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PRESSEKONFERENZ/908: Regierungspressekonferenz vom 15. Dezember 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 15. Dezember 2014
Regierungspressekonferenz vom 15. Dezember 2014

Themen: Verhaftung von Journalisten in der Türkei, Pkw-Maut, Existenzminimumbericht/Kindergeld, Bericht über Foltermethoden der CIA, Kosten für künstliche Befruchtung, Parlamentswahlen in Griechenland, Hilfspaket für Griechenland, Erbschaftssteuer, geplanter Verkauf der Urananreicherungsanlage Gronau, PEGIDA-Demonstrationen, Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland, Rüstungsexporte an Israel, Verträge der Firma CSC mit Bundesbehörden, transatlantisches Freihandelsabkommen, Sicherheitslage in Deutschland

Sprecher: StS Seibert, Rudolph (BMVI), Kalwey (BMF), Schäfer (AA), Angeli (BMG), Toschev (BMWi), Rülke (BMJV), Fichtner (BMUB), Müller-Niese (BMI)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Meine Frage richtet sich an Herrn Seibert und Herrn Schäfer. Neben unserem Chefredakteur in Istanbul, Herrn Ekrem Dumanli, sind viele unserer Kollegen gestern verhaftet worden. In diesem Zusammenhang möchte ich fragen, wie die Bundesregierung diese Verhaftungen beurteilt. Welche Stellungnahme haben Sie zu diesem Thema abzugeben?

StS Seibert: Vielen Dank für ihre Frage. Es ist aus Sicht der Bundesregierung nicht erkennbar, wie dieses gezielte Vorgehen gegen Journalisten und gegen Vertreter der Medien durch die türkische Polizei mit den Grundprinzipien der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei in Übereinstimmung zu bringen ist. Aus unserer Sicht ist es auch im Interesse der Türkei, und zwar nicht nur vor dem Hintergrund des Annäherungsprozesses an die EU, jeden Zweifel an der Einhaltung der demokratischen Grundprinzipien auszuräumen.

Zusatzfrage: Werden diese Verhaftungen, Herr Seibert, auf der europäischen Ebene zu Konsequenzen führen?

StS Seibert: Ich denke, dass die europäischer Ebene und andere Mitgliedstaaten genau wie die Bundesregierung die dortigen Ereignisse beobachtet. Aber ich kann hier nicht für die europäische Ebene sprechen, nur für die Bundesregierung.

Frage: Sieht die Bundeskanzlerin diese Vorgänge als einen Angriff gegen die Pressefreiheit an?

StS Seibert: Ich kann nur wiederholen, was ich gerade gesagt habe: Das ist ein gezieltes Vorgehen der türkischen Polizei gegen Journalisten und Medienvertreter, und es ist für uns nicht erkennbar, wie das mit den Grundprinzipien von Presse- und Meinungsfreiheit in Einklang zu bringen ist.

Frage: Ich würde gerne zum Verkehr kommen und zwei Fragen stellen, Herr Rudolph. Die erste: Bleibt es bei dem Plan, dass der veränderte Gesetzentwurf zur Pkw-Maut am Mittwoch ins Kabinett eingebracht werden wird?

Zweitens: Es gibt ja zwei Vorwürfe der EU-Verkehrskommissarin Bulc. Der erste ist der Vorwurf der indirekten Diskriminierung von Ausländern und der zweite, die Kurzzeit-Vignette wäre schlicht zu teuer. Wie wollen Sie dieser Kritik begegnen und sie möglicherweise aufnehmen?

Rudolph: Ich fange einmal mit der zweiten Frage an und komme dann zur ersten: Der Brief, der heute auch in den Medien steht, ist am Freitagabend per Mail bei uns im Ministerium eingegangen. Um das für Sie einzuordnen: Der Brief ist auf einer knappen Seite verfasst worden und offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt. Wenn man sich nämlich die ersten Zeilen anschaut, dann sieht man: Es ist nicht einmal ein Datum darauf, und man geht schon im ersten Satz von einer falschen Annahme aus, nämlich davon, dass der Gesetzentwurf in dieser Woche in den Deutschen Bundestag eingebracht wird.

Richtig ist: Es gibt zwei Gesetzentwürfe, nicht nur einen - Sie wissen das, Brüssel zumindest in diesem Brief nicht -, und zwar den Gesetzentwurf zur Infrastrukturabgabe und den Gesetzentwurf zur Reform der Kfz-Steuer. Wir werden diese beiden Entwürfe am 17. Dezember ins Bundeskabinett einbringen, was auch ein Unterschied zu dem ist, was aus Brüssel kam. Allein diese Fakten geben also einen Hinweis darauf, wie intensiv sich Brüssel in diesem Brief mit der Thematik beschäftigt haben kann.

Unser Gesetz ist europarechtskonform; das habe ich immer gesagt und sage es heute auch noch einmal. Wir haben das mit einem Rechtsgutachten von Prof. Hillgruber untermauert, das auch auf unserer Seite im Internet abrufbar ist. Den inhaltlichen Punkten aus dem Schreiben - auch denen, die Sie angesprochen haben - haben wir gegenüber Brüssel widersprochen. Die Bedenken sind unbegründet. Das haben wir am Wochenende der Kommissarin in einem Schreiben und in einer aktuellen Stellungnahme von Prof. Hillgruber, die sich praktisch auf das stützt, was er in einem längeren Gutachten für uns gemacht hat, noch einmal mitgeteilt. Ich kann von meiner Seite aus feststellen, dass der Kommissarin offenbar die beiden aktuellen Gesetzentwürfe nicht vorliegen. Sie kommt deshalb zu falschen Schlussfolgerungen, die inhaltlich schon lange ausgeräumt worden sind.

Zur ersten Frage: Ja, es bleibt dabei, dass beide Gesetzentwürfe am 17. Dezember vom Bundeskabinett behandelt werden.

Zusatzfrage: Wie wird die Zusammenarbeit mit Brüssel denn weitergehen? Wird die deutsche Seite strikt ihre beiden Gesetzentwürfe durchziehen und Brüssel vor vollendete Tatsachen stellen, oder wie muss ich mir das vorstellen?

Rudolph: Wir führen ja mit Brüssel seit Monaten einen guten Austausch über die Pläne - auf Fachebene und auch auf Minister- und Kommissarebene. Dieser gute Austausch geht weiter. Nur auf diesen Brief bezogen muss ich jetzt feststellen, dass der fachliche Austausch, der seit Monaten zu diesem Thema geführt wird, oder die Erkenntnisse und Ergebnisse aus diesen Besprechungen diesem Brief erkennbarerweise nicht zugrunde liegen. Ansonsten wären diese formalen Fehler nicht gemacht worden und die inhaltlichen Bedenken, die auch schon in der Vergangenheit besprochen worden sind, nicht aufgerufen worden, wobei ich nicht sagen kann, der Brief hatte kein Datum. Vielleicht ist er schon einmal zu einem früheren Zeitpunkt geschrieben worden; das nur als persönliche Anekdote hinten heraus.

Nein, der gute Austausch geht weiter, wie er auch schon in der Vergangenheit geführt worden ist. Insofern hat das auf die Zusammenarbeit überhaupt keine Auswirkungen. Nur sind beide Gesetzentwürfe jetzt erst einmal Schritt für Schritt im Bundeskabinett zu besprechen.

Frage: Herr Rudolph, Ihr Minister kann vieles, aber kann man eigentlich parallel über zwei Gesetzentwürfe mit der Kommission und mit dem Bundestag verhandeln, und zwar jedes Mal mit der Absicht, den Gesetzentwurf bei diesen Verhandlungen zu verändern? Welchen Sinn hat diese Parallelität? Wollen Sie es darauf ankommen lassen, das Gesetz zügig scharf zu stellen, um danach mit Brüssel eine Verständigung zu erreichen und ihn, falls es da Veränderungsbedarf geben sollte, erneut in ein Gesetzgebungsverfahren zu packen? Wie stellen Sie sich das vor?

Herr Seibert, ungefähr zu der Zeit, als der Brief ankam, hat die Bundeskanzlerin als Parteivorsitzende und als Gastrednerin auf dem CSU-Parteitag viele nette Dinge über die Maut gesagt, aber unter anderem auch einen Vorbehalt zum Ausdruck gebracht. Ich habe die wörtliche Formulierung jetzt leider nicht parat, aber Sie waren ja als Privatperson auch dabei und haben das vielleicht zur Kenntnis genommen. Es hieß - so fasse ich die Botschaft einmal zusammen -, wenn nicht außergewöhnliche Dinge passieren würden, dann werde die Maut kommen. Hatte die Bundeskanzlerin dabei an diesen Brief aus Brüssel gedacht, als sie diesen Vorbehalt geltend gemacht hat?

StS Seibert: Das kann ich schnell ausräumen, wenn ich dem kurz vorgreifen darf, Herr Rudolph: Zwischen der Rede der Parteivorsitzenden in Nürnberg und einem Brief aus Brüssel hat keinerlei Zusammenhang bestanden.

Zusatzfrage: Weshalb hat die CDU-Vorsitzende Merkel diesen Vorbehalt zum Ausdruck gebracht?

StS Seibert: Ich habe Reden der Bundeskanzlerin, die sie beim CSU-Parteitag hält, hier nicht für Sie zu analysieren. Ganz klar ist: Das Bundesverkehrsministerium hat mit den anderen Ressorts innerhalb der Bundesregierung einen Gesetzentwurf abgestimmt, mit dem die Zielsetzung des Koalitionsvertrags, zu dem wir alle stehen, umgesetzt werden soll. Der wird am Mittwoch zum Beschluss in das Kabinett gehen.

Rudolph: Der Brief - in Klammern: ohne Datum - hat auf den weiteren Ablauf im Bundeskabinett keinen Einfluss. Ich hoffe, ich habe das bezüglich der formalen und inhaltlichen Gründe deutlich darstellen können. Insofern bleibt mir nur das zu ergänzen, was auch Herr Seibert gesagt hat, nämlich dass ich aus diesen Gründen auch keinen Zusammenhang sehe.

In der Vergangenheit war es so, dass wir ab Sommer regelmäßige Runden mit Brüssel und auch mit den Ressorts und Fachebenen hatten und uns eng abgestimmt haben. Das heißt, Kommissare wechseln, aber Fachebenen bleiben. Als EU-Kommissar Kallas zum Ende seiner Amtszeit gesagt hat, dass das in die richtige Richtung geht, war der Chef der Generaldirektion zwar ein neuer, aber er hat diese Position mitgetragen und ist auch weiterhin an Bord.

Diese Gespräche gehen weiter, genauso wie wir die Ressortabstimmung mit den unterschiedlichen Fragestellungen geführt haben, die sich bei so einem Gesetz stellen. Da dies alles zum Abschluss gekommen ist, werden wir die beiden Gesetzentwürfe am Mittwoch im Bundeskabinett sehen und danach beginnt das parlamentarische Verfahren.

Zusatzfrage: Entschuldigung, das war genau meine Frage, wie Sie sich das weitere Prozedere im nächsten Jahr vorstellen, also einerseits mit dem Bundestag über die Umsetzung des Kabinettsbeschlusses zur Maut zu verhandeln und parallel dazu Korrekturen über Korrekturen eventueller Art mit der Brüsseler EU-Kommission über den Gesetzentwurf zu verhandeln, mit dem Sie in den Bundestag gehen. Wollen Sie das parallel machen oder erst das eine und dann das andere klären?

Rudolph: Ich hatte gehofft, dass das ein bisschen aus dem hervorgeht, was ich gesagt habe, nämlich dass die Gespräche mit Brüssel kontinuierliche sind. Ich würde nicht von "verhandeln" sprechen, sondern davon, dass die Gespräche kontinuierliche sind, unser Gesetz europarechtskonform ist, die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag erfüllt und insofern diese Gespräche kontinuierlich weitergehen werden.

Was den Bundestag angeht, ist der Beschluss erst einmal im Bundeskabinett zu treffen - das wird am Mittwoch der Fall sein -, und dann gehen beide Gesetzesentwürfe in das parlamentarische Verfahren in den Bundestag und das Parlament wird sich damit befassen.

Frage: Ist die Ressortabstimmung denn schon abgeschlossen?

Rudolph: Richtet sich die Frage an mich?

Zusatz: Wer auch immer sie beantworten kann.

Rudolph: Die Ressortabstimmung ist abgeschlossen und beide Gesetzentwürfe werden am Mittwoch im Bundeskabinett sein.

Frage: Herr Rudolph, es gibt das Gutachten von Prof. Hillgruber, das Ihr Haus in Auftrag gegeben hat. Ich gehe davon aus, dass das auch der Stab von Frau Bulc in Brüssel kennt. War die Einschätzung Ihres Ministers möglicherweise zu voreilig, der gesagt hat, dieses Gutachten bestätige sozusagen die Konformität mit dem EU-Recht?

Rudolph: Wir haben von der Universität Bonn in Person von Prof. Hillgruber eine Ausarbeitung angefordert, die über 70 Seiten umfasst und besagt, dass die Infrastrukturabgabe EU-rechtskonform ist. Das ist auch das Dokument, das Sie bei uns im Internet abrufen können. Das Gutachten ist da ganz klar und eindeutig. Wir haben uns die Mühe gemacht, noch einmal die Bedenken, die am Freitagabend per E-Mail eingetroffen sind, über das Wochenende mit einer aktuellen Stellungnahme von Prof. Hillgruber zu beantworten, die eindeutig ist und die Bedenken ausräumt. Insofern ist diese Linie sehr klar, was wir auch gegenüber Brüssel mitgeteilt haben.

Frage: Eine Frage zum Existenzminimumbericht und Kindergeld. Herr Seibert, wann plant die Bundesregierung, das Kindergeld zu erhöhen und in welcher Höhe soll es erhöht werden?

An das Finanzministerium: Wann soll der Existenzminimumbericht im Januar im Kabinett sein? Sieht das Finanzministerium Spielraum, das Kindergeld anzuheben? Können Sie beziffern, was zum Beispiel eine Erhöhung von 8 Euro kosten würde?

Kalwey: Ich kann gerne beginnen. Der Existenzminimumbericht wird im Januar 2015 dem Kabinett vorgelegt werden. Einen genauen Termin kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Erst nach der Kabinettsbefassung wird zu beraten sein, welche Schlüsse aus dem Bericht gezogen werden können; das trifft natürlich auch auf den Freibetrag zu. Der Bericht muss abgestimmt vorliegen, und dann kann die Bundesregierung auch die notwendigen Schlüsse daraus ziehen.

StS Seibert: Ich kann Ihnen über die Abläufe auch nichts anderes sagen.

Zusatzfrage: Dann erlauben Sie bitte eine Nachfrage. Heißt das, dass die Bundesregierung wieder in Betracht zieht, eine Kindergelderhöhung zu verschieben, obwohl sie ja eigentlich zwangsläufig damit verbunden ist, wenn man das Existenzminimum erhöht?

Kalwey: Es gilt das, was ich Ihnen gerade gesagt habe. Der Bericht wird jetzt abgestimmt. Wenn der abgestimmte Bericht vorliegt, wird man die Schlüsse daraus ziehen. Bei diesen Schlüssen, die man ziehen muss, sind natürlich auch verfassungsrechtliche Aspekte zu beachten. Mehr kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt dazu nicht sagen.

Zusatzfrage: Was würde den Bundeshaushalt beispielsweise eine Kindergelderhöhung um 5 oder 8 Euro kosten?

Kalwey: Mir liegt im Moment keine Schätzung vor. Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Zusatz: Sie haben doch aber Erfahrungswerte.

Kalwey: Das müsste ich noch einmal nachprüfen. Das kann ich Ihnen so aus dem Stegreif nicht sagen.

Frage: Herr Seibert, noch einmal eine Frage zum CIA-Report und dem damit verbundenen Bruch des Völkerrechts. Wir haben dieses Jahr am Beispiel von Russland erlebt, was passiert, wenn ein Staat internationales Recht bricht, nämlich Sanktionen von EU-Seite, von deutscher Seite. In welchem Stadium sind die Planungen für Sanktionen gegen die USA?

StS Seibert: Ich kann Ihnen von solchen Planungen für die Bundesregierung nicht berichten. Wir haben hier sehr deutlich gesagt, wie stark für uns das Folterverbot als ein absoluter Wert ist, dass Folter durch nichts und auch in keinem Fall zu rechtfertigen ist. Das gilt übrigens auch, wenn man sagt, es gäbe einen Erkenntnisgewinn aus Folter. Auch ein solcher Erkenntnisgewinn kann nie Folter rechtfertigen; das hat die Bundesregierung hier sehr klar gesagt. Das ist das, was ich dazu sagen kann.

Zusatzfrage: Was ist denn die Position der Bundesregierung gegenüber Helferstaaten wie Polen, die bei der Folter mitgeholfen haben, die Orte und CIA-Gefängnisse zur Verfügung gestellt haben? Sollten die auch angeklagt werden?

StS Seibert: Ich kann Ihnen dazu hier nichts sagen. Es ist in jedem Land natürlich national zu prüfen, ob auf dem Boden dieses Landes und durch wen Straftaten begangen wurden. Das ist eine Sache, die in Polen lebhaft diskutiert wird, wie sie auch in Amerika lebhaft diskutiert wird. Ich habe Ihnen für die Bundesregierung hierzu nichts zu sagen, was Polen oder andere Länder beträfe.

Zusatzfrage: Sie meinten letztens, dass Sie keine Kenntnis davon haben, dass es CIA-Gefängnisse auf deutschem Boden geben würde. Sind darin auch US-Botschaften und US-Konsulate eingeschlossen?

StS Seibert: Ich habe keine Kenntnis, dass auf dem Boden von diplomatischen Einrichtungen - US-Botschaften oder US-Konsulate - solche Taten begangen worden wären.

Frag : Herr Seibert, wenn man Sie so sprechen hört, hat man immer das Gefühl, es ist eine Art Kavaliersdelikt, das die Amerikaner da verbrochen haben. Wie ernst nimmt die Bundesregierung diese Vorwürfe überhaupt?

StS Seibert: Ich weiß nicht, wie Sie zu diesem Gefühl kommen. Wir sagen hier seit Tagen und in großer Ernsthaftigkeit, wie erschüttert wir über diese Enthüllungen sind, wie erschüttert wir über Details des Berichts sind und dass Folter für uns, wie ich es jetzt bereits mehrfach gesagt habe, durch nichts, niemanden und auch durch keine Notwendigkeit des Kampfes gegen den Terror gerechtfertigt werden kann. Das ist keineswegs etwas, was wir auf die leichte Schulter nehmen. Deswegen verstehe ich Ihren Eindruck nicht.

Zusatzfrage: Aber Sie sagen ja auch, es soll keine Konsequenzen haben. Sie vertrauen den Amerikanern blindlings. Sie haben keine Garantie, dass die Amerikaner das juristisch aufarbeiten.

StS Seibert: Es ist zunächst die Sache der Amerikaner, mit diesem Bericht umzugehen, und es gibt eine lebhafte Diskussion in den USA. Es ist auch Sache verschiedener anderer Nationen, auf die in diesem Bericht hingewiesen wird, zu prüfen, wie weit diese Vorwürfe zutreffen. Ich habe hier keine Empfehlungen zu geben. Und die Strafverfolgungsbehörden sind eigenständig.

Frage: Herr Seibert, zu den "rendition flights" der CIA. Es kam heraus, dass es mehr als 11.000 solcher Flüge gab. Im Folterbericht ist aber nur die Rede von 119 Verdächtigen. Das entspricht ungefähr 92 Flügen pro Verdächtigen. Zum Beispiel wurde Murat Kurnaz wurde nur zweimal geflogen, und zwar einmal nach Guantanamo und einmal wieder zurück. Gibt es in Sachen "rendition flights" neuen Aufklärungsbedarf?

StS Seibert: Ich kann den Zahlen, die Sie hier in den Raum stellen, weder folgen noch kann ich sie überprüfen. Uns, wie wahrscheinlich ebenso Ihnen, liegt der amerikanische Bericht von über 500 Seiten vor, der gründlich ausgewertet werden muss. Ich kann hier aber nicht Zahlen gegeneinander abwägen.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, wie ist die Einschätzung von Herrn Steinmeier zu dem Bericht? Hat er schon mit US-Vertretern gesprochen?

Schäfer: Ich habe dem, was Herr Seibert gesagt hat, gar nichts hinzuzufügen und kann keine unterschiedliche Sichtweise des Außenministers von der der Bundesregierung erkennen.

Frage: Ich hätte eine Frage an das Gesundheitsministerium. Ich hätte gerne gewusst, wie Sie sich zu dem Vorschlag der Familienministerin stellen, dass die Kosten für künstliche Befruchtungen in Zukunft wieder ganz von den Krankenkassen übernommen werden sollen. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass solch ein Vorhaben regelmäßig vom Gesundheitsministerium verhindert werde?

Angeli: Die Bundesfamilienministerin hat sich ja bereits 2012 in ihrer Zeit als Landesministerin von Mecklenburg-Vorpommern zu diesem Thema geäußert, zum Beispiel im "Tagesspiegel":

"Wir können nicht beklagen, dass uns in Deutschland die Kinder fehlen und dann nichts dagegen tun. Paare in ihrem Kinderwunsch zu unterstützen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Bundesmitteln unterstützt werden sollte."

Jetzt als Bundesfamilienministerin steht es ihr frei, die Unterstützung ungewollt kinderloser Paare bei der Kinderwunschbehandlung durch einer Änderung der Verwaltungsvereinbarung ihres Bundesprogramms zu stärken. Falls die Bundesfamilienministerin ihr Bundesprogramm zugunsten einer stärkeren Unterstützung ungewollt kinderlose Paare aus Bundesmitteln ändern möchte, werden wir das natürlich wohlwollend prüfen. Damit würde die Bundesfamilienministerin ihre Aussage unterstreichen, dass es sich hier um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt.

Frage: Herr Seibert, sind für die Bundesregierung mögliche Parlamentswahlen in Griechenland eine Gefahr für die Eurozone? Herr Juncker hat am Freitag gesagt, er wolle bekannte Gesichter in Griechenland sehen und nicht, wie er es ausdrückt, "extreme Kräfte".

StS Seibert: Demokratische Wahlen betrachtet die Bundesregierung ganz grundsätzlich nicht als Gefährdung.

Zweitens bin ich jetzt hier nicht für die Äußerungen des Präsidenten der Europäischen Kommission zuständig.

Frage : Eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Wie weit sind Sie in Sachen Griechenland mit den Vorbereitungen des Antrags an den Bundestag für die zweimonatige Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms?

Zweitens. Wie wird der Antrag eigentlich begründet?

Kalwey: Wie Sie wissen, hat Griechenland am 9. Dezember zwei Anträge gestellt. Es hat beim EFSF einen Antrag auf Verlängerung des laufenden Programms sowie einen Antrag für eine vorsorgliche Kreditlinie beim ESM gestellt. Beide Anträge wurden an den Bundestag weitergeleitet. Der Bundesfinanzminister wird - wahrscheinlich in diesen Minuten - dem Bundestag den Antrag der Bundesregierung übersenden, in dem er um Zustimmung zur Verlängerung des laufenden Programms um zwei Monate bittet. Das ist der eine Part des Antrags. Zum anderen wird er darum bitten, grundsätzlich den Beginn von Verhandlungen über eine vorsorgliche Kreditlinie zuzustimmen. Dieses Vorgehen war zuvor im Kreise der Eurogruppe besprochen und ist auch von der Eurogruppe begrüßt worden.

Was den Antrag auf Verlängerung angeht, ist es so, dass Griechenland auf einem sehr guten Weg ist. Es braucht aber noch ein wenig Zeit, um die Vorgaben des laufenden Programms abschließen zu können. Wir haben immer gesagt, dass es für uns von vorrangiger Bedeutung ist, dass dieses Programm jetzt abgeschlossen wird. Daher werden wir den Bundestag bitten, dieser Verlängerung um zwei Monate auch zuzustimmen.

Zusatzfrage: Wird es eine Debatte darüber im Bundestag geben oder wie wird die Zustimmung des Bundestags hergestellt?

Kalwey: Wie gesagt: Die Ausschüsse und das Plenum werden diesen Antrag beraten. Ich kann der Debatte im Bundestag nicht vorgreifen. Das wurde, wie gesagt, heute dem Bundestag übersandt und der Bundestag wird nun über den Antrag beraten.

Frage: Frau Kalwey, im "Spiegel" konnte man lesen, dass, ganz egal, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgeht, der Bundesfinanzminister plant, die Unternehmen weiter von der Erbschaftssteuer zu verschonen. Stimmt das?

Kalwey: Wir haben ja schon am Wochenende gesagt, dass wir diesen Bericht des "Spiegel" nicht kommentieren. Das Bundesverfassungsgericht wird am Mittwoch sein Urteil fällen und dieses Urteil warten wir ab. Mehr können wir zum jetzigen Zeitpunkt dazu nicht sagen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Die Urananreicherungsanlage in Gronau soll verkauft werden. Wie ist da der Stand der Dinge?

Wie bewertet das Ministerium in dem Zusammenhang einen Börsengang der Urananreicherungsanlage?

Darüber hinaus habe ich eine Frage, die wahrscheinlich das Kanzleramt betrifft. Deutschland hat sich zur Nicht-Verbreitung von Nuklearmaterial verpflichtet. Werden dementsprechend die Kaufinteressen überprüft oder wie wird das gehandhabt?

Toschev: Mir liegen dazu aktuell keine Informationen vor. Das müsste ich nachreichen.

StS Seibert: Ich kann Ihnen nur eine sehr prinzipielle Antwort geben, und zwar, dass wir über Aktivitäten der deutschen Dienste nicht offen berichten, sondern dass sie gegebenenfalls den entsprechenden Gremien im Deutschen Bundestag vorlegt werden. Das ist aber eine sehr prinzipielle Antwort, die sich jetzt gar nicht auf diesen Einzelfall bezieht.

Zusatzfrage: Wie steht die Bundesregierung unabhängig davon zur Nicht-Verbreitung von Uran beziehungsweise nuklearem Material? Dazu gibt es ja eine Haltung. Wie wäre so ein Verkaufsvorgang einzuordnen? Müsste die Bundesregierung nicht darauf reagieren, indem sie zum Beispiel den Käufer überprüft?

StS Seibert: Ich glaube, die Antwort könnte Ihnen auch das zuständige Wirtschaftsministerium geben.

Toschev: Ich kann dazu gern noch einmal ausführen. Ich glaube, wir hatten hier auch vor ca. zwei oder drei Wochen dazu Stellung genommen und gesagt, dass es natürlich Priorität hat, die Verbreitung von nuklearem Material zu verhindern beziehungsweise sicherzustellen, dass es nicht zu einer Weiterverbreitung kommt. Sollte es da Vorgänge geben, die die Anlage betreffen, dann sind diese Prinzipien natürlich sicherzustellen.

Frage: An das Justizministerium: Der Generalbundesanwalt unterstellt der Dienstaufsicht des Bundesministers der Justiz. Justizminister Maas möchte die Verantwortlichen für die Folter angeklagt sehen. Hat er das dem Generalbundesanwalt schon mitgeteilt?

Rülke: Ich kann Ihnen da nur zustimmen: Es ist so, dass der Generalbundesanwalt über das Völkerstrafgesetzbuch auch für vergleichbare Sachverhalte zuständig ist. Der Generalbundesanwalt hat selbst in der Pressekonferenz in der vergangenen Woche die Prüfung des CIA-Folterberichtes angekündigt. Diese Prüfung - auch Herr Seibert hat es gesagt - dauert an. Die Berichte sind umfangreich. Weitere Einzelheiten müssten Sie bitte bei der Pressestelle des Generalbundesanwalts erfragen.

Zusatzfrage: Aber würde es die Bundesregierung aus Sicht des Justizministers begrüßen, wenn der Generalbundesanwalt Ermittlungen einleitet und Anklage erhebt?

Rülke: Es ist Aufgabe des Generalbundesanwalts, diesen Bericht jetzt zunächst einmal auszuwerten. Dann sehen wir weiter.

Zusatzfrage. Aber Sie sind doch die Dienstaufsichtsbehörde, Sie stellen den ein. Er untersteht der Exekutive, er ist der Anwalt des Bundes.

Rülke: Ganz allgemein ist es natürlich so, dass sich eine Dienstaufsicht grundsätzlich auf Ergebnisse richtet und nicht auf Prüfungsvorgänge.

Zusatzfrage: Wenn wir uns jetzt die Ergebnisse der letzten Zeit seiner Arbeit angucken, zum Beispiel was das Abhören des Kanzlerhandys betrifft - da kam ja auch nichts raus -: Wann kommt der Punkt, an dem man einen neuen Generalbundesanwalt braucht?

Rülke: Jetzt warten wir erst einmal ab, bis der Generalbundesanwalt seine Prüfung abgeschlossen hat, und dann sehen wir weiter.

Zusatzfrage: Die Frage bezog sich auch auf das Kanzlerhandy.

Rülke: Wie gesagt, die Prüfungsvorgänge laufen, der Generalbundesanwalt prüft das - er hat das selber angekündigt. Er wird im Übrigen in dieser Woche auch im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Stellung nehmen. Mehr kann ich Ihnen dazu leider wirklich nicht sagen.

Frage: Die 15.000 oder 10.000 Leute auf den PEGIDA-Demonstrationen bekommen in Deutschland ja gerade unglaublich viel Aufmerksamkeit - auch im Ausland, würde ich sagen. Gibt es in der Regierung Sorge darüber, was das mit dem Bild Deutschlands macht?

Zweitens. Es wird immer wieder gesagt, dass die Regierung offensiver mit dem Thema Zuwanderung umgehen sollte. Gibt es solche Pläne in der Regierung, mehr Werbung für die positiven Effekte von Zuwanderung zu machen?

StS Seibert: Das Thema Flüchtlinge, steigende Asylbewerberzahlen, Zuwanderung ist so wichtig, dass darüber ernst, offen und auch sehr differenziert gesprochen werden muss. Es muss gesprochen werden über die Chancen, die Zuwanderung für Deutschland bedeutet, genauso wie über die Herausforderungen, die in vielen Kommunen durchaus zu spüren sind. Dieses Thema beschäftigt die Bundesregierung, beschäftigt die Politik intensiv, und es beschäftigt viele Bürger. Erfreulicherweise gibt es viele Bürger in Deutschland, die sich ehrenamtlich einsetzen, damit unser Land Zuwanderern und Flüchtlingen auch würdige und menschenfreundliche Bedingungen bietet. Es gibt auch Bürger, die Fragen und Sorgen haben, ob und wie wir das alles stemmen können, und darüber sollten wir immer wieder ernsthaft reden und informieren.

Das ist etwas ganz anderes, als pauschale Ablehnung von Menschen anderen Glaubens zu verbreiten. In Deutschland - das haben wir mehrfach gesagt; ich wiederhole es gerne - ist kein Platz für Hetze gegen Gläubige, für Hetze gegen Religionen, gleichgültig welche. Hier ist kein Platz für Rechtsextremismus und kein Platz für Fremdenfeindlichkeit. So etwas verurteilt die gesamte Bundesregierung, und ich glaube, wir wissen dabei auch die große Mehrheit der Menschen in Deutschland hinter uns. Wer auf diesem Demonstrationen mitläuft, muss sich also überlegen, wem er sich da anschließt und von wem er sich möglicherweise auch vor den Karren spannen lässt.

Integrationspolitik ist seit vielen Jahren ein zentrales Anliegen der Bundeskanzlerin, und zwar seit ihrem Amtsantritt. Dieses Thema in den Mittelpunkt der Politik zu rücken, war ihr von Anfang an wichtig - deswegen auch die Hinzuziehung der Integrationsstaatsministerin ins Kanzleramt direkt, wo es eine sehr enge Zusammenarbeit - früher mit Maria Böhmer, heute mit Aydan Özoguz - gibt. Das Thema ist im Zentrum der Politik der Bundesregierung. Sie finden es in wichtigen Absätzen auch im Koalitionsvertrag. Wir fühlen uns dem alle verbunden und verpflichtet.

Frage: Stimmt die Bundeskanzlerin den Äußerungen von Herrn de Maizière zu, dass man die Sorgen derer, die da mitlaufen, erst nehmen muss und sich damit auseinandersetzen müsse. Nehmen Sie die Sorgen der PEGIDA-Demonstranten ernst?

Zweitens. Es hieß vor ein paar Tagen seitens der Bundesregierung noch, diese PEGIDA-Märsche seien keine Beobachtungsobjekte. Jetzt habe ich im "Spiegel" gelesen, das sei in der Sicherheitslagebesprechung im Kanzleramt Thema gewesen. Wie ist es denn jetzt? Beobachtet man diese Demonstrationen mit Sorge oder nicht?

StS Seibert: Ich kann Ihnen über interne Gespräche im Kanzleramt natürlich keine Auskunft geben.

Ich dachte, Ihre erste Frage hätte ich eigentlich beantwortet. Ich will es noch einmal versuchen: Diejenigen, die in Deutschland beispielsweise in Kommunen leben, die stark durch Zuwanderung, durch steigende Asylbewerberzahlen, durch steigende Flüchtlingszahlen beansprucht sind, haben Fragen an die Politik, und es ist völlig richtig, dass die Politik diese Fragen und mögliche Sorgen ernst nimmt. Ich habe aber auch gesagt, dass das etwas ganz anderes ist als das, was auf diesen Demonstrationen stattfindet und was den Ton dieser Demonstrationen vorgibt. Ich denke, dass ich jetzt nicht wiederholen muss, was ich vorhin gesagt habe; dass wir da einen ganz klaren Unterschied sehen, müsste aber, denke ich, klar geworden sein.

Zusatzfrage: Gibt es denn irgendeinen Versuch, einen Dialog mit diesen Leuten anzufangen?

StS Seibert: Ich glaube, der Dialog muss mit der gesamten Gesellschaft darüber geführt werden - und wird darüber geführt -, was Zuwanderung für uns bedeutet, wie sich Deutschland auch neue Chancen durch Zuwanderung in den letzten Jahren erarbeitet hat, was das für die Zuwanderer bedeutet, was von ihnen verlangt wird, und was das für die Menschen, die schon immer hier sind, bedeutet. Das ist der zentrale Punkt von Integrationspolitik, und ich habe versucht, Ihnen darzustellen, wie wichtig das der Bundesregierung ist. Dieses Gespräch muss immer wieder mit der ganzen Gesellschaft geführt werden.

Frage: Herr Seibert, Sie haben jetzt für die Bundesregierung gesprochen. Können Sie noch etwas für die Kanzlerin sagen? Macht der Kanzlerin diese Entwicklung in Dresden Sorgen? Heute rechnet man mit 15.000 Menschen, die da auf die Straße gehen.

Was mich noch interessieren würde: Die Kanzlerin hat sich noch nicht so richtig eindeutig zu PEGIDA geäußert. Wird sie das in den nächsten Tagen tun?

StS Seibert: Wenn ich hier spreche, dann spreche ich immer auch für die Bundeskanzlerin.

Zusatzfrage: Und wann wird sie sich äußern?

StS Seibert: Ich würde einmal sagen: Das sind doch jetzt klare Äußerungen, und auch in der letzten Woche sind dazu in Regierungspressekonferenzen doch schon klare Äußerungen gemacht worden.

Frage: In einem Pressebericht heißt es, die Bundesregierung wolle den Export von Kohlekraftwerken erschweren. Ich wüsste gerne, wie das genau aussehen soll.

Toschev: Ich kann dazu gern Stellung nehmen. Es ist so, dass hinsichtlich der Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau zugesagt wurde, dass die Bundesregierung hinsichtlich der Überprüfung der Kriterien für die Finanzierung einen Bericht an den Wirtschaftsausschuss des Bundestages übermitteln wird. Der Bericht soll dem Ausschuss zeitnah - voraussichtlich noch diese Woche - zugeleitet werden, und dann können wir auch darüber berichten.

Zusatzfrage: Das heißt, Konkretes können Sie uns im Moment noch nicht sagen? Oder können Sie den Bericht bestätigen?

Toschev: Ich kann zu den Einzelheiten des Presseberichts jetzt nicht Stellung nehmen. Das wird sich erst aus dem Bericht ergeben, den wir dem Ausschuss übermitteln werden. Ich kann aber bestätigen - vielleicht deckt das Ihre Frage ab -, dass es solch einen Bericht hinsichtlich der Überprüfung der KfW-Finanzierungskriterien an den Wirtschaftsausschuss geben wird.

Frage: An das Umweltministerium: Aus Ihrem Haus war ja ursprünglich gefordert worden, die Exportkreditgarantien für Kohlekraftwerke ganz zu streichen. Nun sollen sie nicht gestrichen, sondern offenbar nur durch zusätzliche Effizienzvorgaben eingeschränkt werden. Glaubt man im Umweltministerium, dass mit diesen Maßnahmen der Klimawandel, gegen den Frau Hendricks in Lima ja noch so engagiert gekämpft hat, aufgehalten werden kann?

Fichtner: Ministerin Hendricks hat im Frühjahr einen Prozess angestoßen, um diese Kriterien zu überprüfen und den Export von Kohlekraftwerken soweit wie möglich zu beschränken. Es hat dann eine erste Teilverständigung gegeben, an der auch das BMZ beteiligt war, wonach in der klima- und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit die Finanzierung von Kohlekraftwerken bereits auf sehr wenige Ausnahmen beschränkt wird. Jetzt geht es in den Gesprächen auch noch um andere Bereiche der Exportfinanzierung. Diese Gespräche sind noch nicht abgeschlossen, insofern kann ich dazu noch nichts sagen.

Frage: Herr Schäfer, ich habe am Wochenende mit Herrn Kurnaz gesprochen, und der hat davon berichtet, dass er von US-Streitkräften in Afghanistan und in Guantanamo gefoltert wurde. Könnten Sie noch einmal sagen, warum der jetzige Außenminister und damalige Kanzleramtschef ihn nicht heimgeholt hat?

Schäfer: Das sind Dinge, die liegen jetzt wie viele Jahre zurück - ich weiß nicht, vielleicht zehn oder mehr Jahre?

Zusatz: Zwischen 2002 und 2006 hatte er die Chance gehabt.

Schäfer: Jetzt einmal im Ernst: Ich bin hier jetzt auf Ihren kurzen Zuruf hin weder in der Lage noch bereit, irgendetwas dazu zu sagen. Dazu hat es einen Untersuchungsausschuss gegeben. Da ist zu diesem Thema wirklich in aller Länge und aller Breite Stellung genommen worden, einschließlich von Herrn Steinmeier. Da habe ich hier jetzt absolut nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage. Die Frage bezog sich aber auf den aktuellen CIA-Folterbericht. Hat die Bundesregierung, hat Herr Steinmeier daraus jetzt etwas gelernt? Würde er gerade mit Blick auf den Fall des Unschuldigen Kurnaz noch einmal so handeln?

Schäfer: Das Einzige, was ich dazu sagen möchte, ist, dass ich nach allem, was ich weiß, zwischen dem jetzt vom amerikanischen Senat veröffentlichten Bericht einerseits und den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses andererseits, in dem auch der Fall Kurnaz zur Sprache gekommen ist, keine Widersprüche erkennen kann.

Frage: In der "Bild am Sonntag" wird über einen möglichen Waffenverkauf Deutschlands an Israel berichtet; es geht dabei um vier Kriegsschiffe. Können Sie diesen Bericht bestätigen?

StS Seibert: Wir haben hier oft darüber gesprochen - und das wiederhole ich gerne noch einmal -, dass sich die Bundesregierung zu ihrer besonderen Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel bekennt. Wir tauschen uns mit der israelischen Regierung regelmäßig zu außen- und sicherheitspolitischen Fragen aus. Dabei wird auch der Bereich der bilateralen Rüstungszusammenarbeit erörtert.

Das Bundesverteidigungsministerium hat mit Israel im November einen Vertrag verhandelt, der einen Finanzierungsbeitrag der Bundesregierung zur Beschaffung von vier Korvetten betrifft. Dieser Vertrag soll nach Billigung durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages noch in diesem Jahr unterzeichnet werden. Das ist es, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Zusatzfrage: Herr Seibert, wie ist dieser Verkauf vereinbar mit den Bemühungen der deutschen Regierung, für Stabilität und Frieden in Nahost zu sorgen - gerade jetzt, ein paar Monate nach dem Gaza-Krieg?

StS Seibert: Das steht selbstverständlich in keinem Widerspruch oder Gegensatz. Es ist eine Leitlinie vieler deutscher Bundesregierungen, über lange Jahre durchgehalten, dass wir uns zu einer besonderen Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel bekennen.

Frage: Herr Seibert, das müssen Sie mir erklären: Es ist kein Widerspruch, wenn man eine Kriegspartei, eine Konfliktpartei mit Kriegsmaterial, mit Schiffen versorgt und die andere nicht?

StS Seibert: Ich erkenne keinen Widerspruch in der Tatsache, dass wir als Bundesrepublik Deutschland - jetzt vertreten durch die Bundesregierung - eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels haben - das hat sich immer wieder auch in konkreter Zusammenarbeit im Rüstungsbereich niedergeschlagen -, und der selbstverständlichen klaren Überzeugung, die wir haben, dass diese Region Frieden braucht, dass sie Verhandlungen braucht, die zu einer Zwei-Staaten-Lösung führen. Da sehe ich keinen Unterschied. Diese Korvetten haben mit dem Thema Küstenschutz zu tun. Das beantwortet, glaube ich, Ihre Frage.

Frage: Herr Seibert, im letzten Gaza-Krieg hat die israelische Marine massiv Wohngebiete in Gaza beschlossen, und Amnesty International hat Israel ja auch beschuldigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Welche Garantien hat die deutsche Regierung, dass diese Schiffe nicht im nächsten Gaza-Krieg benutzt werden?

StS Seibert: Wir sprechen hier jetzt über eine Einigung mit der israelischen Regierung über einen Vertrag, der erst noch zu unterzeichnen sein wird. Deswegen werde ich dazu jetzt auch nicht weiter Stellung nehmen.

Frage: An das Innenministerium zu den Verträgen der Firma CSC mit Bundesbehörden: Wie um alles in Welt kommt man darauf, einer Firma, die Partnerfirma der CIA ist und die die IT für die NSA macht, neue Aufträge für deutsche Bundesbehörden zu geben?

Müller-Niese: Ich will das so nicht kommentieren. Nach den Informationen, die mir jetzt vorliegen, wurde ein Vertrag verlängert. Die anderen Aussagen von Ihnen möchte ich nicht kommentieren.

Zusatzfrage: Das sind Fakten. Aber warum verlängert man den Vertrag?

Müller-Niese: Über die Gründe gebe ich hier keine Auskunft.

Zusatzfrage: Warum nicht?

Müller-Niese: Das sind vertrauliche Vertragsgespräche, die werde ich hier nicht erörtern.

Zusatzfrage: Aber ist es nicht ein grundsätzliches Bundesinteresse, nicht mit Firmen zusammenzuarbeiten, die der NSA helfen, die deutsche Bevölkerung zu überwachen?

Müller-Niese: Ich habe keine weiteren Ausführungen.

Frage: Zum Thema TTIP: Herr Seibert, nachdem sich der Bundesjustizministerin in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" gegen private Schiedsgerichte ausgesprochen hat und auch der Bundeswirtschaftsminister das zumindest skeptisch sieht: Was ist die Haltung der Bundesregierung in Gänze zu diesem Thema?

StS Seibert: Darüber haben wir hier ja oft gesprochen, auch im Zusammenhang mit CETA. Ich will hier jetzt nur grundsätzlich sagen, dass wir in beiden Abkommen einen großen Nutzen für die Europäische Union sehen und dass wir deswegen beide Abkommen unterstützen. Sie wissen, dass im Falle CETA der Prozess noch läuft. Unsere Hoffnung ist, dass wir im weiteren Prozess der technischen Arbeiten am Vertragstext noch einige Anliegen umsetzen können. Darüber wird dann auf dem Rat der Handelsminister im Frühjahr zu entscheiden sein.

Frage: Eine kurze Frage an das Bundesinnenministerium: Wie sieht es im Moment mit den Sicherheitsvorkehrungen bezüglich möglicher Terroranschläge in Deutschland aus, auch im Hinblick auf die Situation in Sydney?

Müller-Niese: Der Minister hat sich mehrfach dazu geäußert, und die Sicherheitslage in Deutschland ist auch Thema auf der Innenministerkonferenz gewesen. Wir haben eine abstrakt hohe Gefährdung, aber keine konkreten Erkenntnisse. Mir liegen jetzt auch keine konkreten Erkenntnisse zu Sydney vor. Die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland sind hoch. Aktuell haben wir keine konkreten Hinweise.

Toschev: Ich habe noch eine Ergänzung zu Gronau: Die Urananreicherungsanlage Gronau wird durch die Firma URENCO betrieben. Wir haben die Verkaufsabsicht zur Kenntnis genommen. Das ist auch der Stand von vor einiger Zeit. Der Rechtsrahmen, der dafür gilt, ist der Vertrag von Almelo, der völkerrechtlich zwischen den beteiligten Staaten die geltenden Prinzipien regelt. Dazu gehört eben neben der wirtschaftlichen Solidität des Unternehmens und der Sicherung der Technologie auch die nukleare Nichtverbreitung.

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 15. Dezember 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/12/2014-12-15-regpk.html;jsessionid=04F2B0224EDB5B3D6887967A275CBEBA.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2014


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