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PRESSEKONFERENZ/678: Regierungspressekonferenz vom 21. Oktober 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 21. Oktober 2013
Regierungspressekonferenz vom 21. Oktober 2013

Themen: gestiegene Steuereinnahmen des Bundes, Medienberichte über Pläne der Bundesregierung zu Reformen auf EU-Ebene, Umgang mit den sterblichen Überresten von Erich Priebke, rechtsradikale Ausschreitungen im Moskauer Stadtteil Birjuljowo, mögliche Behandlung von Frau Timoschenko in Deutschland, Wechsel des Staatsministers von Klaeden zu Daimler, verstärkte Ausreise von deutschsprachigen Islamisten nach Syrien, Medienberichte über Steuernachzahlungen für die Tourismusindustrie

Sprecher: StS Seibert, Kotthaus (BMF), Peschke (AA), Kutt (BMI)



Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Herr Kotthaus, Ihr Haus hat heute seinen neuen Monatsbericht veröffentlicht. Die Steuereinnahmen sind im September um 7,8 Prozent gestiegen. Täuscht der Eindruck, oder schwimmt der Staat in Geld?

Kotthaus: Ich könnte natürlich jetzt meinen Minister zitieren, der immer sagt, er würde sich mehr Sorgen machen, in Schulden zu ertrinken, als in Geld zu schwimmen. Herr Sobolewski, wir sind einfach auf dem Pfad, den wir zu Anfang des Jahres vorausberechnet haben. Sie wissen, dass wir vor vier Wochen hier zusammensaßen, und nicht Sie, aber ein Kollege fragte mich: "Herr Kotthaus, die Einnahmen sind jetzt irgendwie geringerer, als wir gedacht haben." Da habe ich gesagt: "Das wird sich zum Ende des Jahres hin alles egalisieren." Wir sind ziemlich genau auf dem Pfad, den wir vorher berechnet haben.

Zusatzfrage: Hat Ihr Minister denn jetzt, bevor die Koalitionsverhandlungen beginnen, eine Mahnung an die Verhandelnden parat, auch die Konsolidierung im Blick zu behalten?

Kotthaus: Der Minister hat, glaube ich, gestern im ZDF relativ klargemacht, dass der Weg, auf dem die mittelfristige Finanzplanung mit all ihren damit einhergehenden Maßnahmen aufgestellt worden ist, der Weg ist, der der richtige ist, auch im Sinne solider Staatsfinanzen. Ich habe, glaube ich, den Worten des Ministers vom gestern Abend nichts hinzuzufügen. Er ist auch kein Mahner, er ist eher ein Macher.

Frage: Herr Kotthaus, hält denn Ihr Minister nach wie vor daran fest, die kalte Progression abzuschaffen? Wird das ein wesentlicher Punkt innerhalb der Koalitionsverhandlungen sein?

Kotthaus: Ich glaube, der Minister hat in zahlreichen Interviews in den letzten Wochen und Monaten immer wieder die Bedeutung des Abbaus der kalten Progression klargemacht. Das ist ein wichtiger Punkt für das Finanzministerium und für den Bundesfinanzminister. Aber ich bin nicht hier, um über die Koalitionsverhandlungen zu sprechen. Ich bin Sprecher des Finanzministeriums und nicht der Koalitionspartner.

Zusatzfrage: Ist der Minister nach Ihrer Kenntnis auch bereit und gewillt, sein Amt weiterhin auszufüllen, auch in einer neuen Koalition?

Kotthaus: Der Minister hat gestern auf die gleiche Frage hin im ZDF gesagt: "Dazu lächele ich freundlich, und im Übrigen schweige ich." Ich habe auch dem nichts hinzuzufügen. Ich kann auch noch gerne lächeln, wenn Sie möchten!

Frage: Ich wüsste gerne vom Finanzministerium, Herr Kotthaus, was nach der bisherigen Planung des Finanzministers mit den insgesamt 15 Milliarden Euro passiert, die bis 2017 aufgrund der derzeitigen Konjunktur und der zu erwartenden Steuereinnahmen zur Verteilung anstehen. Wie werden diese 15 Milliarden Euro, die nach BMF-Übersicht zur Verfügung stehen, verteilt?

Kotthaus: Der Minister hat auch dazu bereits mehrfach vor der Wahl und auch danach Stellung genommen. Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode Spielräume erarbeitet, die in der letzten Legislaturperiode zum Beispiel in eine substanziell bessere Ausstattung für Bildung und Forschung sowie in Familienunterstützung geflossen sind. Der Minister hat auch gesagt, dass wir uns in der nächsten Legislaturperiode entsprechende Spielräume erkämpfen und erarbeiten können, die dann dementsprechend genutzt werden müssen. Aber noch einmal, Herr Wonka: Diese Fragen danach, was dann genau wo und wie passiert, werden wir dann betrachten müssen. Was für den Minister sehr wichtig ist, ist dieses klare, eindeutige Bekenntnis zu einer stabilen Finanzpolitik. Die mittelfristige Finanzplanung gibt das ja ganz gut wieder, und ich werde jetzt nicht irgendwelche Dinge, die in den Koalitionsverhandlungen zu besprechen sind, hier aus meiner Perspektive darstellen.

Zusatzfrage: Das wollte ich ja auch gar nicht wissen. Ich wollte wissen, wie viele Milliarden von diesen 15 Milliarden Euro, die bis 2017 über den Durst zur Verfügung stehen werden, nach derzeitigem Stand in den bisherigen Ausgabeplanungen bereits verplant sind.

Kotthaus: Noch einmal: Die Haushalte werden jedes Jahr neu aufgestellt. Sie kennen die mittelfristige Finanzplanung, die davon ausgeht, dass wir ab 2015 keine Neuverschuldung haben werden. Noch einmal: Ich werde mich jetzt nicht darauf einlassen, genau zu sagen, was wann, wo und wie verplant wird. Das ist, wenn überhaupt, eine Frage der Koalitionsverhandlungen. Aber noch einmal: Ganz wichtig ist, dass wir diesen klaren Kurs von soliden Staatsfinanzen im Sinne der mittelfristigen Finanzplanung beibehalten, weil dadurch eben auch Verlässlichkeit und Vertrauen sowie dadurch auch eine gute Wirtschaftsentwicklung gegeben sind.

Zusatzfrage: Ist von den 15 Milliarden Euro bis 2017 nach jetzigem Stand kein einziger Euro bereits verplant? Ansonsten würden Sie es ja sagen. Das ist ja meine Frage.

Kotthaus: Nein. Sie kennen die mittelfristige Finanzplanung. Die ist Ihnen bekannt, die ist veröffentlicht worden. Der können Sie die Details entnehmen. Dann brauchen Sie auch diese Spielchen nicht weiterzuspielen. Das ist zwar ganz amüsant, aber es bringt nichts.

Wichtig ist, dass wir auf diesem klaren Kurs der Konsolidierung weiterfahren. Das hat der Minister auch gestern Abend noch einmal im ZDF klargemacht. Noch einmal, wie es für alle unbestreitbar ist, wie es sicherlich richtig ist und wie es der Minister auch schon in der Vergangenheit mehrfach gesagt hat: Es gibt Handlungsbedarf im Bereich der Infrastruktur. Es gibt andere Dinge, die Sie auch den verschiedenen Äußerungen des Ministers und Äußerungen von anderen entnehmen können, und denen habe ich im Moment nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Kotthaus, Teil dieses klaren Bekenntnisses zu einer soliden Finanzpolitik des Ministers, wie Sie es ausgedrückt haben, war es bisher auch, einen Teil dieser Überschüsse dafür zu verwenden, Schulden abzubauen, unter anderem beim Investitions- und Tilgungsfonds. Ist das auch nach wie vor Teil des klaren Bekenntnisses des Ministers?

Kotthaus: Ich glaube, das ganz Wichtige bei den Fragen, was den Schuldenstand betrifft, ist eben, dass wir den Schuldenstand substanziell reduzieren, also das Verhältnis von Schulden zum Wachstum, und dass wir dabei deutlich nach vorne kommen. Auch das ist angesichts der mittelfristigen Finanzplanung so gegeben. Aber noch einmal: Sie kennen die mittelfristige Finanzplanung. Sie kennen die Festlegungen im Kabinett, die gegeben sind. Das ist für mich momentan der Maßstab, und daran habe ich momentan nichts zu verändern. Ich bin hier als Sprecher des Finanzministeriums und kann nur Auskunft über die Planung geben, die Ihnen allen bekannt ist und die der Minister hier in diesem Raum bei der Vorstellung der Planung, wie sie im Kabinett eingebracht worden ist, auch vorgestellt hat. Dem habe ich momentan nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Kotthaus, wenn man jetzt einmal die finanzielle Dimension der Wahlversprechen zusammenzählt, die Union und SPD gemacht haben, dann kommt ein hübsches Sümmchen zustande. Hat der Minister denn die Sorge, dass das alles ein bisschen ausufern könnte, oder ist er ganz gelassen?

Kotthaus: Ich habe den Minister selten in Sorge gesehen. Er ist meistens gelassen, da er eben mit dieser Politik auch eine klare, saubere Finanzpolitik und damit eine sehr erfolgreiche Politik gefahren hat, in deren Rahmen wir es auch geschafft haben, über eine gesamte Legislaturperiode hinweg faktisch die Ausgaben nicht nur nicht zu erhöhen, sondern sie innerhalb von vier Jahren sogar leicht zu senken. Dadurch haben wir eben auch diese substantielle Reduzierung der Neuverschuldung und Ähnliches mehr erreicht. Diese Politik war vier Jahre lang erfolgreich, und ich glaube, sie wird es noch einmal sein. Das hat der Minister gestern Abend klar gesagt. Die mittelfristige Finanzplanung mit all ihren Implikationen, was Neuverschuldung und Ähnliches mehr betrifft, ist für ihn sicherlich die Grundlage für einen guten Maßstab, um nach vorne zu gehen. Aber noch einmal: Ich kann hier nicht mit weiteren Planungen darüber hinausgehen. Für mich ist der Maßstab die mittelfristige Finanzplanung. Ich bin Sprecher des Finanzministeriums und nicht von Koalitionsverhandlungen.

Zusatzfrage: Meine Frage liegt jetzt ein bisschen im Grenzbereich, aber ich will sie trotzdem einmal stellen. Bei den Koalitionsverhandlungen vor vier Jahren wurden ja viele Abmachungen getroffen, die dann unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt wurden, beispielsweise die Ankündigung großer Steuersenkungen. Nun sind Sie Sprecher des Ministeriums und nicht unbedingt als Parteivertreter hier. Trotzdem stelle ich einmal die Frage: Wird der Minister darauf bestehen, dass man auch bei den jetzt anstehenden Koalitionsverhandlungen Abmachungen unter einen Finanzierungsvorbehalt stellt, oder wird er diese Bedingung nicht erheben?

Kotthaus: Wie Sie richtig gesagt haben, bin ich nicht nur nicht ein bisschen, sondern gar nicht als Parteisprecher hier. Ich bin hier nur als Sprecher des Finanzministeriums. Ich habe doch gerade versucht, hier in drei, vier neuen Anläufen noch einmal klarzumachen, dass sich der Minister gestern noch einmal klar zu der mittelfristigen Finanzplanung bekannt hat. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, am Wochenende hat in Medienberichten die Planung der Bundesregierung zu Reformen auf EU-Ebene eine Rolle gespielt. Können Sie sagen, ob die Bundeskanzlerin bei ihrem Gespräch mit dem belgischen Premierminister am Wochenende dafür Rückendeckung bekommen hat?

StS Seibert: Es war ein gutes Gespräch mit dem belgischen Premierminister Di Rupo, bei dem die Bundeskanzlerin und Herr Di Rupo über die gesamte Bandbreite der in Europa gerade anstehenden Themen - vor allem eben auch die, die für die nächsten Europäischen Räte wichtig sind - gesprochen haben.

Ich will zu der Berichterstattung vom Wochenende sagen, dass, anders als in dieser Berichterstattung dargestellt, die Überlegungen der Bundesregierung, wie die Wirtschafts- und Währungsunion fortentwickelt werden sollte, längst bekannt sind. Jeder, der Bescheid wissen will, kann Bescheid wissen, weil es unzählige Äußerungen der Bundeskanzlerin dazu gibt, vor allem aber auch einen gemeinsamen deutsch-französischen Vorschlag vom 30. Mai. In dem ist all das, was jetzt als Neuigkeit verkauft wird, nachzulesen. Deswegen, glaube ich, lohnt sich die Lektüre noch einmal.

Zusatzfrage: Die Nachfrage war ja auch nicht, ob das alles neu ist, sondern ob sie Unterstützung von Herrn Di Rupo bekommen hat.

StS Seibert: Sagen wir es einmal so: Im Juni hat der Europäische Rat beschlossen, dass die Themen, die hier in Rede stehen, im Oktober und Dezember die Europäischen Räte beschäftigen sollen. Also ist es ein normaler Vorgang, dass in Europa jetzt die Bundeskanzlerin mit ihren Partnern, und zwar möglichst vielen, genau darüber redet. Deswegen ist es auch, genauso wie immer vor Europäischen Räten, nicht sinnvoll, dass man über den Inhalt dieser Gespräche vorher schon Auskunft gibt. Das Entscheidende wird die Diskussion der Staats- und Regierungschefs in Brüssel im Oktober und dann im Dezember sein. Ich gebe jetzt nicht über Positionen von Herrn Di Rupo Auskunft.

Zusatzfrage: Das wird sicher auch heute Thema beim Gespräch mit Herrn Barroso sein.

StS Seibert: Auch da wird es um die Vorbereitung des Europäischen Rates und die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion gehen - natürlich. Das ist das Thema, das sich die Staats- und Regierungschefs für diesen Herbst/Winter 2013 gemeinsam vorgenommen haben.

Frage: Herr Seibert, in welcher Form stimmt sich die Bundeskanzlerin mit ihrem zukünftigen Vizekanzler Gabriel in Sachen Europapolitik für die nächsten Gipfel ab? Gibt es ein vorkoalitionäres Kaffeetrinken? Spricht sie mit Herrn Gysi im gleichen Maßstab wie mit Herrn Gabriel und mit den Grünen? Oder wird die SPD bevorzugt informiert und um Rat gebeten?

StS Seibert: Wir haben eine Bundesregierung. Sie wird ab morgen wohl eine geschäftsführende Bundesregierung sein, aber natürlich handlungsfähig. Selbstverständlich gibt es im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auch europapolitische Beratungen; das ist ja auch ganz klar.

Zusatzfrage: Die Frage war, ob es eine besondere Vorabstimmung vor diesen Gipfeln gibt, bevor die Bundeskanzlerin namens der Bundesregierung ins Ausland fährt, um deutsche Positionen auf EU-Ebene zu vertreten.

StS Seibert: Die wichtigen anstehenden Themen werden besprochen werden. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, in welcher Form und in welchem Format dies geschieht.

Zusatzfrage: Aber es darf angenommen werden, dass Frau Merkel das nicht mit Herrn Gysi als Oppositionsführer, sondern mit Herrn Gabriel als ihren Vizekanzler bespricht?

StS Seibert: Sie greifen personell, glaube ich, voraus. Noch ist nach meinem Wissen diese Position nicht bestellt. Wie ich von allen Koalitionsverhandelnden höre, soll das auch erst am Ende besprochen werden. Ich muss mich dazu jetzt also nicht äußern. Aber es ist normal, dass eine Bundesregierung, die geschäftsführend ist, zu wichtigen Themen natürlich auch den Kontakt mit dem Koalitionspartner in spe sucht.

Gleichzeitig handeln wir natürlich auch in der Kontinuität unserer europäischen Überzeugungen, weswegen Ende Mai mit Frankreich ein gemeinsames Vorschlagspapier erarbeitet worden ist und in diesem Sinne natürlich auch die Besprechungen beim Europäischen Rat im Oktober geführt werden.

Frage: Herr Peschke, ist die Bundesregierung an einer Vereinbarung mit der italienischen Seite in dem Sinne beteiligt, dass Herr Priebke an einem geheimen Ort in Deutschland beigesetzt werden könnte?

Peschke: Ich kann Ihnen in dieser Sache keinen neuen Stand verkünden. Ich kann auch zu Spekulationen, die in der Sache heute geäußert wurden und die man nachlesen kann, nämlich der Leichnam solle an einem geheimen Ort in Italien bestattet werden, keine Stellung nehmen. Ich kann Ihnen keinen neuen Stand verkünden.

Die Sache ist so, wie es sowohl das Auswärtige Amt als auch der Regierungssprecher in der letzten Woche mehrfach und auch ausführlich dargelegt haben. Es ist zunächst einmal eine Angelegenheit, die in der Obhut der Angehörigen liegt. Da gehört sie auch hin.

Was auch immer wir von offizieller Seite tun können, um in dieser Frage zu einer gütlichen und vernünftigen Lösung zu kommen, werden wir natürlich tun. Aber ich kann Ihnen hier in der Sache nichts Neues vortragen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt zu einer Äußerung eines Vertreters des Auswärtigen Amtes letzte Woche. Er hat Deutschlands Sorge in Bezug auf die Ereignisse im Moskauer Stadtteil Birjuljowo ausgedrückt und hat die russischen Politiker aufgerufen, gegen Fremdenfeindlichkeit vorzugehen.

Das hat ein Vertreter des russischen Außenministeriums, der für die Menschenrechte zuständig ist, kommentiert. Er hat gesagt, dass diese Sorge nicht (akustisch unverständlich) sei, dass die Bundesregierung sich nie an die russische Regierung in der Frage gewandt habe. Ferner hat er gesagt, dass die russische Regierung sich solche Äußerungen verbitte, weil auch in Deutschland in Sachen Fremdendfeindlichkeit nicht alles in Ordnung sei. Er hat erwähnt, dass der NSU-Prozess erst schleppend angelaufen sei und nicht in die Gänge kam. Er hat erwähnt, dass die Flüchtlingsfrage gerade hier in Deutschland im Brennpunkt stehe und dass die Bedingungen für die Flüchtlinge hier äußerst unmenschlich seien, was seiner Meinung nach auch die Menschenrechte verletze. Er hat gesagt, dass die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland in der letzten Zeit zugenommen habe. Das waren die Argumente, vor deren Hintergrund er gebeten hat, sich nicht in die russischen Angelegenheiten einzumischen und sie nicht zu kritisieren.

Gab es eine andere Reaktion auf diese Reaktion? Vielleicht kann auch Herr Seibert etwas dazu sagen. - Das ist die erste Frage. Ich habe noch eine zweite Frage, die ich nachher stellen möchte.

Peschke: Ich kann das gern beantworten. Mir liegen diese Äußerungen von russischer Seite nicht vor. Deswegen kann ich sie hier nicht im Detail kommentieren.

Ich kann Ihnen nur in der Sache sagen - das ist eine ganz klare Position, nicht nur dieser Bundesregierung, sondern auch vorheriger Bundesregierungen, ich bin mir sicher, auch der zukünftigen Bundesregierung -, dass wir ganz klar Position beziehen gegen Fremdenfeindlichkeit und für die Einhaltung der Menschenrechte nicht nur hier in Deutschland - das ist auch eine Aufgabe, die wir innerstaatlich wahrnehmen -, sondern auch weltweit. Wir haben ja als Bundesregierung für Deutschland kürzlich beim Menschenrechtsrat in Genf ausführlich zur Menschenrechtssituation in Deutschland Stellung genommen.

Genauso wie wir das für uns selber als Verpflichtung akzeptieren, treten wir weltweit konsequent gegen Fremdenfeindlichkeit und für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Da gibt es entsprechende internationale Verpflichtungen, die alle Staaten eingegangen sind, die diese Verpflichtungen unterschrieben haben. Sie sind universell gültig. Wir erwarten, dass sich alle Staaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühen, diese Verpflichtungen auch einzuhalten. Diese Position vertreten wir sehr klar und unzweideutig, selbstverständlich auch gegenüber Russland.

Frage: Ich hätte eine zweite Frage, nicht zu Russland, sondern zur Ukraine. Hier wurde mehrmals wiederholt, dass das Angebot der Bundesregierung zur Aufnahme von Frau Timoschenko steht. Ein Medium hat erwähnt, dass sogar in der Klinik Charité ein Bett für sie zur Verfügung steht. Ich wollte fragen, aus welchen Haushaltstiteln die Behandlung von Frau Timoschenko möglicherweise finanziert wird.

Peschke: Ich kann nur grundsätzlich etwas sagen; das ist ja zunächst einmal eine politische Frage. Hier ist es so, wie wir es mehrfach unterstrichen haben, wie es auch Außenminister Westerwelle heute Morgen vor Beginn des Außenministerrates der EU in Luxemburg noch einmal unterstrichen hat:

Das Angebot Deutschlands zur Behandlung von Frau Timoschenko in Deutschland steht. Über die Details können wir derzeit keine Auskunft geben. Denn das ist eine Frage der Umsetzung dieses Angebots. Das Angebot steht. Jetzt geht es darum, diesen Fall zu einer allseits einvernehmlichen und guten Lösung zu bringen.

Das ist heute Thema beim Treffen der Außenminister in Luxemburg. Da wird die Frage der Ukraine besprochen, auch mit Blick auf die anstehende Entscheidung bezüglich des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine. Es ist auch Thema in der Ukraine selbst, wo die europäischen Vermittler Cox und Kwasniewski ja auch wieder Gespräche führen.

Diesen Gesprächen kann ich hier an der Stelle natürlich nicht vorgreifen. Wir hoffen allerdings - das liegt sowohl im Interesse der Ukraine als auch im europäischen Interesse -, dass in diesem Fall eine Lösung gefunden werden kann.

Vors. Detjen: Die Frage bezog sich auf die Haushaltstitel. Können Sie dazu etwas sagen?

Peschke: Das gehört zu den Details, zu denen ich hier im Moment keine Stellung nehmen kann. Unter dem Strich bleibt: Das Angebot steht.

Frage: Herr Seibert, der "Spiegel" berichtet am Wochenende, dass die Staatsanwaltschaft Berlin im Zusammenhang mit einer Anzeige Vorermittlungen gegen den Staatsminister im Kanzleramt von Klaeden wegen dessen Wechsel zu Daimler führt. War das für die Bundesregierung möglicherweise Anlass noch einmal genau nachzuschauen, welche Gespräche Herr Klaeden in seiner Zeit als Minister geführt hat und ob das möglicherweise der Hintergrund für Ermittlungen sein könnte, die - so schreibt der "Spiegel" - unmittelbar nach dessen Erlöschen der Immunität beginnen könnten?

StS Seibert: Ich kann über die Ermittlungen selbstverständlich nichts sagen.

Zu Herrn von Klaedens Ausscheiden aus dem Amt des Staatsministers haben wir hier Ende Mai ausführlich gesprochen. Ich habe damals ausführlich die Position der Bundesregierung dargelegt. Daran hat sich nichts geändert. Es gibt keine Interessenkollision, die erkennbar wäre. So war es im Mai, und so ist es auch heute noch. Denn die Zuständigkeiten von Herrn von Klaeden im Kanzleramt, nämlich die Themen bessere Regierungsführung, Bürokratieabbau und vor allem die Bund-Länder-Koordination, kollidierten nicht mit Themen der Autopolitik, der Autoindustrie. Er hat keine Entscheidungen getroffen oder vorbereitet, die die Automobilindustrie betreffen.

Wenn Sie auf Treffen oder Kontakte ansprechen, muss man natürlich sagen, dass es etwas vollkommen Normales ist, wenn Mitarbeiter des Kanzleramtes beispielsweise mit Vertretern der Automobilindustrie, anderer Industrien, Gewerkschaften und Sozialverbänden in Kontakt und im Austausch stehen. Das ändert nichts daran, dass die Zuständigkeiten von Herrn von Klaeden als Staatsminister andere waren.

Zusatzfrage : Darauf wollte ich Sie gerade ansprechen. Herr von Klaeden hat ja eingeräumt, dass es Gespräche mit Vertretern von Daimler gegeben hat. War denn das möglicherweise für Herrn Pofalla Anlass, in diesem Zusammenhang noch einmal das Gespräch mit Herrn von Klaeden zu suchen?

StS Seibert: Darüber kann ich keine Auskunft geben. Ich weiß nicht, wer da in den letzten Tagen mit wem gesprochen hat. Die inhaltliche Position - auf die kommt es ja an - ist seit Ende Mai eigentlich unverändert. Es hat keinen Grund gegeben, dieses Ausscheiden aus dem Amt des Staatsministers und den Einstieg bei dem privatwirtschaftlichen Unternehmen kritisch zu sehen. Denn die Zuständigkeiten von Herrn Klaeden als Staatsminister lagen ganz klar auf dem Gebiet der Bund-Länder-Koordination und des Bürokratieabbaus. Es gibt im Übrigen für parlamentarische Staatssekretäre auch keine rechtlichen Vorgaben für eventuelle Anschlusstätigkeiten, nachdem sie aus dem Amt geschieden sind.

Frage: Eine Frage an das Bundesinnenministerium: Frau Kutt, es gibt Medienberichte, nach denen deutschsprachige Islamisten nach Syrien ausreisen. Vor einem Monat gab es schon einmal die Zahl 170, die Hans-Georg Maaßen benannt hat. Jetzt ist die Zahl 200 im Raum. Gibt es denn tatsächlich eine verstärkte Ausreise von deutschsprachigen Islamisten nach Syrien, die sich dort eventuell auf Kampfeinsätze vorbereiten?

Zum Zweiten hat Hans-Georg Maaßen vor einem Monat schon einmal die Gefahr der Rückreise angesprochen. Sehen Sie jetzt auch verstärkt, dass Islamisten wieder zurückkommen und hier eventuell Anschläge vorbereiten könnten?

Kutt: Bundesinnenminister Friedrich hat auch wiederholt auf eine verstärkte Ausreise hingewiesen. Zu dem BfV-Bericht kann ich Ihnen nichts sagen, weil er als geheim eingestuft ist. Da kann ich Ihnen keine Details nennen. Aber sowohl die Ausreise als auch die Rückkehr beobachten wir mit großer Sorge.

Frage : Eine Frage an Herrn Kotthaus: Es gibt Berichte, dass die Tourismusindustrie große Nachteile wegen möglicher Steuernachzahlungen befürchtet. Bei TUI würde angeblich darüber nachgedacht, bestimmte Firmen oder Geschäftsbereiche ins Ausland zu verlagern. Gibt es im Finanzministerium vielleicht schon Überlegungen, wie man dem entgegensteuern könnte?

Kotthaus: Das Thema habe ich heute nur am Rande, nur aus den Augenwinkeln, gesehen. Das kann ich momentan nicht kommentieren.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 21. Oktober 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/10/2013-10-21-regpk.html;jsessionid=6903CB143D8CD082949D6159428BEC9F.s4t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2013