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PRESSEKONFERENZ/752: Regierungspressekonferenz vom 10. März 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 10. März 2014
Regierungspressekonferenz vom 10. März 2014

Themen: Medienbericht über die Verabschiedung von Staatssekretär a. D. Beemelmans, Regierungserklärung der Bundeskanzlerin, Situation in der Ukraine und auf der Krim, Reise des Bundesaußenministers in die drei baltischen Staaten, Abstimmung im Bundesrat über die sogenannte Doppelpass-Regelung, Stellungnahme von Edward Snowden im Europäischen Parlament zum G10-Gesetz, Ermächtigung des Bundesinnenministeriums im Zusammenhang mit möglichen Ermittlungen gegen den früheren Bundesinnenminister Friedrich, Maßnahmenpaket zur Stabilisierung von Lebensversicherungen, geplante Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende, Zahlungshöchstdauer für den Unterhaltsvorschuss, Empfehlungen der Strahlenschutzkommission bezüglich des Notfallschutzes in der Umgebung von Kernkraftwerken, europäischer Banken-Abwicklungsfonds, Geltungsdauer des SoFFin, griechische Forderungen nach Reparationen, Ausnahmen von der EEG-Umlage, nicht bezahlte Versicherungssteuer beim ADAC

Sprecher: StS Seibert, Scholz (BMJV), Gerhartz (BMVg), Schäfer (AA), Paris (BMI), Kothé (BMF), Herb (BMFSFJ), Rülke (BMJV), Scharfschwerdt (BMUB), Toschev (BMWi)



Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Scholz: Vielen herzlichen Dank für die Möglichkeit, mich Ihnen kurz vorstellen zu dürfen! Mein Name ist Philip Scholz. Ich bin schon seit rund dreieinhalb Jahren im BMJV und war dort als Referent in verschiedenen Fachreferaten tätig. Ich bin jetzt seit Kurzem im Pressereferat bei Herrn Rülke und dort im Schwerpunkt für die Bereiche "Handels- und Wirtschaftsrecht" und "Digitale Agenda" zuständig. Ich freue mich, dass ich Sie künftig hoffentlich das eine oder andere Mal auch mit der vollen Information versorgen kann. Auf gute Zusammenarbeit!

Vorsitzende Welty: Herzlich willkommen! Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Das Begrüßungspaket reichen wir nach.

Gerhartz: Ich möchte hier zunächst in aller Kürze offiziell etwas zu Protokoll geben, und zwar zu einem eher etwas kleineren Artikel mit dem heutigen Datum im Magazin "Focus" mit der Überschrift "Spiel zum Abschied keine Lieder". Der erste Satz lautet: "Ursula von der Leyen gönnt ihrem Ex-Staatssekretär Stéphane Beemelmans keinen würdevollen Abschied." Aus unserer Sicht ist nicht ganz nachvollziehbar, wie es zum Inhalt dieses Artikels kommt. Es gab auch keine Anfrage in unserer Pressestelle. Deswegen können wir das jetzt auch nicht nachvollziehen.

Vom Grundsatz her: Staatssekretär a. D. Beemelmans hat am 21. Februar 2014 die Urkunde des Bundespräsidenten von der Ministerin ausgehändigt bekommen. Grundsätzlich ist es so - natürlich in Absprache mit demjenigen, der verabschiedet wird -, dass derjenige sich aussuchen kann, welche Musikstücke etc. er bekommt. Man sieht also schon daran, dass das natürlich auch in Absprache mit demjenigen zu laufen hat, der hier verabschiedet wird. Ich kann hier noch einmal völlig klarstellen: Wenn unser Herr Staatssekretär a. D. denn dann eine Serenade haben möchte, dann steht das Haus dem natürlich auch sehr offen gegenüber, und dann wird es auch zu dieser Serenade kommen.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen ankündigen, dass die Bundeskanzlerin am Donnerstag dieser Woche um 9 Uhr im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zum zurückliegenden Brüsseler Treffen der Staats- und Regierungschefs abgeben wird, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs mit dem Thema Ukraine befasst haben. Am Donnerstag um 9 Uhr wird es also diese Regierungserklärung geben.

Ich würde gerne die Gelegenheit ergreifen, um Ihnen zu Beginn darzustellen, wo wir aus Sicht der Bundesregierung nach diesem Wochenende stehen. Zunächst einmal ist die Situation in der Ukraine und insbesondere auf der Krim weiterhin besorgniserregend. Es gibt immer wieder Vorfälle, die die dort ohnehin brüchige Lage weiter destabilisieren und ganz offensichtlich destabilisieren sollen. Immer wieder müssen wir feststellen, dass russisches Verhalten und russisches Vorgehen im Widerspruch zu internationalen Abkommen stehen, zu deren Einhaltung sich Russland verpflichtet hat. Wer auf die Krim blickt, der erkennt ganz klar, dass die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine verletzt werden. Dieses Land braucht keine weiteren Drohungen, es braucht jetzt Stabilität und Unterstützung.

Die Lagebeurteilung, die ich Ihnen gerade gegeben habe, ist natürlich aus Sicht der Bundesregierung nicht befriedigend. Sie ist es auch nicht aus Sicht unserer Partner in Europa und darüber hinaus. Wir wissen aber auch: Entwicklungen zum Besseren dauern manchmal länger. Es bedarf dabei der Beharrlichkeit, und es bedarf der inneren Überzeugungen, denen eine Regierung in so einer Sache unbeirrt nachgeht. Deshalb setzen sich die Bundeskanzlerin und der Außenminister in engster Abstimmung in einer Vielzahl von Gesprächen dafür ein, dass ein politisch-diplomatische Prozess in Gang kommt, bei dem die Ukraine und Russland unter internationaler Beteiligung direkt miteinander reden und einen Ausweg aus der Krise suchen.

Wir berichten Ihnen darüber ja regelmäßig. Deshalb wissen Sie, dass die Bundeskanzlerin am Wochenende mit Präsident Obama, mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi, erneut mit Präsident Putin und auch mit dem kasachischen Präsidenten Nasarbajew telefoniert hat. Ministerpräsident Erdogan, der ja ein wichtiges Nachbarland und wichtiges Schwarzmeeranrainerland vertritt, war sich mit der Bundeskanzlerin einig, dass in Anbetracht des Ernstes der Lage der UN-Sicherheitsrat so rasch wie möglich erneut mit der Krise befasst werden solle, im Übrigen auch der OSZE-Ministerrat und das Ministerkomitee des Europarates. Im Übrigen entspricht seiner Einschätzung zu dem sogenannten Referendum auf der Krim ganz der der Bundesregierung. Die Türkei hat sich auch bereit erklärt, wenn eine solche Kontaktgruppe, deren Bildung wir ja sehr wünschen und anstreben, zustande kommen sollte, dann auch an einer solchen Kontaktgruppe konstruktiv teilzunehmen.

Lassen Sie mich noch etwas zu der Kontaktgruppe sagen: Der Vorschlag der Bundeskanzlerin, eine solche Gruppe zu bilden, um endlich in einen formalen diplomatischen Prozess hineinzukommen und Deeskalierung mit konkreten Ergebnissen zu betreiben, steht weiter im Raum. Wir müssen allerdings feststellen: Die russische Seite hat bisher nicht die nötige Bereitschaft gezeigt, in einen solchen Prozess einzusteigen. Wir appellieren dringend an sie, dies in allernächster Zeit zu ändern. Die Zeit für einen solchen Versuch des Gesprächs und der Verständigung drängt.

Lassen Sie mich noch einmal unsere Auffassung zu dem geplanten sogenannten Referendum auf der Krim darstellen: Es widerspricht sowohl dem Völkerrecht als auch dem ukrainischen Recht. Es wird daher von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt werden. Jedes Referendum müsste, wenn es denn stattfinden und anerkannt werden wollte, im Einklang mit der ukrainischen Verfassung stattfinden, und es müsste entsprechend internationaler Gepflogenheiten beobachtet werden.

Die Bundesregierung hat ja zusammen mit den europäischen Partnern am Donnerstag in Brüssel ein klares Signal ausgesandt. Wir haben die von den Außenministern am Montag bereits vorbereiteten Maßnahmen im Verhältnis zu Russland umgesetzt. Das heißt konkret: Die Beratungen zu Visaerleichterungen und über ein neues Abkommen über die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind ausgesetzt. Weitere, tiefer gehende Sanktionen - dann etwa Reisebeschränkungen und Konteneinfrierungen - können verhängt werden, wenn sich Russland nicht sichtbar um eine Deeskalation der Situation bemüht, indem es endlich die Bildung einer Kontaktgruppe oder eines ähnlichen diplomatischen Gesprächsformats zulässt und auch Ergebnisse zulässt.

Es gibt einen Dritten möglichen Schritt - die Bundeskanzlerin hat darüber ja in Brüssel gesprochen -, den die EU ebenso ausdrücklich ins Auge gefasst hat: Wenn Russland über die schon genannten Maßnahmen auf der Krim hinaus zusätzliche Destabilisierungsmaßnahmen oder gar militärische Aktionen vornimmt, dann wird es zu einer weitreichenden Veränderung unserer Beziehungen zu Russland kommen - inklusive einer breiten Palette von wirtschaftlichen Maßnahmen. Das ist alles einmütig von den 28 EU-Mitgliedstaaten beschlossen worden, und es gibt darüber im Übrigen eine enge Abstimmung zwischen Deutschland, den EU-Partnern und den USA.

Niemand wünscht sich eine solche Kette von Ereignissen, in der Sanktion auf Sanktionen folgt. Wir wollen ganz klar den Weg des Gesprächs und der Verständigung. Wir lenken daher unsere ganzen Energien auch darauf, diesen Weg zu ermöglichen. Aber wir sind gegebenenfalls auch bereit, zu handeln.

Schäfer: Ich denke, in diesen Zusammenhang passt ganz gut, dass ich Ihnen sagen kann und sagen möchte, dass Außenminister Steinmeier heute Abend zu einer Reise in die drei baltischen Staaten aufbrechen wird. Er wird dort morgen Gespräche mit unseren engen EU- und Nato-Bündnispartnern Estland, Lettland und Litauen führen. Im Mittelpunkt der Begegnungen - das wird Sie nicht überraschen - steht ein Meinungsaustausch über die aktuelle Lage auf der Krim und in der Ukraine sowie die Suche nach einer gemeinsamen europäischen Antwort auf diese Lage entlang der Linie, die Herr Seibert ja gerade schon dargestellt hat.

Er wird in Tallinn mit dem Präsidenten und dem Außenminister sprechen, in Lettland ebenso mit dem Staatspräsidenten und dem Außenminister, und er wird auf seiner letzten Station - morgen Abend in Vilnius, der Hauptstadt Litauens - mit Präsidentin Grybauskaite zusammentreffen.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten gerade zur Ukraine: Wir wollen ganz klar den Weg des Gesprächs, und die Zeit drängt. Meine Frage: Was muss eigentlich noch passieren, damit die Bundeskanzlerin, die Herrn Putin ja gut versteht, selbst das Risiko eingeht, sich selbst nach Moskau zu begeben, um die letzte Möglichkeit dafür zu suchen, dass ein Gespräch und ein dauerhafter politisch-diplomatischer Prozess in Gang kommen?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat am Wochenende erneut ein ausführliches Telefonat mit Präsident Putin geführt. Sie hat in der Vergangenheit - ich würde also sagen, in den letzten sieben oder acht Tagen - mehrere Telefonate geführt, über die wir Sie ja auch jeweils informiert haben. Das heißt, der Gesprächsfaden besteht. Sie hat jede Chance genutzt, um dem russischen Präsidenten unsere Haltung unmissverständlich klarzumachen.

Zusatzfrage: Mit Verlaub: Meine Frage war, was noch passieren muss, damit sich die Bundeskanzlerin persönlich nach Moskau begibt. Es ist ja doch etwas anderes, ob man sich persönlich in die Augen sieht oder ob man über das Telefon miteinander kommuniziert.

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin steht, wie ich Ihnen gerade dargelegt habe, in ziemlich regelmäßigem Kontakt mit Präsident Putin. Es ist auch gut möglich, dass es in den nächsten Tagen wieder Gespräche geben wird. Im Übrigen haben die 28 Staats- und Regierungschefs der EU in ihrem Drei-Stufen-Plan ja sehr klar aufgezeigt, was nach unserer Vorstellung passieren muss. Es muss jetzt den Einstieg in einen Prozess der Kontaktgruppe mit konkreten Ergebnissen geben. Anderenfalls werden weitere Sanktionen ausgelöst werden.

Frage: Herr Seibert, ich habe eigentlich zwei Fragen. Die erste bezieht sich auf die Ukraine und Russland, die miteinander reden sollen, wie auch die Bundesregierung meint. Wie soll das gehen, wenn der russische Präsident eigentlich sehr klargemacht hat, dass er die ukrainische Regierung gar nicht anerkennt und immer noch auf Janukowitsch als legitimierten Präsidenten setzt?

Zur zweiten Frage: Sie haben gesagt, dass sich Russland sichtbar bemühen sollte, eine Kontaktgruppe zu bilden und dem zuzustimmen. Wie sichtbar soll das sein, bevor es zu diesen Reisebeschränkungen und Kontoeinfrierungen kommt? Welche Schritte müssen also ganz konkret gemacht werden, bevor es zu diesen Sanktionen kommt?

StS Seibert: Die Erwartung ist ganz klar formuliert: Es muss zur Bildung einer solchen Kontaktgruppe kommen - unter Mitwirkung Russlands, unter Mitwirkung der Ukraine und unter Mitwirkung diverser anderer Akteure -, und diese Kontaktgruppe muss ergebnisorientiert miteinander reden und versuchen, einen friedlichen Ausweg aus der Krise zu finden.

Zusatzfrage: Wie soll das gehen, wenn Russland die ukrainische Regierung nicht anerkennt?

StS Seibert: Ich erinnere mich auch an die Aussage des russischen Präsidenten, dass er Herrn Janukowitsch keine politische Zukunft gibt.

Zusatz: Trotzdem erkennt er die Regierung nicht an. Er sagt, dass darin Faschisten oder andere Gruppierungen sind, mit denen er einfach gar nicht reden will.

StS Seibert: Wir bemühen uns, eine solche Kontaktgruppe zustande zu bringen. Es hat ja durchaus die erklärte Bereitschaft der russischen Seite gegeben, über die Bildung einer solchen Kontaktgruppe nachzudenken. Wir haben leider noch nicht die praktischen Schritte erlebt, die dann auch dazu führen würden, dass man miteinander am Tisch sitzt.

Frage: Hat sich die Bundeskanzlerin schon eine Meinung darüber gebildet, ob sie am G8-Gipfel in Sotschi teilnehmen wird oder nicht?

Ist es richtig, dass sich Herr Obama schon entschieden hat, nicht teilzunehmen? Wäre es für die Bundesregierung überhaupt vorstellbar, bei einem Gipfel mitzumachen, von dem sich die USA schon zurückgezogen haben?

Noch eine andere Frage: Haben die Bundeskanzlerin oder die Bundesregierung Kontakt zu Frau Timoschenko gesucht, seit sie hier in Berlin ist?

StS Seibert: Zur ersten Frage: Ob Präsident Obama in Sachen G8 etwas entschieden hat, würde ich Sie bitten, in Washington abzufragen. Es gilt das, was alle G7-Partner miteinander erklärt haben und wozu die Bundesregierung auch steht, nämlich dass wir die Vorbereitungen auf einen G8-Gipfel in Sotschi aussetzen. Es gilt auch das, was ich - ich glaube, in der letzten Regierungspressekonferenz - hier gesagt habe, nämlich dass ein G8-Gipfel natürlich eines bestimmten politischen Umfelds bedarf, und aus heutiger Sicht kann man dieses Umfeld nicht erkennen.

Zu Frau Timoschenko: Es gab ja in Dublin eine Begegnung zwischen der Bundeskanzlerin auf der einen Seite und Frau Timoschenko und Herrn Klitschko auf der anderen Seite. Seitdem hat es keinen Kontakt zwischen der Bundeskanzlerin und Frau Timoschenko gegeben. Meines Wissens ist sie hier zur medizinischen Behandlung.

Zusatzfrage: Ich hörte am Wochenende, dass, wenn das Referendum auf der Krim stattfindet, das von der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin als letztendlich entscheidender Punkt bewertet wird, um nicht am G8-Gipfel teilzunehmen. Ist das so? Kommt diesem Referendum eine besondere Rolle für diese Entscheidung zu?

StS Seibert: Das, was ich gerade gesagt habe, steht, nämlich unsere Einmütigkeit mit den G7-Partnern in Bezug darauf, dass wir die Vorbereitungen auf den G8-Gipfel aussetzen, und auch unsere Betonung einer politischen Atmosphäre und eines politischen Umfelds, die gegeben sein müssen, wenn man sinnvollerweise einen G8-Gipfel abhalten will. Darüber hinausgehende Entscheidungen sind nicht gefällt worden.

Frage: Herr Seibert, zur Kontaktgruppe: Ist Präsident Putin für die Bundeskanzlerin immer noch glaubwürdig und zuverlässig? Er hat vor einer Woche die Bildung einer Kontaktgruppe zugesagt, und bisher, wie Sie sagen, ist gar nichts passiert.

StS Seibert: Dass wir die entsprechenden konkrete Schritte noch nicht konstatieren können, finden auch wir nicht gut, und deswegen äußern wir uns ja sehr klar dazu. Das wird uns aber nicht davon abhalten - das hat die Bundeskanzlerin auch am Wochenende nicht davon abgehalten -, Präsident Putin sehr eindringlich aufzufordern, diese Schritte jetzt zu gehen. Noch ist es nicht zu spät. Es bleibt noch ein wenig Zeit.

Zusatzfrage: Wie lange noch?

StS Seibert: Ich will das nicht bemessen. Ich will nur sagen: Noch ist es nicht zu spät. Ich werde hier keine Zeitpläne verkünden. Aber erkennbar ist, dass die Zeit sehr drängt.

Zusatzfrage: Präsident Putin hat der Bildung dieser Kontaktgruppe vor einer Woche schon zugestimmt. Oder habe ich das vor einer Woche falsch verstanden?

StS Seibert: Ja, aber sie ist seitdem durch russisches Zögern oder russisches Sich-nicht-dazu-Verhalten nicht gebildet worden. Deswegen müssen wir der russischen Seite sehr klar sagen: Ihr müsst jetzt diese konkrete Schritte gehen. Ihr müsst jetzt sagen, wen ihr schickt. Ihr müsst jetzt mit uns, mit den Ukrainern und mit den anderen internationalen Partnern ganz klar über die Prinzipien beraten, die einer solchen Kontaktgruppe zugrunde liegen, sie beschließen, sich hinsetzen und dann konkrete Ergebnisse erzielen.

Frage: Herr Seibert, waren in dem Gespräch zwischen der Bundeskanzlerin und Herrn Erdogan auch die Lage und die politische Haltung der Krimtataren, die ja ein Turkvolk sind, ein Thema?

StS Seibert: Wir haben ja nach dem Gespräch eine kurze Presseerklärung herausgegeben. Es ist bekannt und offensichtlich, dass die Türkei einen besonderen Zugang zur Bevölkerungsgruppe der Krimtataren hat. Diesen Zugang hat Präsident Erdogan beschrieben und erklärt, dass er auch bereit ist, diesen Zugang in einer konstruktiven Weise nutzbar zu machen. Im Übrigen hat er daher auch die Bereitschaft der Türkei erklärt, an einer Kontaktgruppe teilzunehmen, wenn sie denn, wie wir hoffen, jetzt bald zustande kommt.

Zusatzfrage: Auch mit dem besonderen Einsatz für die Krimtataren von türkischer Seite?

StS Seibert: Das Thema der besonderen Verbindung zur ethnischen Gruppe der Krimtataren war auch ein Thema des Gesprächs.

Frage: Herr Seibert, es war ja auch und vor allem eine Idee der Bundesregierung, eine OSZE-Beobachtergruppe auf die Krim zu schicken. Nun kann die ja dort nicht arbeiten, weil sie daran gehindert wird. Wie empfinde die Bundesregierung das? Wer steckt denn nach Ihren Erkenntnissen dahinter? Sind das sozusagen russische Selbstverteidigungskräfte, die sich dort gegen Faschisten wehren, oder wird das vielleicht von Moskau gesteuert? Welche Erkenntnisse haben Sie darüber, dass diese Gruppe ihrer Arbeit dort einfach nicht nachkommen kann?

StS Seibert: Ich kann Ihnen solche Erkenntnisse hier nicht darlegen. Es ist ganz einfach und grundsätzlich so, dass die Bundesregierung selbstverständlich erwartet, dass internationalen Beobachtern der Zugang zur Krim gewährt wird und dass - mehr als das - nicht nur der Zugang gewährt wird, sondern dass auch ihre Sicherheit vor Ort von den Parteien, die vor Ort faktisch die Kontrolle ausüben, gewährleistet wird. Das muss unsere klare Forderung sein. Damit sind wir nicht allein, sondern das fordern wir zusammen mit all unseren europäischen Partnern.

Zusatzfrage: Hat Russland dieser Entsendung denn damals eigentlich zugestimmt? Die Krim steht ja formal noch unter Kontrolle der Ukraine. Da hätte Russland ja eigentlich gar nicht zustimmen müssen. Wie war das denn rechtlich und politisch?

Schäfer: Es gibt ja mehrere Maßnahmen, die unter dem Dach der OSZE getroffen worden sind. Die Entsendung von Botschafter Guldimann in die Ukraine und dann auch auf die Krim ist eine Entscheidung, die der OSZE-Vorsitz in Eigenregie treffen konnte und getroffen hat. Die Entsendung von Beobachtern in die Ukraine mit dem Ziel, auch auf die Krim zu gelangen, woran sich auch Deutsche beteiligen, ist eine Entscheidung nach dem sogenannten Wiener Dokument. Das ist eine vertragliche Vereinbarung unter dem Dach der OSZE, in der es darum geht, ein möglichst hohes Maß an Transparenz über Militärbewegungen zu erzielen. Nach diesem Wiener Dokument ist es ohne Weiteres möglich, dass auf Antrag eines Mitgliedstaates entschieden wird, eine solche Gruppe von Beobachtern zu entsenden. Das ist geschehen. Dazu war nicht erforderlich, dass im OSZE-Kreis eine einstimmige Entscheidung getroffen wird. Deshalb musste Russland dem auch nicht zustimmen, und deshalb wissen wir nicht, in welcher Weise sich Russland positioniert hätte, wenn es gefragt worden wäre.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, haben Sie denn durch die Botschaften in Kiew oder in Moskau irgendwelche Erkenntnisse darüber erlangt, wer dahintersteckt, dass die Gruppe nicht arbeiten kann?

Schäfer: Das sind Leute, die an der Grenze stehen und den Beobachtern der OSZE die Einreise verweigern. Es gibt ja jede Menge Spekulationen darüber, aber ich glaube, es hat keinen Sinn, sich hier jetzt auf den wackeligen Untergrund von Gerüchten zu begeben. Richtig ist vielmehr, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern weiterhin eindringlich all diejenigen, die das verhindern, dazu auffordern, ihre Blockadehaltung aufzugeben, damit auch die Behauptungen beziehungsweise Vorwürfe aufgeklärt werden können, die im Raum stehen, die ja vonseiten gewisser Kreise auf der Krim erhoben werden und die auch ein Echo in Moskau finden, nämlich dass es angeblich einen Verstoß gegen Menschenrechte beziehungsweise eine Diskriminierung von russischstämmigen oder russisch sprechenden Personen auf der Krim oder anderswo in der Ukraine gäbe. Da hat es, glaube ich, keinen Sinn, sich in Gerüchten zu ergehen, sondern da ergibt es Sinn, unabhängige Beobachter ins Land zu lassen, die das verifizieren können und darüber Bericht erstatten mögen.

Frage: Die Kanzlerin wird in Kürze nach Warschau fahren. Dort wird es ein Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Tusk geben. Welche Schwerpunkte wird es dabei geben? Wie schwer wird die Ukraine dabei wiegen?

StS Seibert: Zunächst einmal war es ja die Absicht der Bundeskanzlerin, sehr bald nach ihrer Wiederwahl nach Warschau zu fahren. Wir wissen, dass es dann gesundheitliche Umstände gab, die es notwendig machten, diese Reise zu verschieben. Insofern ist das jetzt die nachgeholte und längst ins Auge gefasste Reise, und sie freut sich, sie endlich antreten zu dürfen.

Außerdem will ich nur sagen: Sie können sich vorstellen, dass die Situation in der Ukraine auch in Warschau ein Schwerpunkt der Gespräche sein wird.

Frage: Herr Seibert, ich habe es noch nicht ganz verstanden: Wieso hält die Bundeskanzlerin ihren Besuch in Moskau für nicht sinnvoll, während sie aber den Besuch von Herrn Steinmeier und Herrn Gabriel in Moskau für sinnvoll hält? Ist die Lage doch nicht so ernst, dass sich die Chefin darum kümmern muss?

StS Seibert: Ich kann mich erstens nicht daran erinnern, das Wort "nicht sinnvoll" verwendet zu haben. Zweitens habe ich, glaube ich, nicht nur heute, sondern auch in den vergangenen zehn Tagen mehrfach dargelegt, wie intensiv sich die Bundeskanzlerin in enger Abstimmung mit Außenminister Steinmeier um diese Situation kümmert und nahezu täglich mit ihr befasst ist. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Wenn Sie sich den Begriff "nicht sinnvoll" nicht zu eigen machen wollen, dann schlussfolgere ich daraus, dass ein Besuch von Frau Merkel von Ihnen für sinnvoll gehalten wird. Deswegen stelle ich meine Frage: Wieso fährt sie dann nicht hin?

StS Seibert: Ich fürchte, mit diesen verbalen Spielchen kommen wir hier nicht sehr viel weiter. Ich meine, ich hätte wirklich klargemacht, wie besorgniserregend und tief ernst die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin persönlich die Situation wahrnehmen. Ich finde, diese Frage ist dem Ernst der Situation nicht angemessen.

Frage: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hatte gestern Abend die Möglichkeit, noch einmal mit Herrn Cameron über die Ukraine zu sprechen. Ich wollte fragen, ob sie dabei Möglichkeiten erörtert hat, wie Finanzzentren in Frankfurt und London möglicherweise Druck auf Russland ausüben könnten.

Noch einmal zu dem Gespräch mit Herrn Putin: Gab es dabei irgendein Entgegenkommen im Vergleich zum vorherigen Gespräch, oder gab es eher ein Verhärten der Fronten?

StS Seibert: Ich möchte das Gespräch mit Herrn Putin über das hinaus, was wir anschließend an die Presse gegeben haben, hier nicht weiter qualifizieren oder interpretieren. Die Bundeskanzlerin hat noch einmal intensiv die deutsche Haltung dargelegt, dass es jetzt russischer Bewegung und russischer Kompromissfähigkeit bedarf. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Sie können sich vorstellen, dass das Thema Ukraine im Gespräch mit Premierminister Cameron das alles andere überschattende Thema war und dass es um alle drei Ebenen geht, auf denen wir beschäftigt sind. Die eine Ebene ist natürlich zunächst einmal die Situation dessen, was dort vor Ort sehr klar als ein Bruch internationaler Abkommen zu benennen ist, der es in unseren Augen ist. Die andere Ebene ist: Wie kann der Übergangsregierung der Ukraine in dieser sehr schwierigen Situation Stabilität gebracht werden? Wie kann den Bürgern in der Ukraine, und zwar in allen Teilen der Ukraine, konkret geholfen werden? Die dritte Ebene des Gesprächs ist natürlich wie auch beim Gipfel in Brüssel zuvor: Wie ist unser Umgang mit Russland? Welche Maßnahmen müssen wir zu treffen bereit sein, wenn es auf russischer Seite keine Bewegung gibt? Das waren auch gestern Abend die Themen. Über Einzelheiten möchte ich jetzt nicht sprechen.

Zusatzfrage: Unabhängig von dem Gespräch: Ist denn der Druck über Finanzzentren wie Frankfurt für die Bundesregierung ein Thema?

StS Seibert: Das, was wir in Brüssel bereits gemeinsam zu achtundzwanzigst beschlossen haben, ist ein Thema, und damit ist sicherlich auch nicht abschließend beschrieben, was in den Schlussfolgerungen des Brüsseler Treffens auftaucht. Wir haben bereits Maßnahmen umgesetzt. Wir haben über weitergehende Sanktionsmaßnahmen in einer sogenannten zweiten Stufe gesprochen. Das wären dann sehr gezielte Reisebeschränkungen und Konteneinfrierungen. Wir haben auch über eine dritte Stufe gesprochen, von der wir nicht hoffen, dass wir sie erreichen werden, von der wir aber auch sagen müssen, dass wir bereit wären, auch im Rahmen dieser Stufe zu handeln. Dabei geht es dann um eine sehr breite Palette wirtschaftlicher Maßnahmen, die denkbar ist. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sind jederzeit in der Lage, wieder zusammenzukommen und das zu konkretisieren.

Frage: Herr Seibert, Sie haben ja in Ihrem Statement die enge Abstimmung der EU mit den USA unterstrichen. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Verlegung von Kampfjets der USA nach Polen für ein Manöver? Gehört das auch zu den Dingen, die mit den USA abgestimmt sind?

StS Seibert: Ich habe hier bilaterale Maßnahmen zwischen den USA und Polen nicht zu beurteilen. Es bleibt dennoch wahr, dass die Bundesregierung, die Kanzlerin persönlich, aber sicherlich auch der Außenminister auf der Ebene der Außenminister in Bezug auf dieses Thema sehr eng mit den Amerikanern zusammenarbeiten, dass sehr viel gesprochen wird und dass jeder Schritt miteinander abgestimmt wird.

Zusatzfrage: Sie haben ja außerdem den politisch-diplomatischen Weg betont, den die Bundesregierung und die EU nehmen. Sehen Sie denn in der Verlegung dieser Kampfjets eine Unterstützung für diese Politik?

StS Seibert: Ich habe gesagt, dass ich bilaterale Schritte zwischen den USA und Polen hier nicht zu beurteilen habe. Es gibt aber überhaupt keinen Zweifel daran, dass die USA genauso wie die 28 EU-Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, alles dafür zu tun, dass es ein politisch formalisiertes Format der Gesprächs- und Verständigungsmöglichkeit gibt. Das können Sie dann Kontaktgruppe oder Koordinierungsgruppe nennen; der Name ist sicherlich zweitrangig. Wichtig ist, dass ein solches Format sehr rasch zusammenkommt und in diesem Format auch sehr rasch stabilisierende, deeskalierende Ergebnisse gefunden werden.

Frage: Herr Seibert, ich habe das Szenario der möglichen Sanktionen gegen Russland noch nicht ganz verstanden. Ist denn die Tatsache, dass man am Wochenende ein Referendum zur Loslösung der Krim von der Ukraine durchführt, bereits ausreichend Grund, um beispielsweise Reisebeschränkungen zu verhängen, Konten zu sperren, oder tritt dann sozusagen schon die dritte Stufe in Kraft, also wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland?

StS Seibert: Noch einmal: Ich werde hier keine Zeitpläne verkünden. Deutschland wird diese Fragen, wenn es dazu kommt, mit seinen Partnern in der EU und den USA sehr rasch klären können. Aber eines ist gewiss: Es darf auch kein Spiel auf Zeit geben. Wir erwarten also baldige konkrete Schritte zur Bildung einer solchen Kontaktgruppe und auch konkrete Ergebnisse des Zusammensitzens, damit eben die Fragen zwischen der Ukraine und Russland auf eine friedliche Weise geklärt werden können.

Wie wir dieses sogenannte Referendum ansehen und welche Nicht-Beachtung sein Ergebnis durch die internationale Gemeinschaft finden wird, habe ich hier schon dargelegt.

Frage: Kleine Frage am Rande: Herr Schäfer, Frau Kothé, haben Sie inzwischen Signale aus Washington erhalten, dass der IWF mit seiner Mission zu Ende ist? Es gab am Freitag eine Meinungsäußerung eines IWF-Vertreters, aber das war wohl noch nicht der Endpunkt der Mission.

Kothé: Nach meinem Kenntnisstand läuft die Mission noch. Sie ist noch nicht abgeschlossen.

Frage: Herr Staatssekretär, hat bei dem jüngsten Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem amerikanischen Präsidenten gegebenenfalls doch die Frage eine Rolle gespielt, ob ein persönliches Treffen von Frau Merkel mit Herrn Putin in Moskau die Dinge doch beschleunigen könnte? Konkret gefragt: Hat Herr Obama Frau Merkel gefragt oder vielleicht sogar aufgefordert, das in nächster Zeit zu tun?

StS Seibert: Ich berichte nicht aus vertraulichen Gesprächen der Bundeskanzlerin. Wir haben dazu eine Presseerklärung herausgegeben. Ich habe hier, glaube ich, in verschiedenen Varianten beschrieben, wie eng, wie intensiv die Befassung der Bundeskanzlerin mit diesem Thema ist und wie viele Gespräche sie mit Präsident Putin in dieser Frage schon geführt hat.

Frage: Herr Seibert, Sie haben von gezielten Reisebeschränkungen gesprochen. Gegen wen würden sich diese Reisebeschränkungen richten?

StS Seibert: Das werde ich hier sicherlich nicht verkünden. Es wird sich um einen Personenkreis handeln, der dann auch weiß, warum er auf dieser Liste ist. Ich werde das hier nicht verkünden. Das ist etwas, was dann die Experten in den Ministerien der beteiligten europäischen Länder miteinander besprechen werden.

Frage: Herr Seibert, Herr Schäfer, sind Gespräche oder Reisen nach Zentralasien geplant? Sie haben das Gespräch mit Herrn Nasarbajew erwähnt, Herr Seibert. Sind andere Versuche in diese Richtung geplant? Wie wichtig sind diese Länder, um den Druck auf Russland aufzubauen?

StS Seibert: Zunächst ist einmal wichtig, denke ich, dass das, was wir hier an Einschätzungen wiedergeben, eben nicht nur eine Einschätzung ist, die in der EU und auch nicht nur in den USA und Kanada herrscht, sondern die beispielsweise auch von der türkischen Regierung geteilt wird.

Die Bundeskanzlerin hat gestern mit Herrn Nasarbajew gesprochen. Wenn es weitere Gespräche gibt, auch auf der Ebene der Außenminister, werden wir darüber selbstverständlich informieren. Ich kann jetzt hier keine ankündigen.

Schäfer: Ich ergänze nur so viel: Es ist ja immerhin interessant, dass auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, aber gerade auch auf der Außenministerebene die Staaten, die Sie angesprochen haben, sich sehr für die Lage auf der Krim und die Situation in und um die Ukraine interessieren und deshalb auch sehr daran interessiert sind, sich mit Deutschland und sicherlich auch mit anderen Partnern im Westen abzustimmen. Es spricht viel dafür, dass das ein Thema ist, das weit über den Kreis der Europäischen Union hinaus weltpolitisches Interesse hat und deshalb auch von dem Länderkreis, den Sie angesprochen haben, sehr ernst genommen wird.

Frage: Eine Frage, die den IWF betrifft, Herr Seibert. Angesichts der barbarischen Wirtschaftspolitik und des grandiosen Misserfolgs seiner Politik in vielen europäischen Ländern in der letzten Zeit mutet das Eingreifen des IWF in der Ukraine eher als eine Strafe als ein Segen an. Meine Frage ist, ob die Bundesrepublik Deutschland so einen Einsatz des IWF befürwortet und ob sie Modelle, wie sie in den südeuropäischen Ländern vor allem in der letzten Zeit angewendet worden sind, begleiten wird.

StS Seibert: Was Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben, steht Ihnen als persönliche Meinungsäußerung natürlich vollkommen frei. Ich will nur sagen, dass ich diese Meinung nicht nur nicht teile, sondern dass ich sie für die Bundesregierung auch entschieden zurückweise.

Der IWF ist derzeit in der Ukraine in Gesprächen mit der Übergangsregierung. Diese Gespräche werden von der Übergangsregierung auch begrüßt. Der IWF hat eine weltweite Expertise im Umgang mit Staaten in solch schwierigen Prozessen, dass wir es richtig finden, dass er dort ist und seine Arbeit unterstützen.

Zusatzfrage: In dieser Expertise ist auch der Eingriff in gewerkschaftliche und politische Rechte inbegriffen. Ich greife nur zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit auf: Erstens ist in vielen europäischen Ländern das Streikrecht, also ein Freiheitsrecht, fast völlig ausgehebelt worden. Zweitens wird in letzter Zeit auch in politische Rechte eingegriffen, zum Beispiel wird die Finanzierung der politischen Parteien beschnitten. Ist das etwas, was Sie sozusagen als eine richtige Expertise begreifen?

StS Seibert: Wir scheinen uns jetzt von dem Thema "Ukraine" sehr weit weg zu bewegen. Ich sage noch einmal für die Bundesregierung: Wir begrüßen, dass der IWF Gespräche in Kiew mit der Übergangsregierung führt. Wir hoffen, dass sie zu einem Ergebnis führen, das es möglich macht, der Ukraine möglichst bald konkrete Hilfen - Hilfen, die dann auch die Bürger merken - zukommen zu lassen. Darauf setzen wir, und das unterstützen wir.

Frage: Herr Seibert, am vergangenen Wochenende hat sich auch der Vorgänger der Kanzlerin zu Wort gemeldet und hat eine Analogie zwischen der Krim und dem Kosovo gezogen, wo er selber auch das Völkerrecht gebrochen habe. Halten Sie diese Analogie für überzeugend?

StS Seibert: Ich will mich hier jetzt nicht intensiv historisch damit auseinandersetzen. Ich will nur sagen: Wer sich das nüchtern in der historischen Entwicklung dieses Konfliktes anschaut, wird eine ganz andere Vorgeschichte erkennen.

Ich will hier nur das eine sagen: Was in Teilen der Ukraine und auf der Krim passiert, ist nach fester Überzeugung der Bundesregierung - und übrigens ihrer internationalen Partner - ein klarer Verstoß gegen internationales Recht. Dieser Verstoß wäre, ganz grundsätzlich gesagt, auch dann nicht zu rechtfertigen, wenn es in früherer Zeit und an anderem Ort ebenfalls Verstöße gegeben hätte.

Frage: Herr Schäfer, nach der Regierungsbildung hat die deutsche Regierung, das Auswärtige Amt von einer neuen Dimension der Außenpolitik gesprochen, der sogenannten aktiven Außenpolitik. Haben Sie erwartet, dass Sie Ihre Außenpolitik so schnell testen müssen? Sehen Sie Ihren Paradigmenwechsel in Gefahr, wenn Ihre Politik nicht zum Erfolg führt?

Schäfer: Für den Außenminister kann ich nur sagen: Das, was er öffentlich dazu auf der Münchner Sicherheitskonferenz, in einem großen Interview mit einer großen deutschen Tageszeitung und auch sonst gesagt hat, steht, und zwar völlig unabhängig von konjunkturellen Bergen oder Tälern. Dass die deutsche Außenpolitik wenige Monate nach dem Beginn der Arbeit einer neuen Regierung vor einer solchen Herausforderung steht, hat sich niemand gewünscht und auch niemand ausgesucht. Aber das ist, wie es ist.

Wer Verantwortung übernimmt, versucht, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Das gilt für den Außenminister, das gilt aber ganz bestimmt auch für die ganze Bundesregierung. Deshalb packen wir das jetzt gemeinsam an. Das ist eine ernste Lage. Der Außenminister sprach von der "schwersten Krise seit dem Fall der Mauer", die sich aus der Situation um die Ukraine ergeben könnte. Er sprach davon, dass eine "neue Spaltung Europas" drohen könnte. Vor dem Hintergrund dieser ernsten Gefahren für die europäische Friedensordnung wird er sich mit aller Kraft dafür einsetzen, eine Lösung zu finden, die unseren Interessen, aber auch unseren Werten entspricht.

Frage: Eine Frage an Herrn Paris. Je näher die Bundesratssitzung am Freitag und das Einbringen der Initiative von drei rot-grün regierten Bundesländern zum Thema "Doppelpass" rückt, desto schärfer werden ja offensichtlich die Aussagen. Der CSU-Vize Thomas Strobl hat am Wochenende mehr oder weniger gesagt: Entweder landet diese Initiative im Papierkorb oder wir verhandeln gar nicht mehr über das Thema und lassen die Rechtslage so, wie sie ist. - Spricht er damit auch für Sie?

Paris: Herr Strobl ist ja nicht Mitglied der Bundesregierung, sondern Abgeordneter des Deutschen Bundestages.

Ich möchte für das Bundesinnenministerium betonen, dass wir mehrfach dargestellt haben, dass es einen Koalitionsvertrag mit einem entsprechenden Inhalt in Bezug auf den Doppelpass gibt und dass sich ein entsprechender Gesetzentwurf mit zwei Merkmalen, nämlich des in Deutschland Geboreneins und des in Deutschland Aufgewachsenseins, in der Ressortabstimmung befindet. Die Ressortabstimmung ist noch nicht beendet. Wir halten die von uns dort gemachten Vorschläge für gut. Aber wie es in der Ressortabstimmung naturgemäß ist, findet die Ressortabstimmung deshalb statt, um dort noch weitere Ideen einzusammeln, um dann in ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren zu gehen.

Für uns ist wichtig, dass wir uns an den Koalitionsvertrag gebunden fühlen. Das ist ein Kompromiss gewesen, der für die den Koalitionsvertrag verhandelnden Parteien ein schwieriger Kompromiss gewesen ist. Der Kompromiss ist aber gefunden, und dementsprechend gilt der Kompromiss. Anhand dieses Kompromisses ist der Gesetzgebungsvorschlag aus dem Innenministerium entstanden und befindet sich, wie gesagt, in der Ressortabstimmung. Wenn diese beendet ist, gehen wir in das weitere Verfahren.

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, dass Sie sich an den Koalitionsvertrag gebunden fühlen, heißt das für das Innenministerium, dass Sie, egal, was im Bundesrat passiert, das umsetzen, was im Koalitionsvertrag steht oder kann es tatsächlich passieren, dass es überhaupt keinen Gesetzentwurf gibt, weil es den Ärger im Bundesrat gibt?

Paris: Zunächst einmal ist es so, dass es Ankündigungen bestimmter Länder gibt, entsprechende Initiativen zu machen. Wir haben noch nicht Freitag. Insofern haben wir unsere Aufgaben erfüllt. Wir haben das als einen der ersten Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht. Wir sind, wie gesagt, in der Ressortabstimmung. Das ist für uns das, was letztendlich die Umsetzung des Koalitionsvertrags anbelangt. Wir sind guter Dinge, dass wir dabei auch zu einem Ergebnis kommen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, gibt es nach Meinung der Kanzlerin ein Junktim zwischen dem, was im Bundesrat passiert, und dem, was beim Doppelpass sozusagen im regulären Gesetzesverfahren passiert?

StS Seibert: Herr Paris hat das für die ganze Bundesregierung vollkommen korrekt dargestellt. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Paris, am Freitag hat das Europäische Parlament eine Stellungnahme von Edward Snowden veröffentlicht, in der er behauptet, dass die Bundesregierung auf Druck der NSA oder auf Druck amerikanischer Seite das G10-Gesetz geändert habe. Wenn Sie oder Herr Seibert dazu Stellung nehmen könnten, wäre ich dankbar.

Paris: Ich glaube, das entscheidende Wort in Ihrer Frage war das Wort "er behauptet". Ich habe keinen Anlass, hier irgendwelche Behauptungen von Herrn Snowden zu kommentieren.

Zusatzfrage: Warum nicht? Ich denke, er ist als ehemaliger NSA-Mitarbeiter relativ gut informiert.

Paris: Ich weiß nicht, wie gut der Informationsstand von Herrn Snowden ist. Das kann ich nicht beurteilen. Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe.

Zusatzfrage: Von Ihnen auch kein Kommentar dazu, Herr Seibert?

StS Seibert: Ich kann ganz grundsätzlich sagen, dass Bundesgesetze vom Deutschen Bundestag beschlossen werden und dass es dabei keine Einflussnahme von außen gibt, schon gar nicht durch ausländische Geheimdienste. Das gilt natürlich auch in diesem Fall.

Frage: Herr Paris, hat der Innenminister inzwischen die Berliner Justiz ermächtigt, gegen Herrn Friedrich zu ermitteln? Sie hatten ja eine Entscheidung für Anfang dieser Woche in Aussicht gestellt.

Paris: Nein, hat er nicht. Die Prüfungszeit ist noch nicht abgelaufen. Wir sind noch nicht so weit.

Frage: Ich würde gerne vom Finanzministerium wissen, wie weit die Pläne gediehen sind, im Bereich Lebensversicherungen auf die Niedrigzinsphase zu reagieren. Gibt es schon einem Referentenentwurf oder gibt es nur Eckpunkte? Wann wird es den Referentenentwurf geben? Lässt sich schon absehen, an welchen Schrauben man drehen wird?

Kothé: Es ist nichts Neues, dass wir an einem Gesetzentwurf arbeiten, dass wir ihn vorbereiten. Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es, insgesamt zu einem ausbalancierten Paket verschiedener Maßnahmen zu kommen, um langfristig die Lebensversicherungen zu stabilisieren. Wie ich eben gerade gesagt habe, umfasst das Paket verschiedene Maßnahmen. Wir führen derzeit Gespräche und prüfen einzelne verschiedene Maßnahmen. Entscheidungen gibt es noch nicht. Ein Referentenentwurf oder ein abgestimmtes Papier innerhalb der Bundesregierung gibt es auch nicht. Wir befinden uns noch in der Vorbereitungsphase. Ich kann Ihnen im Augenblick auch noch keinen konkreten Zeitplan nennen, wann wir so weit sein werden.

Frage: Frau Kothé, ist es Sinn und Ziel dieser Überlegungen, Vorüberlegungen, von denen Sie gerade berichtet haben, dass am Ende die Lebensversicherung für die Kundschaft in Deutschland interessant bleibt? Oder wollen Sie nur den größtmöglichen Schaden von den Verbrauchern in Form der Versicherungsnehmer abwenden?

Kothé: Ich denke, es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Versicherungsprodukte irgendwie interessanter zu machen, sondern uns geht es um einen fairen Ausgleich zwischen allen Beteiligten. Ein wichtiger Punkt, den ich jetzt herausgreife, sind die Bewertungsreserven und dass es hier um einen fairen Ausgleich innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten geht. Das ist ein Ziel, das wir verfolgen.

Zusatzfrage: Es war ja in der letzten Legislaturperiode schon einmal ein entsprechender Versuch unternommen worden, der unter anderem am Widerstand von unionsregierten Ländern gescheitert ist. Was ist dieses Mal anders? Warum kommt es dieses Mal zum Erfolg, oder rechnen Sie auch dieses Mal mit keinem Erfolg?

Kothé: Wir rechnen natürlich mit einem Erfolg. Gerade, was das Thema "Bewertungsreserven" anbetrifft, gibt es aus unserer Sicht wohl unbestritten Handlungsbedarf, was wir noch einmal verdeutlichen werden. Ich denke, dafür gibt es gute Argumente. Die Bundesregierung hat angekündigt, dass sie hier noch einmal aktiv werden wird. Das bereiten wir gerade vor.

Zusatzfrage: Was ist dieses Mal im Vergleich zur letzten Legislaturperiode besser?

Kothé: Die Gesetzgebung im letzten Jahr war ja nur auf die Bewertungsreserven konzentriert, das war also ein einzelner Teil. Ich habe gerade ja gesagt: Jetzt werden wir insgesamt ein Paket schnüren, und zwar ein ausbalanciertes Paket verschiedener Maßnahmen.

Frage: Frau Kothé, Staatssekretär Meister hat ja angekündigt, dass dieses Paket noch im März vorliegen soll. Ist das noch wie vor der Plan des BMF?

Zweitens. Es wurde berichtet, dass 2 Milliarden Euro dieser Bewertungsreserven sozusagen im System bleiben sollen. Ist das zutreffend?

Kothé: Wir werden versuchen, hier so zügig wie möglich zu Ergebnissen zu kommen und auch einen Referentenentwurf vorzulegen. Einen konkreten Zeitpunkt kann ich Ihnen im Augenblick aber nicht bestätigen.

Was Ihre zweite Frage betrifft: Einzelmaßnahmen - auch diejenigen, über die am Wochenende berichtet wurde - kann ich jetzt nicht kommentieren. Wie gesagt, wir befinden uns noch in der Vorphase eines Referentenentwurfes.

Frage: Frau Kothé, Bewertungsreserven scheinen dabei ja ein wichtiger Punkt zu sein. Bisher ist das ja hälftig zwischen Versicherten und Versicherungsunternehmen geregelt. In welche Richtung wollen Sie es denn verschieben? Sie rechnen das ja bestimmt durch; es gibt ja nicht nur einen Entwurf dazu.

Kothé: Wir rechnen im Augenblick in der Tat verschiedene Optionen durch. Wie ich gerade schon gesagt habe, sind wir einfach noch in einem Stadium, in dem es noch keine Festlegung gibt. Auch da muss ich Sie um Verständnis bitten.

Zusatzfrage: Ist es denkbar, dass die Versicherten gar nicht mehr beteiligt werden?

Kothé: Denkbar sind viele Optionen und Möglichkeiten, aber im Augenblick sind wir einfach noch nicht so weit. Es gibt da noch keine Entscheidungen.

Frage: Frau Kothé, Sie haben gesagt, dass Sie noch keinen konkreten Zeitplan haben. Haben Sie vielleicht eine Prognose, wann das Gesetz vorliegen soll? Ende dieses Jahres, erst im nächsten Jahr?

Kothé: Erst einmal geht es um die Inhalte. Daraus folgt dann irgendwie auch der Zeitplan. Wir haben gesagt: Wir arbeiten an einem Gesetzentwurf. Das geschieht natürlich auch mit dem Ziel, diesen Gesetzentwurf irgendwie in greifbarer Zeit irgendwo vorlegen zu können. Aber wie gesagt, Festlegungen auf irgendwelche Monate können wir im Augenblick noch nicht machen.

Zusatzfrage: Eine Festlegung auf das Jahr würde ja vielleicht reichen.

Kothé: Ich würde sagen, Sie können davon ausgehen, dass es noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf gibt.

Frage: Ich habe eine Frage an das Familienministerium: Vor dem Hintergrund einer Bertelsmann-Studie zur Situation von Alleinerziehenden, die heute veröffentlicht worden ist, hat Frau Schwesig nun angekündigt, dass der Entlastungsfreibetrag erhöht werden und nach der Zahl der Kinder gestaffelt werden soll. Da das in dieser Allgemeinheit erst einmal noch das ist, was im Koalitionsvertrag steht, möchte ich fragen: Lässt sich das zeitlich oder inhaltlich noch konkretisieren?

Eine weitere Frage, von der ich nicht weiß, ob sie an das Justizministerium oder das Familienministerium geht: Die Studie problematisiert auch die Begrenzung des Unterhaltsvorschusses angesichts der großen Zahl nicht gezahlter Unterhaltsleistungen. Gibt es Überlegungen, die Begrenzung von bisher höchstens 6 Jahren auf 14 Jahre auszuweiten?

Herb: Ich kann Ihnen ganz allgemein sagen, dass Alleinerziehende zu den Familien in Deutschland gehören, die besonders viel leisten und ihren Alltag auch meistern; deswegen müssen sie auch besonders unterstützt werden. Zum anderen ist es aber wichtig, dass Alleinerziehende erwerbstätig sein können und für sich und ihre Kinder sorgen können. Dazu brauchen sie gute Arbeit, ein gutes Einkommen und gute Rahmenbedingungen, vor allem eine gute Kinderbetreuung. Das ist der Fokus: Kinderbetreuung in Ganztagskitas und Ganztagsschulen. Da geht der Ausbau weiter, wie Sie wissen.

Die Ministerin ist zudem der Meinung, dass Alleinerziehende auch steuerlich entlastet werden müssen. Eine entsprechende Maßnahme - Sie haben es gerade gesagt - ist ja bereits im Koalitionsvertrag so verankert. Dass der Entlastungsbeitrag erhöht werden soll und dass künftig auch die Zahl der Kinder in den Familien besser berücksichtigt werden soll, unterstützt die Bundesfinanzministerin. Sie wird mit dem Bundesfinanzminister auch gemeinsame Gespräche darüber führen, wie die Situation von Alleinerziehenden verbessert werden kann.

Zusatzfrage: Gibt es da einen Zeitplan?

Herb: Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen. Es wird aber Gespräche mit dem Bundesfinanzminister darüber geben, wie die Situation verbessert werden kann.

Vorsitzende Welty: Kann das Justizministerium das ergänzen?

Rülke: Das kann ich nicht weiter ergänzen.

Zusatzfrage: Und zum Unterhaltsvorschuss?

Herb: Dazu kann ich Ihnen jetzt gar nichts weiter sagen. Dafür sind wir auch gar nicht zuständig, das ist tatsächlich eine steuerrechtliche Sache.

Frage: An das Bundesumweltministerium: Die Strahlenschutzkommission hat einen Bericht vorgelegt und Empfehlungen ausgesprochen, was die Schutzzone für die Umgebung von Atomkraftwerken angeht. Sie haben diesen Bericht inzwischen ja grundsätzlich bestätigt. Ist das damit für die Länder schon bindend? Was bedeutet das vor Ort ganz konkret? Es gibt ja zum Beispiel Vorräte an Jodtabletten, die man halten muss. Was muss sich da ändern?

Scharfschwerdt: Grundsätzlich kann ich Ihnen zum weiteren Vorgehen mitteilen, dass die Ministerin angekündigt hat, dass sie die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission jetzt an die Innenministerkonferenz weiterreichen wird. Sie hat die Länder auch dazu aufgefordert, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen und in diesem Sinne umzusetzen.

Zu den Details des Berichts: Vielleicht kann ich vorwegschieben, dass er auf der Seite der SSK online steht; Sie können also auch selber einmal in den Bericht hineinschauen. Es ist konkretisiert worden, inwieweit die einzelnen Zonen noch einmal verändert werden. Die Zentralzone wird zum Beispiel ausgeweitet, und es gibt auch Einzelempfehlungen für die einzelnen Zonen.

Zusatzfrage: Was heißt das jetzt zum Beispiel in Bezug auf Vorräte von Jodtabletten? Müssen diese Vorräte aufgestockt werden, ändert sich da regional etwas?

Scharfschwerdt: Ja, da die Zentralzone ausgeweitet wird, gelten eben auch die Maßnahmen zur Verteilung von Jodtabletten künftig in einem größeren Radius.

Zusatzfrage: Gilt das auch für die Umgebung um stillgelegte Atomkraftwerke?

Scharfschwerdt: Das müsste ich nachreichen.

Frage: An die Frage des Kollegen anschließend: Gilt das denn auch für Atomkraftwerk im benachbarten Ausland, werden die mit einbezogen?

Mir ist, ehrlich gesagt, noch nicht ganz klar, wie die weitere Prozedur aussehen soll. Sie sagen, Sie haben das an die Innenminister der Länder geschickt. Was passiert jetzt, wie wird es ganz konkret, ganz praktisch umgesetzt, und bis wann soll es möglichst umgesetzt sein?

Scharfschwerdt: Der Katastrophenschutz liegt in der Zuständigkeit der Länder. Dazu, wann das genau umgesetzt wird, kann ich Ihnen dementsprechend nichts mitteilen; nach der nächsten Innenministerkonferenz wird sich zeigen, was da das weitere Vorgehen ist.

Zu Ihrer Frage bezüglich des Auslands: Es sollen auch Details dazu erarbeitet werden, wie das Ganze in Europa harmonisiert werden kann; denn wie Sie richtig sagen, hält die Strahlung nicht an der Grenze an, falls es in einem anderen Land zu einem Unfall kommen sollte. Aber natürlich gelten die Vorgaben erst einmal nur für Deutschland.

Zusatzfrage: Verstehe ich das also richtig: Sie sind bei der Umsetzung letztendlich auf den guten Willen der Länder angewiesen - Sie geben eine Empfehlung, aber das war es dann?

Scharfschwerdt: Die Innenministerkonferenz der Länder wird darüber befinden.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium zum europäischen Banken-Abwicklungsfonds: Ein Gutachten der Grünen zeigt, dass ein zwischenstaatlicher Vertrag möglicherweise gegen EU-Recht verstoßen würde. Was können Sie uns dazu sagen?

Kothé: Ich kenne das Gutachten nicht, daher kann ich jetzt nicht konkret dazu Stellung nehmen. Wir haben uns gerade aus rechtlichen Gründen dafür eingesetzt, den Weg der intergouvernementalen Vereinbarungen zu gehen, und halten daran auch unverändert fest.

Frage: Im Zusammenhang mit der Bankenunion und Kapitalnotwendigkeiten, die sich da ergeben könnten, gab es Interviewäußerungen Ihres Finanzstaatssekretärs Meister hinsichtlich einer längeren Dauer des Bankenrettungsfonds SoFFin. Wie weit sind diese Pläne denn gediehen? Ist das Finanzministerium sich schon darüber im Klaren, dass es eine längere Geltungsdauer für diesen Bankenrettungsfonds will? Hat man da schon konkrete Schritte eingeläutet? Denn das bedarf ja wohl - jedenfalls würde ich das vermuten - einer Zustimmung des Bundestages. Was tut sich da also im ganz konkreten?

Kothé: Ich empfehle hierzu, das Interview vielleicht noch einmal genau nachzulesen: Herr Meister hat gesagt - und das auch genau so formuliert -, das könne gegebenenfalls und in Abhängigkeit des Ergebnisses der Verhandlungen in Brüssel geschehen. Von daher haben wir natürlich noch keine konkreten Schritte in die Wege geleitet. Damit habe ich, glaube ich, auch Ihre anderen Fragen beantwortet.

Frage: Frau Kothé, das habe ich jetzt nicht verstanden. In Brüssel sollen ja eine Bankenunion und ein Abwicklungsmechanismus beschlossen werden. Wieso hat das Rückwirkungen auf den SoFFin?

Kothé: Das hat Rückwirkungen darauf, welche nationalen Vorkehrungen eventuell noch vorgesehen sein müssten, je nachdem, wie die konkrete Ausgestaltung am Ende des Trilogs aussieht; denn es könnte ja sein, dass aufseiten der Mitgliedstaaten noch Maßnahmen erforderlich wären - aber wie gesagt, "könnte, könnte". Es war eine generelle Aussage, dass das eine Option ist, die wir nicht ausschließen, aber mehr im Augenblick eben auch noch nicht.

Zusatzfrage: Wann läuft dieser Sonderfonds, der SoFFin, denn aus?

Kothé: Nächstes Jahr.

Frage: Herr Seibert, der Bundespräsident ist in der vergangenen Woche bei seinem Besuch in Griechenland mit massiven Forderungen konfrontiert worden, doch noch einmal über eine Entschädigung und insbesondere über diese Kriegsanleihe zu sprechen. Er hatte da seine liebe Not, die Position der Bundesregierung zu vertreten, zumal das Forderungen waren, die nicht von irgendjemandem, sondern vom griechischen Staatspräsidenten erhoben wurden. Deswegen die Frage: Sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund doch einen Anlass, noch einmal darüber nachzudenken?

StS Seibert: Vielleicht will auch das Auswärtige Amt dazu etwas sagen. - Wir haben die Haltung der Bundesregierung zur Frage von Reparationen mehrfach dargelegt. An dieser Haltung, an dieser rechtlichen Bewertung hat sich nichts verändert, wie auch an der Tatsache, dass wir uns selbstverständlich unserer historischen Verantwortung in Griechenland stellen, der Verantwortung, die daraus erwächst, dass in Griechenland unter deutscher Besatzung entsetzliche Verbrechen verübt wurden. Der Bundespräsident hat das dort sehr eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht.

Zusatzfrage: Also ist auch die Tatsache, dass der Staatspräsident eines befreundeten Staates die Bundesrepublik dringlich bittet, darüber wenigstens noch einmal zu sprechen, für Sie kein Anlass, irgendetwas neu zu bedenken?

StS Seibert: Diese Fragen sind ja eingehend geprüft worden. Die Sicht der Bundesregierung hat sich nicht verändert.

Frage: Auf der Reise des Bundespräsidenten war auch zu hören, dass rund 40 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt für das deutsch-griechische Jugendwerk und für den Zukunftsdialog zusammengefügt wurden. Ist das das Höchstmaß der Fantasie, die die Bundesregierung aufbringt, um das Spezialthema der deutsch-griechischen Beziehungsrückstände aus der Zeit der Nazi-Besetzung zu tilgen, oder können Sie sich vorstellen, dass man jenseits finanzieller Forderungen in anderen Bereichen noch einmal zusätzlich Fantasie aufbringt, so wie es der Bundespräsident hat anklingen lassen?

Schäfer: Ich bin nicht in der Lage, mit Ihnen und öffentlich über konkrete Mittel zu sprechen, das weiß ich nicht. Die Zahl, die Sie genannt haben, Herr Wonka, ist jedenfalls mir nicht bekannt. Ich weiß allerdings, dass es dazu innerhalb der Bundesregierung im Ressortkreis gerade Gespräche gibt. Ich kann nur das bekräftigen und wiederholen, was Herr Seibert gesagt hat, nämlich dass sich Deutschland zu seiner moralischen und historischen Verantwortung bekennt und in Ausprägung dieser Verantwortung ein großes Interesse daran hat, mit der griechischen Regierung auch zwischen beiden Ländern Projekte ins Werk zu setzen, mit denen wir gemeinsam die Zukunft gestalten. Da finde ich die Idee eines deutsch-griechischen Jugendwerkes geradezu optimal geeignet. Da gibt es auch andere Ideen, wie Sie wissen; Sie haben den deutsch-griechischen Zukunftsfonds angesprochen, der ja im Grunde eine Basis dafür ist, ein breites Angebot an verschiedenen Projekten zu verwirklichen. Aber was die konkrete Mittelausstattung betrifft, bin ich nicht in der Lage, Ihnen über das hinaus, was ich gesagt habe, mehr zu sagen.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Der Minister ist heute in Brüssel und trifft sich mit Herrn Almunia. Ist er denn mit einem konkreten Angebot, einem konkreten Konzept zu der künftigen Gestaltung von Vorteilen im EEG-System, von Ausnahmen, nach Brüssel gefahren? Haben wir von daher zu erwarten, dass womöglich schon heute, am Ende dieses Treffens, so etwas wie eine Einigung zwischen EU und Bundesregierung über die Gestaltung von Ausnahmen von der EEG-Umlage stehen könnte?

Toschev: Zu konkreten Terminen kann Ihnen da nichts sagen. Die öffentlichen Termine des Ministers sind ja bekannt. Wie Sie wissen, ist das Projekt der EEG-Reform eines der vordringlichsten, dem wir uns auch mit großer Energie widmen. Es gibt dazu national eine Dialogstrecke mit den betroffenen Verbänden und Interessengruppen - momentan läuft auch die Anhörung. Diese Dialogstrecke gibt es natürlich auch mit der Kommission. Das zieht sich von den Experten über die Fachkollegen bis natürlich hin zum Minister in verschiedenen Gesprächen. Wenn es da etwas zu verkünden gibt, dann werden wir das natürlich auch machen. Mehr habe ich dazu heute nicht zu sagen.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Finanzministerium: Am Wochenende wurde bekannt, dass der ADAC für bestimmte Jahre im Umfang von mehreren hundert Millionen Euro keine Versicherungssteuer gezahlt haben soll. Da wurde auch aus einem Vermerk Ihres Hauses zitiert, wonach zwar die Steuernachzahlung nötig wäre, das aber keine Steuerhinterziehung sei. Können Sie erklären, wieso es keine Steuerhinterziehung ist, wenn man keine Steuern zahlt?

Kothé: Ganz grundsätzlich möchte ich auch hier wieder darauf hinweisen, dass wir zu Einzelfällen aufgrund des Steuergeheimnisses natürlich keine Stellung nehmen können.

Ganz allgemein möchte ich zu Ihrer Frage vielleicht darauf hinweisen, dass Steuerhinterziehung dann vorliegt, wenn die entsprechenden Tatbestandsmerkmale vorliegen. Das ist von den zuständigen Finanzbehörden im Einzelfall zu prüfen.

Zusatzfrage: Es stimmt aber, dass Sie kein Ermittlungsverfahren eingeleitet haben?

Kothé: Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass ich mich zum Einzelfall nicht äußern kann und auch nicht darf.

*

Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 10. März 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/03/2014-03-10-regpk.html;jsessionid=45FEAFC4EA79F0E69C4D6C1B49B5D2B5.s1t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2014