichtige Aufklärungsarbeit, die dieser Untersuchungsausschuss geleistet hat, sehr begrüßen und dankbar dafür sind, dass die Ergebnisse nun eingehend geprüft werden. Das gilt auch insbesondere im Hinblick auf die dort geforderten Reformmaßnahmen.

Frage: Sie haben sich relativ allgemein gehalten, was die Forderungen des NSU-Untersuchungsausschusses angeht. Die Polizeigewerkschaften haben zum Teil ein bisschen speziellere Forderungen. Ich hatte eine genannt, auf die ich gerne noch einmal eingehen möchte. Das bezieht sich auf die Nachrichtendienste, dass sie möglicherweise verpflichtet werden könnten, Polizei und Staatsanwaltschaft bei Hinweisen auf Straftaten schneller zu informieren oder sie überhaupt zu verpflichten, die Polizei zu informieren. Überlegen Sie darauf bezogen so etwas ganz konkret?

Teschke: Im Prinzip wollen wir sehr stark die engere Verzahnung von allen Diensten. Sowohl der Verfassungsschutz als auch das BKA sollen enger zusammenarbeiten. Insofern ist selbstverständlich polizeiliche Zusammenarbeit gefordert.

Frage: Es wurde heute Morgen neue statistische Zahlen zur Entwicklung des Staatshaushalts veröffentlicht. Frau Kothé, ich würde gerne wissen, ob wir, nachdem es im ersten Halbjahr im Staatshaushalt insgesamt schon einen namhaften Überschuss gibt, auch für das Gesamtjahr mit einem Überschuss rechnen können. Bisher ist, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, noch ein kleines Minus eingeplant.

Kothé: Dazu vorab: Die Zahlen, die heute veröffentlicht worden sind, bestätigen das, was wir (bereits gesagt haben) - Sie kennen die einzelnen Monatsergebnisse, die wir regelmäßig veröffentlichen -, nämlich dass die öffentlichen Finanzen in Deutschland in einer guten Verfassung sind. Sie wissen, dass bereits 2012 der öffentliche Gesamthaushalt ausgeglichen war.

Was das laufende Jahr betrifft, kann ich Ihnen keine neue Prognose abgeben, sondern muss sie einfach auf die Steuerschätzung verweisen. Es ist immer schwierig, unterjährig aus einzelnen Monaten auf das ganze Jahr zu schließen. Da muss man immer etwas vorsichtig sein. Was die einzelnen Monate angeht, gibt es immer einzelne Faktoren. Insgesamt ist, denke ich, ein sehr positiver Trend zu beobachten.

Frage: Wenn ich mir das kleine Minus des Bundes anschaue, um das es im ersten Halbjahr geht, bekommt man den Eindruck, Sie werden womöglich in Kürze vor das staunende Publikum treten und sagen können: Nun sind wir auch zwei Jahre früher als angesetzt dabei, mit plus/minus null im Bundeshaushalt herauszukommen. Ist das völlig abwegig?

Kothé: Auch dazu müssen Sie sich einfach, wie gesagt, etwas in Geduld üben. Ich kann im Augenblick keine neuen Prognosen abgeben, außer die allgemeine Einschätzung, dass es einen sehr positiven Trend gibt, in dem sich die Wirtschaftsentwicklung widerspiegelt. Wir stehen insgesamt in einer sehr guten Verfassung da. Das gilt für alle staatlichen Ebenen.

StS Seibert: Aber was aus Ihrer Frage herausklingt, dass nämlich die Haushaltspolitik dieser Bundesregierung in dieser Legislaturperiode eine sehr erfolgreiche war, können wir wirklich festhalten.

Kothé: Auch das!

Frage: Eine Frage an Herrn Teschke zur Diskussion um Flüchtlingsunterkünfte. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat heute noch einmal einen Krisengipfel angemahnt. Wie steht das Bundesinnenministerium inzwischen dazu?

Teschke: Es gilt nach wie vor das, was der Minister bis jetzt gesagt hat, dass natürlich die Länder gefragt sind, die Kommunen zu unterstützen. Bislang sehen wir noch nicht die Notwendigkeit, einen solchen Gipfel einzuberufen.

Dennoch würde ich sehr gerne auf die Vorwürfe, die vonseiten der Grünen kommen, reagieren. Ich glaube, die Vorwürfe sind infam und völlig abwegig. Es sind Vorwürfe, die wir ganz entschieden zurückweisen. Sie wenden sich an einen Minister, der als Einziger in Europa zum Beispiel 5.000 Syrer in Deutschland zusätzlich aufnimmt. Dem kann man wohl kaum Asylfeindlichkeit vorwerfen.

Es geht uns ganz klar um die wirklich Bedürftigen. Ich glaube, da besteht ein Konsens mit der weitaus großen Mehrheit der Bevölkerung, die die wirklich Bedürftigen unterstützt. Der Minister hat sich immer ganz klar gegen den Missbrauch von Sozialleistungen durch Asylbewerber ausgesprochen, wenn sie etwa aus Ländern kommen, wo klar ist, dass die Anerkennungsquote gegen null geht.

Frage: Ich würde gerne das Auswärtige Amt bitten, noch einmal zu den aktuellen Nachrichten - ich fasse es jetzt zusammen - sowohl aus Syrien wie auch aus Ägypten Stellung zu nehmen.

Zu Syrien - mit Hinblick auf die Problematik eines Giftgaseinsatzes - würde ich gerne den aktuellen Kenntnisstand, den das Amt hat, noch einmal abfragen.

Im Hinblick auf Ägypten bitte ich um eine Kommentierung der Tatsache, dass sich Herr Mubarak zumindest nicht mehr in Haft befindet. Was bedeutet das nach Ihrem Dafürhalten für das innenpolitische Gefüge und die unruhige Situation in Ägypten?

Peschke: Zuerst zu Syrien: Da ist der Stand, dass es nach wie vor sehr besorgniserregende Meldungen über einen Giftgaseinsatz gibt, der vorgestern in der Nähe von Damaskus stattgefunden haben soll. Diese Meldungen sind extrem besorgniserregend, und weil der Gehalt dieser Meldungen eine solche Tragweite hat, hat sich Außenminister Westerwelle gestern - und heute wieder - nachdrücklich dafür eingesetzt, dass diese Vorwürfe möglichst umgehend und vollständig aufgeklärt werden. Das ist ganz klar unsere Forderung. Wir richten diese Forderung natürlich zuvorderst an die syrische Regierung.

Es ist so, dass derzeit Inspektoren der Vereinten Nationen im Lande sind, um frühere Vorwürfe von Einsätzen chemischer Substanzen zu überprüfen. Aus unserer Sicht ist es geboten, dass das Mandat dieser Inspektoren der Vereinten Nationen entsprechend ausgeweitet wird, damit sie diese jüngsten Meldungen eines Giftgaseinsatzes überprüfen, verifizieren und aufklären können. Diesbezüglich haben wir uns auch offiziell zusammen mit über 30 anderen Staaten an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gewendet, der um eine entsprechende Ausweitung dieses Mandats gebeten wird.

Sie wissen, dass die Kommission zur Untersuchung der Chemiewaffenvorwürfe bei den Vereinten Nationen mit dirigiert wird von der deutschen Abteilungsleiterin Angela Kane, die bei der Uno für Abrüstungsfragen zuständig ist. Mit Frau Kane stehen wir in einem engen Kontakt und versuchen, auch über diesen direkten Draht Informationen zu bekommen und auch in dem Sinne, wie ich es gerade geschildert habe, Einfluss auf die Dinge zu nehmen.

So viel zum Punkt Syrien. Das ist eine sehr schwerwiegende Entwicklung, die aus unserer Sicht bisher, was unsere Aufklärungsforderungen betrifft, noch unbefriedigend verläuft. Wir wollen aber gemeinsam mit anderen den Druck entsprechend hoch halten.

Erlauben Sie mir zum zweiten Thema, Ägypten, eine Eingangsbemerkung: Wir stehen heute, am Freitag, wiederum vor Freitagsgebeten und den Ankündigungen von verschiedener Seite, erneut zahlreiche Demonstrationen durchführen zu wollen. Außenminister Westerwelle appelliert in diesem Zusammenhang an alle Seiten, Zurückhaltung walten zu lassen, damit es nicht erneut zu Gewaltexzessen in Ägypten kommt, wie wir sie in der vergangenen Woche erleben mussten. Der Weg aus der innenpolitischen Krise in Ägypten liegt nicht in Gewalt, sondern muss im Dialog und in der Rückkehr zu einem politischen Prozess mit dem Ziel der Reetablierung einer verfassungsmäßigen Ordnung liegen.

Zu der Frage der Gerichtsentscheidung, den ehemaligen Präsidenten Mubarak aus der Haft zu entlassen und in ein Militärkrankenhaus zu verbringen: Diese Entscheidung eines ägyptischen Gerichtes kann ich hier nicht unmittelbar kommentieren - das ist eine Entscheidung eines Gerichtes. Ich kann aber sehr wohl die Haltung von Außenminister Westerwelle vortragen, dass es grundsätzlich in Ägypten kein Zurück in die Vergangenheit und kein Zurück in die Zeit vor der Revolution geben darf.

Zusatzfrage: Noch einmal zu Syrien. Wohl wissend, dass das Briefing zum G20-Gipfel erst am kommenden Freitag ist: Die Frage Syrien hat ja auf dem letzten G8-Gipfel eine bestimmende Rolle gespielt, Herr Seibert. Da ist auch die angesprochene Kommission vereinbart worden, die sich jetzt in Syrien befindet. Muss man nicht davon ausgehen, dass das Thema Syrien, weil ja alle Handelnden anwesend sind, auch in Sankt Petersburg eine relativ prominente Rolle spielen wird oder zumindest am Rande in einem Ausschnitt der G20 ein wichtiges Thema sein wird?

StS Seibert: Sie haben Recht, beim G8-Gipfel in Nordirland haben sich alle Beteiligten geeinigt, eine Syrien-Konferenz, wie sie von den USA und Russland vorgeschlagen wurde, zu unterstützen. Wir müssen heute konstatieren, dass wir dieser Konferenz noch nicht nennenswert nähergekommen sind. Die Situation hat sich sicherlich durch die Ereignisse in Syrien in den letzten Tagen, die aufgeklärt werden müssen, noch einmal verkompliziert. Insofern kann ich nur sagen, was die Bundeskanzlerin auf eine Frage in dieser Richtung vor zwei Tagen in Stuttgart auch gesagt hat: Sie können davon ausgehen, dass das Thema Syrien beim G20-Treffen in Sankt Petersburg eine Rolle spielen wird - ob im Plenum oder zumindest bei den bilateralen Treffen, die es da geben wird, kann ich hier nicht sagen, aber es ist unwahrscheinlich, dass das nicht besprochen wird.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 23. August 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/08/2013-08-23-regpk.html;jsessionid=D3CA7B9FF9DAF9F8E745897C33C8970A.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2013