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PRESSEKONFERENZ/865: Regierungspressekonferenz vom 26. September 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 26. September 2014
Regierungspressekonferenz vom 26. September 2014

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Zeitungskongress 2014 des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, Antrittsbesuch des finnischen Ministerpräsidenten, Besuch der Prälat-Diehl-Schule in Groß-Gerau, Kabinettssitzung, BGA-Unternehmertag, Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit), Ukraine-Konflikt, Anwesenheit von Regierungsmitgliedern in der Fragestunde des Deutschen Bundestags, Prüfung gesetzlicher Änderungen in Bezug auf deutsche Kämpfer in islamistischen Gruppen, Entführung von zwei Deutschen auf den Philippinen, Organklage zur Vernehmung von Edward Snowden, Mietpreisbremse, geplante Infrastrukturabgabe, Heizkostenzuschuss, Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, Gespräch des Bundesaußenministers mit dem iranischen Präsidenten

Sprecher: StS Seibert, Dünow (BMWi), Chebli (AA), Müller-Niese (BMI), Scholz (BMJV), Gerhartz (BMVg), Jäger (BMF), Ewert (BMVI), Stamer (BMUB)



Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin wird am Montag, den 29. September, gegen Mittag den Zeitungskongress 2014 des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger besuchen, der hier in Berlin im Hotel Grand Hyatt stattfinden wird. Es ist der 60. Jahrestag der Gründung dieses Bundesverbandes. Die Kanzlerin wird gegen 14.30 Uhr die Festrede halten.

Am Nachmittag des Montags wird sie den neuen finnischen Ministerpräsidenten Alexander Stubb zum Antrittsbesuch empfangen. Weil es ein Antrittsbesuch ist, wird es auch militärische Ehren geben. Dabei ist für 16.45 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Am Dienstag wird die Bundeskanzlerin zu einem Besuch an die Prälat-Diehl-Schule in Groß-Gerau in Hessen reisen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere, dass sie vor fast genau einem Jahr in der Sendung "ARD-Wahlarena" von einem Lehrer dieser Schule dorthin eingeladen wurde. Dieser Einladung kommt sie jetzt also nach. Sie besichtigt die Schule, wird sich ein Kunstprojekt erläutern lassen und wird dann vor allem an einer Podiumsdiskussion mit den Schülerinnen und Schülern aus der Oberstufe teilnehmen. Die Schüler haben als Thema "25 Jahre Deutsche Einheit" und "Deutschlands Rolle heute in Europa und der Welt" benannt. Zum Abschluss wird es dann gegen 12.10 Uhr ein Pressestatement in Groß-Gerau geben.

Am Mittwoch wird, wie üblich, um 9.30 Uhr die Tagung des Bundeskabinetts stattfinden.

Um 14.15 Uhr wird die Bundeskanzlerin beim BGA-Unternehmertag - das ist der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels - die Eröffnungsrede halten. Das wird ebenfalls hier in Berlin stattfinden.

Dann ist am Freitag, dem 3. Oktober, der Nationalfeiertag, der Tag der Deutschen Einheit zu nennen. Die zentralen Feierlichkeiten finden dieses Jahr in Hannover statt, weil Niedersachsen den gegenwärtigen Bundesratspräsidenten, Herrn Weil, stellt. Die Bundeskanzlerin wird also nach Hannover reisen und sich zunächst in das Goldene Buch der Landeshauptstadt eintragen. Um 10 Uhr wird sie dann an einem ökumenischen Gottesdienst in der Marktkirche teilnehmen. Von 12 bis 13 Uhr folgt dann der offizielle Festakt im Kongresszentrum Hannover. Die Festrede wird in diesem Jahr die Bundeskanzlerin halten. - Das waren die öffentlichen Termine.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Herr Dünow, heute finden wieder diese Gasverhandlungen in der EU-Vertretung statt. Der russische Energieminister behauptet, ein Rückexport von russischem Gas in den Osten - also konkret in die Ukraine - sei vertraglich verboten. Ist das wirklich der Fall? Darf man den Reexport nicht vornehmen?

Zur zweiten Frage: Hinsichtlich der Gaslieferungen aus Russland braut sich etwas zusammen. Unternimmt Ihr Ministerium jetzt irgendwelche kurzfristigen Anstrengungen, um das Problem im nächsten Winter eventuell nicht entstehen zu lassen?

Dünow: Zu Ihrer ersten Frage: Die kann ich nicht beantworten. Die Frage der Vertragsbeziehungen zwischen deutschen Gasversorgungsunternehmen und russischen Unternehmen ist keine, in die wir intime Einblicke hätten.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wie Sie wissen, gibt es auf europäischer Ebene eine ganze Reihe von wichtigen Prozessen, die wir sehr unterstützen. Heute - Sie hatten es schon angesprochen - findet ein weiteres Gespräch unter der Moderation von Herrn Oettinger statt. Das begrüßen wir sehr. Wir hoffen, dass diese Gespräche zum Erfolg führen werden.

Frage: Ich habe zwei Fragen an Herrn Seibert zu zwei verschiedenen Themen. Herr Seibert, Herr Lammert hat angemahnt, dass Minister in die Fragestunde des Bundestages kommen sollen, und zwar öfter als bisher. Gibt es innerhalb der Bundesregierung eigentlich irgendeine Absprache darüber? Sind die Minister im Einzelnen bereit, zukünftig Lammerts Aufruf zu folgen, dorthin zu gehen?

StS Seibert: Es geht um die Befragung der Bundesregierung im Deutschen Bundestag. Die ist ja dazu da, dass die Mitglieder des Bundestags die Möglichkeit haben, Fragen von aktuellem Interesse an die Regierung im Rahmen der Verantwortlichkeit der einzelnen Ministerien zu stellen. Das beginnt grundsätzlich mit einem Vortrag der Bundesregierung zu einem konkreten, vorab benannten Thema aus der aktuellen Kabinettssitzung der Bundesregierung.

Jetzt hatten wir bei der letzten Regierungsbefragung das Thema "Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2014". Das ist vor dem Deutschen Bundestag in der Regierungsbefragung tatsächlich durch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Frau Iris Gleicke, vertreten worden. Warum durch Frau Gleicke? - Weil sie die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer und damit fachlich und sachlich zuständig ist.

Grundsätzlich achtet die Bundesregierung darauf, dass bei der Befragung der Bundesregierung auch die zuständigen Bundesminister anwesend sind. Das war in dieser Legislaturperiode auch überwiegend der Fall. In dem Fall, den ich jetzt gerade genannt habe, dem jüngsten Fall der Bundesregierungsbefragung, ist es nach unserem Dafürhalten sachlich und fachlich absolut vertretbar, dass Frau Gleicke das gemacht hat. Es ist ja im Übrigen auch vorgesehen, dass die Parlamentarischen Staatssekretäre die jeweiligen Mitglieder der Bundesregierung bei der Erfüllung ihrer Regierungsaufgaben unterstützen. Dazu gehört zum Beispiel auch, Erklärungen vor dem Bundestag, dem Bundesrat oder in Sitzungen der Bundesregierung abzugeben. Das entspricht also auch der langjährigen Staatspraxis. Aber grundsätzlich ist es die Absicht der Bundesregierung, und so ist es in der überwiegenden Anzahl der Fälle auch gehandhabt worden, dass die Minister bei der Regierungsbefragung anwesend sind.

Zusatzfrage: Ist Frau Merkel auch bereit, dort einmal öfter aufzutauchen? Hat es das aus Ihrer Sicht schon einmal gegeben? Können Sie nachvollziehen, wann sie schon einmal da war? Schließt sie das für die Zukunft aus, oder ist sie jederzeit bereit, auch die Fragestunde des Bundestags zu besuchen?

StS Seibert: Ich schließe gar nichts aus. Ich habe jetzt keine statistischen Aufstellungen darüber parat, ob das schon der Fall war und wann es zuletzt der Fall war. Wir handeln nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags, die die Befragung der Bundesregierung regelt. Die Minister der Fachbereiche stehen dabei für Fragen von aktuellem Interesse zur Verfügung. Das sind also in der Regel die Minister, aber im vergangenen Fall war es eben auch die Beauftragte für die neuen Bundesländer, Frau Gleicke. Ich kann einfach nur sagen, dass sich die Bundesregierung an die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hält.

Frage: Herr Seibert, heißt das, was Sie gesagt haben, dass sich die Bundesregierung die Entscheidung vorbehält, wen sie für die Befragung der Bundesregierung in den Bundestag entsendet?

StS Seibert: Ich habe gesagt: Selbstverständlich achtet die Bundesregierung darauf, bei der Regierungsbefragung die für das konkrete und benannte Thema zuständigen Bundesminister dorthin zu schicken. Das ist in der überwiegenden Zahl der Fälle auch der Fall. Im jüngsten Fall war der Gegenstand der Regierungsbefragung der "Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2014", und da erschien es uns sachlich und fachlich angemessen, die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, nämlich Staatssekretärin Gleicke, zu schicken.

Zusatzfrage: Wäre das, weil dieser Bericht ja jährlich veröffentlicht wird oder vom Kabinett beschlossen oder gebilligt wird, im nächsten Jahr wieder so?

StS Seibert: Ich kann im September 2014 unmöglich sagen, was die Entscheidung im Herbst 2015 sein wird.

Frage: Herr Seibert, nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages müssen Regierungsmitglieder im Rahmen einer Fragestunde aussagen. Ist für Sie ein Staatssekretär oder eine Staatssekretärin ein Regierungsmitglied?

StS Seibert: Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass zur Aufgabe der Parlamentarischen Staatssekretäre auch gehört, die Minister, die Mitglieder der Bundesregierung, bei der Erfüllung ihrer Regierungsaufgaben zu unterstützen. Das ist ganz besonders auch bei der Erfüllung der Regierungsaufgaben gegenüber dem Parlament gültig. Es gibt da 14 Absatz 2 der Geschäftsordnung, der ausdrücklich regelt, dass für Erklärungen vor dem Bundestag, vor dem Bundesrat und in den Sitzungen der Bundesregierung der Bundesminister durch den Parlamentarischen Staatssekretär vertreten werden kann. So ist auch die langjährige Staatspraxis. Gleichwohl achtet die Bundesregierung darauf - ich wiederhole es gerne noch einmal -, dass bei der Regierungsbefragung in aller Regel die zuständigen Bundesminister anwesend sind. Das trifft auch auf die meisten Fälle zu, zumindest für diese Legislaturperiode.

Frage: Ich würde gerne noch einmal auf das Thema Ukraine zurückkommen, aber nicht unter dem Gasaspekt. Herr Seibert, aus dem Kreml hieß es vorhin, dass Herr Putin bereit sei, sich mit Herrn Poroschenko beziehungsweise mit dem französischen Präsidenten zu treffen. Ich hätte gerne gewusst, ob es in den letzten Stunden oder in den letzten ein, zwei Tagen Kontakte gab. Wäre die Bundeskanzlerin zu einem solchen Treffen bereit?

StS Seibert: Erstens kenne ich diese aktuelle Äußerung aus dem Kreml, auf die Sie da anspielen, nicht. Zweitens hat es ja bereits Begegnungen in dem Format gegeben, das man das sogenannte Normandie-Format nennt, also der Bundeskanzlerin, des französischen Staatspräsidenten, von Präsident Poroschenko und Präsident Putin. Das heißt, das hat schon einmal stattgefunden. Nichts schließt aus, dass es wieder stattfinden kann, wenn es sinnvoll ist, um einen Beitrag zu einer wirklichen Verbesserung und zur Stabilisierung der Lage in der Ostukraine zu leisten. Ich kann Ihnen hinsichtlich dieser letzten Stunden über keine Initiative in diese Richtung berichten.

Zusatzfrage: Darf ich noch eine kurze Nachfrage an das Auswärtige Amt stellen, was die Beurteilung der Lage in der Ostukraine angeht? Wie bewertet die Bundesregierung eigentlich das, was im Moment in der Ostukraine passiert? Einige behaupten nämlich, dass der Waffenstillstand letztlich nur dazu diene, die Abspaltung dieser Gebiete vorzubereiten. Es gibt ja jetzt die Ankündigung eines Referendums über die Abspaltung.

Chebli: Danke für die Frage. Das erlaubt mir, einmal einen generellen Überblick über unsere Einschätzung der Lage in der Ostukraine zu geben. Die Lage ist nach wie vor angespannt. Sie wissen ja auch, dass es immer wieder zu Zwischenfällen gekommen ist und kommt und dass man noch lange nicht von einer dauerhaften und festen Waffenruhe sprechen kann, sondern wir haben in unserer Analysen immer wieder festgehalten, dass es sich um eine brüchige Waffenruhe handelt.

Was die Ankündigung der Separatisten angeht, sogenannte Parlamentswahlen am 2. November durchzuführen, so sagen wir ganz klar: Das ist ein Verstoß gegen die Minsker Vereinbarung vom 5. September und belastet auch den fragilen Friedensprozess, von dem wir sprechen, wenn wir über Minsk oder die Erwartungen, die wir damit verbinden, reden. Wie Sie wissen, sieht die Minsker Vereinbarung vor, dass es Kommunalwahlen nach ukrainischem Recht gibt. Das wurde auch von den Vertretern der Separatisten so in Minsk unterschrieben. Vorgesehener Wahltermin ist der 7. Dezember. In diesem Zusammenhang ist die Ankündigung der Separatisten zu ihren sogenannten Parlamentswahlen ein klarer Bruch dessen, was sie da unterzeichnet haben. Wir erwarten von Russland als Mitglied der Kontaktgruppe und Mitunterzeichner der Vereinbarung, dass er seinen Einfluss nutzt, damit die Minsker Vereinbarung umgesetzt werden kann.

Zusatzfrage: Halten Sie das, was sich in diesen Gebieten abspielt, eigentlich für eine parallele Entwicklung zu dem, was wir auf der Krim gesehen haben, wo ja auch in verschiedenen Stufen bis hin zu einer Abstimmung Schritte zur Loslösung unternommen wurden?

Chebli: Wenn wir uns daran zurückerinnern, wo wir vor ein paar Wochen standen - das habe ich letzte Woche in diesem Raum gesagt -, dann können wir schon von einem Fortschritt sprechen. Wir standen kurz davor, in eine militärische Konfrontation zu kommen, und deswegen sind wir froh, dass es zu dieser Minsker Vereinbarung gekommen ist.

Das bedeutet aber nicht, dass wir am Ende sind, im Gegenteil. Die gegenwärtigen Entwicklungen zeigen, dass dies erst der Anfang ist und dass wir weiterhin alles daransetzen müssen, Russland dazu zu bewegen, dass die Minsker Vereinbarung umgesetzt werden kann. Da gilt es auch, nicht locker zu lassen. Wir sind also einen Schritt weiter, aber wir sind noch lange nicht am Ziel.

Frage: Frau Chebli, es gibt einige Meldungen darüber, dass sich die Außenminister der EU am 30. September auf Diplomatenebene wieder treffen wollen, dass sie das Thema der Sanktionen noch einmal ansprechen wollen und dass einige EU-Mitglieder darauf drängen, die Sanktionsschraube zurückzudrehen, also wieder einige Sanktionen zurückzunehmen.

Chebli: Auch diese Frage haben wir am Mittwoch debattiert. Unsere Position zu Sanktionen ist klar: Es gilt die Umsetzung der Minsker Vereinbarung, und solange sie nicht umgesetzt wird, gibt es für uns auch keinen Grund, jetzt die Sanktionsschraube zurückzudrehen.

Frage: Ich habe eine Frage zum EU-Ukraine-Handelsabkommen: In einem Brief nach Brüssel hat Herr Putin gefordert, dass dieses Handelsabkommen geöffnet werden soll, sodass russische Interessen beteiligt werden. Was ist die Position der Kanzlerin dazu?

StS Seibert: Es wird ja - das ist die Entwicklung der letzten zwei Wochen - weitere Gespräche über dieses Handelsabkommen geben. Es gibt die Aussetzung eines Teils der Bestimmungen bis Ende 2015, wenn ich mich richtig erinnere. Die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin haben immer die Position vertreten, dass es wichtig ist, dass dieses Handelsabkommen nicht als eine Art Entweder-oder - entweder hat man ein Handelsabkommen mit der EU, oder man hat gute wirtschaftliche Beziehungen zu Russland - verstanden wird. Das heißt, wir haben immer darauf hingewiesen, dass es darüber Gespräche und Abstimmungen gibt, weil unsere feste Überzeugung ist, dass sich ein Land wie die Ukraine frei und souverän zu einem solchen Handelsabkommen mit der EU entscheiden können sollte, ohne Nachteile in ihrem Verhältnis zu dem sehr wichtigen Nachbarn Russland zu haben. Wenn das in Gesprächen noch besser geregelt werden kann, dann sind wir dafür.

Frage: Es geht um das Thema "reisende Dschihadisten". Ich habe eine Frage an das Justizministerium beziehungsweise an das Innenministerium. Im Augenblick sind verschiedene Instrumente im Gespräch: Entzug der Staatsbürgerschaft, Markierung des Personalausweises, möglicherweise auch Wiedereinführung des Sympathisanten-paragraphen. Ich wüsste gerne einmal, was da gerade konkret geprüft wird und wie zum Beispiel auch solche Geschichten - Entzug der Staatsbürgerschaft, Markierung des Personalausweises - aussehen sollen. Können Sie dazu bitte ein paar nähere Auskünfte geben?

Müller-Niese: Ich kann gerne anfangen. Wir haben es ja auch schon öfter gesagt: Es gibt die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die auf der letzten IMK im Juli eingesetzt wurde und die sich mit der Thematik "Verhinderung von Ausreisen gewaltbereiter Salafisten" beschäftigt. In diesem Zusammenhang werden diverse Dinge geprüft, und das ist noch nicht abgeschlossen. Somit kann ich auch kein Ergebnis oder kein Zwischenergebnis verkünden.

Beispielsweise ist eine Verschärfung des Personalausweisgesetzes dabei. Sie wissen wahrscheinlich, dass man den Reisepass, aber nicht dem Personalausweis entziehen kann. Es ist ja eine Markierung oder ein Entzug oder was auch immer in der Diskussion. Das ist ein Teil davon, ebenso beispielsweise das Staatsangehörigkeitsgesetz.

Frage: Zum Stichwort der Markierung von Personalausweisen: Können Sie mich darüber aufklären, wie so etwas ganz praktisch aussehen würde, wenn man es denn machen würde? Gibt es dann einen Stempel darauf? Ist der für jedermann sichtbar? In welchen Fällen und bei welcher Gelegenheit wird das gemacht? Irgendjemand müsste dann ja wahrscheinlich erst einmal mit seinem Personalausweis irgendwo hingehen, um ihn markieren zu lassen.

Zweitens: Wie bindend ist eine solche Kennzeichnung dann für Drittstaaten wie zum Beispiel die Türkei, das zu respektieren, was auf diesem Personalausweis gekennzeichnet ist?

Müller-Niese: Ich kann Ihnen dazu abschließend nichts sagen. Ich weiß einfach nicht, wie so etwas dann aussehen würde. Dass man das prüft, ist ja genau Bestandteil dieser Bund-Länder-Arbeitsgruppe und auch der Arbeit bei uns im Hause. Es ist so, das im Personalausweisgesetz genau geregelt ist, was darauf stehen darf und auch gespeichert werden darf. Wenn Sie in das Gesetz schauen, sehen Sie: Da steht aktuell nichts von einer Markierung oder von was auch immer. Man kann auch nicht "Berechtigt nicht zur Ausreise" oder was auch immer ergänzen. Wie die Markierung aussieht, kann ich auch nicht sagen, weil ich, wie gesagt, die Ergebnisse einfach nicht kenne. Wenn die Ergebnisse vorliegen werden, dann werden wir sie natürlich auch gerne Ihnen vorstellen. Es ist ganz exakt im Personalausweisgesetz geregelt, was darauf stehen darf und was darin gespeichert werden kann. Genau das, also ob man das verschärft, schaut man sich jetzt an.

StS Seibert: Ich will nur ganz kurz hinzufügen: Wie die Kollegin des Bundesinnenministeriums gerade gesagt hat, läuft die Prüfung und Überprüfung der geltenden Rechtslage jetzt ja schon eine ganze Weile. Sie hat durch die Sicherheitsratsresolution, die jetzt gerade in New York zum Thema "Ausländische Kämpfer" verabschiedet worden ist, natürlich einen wichtigen neuen Impuls bekommen. Das ist eine Sicherheitsratsresolution, hinter der wir voll stehen und die wir auch als bindend betrachten. Das gibt der Prüfung, die die zuständigen Häuser durchführen, natürlich eine gewisse, neue Dringlichkeit.

Scholz: Ich kann das, da auch das Strafrecht angesprochen worden ist, kurz ergänzen. Der Justizminister hat sich bereits gestern zu dieser Frage geäußert: "Wer unter dem Deckmantel des Islam Verbrechen begeht, wird die ganze Härte des Strafrechts zu spüren bekommen. Unser Rechtsstaat wird hier mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einschreiten." Er hat weiter ausgeführt, dass wir jetzt sorgfältig prüfen, welche Auswirkungen sich aus der UN-Resolution für das deutsche Terrorismusstrafrecht ergeben. Diese Prüfung läuft mit Hochdruck.

Ich möchte an dieser Stelle vielleicht auch noch einmal erwähnen, dass Deutschland bereits heute über ein ausdifferenziertes Terrorismusstrafrecht verfügt. Im Zusammenhang mit der Terrorgruppe ISIS werden auf dieser Basis auch bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren von den Staatsanwaltschaften der Länder und vom Generalbundesanwalt geführt. In der Regel liegt den Ermittlungsverfahren der Vorwurf einer Straftat nach 89a StGB, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, oder nach 129a und b, Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung, zugrunde.

Der Generalbundesanwalt hat schon in vier Fällen Anklage erhoben. Das zeigt, dass die Vorschriften in der Praxis Anwendung finden und das geltende Strafrecht hier bereits Mittel zur Verfügung stellt.

Nichtsdestotrotz wird im Rahmen einer Gesamtstrategie - damit schließe ich an Ihre Frage an - im Rahmen einer Gesamtstrategie innerhalb der Bundesregierung intensiv geprüft, ob und welche weiteren Maßnahmen notwendig sind.

Müller-Niese: Noch eine Ergänzung zu Ihrer Frage: Auch schon heute sieht das Personalausweisgesetz in 6 Absatz 7 die Möglichkeit vor, dass die zuständigen Pass- und Ausweisbehörden anordnen können, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Genau das weiß im Zweifel nicht der Beamte an der Grenze oder in dem Land, durch das gereist wird und genau da setzt man jetzt an. Es ist also nicht so, als hätten wir die Möglichkeit nicht. Es ist schon so, dass die zuständigen Behörden das anordnen können; es ist halt nicht sichtbar.

Frage: Wie ist denn im Moment die gängige Praxis? Gibt es eine Liste? Falls ja, ist das ein Mittel, das auch in Zukunft so verwendet werden könnte oder geht es schon um eine Markierung?

Müller-Niese: Ich kann das noch einmal im Detail darstellen: Nach dem Passgesetz kann einem Deutschen die Ausreise ins Ausland untersagt werden. In der Regel ist es so, dass man dann den Pass entzieht - es gibt aber diverse Staaten, in denen der Personalausweis für die Reise reicht -, und das machen die zuständigen kommunalen Behörden, also die Ordnungsbehörden oder die Ausweisbehörden in der Stadt, in der diese Person lebt. Wenn den Nachrichtendiensten oder der Polizei Hinweise vorliegen, dass diese Person möglicherweise in das Dschihadgebiet reist oder die äußere Sicherheit gefährdet, würde man beispielsweise eine Ausreiseuntersagung aussprechen oder den Pass einziehen; aber den Personalausweis kann man nicht einziehen. Diese Information liegt dann den deutschen Behörden vor und ist, soweit ich weiß, bei INPOL gespeichert. Sie liegt aber beispielsweise natürlich nicht den EU-Kollegen vor. Wenn ich nicht von Köln/Bonn oder Frankfurt, sondern, wie auch immer, von Brüssel oder Amsterdam aus fliege, gibt es nicht die Möglichkeit, das im S chengener Informationssystem zu vermerken und somit wissen die anderen Länder dann nicht Bescheid.

Ich kann noch auf eine relativ aktuelle Kleine Anfrage - das ist die Drucksache 18/2276 - verwiesen. Die Bundesregierung ist ja mehrfach nach Ausreiseuntersagung gefragt worden und hier ist beispielsweise eine Auflistung von ausgesprochenen Ausreiseuntersagungen der letzten Monate aufgeführt.

Frage: Noch einmal ganz konkret die Frage: Wird bei den vielen Sachen, die jetzt geprüft werden, auch eine Wiedereinführung des "Sympathisantenparagrafen" geprüft? Der wurde ja nun mit guten Argumenten abgeschafft.

Scholz: Sie sprechen die Vorschrift des 129a StGB an. Auch diese Vorschrift ist Bestandteil der Prüfung.

Frage: Frau Müller-Niese, geht es bei der Überprüfung der Markierungen der Personalausweise "nur" um Personalausweisbesitzer mit Migrationshintergrund oder um alle?

Müller-Niese: Noch einmal: Es geht nicht nur um eine Überprüfung der Markierungen, sondern es geht darum, inwiefern man möglicherweise das Personalausweisgesetz ändern muss. Das könnte eine Markierung sein, das könnte der Entzug sein. Das ist offen, und das ist Gegenstand der Prüfung. Es ist nicht auf Personen mit bestimmter Doppelstaatsangehörigkeit beschränkt, sondern es geht um das Personalausweisgesetz. Das betrifft alle mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Noch eine Ergänzung: Es gibt, glaube ich, rund 450 ausgereiste Islamisten aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak. Davon hat rund die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit.

Zusatzfrage: Dann würde "Ist ein Salafist" darinstehen?

Müller-Niese: Nein. Es geht doch um Folgendes: Schon heute ist möglich, dass die zuständigen Behörden anordnen können, dass ein Personalausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Das kann angeordnet werden. Dieses Formular hat diese Person aber wahrscheinlich nicht dabei, sondern sie hat ihren Personalausweis dabei. Es geht ja genau darum, wie ich diese Information, dass dieser Personalausweis nicht berechtigt, transportieren kann. Dabei ist eine zu klärende Frage: Entziehe ich den Personalausweis, wie ich den Reisepass entziehen kann, oder markiere ich ihn oder kann ich die Information speichern? Das ist im Moment anhand des Personalausweisgesetzes nicht möglich und das ist Gegenstand der Prüfung, die noch nicht abgeschlossen ist.

Frage: (akustisch unverständlich; ohne Mikrofon) ein Entzug der Staatsangehörigkeit und ist das überhaupt möglich, so zum Beispiel im Fall einer doppelten Staatsbürgerschaft?

Müller-Niese: Im Rahmen dieses ganzen Themenkomplexes terroristischer Reisebewegungen in Krisenregionen wird auch 28 StAG überprüft.

Frage: Eine Frage an das BMI. Es gibt Berichte über Anschlagsdrohungen oder -warnungen in anderen Ländern. Ich hätte gerne von Ihnen gewusst, ob es bei Ihnen Erkenntnisse darüber gibt, ob es eine erhöhte Anschlagsgefahr in Deutschland gibt.

Eine Frage an Herrn Seibert. Nachdem sich weitere Länder an der ISIS-Bekämpfung auch militärisch beteiligen wollen, hat sich an der Position der Bundesregierung irgendetwas geändert, dass Deutschland nicht an Luftangriffen im Irak teilnehmen möchte?

Müller-Niese: Ich fange mit der Frage zu der Gefährdungslage an. Dem Bundesministerium des Innern und den Bundessicherheitsbehörden liegen derzeit keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen oder einen bevorstehenden Anschlag in Deutschland oder gegen deutsche Interessen und Einrichtungen im Ausland vor, auch nicht im Zusammenhang mit der Terrororganisation "Islamischer Staat" oder ISIG genannt.

Ich möchte noch ergänzen: Deutschland steht nach wie vor im Fokus des dschihadistischen Terrorismus. Hieraus resultiert eine abstrakt hohe Gefährdung für die innere Sicherheit, die jederzeit in Form von Anschlägen unterschiedlicher Dimension und Intensität real werden kann. Wir haben schon mehrfach gesagt: Von Rückkehrern mit Kampferfahrung und Kontakten zu dschihadistischen Gruppen geht hierbei eine besondere Gefahr aus.

StS Seibert: Zu der Frage an die Bundesregierung: Deutschland leistet seinen Beitrag zum Kampf gegen ISIS und zur Linderung der Not der Menschen, die durch ISIS in schwere Not geraten sind, die ihr Leben mit Mühe retten können. Wir leisten erhebliche humanitäre Hilfe. Wir liefern den kurdischen Kämpfern, die sich ISIS entgegenstellen, Ausrüstung, Waffen und Munition. Dieser deutsche Beitrag fügt sich in das ein, was andere Mitglieder der Koalition gegen ISIS tun. Nicht jeder Staat leistet das Gleiche, aber aus den verschiedenen Beiträgen ergibt sich das Gesamtbild einer entschlossenen internationalen Haltung gegen diese extremistische und terroristische Bewegung, die für uns alle eine Gefahr bedeutet. Wir arbeiten also weiter daran, unsere Beiträge im Kampf gegen ISIS zu leisten - seien sie politisch, seien sie humanitär oder seien sie militärisch. Eine veränderte Haltung gibt es da nicht.

Frage: Frage an das Verteidigungsministerium. Wann genau beginnt denn nun die Ausbildung der Peschmerga-Kämpfer in Hammelburg? Plant die Ministerin, dort ihren Besuch nachzuholen?

Gerhartz: Es ist ja in den letzten Tagen viel berichtet worden. Die Waffenlieferungen sind jetzt im Irak eingetroffen. Auch die entsprechenden Einweiser sind im Irak eingetroffen, die die Peschmerga vor Ort in Erbil in diese Waffen einweisen werden. Auf der anderen Seite - darauf zielt ja Ihre Frage - geht es um eine Ausbildung an komplexeren Systemen der Peschmerga hier in Deutschland. Sie sind vor Ort angekommen, werden am Wochenende die Ausbildung beginnen und werden in Hammelburg an den entsprechenden Systemen ausgebildet.

Zu allen weiteren Planungen, ob wir dort einen Medientag durchführen oder ob die Ministerin gegebenenfalls noch einmal nach Hammelbug reist, kann ich jetzt noch nichts sagen. Wichtig ist, dass die Ausbildung an diesem Wochenende beginnt.

Frage: Wo wir bei den Waffenlieferungen sind, wollte ich fragen, ob es schon Überlegungen gibt, wie man diese Pannen, die in den letzten Tagen passiert sind, in Zukunft verhindern kann. Wird man kurzfristig irgendwelche weiteren Maschinen von Dritten heranschaffen oder Ähnliches?

Zweitens generell eine Frage. Wie passt es denn zusammen, dass man auf der einen Seite von diesen ganzen Hardwareproblemen der Bundeswehr hört und auf der anderen Seite Deutschland versucht, eine ambitioniertere Außenpolitik zu führen? Das geht ja schwerlich zusammen, oder?

Gerhartz: Sie machen bei der Frage der Waffenlieferungen grundsätzlich die Frage der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte auf, über die in den letzten Tagen berichtet worden ist. Ich denke, hier muss man zu einer Gesamtbewertung zurückfinden. Wenn ich sehe, was in den letzten Tagen berichtet wurde, dass einzelne Systeme im begrenzten Zeiträumen in ein prozentuales Verhältnis zueinander gesetzt werden und daraus eine, wie behauptet, nicht vorhandene Einsatzbereitschaft abgeleitet wird, ist das natürlich nicht zielführend.

Ich denke, wir müssen für eine Gesamtbewertung zu den Fragen zurückkommen: Was ist eigentlich von uns gefordert? Erfüllen wir die Aufträge, für die wir vorgesehen sind? Hier möchte ich darauf hinweisen, dass wir weltweit in 17 Einsätzen engagiert sind. Das sind Einsätze, die von der Ausbildungsmission in Mali bis hin zur Luftüberwachung mit Eurofightern in den baltischen Staaten gehen. Wir erfüllen tagtäglich und rund um die Uhr, auch am Wochenende und an jedem Feiertag, diese Einsätze. Jeder kann erahnen - der Begriff passt in dem Zusammenhang ganz schön -, dass es nicht nur das sogenannte "front-end" ist, also was haben wir vor Ort, sondern es gehört auch die Logistik im Hintergrund dazu.

Ja, ich weiß, dass die Flieger in Erbil nicht so rechtzeitig angekommen sind, wie wir das geplant hatten. Dennoch sind alle Einweiser und entsprechend die Waffen vor Ort. Ich möchte für die Gesamtbewertung noch einmal auf das hinweisen, was wir sonst tagtäglich machen.

Wir haben im Feld des Lufttransports Verbesserungsbedarf - das wissen wir - , und hier sind ja auch entscheidende Maßnahmen eingeleitet worden. Wir sind aber natürlich auch davon abhängig, dass wir das Gerät geliefert bekommen. Wir warten auf den A400M, dessen Lieferung sich bereits um mehrere Jahre verzögert hat. Wir sind natürlich darauf angewiesen.

Frage: Frau Müller-Niese, der Begriff "abstrakt hohe Gefährdung" ist in der Tat ziemlich abstrakt. Können Sie den ein bisschen mit Leben füllen? Ich glaube, bislang ist von einer "abstrakten Terrorgefahr" in Deutschland gesprochen worden. Jetzt heißt es "abstrakt hohe Gefährdung". Ist das eine Stufe weiter? Können Sie das noch ein bisschen erläutern?

Müller-Niese: Wir haben nicht diese Stufen, wie es möglicherweise in anderen Ländern der Fall ist. Es ist eine abstrakt hohe Gefährdung, die jederzeit in Form von Anschlägen unterschiedlicher Dimension und Intensität real werden kann. Das hat beispielsweise der Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel in tragischer Weise gezeigt. Minister de Maizière und BKA-Präsident haben das auch mehrfach gesagt. Es ist immer schwer, Einzeltäter vorher zu identifizieren. Wenn es eine große Planung gibt, ist es möglicherweise einfacher, so etwas aufzudecken als Einzeltäter. Es ist eine abstrakt hohe Gefährdung. Wir haben keine konkreten Kenntnisse, aber es gibt eine hohe Gefährdung, die sich realisieren kann. Ich erinnere beispielsweise nur an die Anschlagsvorbereitungen am Hauptbahnhof Bonn, wo die Tasche nicht gezündet hat, und ich erinnere an die "Düsseldorfer Zelle. Die Gefährdung kann real werden und aus diesem Grund auch abstrakt hoch. Aber wir haben heute, jetzt und hier, keine konkreten Erkenntnisse über Anschlagsplanungen oder einen bevorstehenden Anschlag weder in Deutschland noch auf deutsche Einrichtungen im Ausland.

Frage: Frau Chebli, ich hätte gerne zwei Fragen gestellt. Zum einen hat der Bundesaußenminister seinen iranischen Kollegen in New York getroffen. Es hat bei der Pariser Irak-Konferenz Debatten gegeben, ob der Iran an einer solchen Konferenz beteiligt sein sollte oder nicht. Würden Sie sagen, dass aufgrund der Entwicklung und der Kontakte, die in New York stattgefunden haben, sichergestellt ist, dass der Iran als regionaler Player tatsächlich an den Verhandlungen über eine Irak-Lösung teilnimmt?

Zweitens. Der Bundesaußenminister hat in der Haushaltsdebatte erklärt, dass der Sicherheitsrat wegen der Ukraine-Krise auch für die Themen Syrien/Irak blockiert sei. Ist er mittlerweile zu einer anderen Meinung gekommen, weil man ja offenbar im Fall Syrien und im Fall der Bekämpfung der ISIS-Kämpfer doch zu einer einvernehmlichen Abstimmung auch mit den Russen gekommen ist?

Chebli: Zur ersten Frage bezüglich des Iran: Ich glaube, der Minister hat ganz deutlich gemacht, wie er zu einer Einbindung des Iran steht. Er hat gestern ja auch mit Präsident Rohani gesprochen. Ich weiß nicht, ob Sie den Wortlaut oder seine Äußerungen gelesen haben: Er hat begrüßt, dass sich Iran am Kampf gegen ISIS beteiligt. Er hat auch begrüßt und unterstrichen, dass es wichtig ist, dass der Iran einen konstruktiven Beitrag zur Schaffung einer neuen irakischen Regierung geleistet hat - das war im Zusammenhang mit den E3+3-Verhandlungen zu der Atomfrage.

Wir haben auf jeden Fall im Kampf gegen ISIS gesehen, dass der Iran eine wichtige Rolle spielt. Die Tatsache, dass Iran mit am Tisch saß, bestätigt für uns, dass der Iran da durchaus das gleiche Interesse wie wir und auch die gleiche Wahrnehmung wie wir von ISIS hat, nämlich dass ISIS eine große Bedrohung für die Region und für die Welt ist. Deswegen sind wir der Meinung, dass es richtig ist, dass man mit dem Iran, was ISIS angeht, sehr eng zusammenarbeitet. Das war ein positiver Prozess und eine gute, gelungene Erfahrung, die wir gemacht haben.

Zum Sicherheitsrat: Ich glaube, im Kampf gegen ISIS hat die internationale Staatengemeinschaft klar gezeigt, dass alle mit einer Stimme sprechen. Das ist ein sehr positives Beispiel dafür, dass auch Staaten mit unterschiedlichsten Interessen an einem Tisch sitzen und mit einer Stimme sprechen können, wenn es darum geht, dass eine Terrororganisation den Weltfrieden bedroht. Die Resolution, die verabschiedet wurde, wurde einstimmig und von allen verabschiedet.

Es wäre wünschenswert, wenn sich das, was wir bei ISIS haben, auch im Zusammenhang mit anderen Konflikten und Krisen dieser Welt wiederfinden würde. Es wäre politisch wünschenswert, dass der Sicherheitsrat seine Macht ausüben kann und nicht durch unterschiedliche Interessen blockiert ist. Das war bei ISIS der Fall, und es wäre wünschenswert, wenn es auch bei anderen Krisen der Fall wäre.

Frage: Der Außenminister hat gesagt, dass die Luftschläge vom Völkerrecht gedeckt seien. Wie kommt er darauf?

Chebli: Auch zur Frage des Völkerrechts haben wir hier, glaube ich, am Mittwoch Stellung genommen. Der Minister hat Artikel 51 zitiert und hat gesagt, dass sich die Amerikaner auf Artikel 51 berufen und dass er diese Argumentation durchaus für geeignet hält. Wir haben gleichzeitig festgestellt, dass wir eine völkerrechtliche Bewertung nur in Kenntnis aller Umstände vornehmen können. Das gilt nach wie vor und das hat der Minister auch so gesagt. Er hat letztendlich umschrieben, dass die Argumentation der Amerikaner, sich auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 zu berufen, schlüssig und geeignet ist. Das ist die Linie. Letztendlich müsste man sich die einzelnen Aspekte, Ziele, Absichten und Verbindungen verschiedener Gruppierungen anschauen, um eine endgültige völkerrechtliche Bewertung vornehmen zu können.

Zusatzfrage: Beim Selbstverteidigungsrecht geht es ja um den Irak. Syrien hat keine militärische Hilfe ersucht, und es gibt dazu auch keine Uno-Resolution. Wie sind die Luftschläge in Syrien vom Völkerrecht gedeckt?

Chebli: Ich kann noch einmal auf die Argumentation von Frau Wirtz vom Mittwoch eingehen. Ganz allgemein lässt sich sagen: Wenn eine bewaffnete nichtstaatliche Gruppe aus einem Nachbarland heraus einen bewaffneten Angriff gegen einen Staat führt, dann gibt das diesem Staat nach Artikel 51 der UN-Charta das Recht, sich gegen diesen Angriff zu verteidigen. Wenn die Regierung desjenigen Landes, von dem aus der Angriff durch die bewaffnete nichtstaatliche Gruppe erfolgt, nicht imstande und nicht willens ist, selbst wirksam gegen diese Gruppe vorzugehen, erstreckt sich das Selbstverteidigungsrecht des angegriffenen Landes auch auf das Gebiet des anderen Staates. Das Selbstverteidigungsrecht kann auch kollektiv ausgeübt werden, das heißt, andere Staaten dürfen dem angegriffenen Staat auf dessen Ersuchen zu Hilfe kommen. Das ist bei Syrien der Fall. Das ist die Argumentationslinie, wenn sich die Amerikaner auf Artikel 51 berufen. Das ist stichfest und das halten wir für geeignet, um letztendlich auch Luftschläge in Syrien zu vollziehen.

Zusatzfrage: Sie sagen es gerade: Das ist eine Argumentation der Amerikaner. Wird sich die deutsche Regierung irgendwie dafür einsetzen, dass es eine Uno-Resolution für diesen Angriff auf Syrien gibt?

Chebli: Der Minister hat sich klar geäußert. Ich habe das jetzt wiederholt und habe gesagt, was die Grundlage für die Luftangriffe auf Syrien ist. Dem habe ich eigentlich nichts weiter hinzuzufügen.

StS Seibert: Um es vielleicht noch einmal ganz klar zu sagen: Es geht bei den Angriffen im Norden von Syrien nicht um Syrien selbst oder um die syrische Regierung, sondern es geht darum, der irakischen Regierung, dem Irak zu helfen, Angriffe, die aus Syrien gegen den Irak durch ISIS geführt werden, abzuwehren. Das ist der Sinn dieses militärischen Einsatzes. Die syrische Regierung war vorab informiert und hat einen Protest nicht geäußert.

Frage: Frau Chebli, gibt es einen neuen Stand, was die beiden von Abu Sayyaf auf den Philippinnen entführten Deutschen angeht?

Chebli: Nein.

Frage: Wie beantwortet die Bundesregierung denn die Organklage zur Vernehmung von Edward Snowden?

StS Seibert: Da der genaue Inhalt der Frage, glaube ich, erst heute Vormittag in einer Pressekonferenz vorgestellt wurde, ist er zumindest mir noch nicht bekannt. Vielleicht kann sich das BMI dazu noch äußern.

Müller-Niese: Mir ist der genaue Inhalt auch nicht bekannt. Ich glaube, die Pressekonferenz findet hier direkt im Anschluss um 12.30 Uhr statt. Ich kann nur auf die Stellungnahme der Bundesregierung vom Mai und auch die ergänzenden Stellungnahmen verweisen. Sobald uns die Klage zugegangen ist, werden wir sie prüfen.

Frage: Die Bundesregierung hatte einmal festgestellt, dass sie die Frage nach der Asylfähigkeit von Herrn Snowden deswegen nicht letztendlich beantworten kann, weil sie nicht weiß, weswegen er in den USA eigentlich angeklagt werden würde oder werden könnte und ob politische Gründe dahinter liegen. Gibt es dazu neue Erkenntnisse?

StS Seibert: Es gibt keine neue Haltung der Bundesregierung in Sachen Edward Snowden und Asyl in Deutschland. Das ist seinerzeit durch die beiden Ministerien eingehend geprüft worden, und die Umstände oder die notwendigen Voraussetzungen für ein Asyl wurden als nicht vorliegend eingestuft.

Frage: Zum Thema Mietpreisbremse an das Justizministerium: Es gibt Meldungen, die besagen, es sei vorgesehen, dass Vermieter ihre Modernisierungskosten in großem Umfang als Gegenleistung für diese Mietpreisbremse abschreiben können. Gibt es solche Planungen?

Scholz: Das, was Sie ansprechen, ist nicht Bestandteil des Gesetzentwurfs, der jetzt auf den Weg gebracht werden soll und der in Kürze ins Kabinett soll. Das Thema Umlage von Modernisierungskosten ist einem weiteren Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten.

Zusatzfrage: Das nicht mit der Mietpreisbremse in Zusammenhang steht?

Scholz: So ist es - jedenfalls nicht direkt.

Frage DENKLER: An das BMF: Nach einem Bericht der NOZ lehnt der Zoll es angeblich ab, die Maut zu erheben. Meine Frage ist technischer Art: Kann eine Bundesbehörde dies einfach tun und das sozusagen von sich aus ablehnen? Wie funktioniert das?

Jäger: Sie wissen, dass wir ein enges und vertrauensvolles Verhältnis der Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium pflegen. Das heißt, wir stehen selbstverständlich in einem Austausch, was die Fertigung eines Gesetzentwurfes für die Infrastrukturabgabe angeht. Diese Beratungen laufen. Sie werden von unserem Ministerium geführt und nicht von nachgeordneten Bundesbehörden.

Ewert: Der Kollege Jäger hat alles dazu gesagt. Der Gesetzentwurf wird vorgelegt, und im Rahmen dieses Gesetzentwurfs werden auch solche Fragen geklärt werden.

Frage: Ebenfalls an das BMF: Angeblich will Herr Schäuble den Heizkostenzuschuss, den Frau Hendricks einfordert, ablehnen. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Jäger: Ein solcher Heizkostenzuschuss, wie Sie das nennen, würde Gegenstand einer geplanten Wohngeldnovelle sein. Diese liegt uns als Gesetzentwurf noch nicht vor. Die Kollegen aus dem entsprechenden Ressort können sich dazu sicherlich äußern. Wir würden uns dann im Rahmen eines solchen Verfahrens gegebenenfalls äußern.

Wichtig ist für das Bundesfinanzministerium, dass ein solches Konzept - wie alle nicht-prioritären Maßnahmen des Koalitionsvertrages - im Rahmen der Eckwerte des Finanzplans zu finanzieren wären.

Stamer: Von unserer Seite so viel dazu: Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass das Wohngeld angepasst werden soll, um einkommensschwache Haushalte zu unterstützen. In diesem Zusammenhang soll nach unseren Plänen auch die Heizkostenpauschale wieder eingeführt werden. Die internen Arbeiten an dem Gesetzentwurf sind noch nicht abgeschlossen, deshalb ist - Herr Jäger hat es ja erwähnt - die Ressortabstimmung auch noch nicht eingeleitet worden.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium zu CETA, also dem EU-Kanada-Freihandelsabkommen, nachdem Herr Gabriel darüber gestern im Bundestag geredet hat: Heute soll in Kanada ja der Abschluss dieses Abkommens bekanntgegeben werden, auch wenn es noch nicht paraphiert wird. Was genau bedeutet vor dem Hinblick das, was Ihr Minister gestern gesagt hat? Heißt das, dass die Bundesregierung nicht zustimmen wird, wenn der Investitionsschutzanteil nicht herausverhandelt werden kann?

Dünow: Das ist jetzt wirklich eine hin höchstem Maße spekulative Frage, die ich natürlich nicht beantworten kann. Minister Gabriel hat sich gestern klar und deutlich zu CETA bekannt und hat genauso klar darauf hingewiesen, dass er das Investitionsschutzabkommen, so wie es gegenwärtig vorliegt, für nicht zustimmungsfähig hält. Alles Weitere werden wir sehen. Klar ist: Er will CETA - er will CETA ohne Investitionsschutz.

Zusatzfrage: Handelskommissar De Gucht hat gestern ja darauf hingewiesen, er fürchte, dass es, wenn dieses Abkommen noch einmal aufgemacht wird, nachverhandelt wird, überhaupt kein Abkommen geben wird. Teilt der Minister diese Sorge?

Dünow: Nein, er teilt sie nicht. Er hat gestern auch darauf hingewiesen, dass es eine zentrale Frage jenseits des Investitionsschutzes gibt, die noch nicht zwischen Kommission und Mitgliedstaaten - übrigens zwischen Kommission und allen 28 Mitgliedstaaten - geklärt ist, nämlich die ganz banale Frage, wer eigentlich dieses Abkommen unterzeichnet. Die 28 Mitgliedstaaten sind der Auffassung, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, die Kommission ist der Auffassung, dass es sich um einen "EU only"-Vertrag handelt. Solange das nicht geklärt ist, kann man eigentlich auch nicht von einem Abschluss der Verhandlungen sprechen.

Zusatzfrage: Herr Gabriel hat ja davon gesprochen, dass man die nächsten Monate nutzen sollte, um noch andere Länder zu finden, die die deutsche Position teilen. Können Sie uns sagen, ob Sie schon von Ländern wissen, die dieselben Forderungen haben wie die Deutschen?

Dünow: Es gibt eine ganze Reihe von Ländern - das ist ja hinlänglich bekannt -, in denen es ähnliche Debatten gibt wie in Deutschland. Alles Weitere wird der weitere Prozess zeigen.

Frage: Frau Chebli, wie bewertet Ihr Ministerium die Gespräche zwischen dem Bundesaußenminister und dem iranischen Präsidenten?

Chebli: Wie Sie wissen, hat sich der Minister dazu gestern geäußert. Wenn Sie es nicht gehört haben, wiederhole ich es sehr gerne, aber ich habe dem nichts hinzuzufügen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 26. September 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/09/2014-09-26-regpk.html;jsessionid=D3011C1C69FBC62F3762CC3ACDF50E10.s4t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2014