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PRESSEKONFERENZ/956: Regierungspressekonferenz vom 18. März 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 18. März 2015
Regierungspressekonferenz vom 18. März 2015

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Besuch des griechischen Ministerpräsidenten, G7-Dialogforum der Gewerkschaften), Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung und über die Aufgaben des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Wohngeldrechts und zur Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes, Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Bologna-Prozesses), gewalttätige Ausschreitungen bei der Eröffnung des EZB-Gebäudes in Frankfurt, Verhandlungen über iranisches Nuklearprogramm, Europäischer Rat in Brüssel, Parlamentswahl in Israel, finanzielle Lage Griechenlands, Ukraine-Krise

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA)


Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Ich habe Ihnen zwei Termine mitgebracht, die ich Ihnen jetzt schon aus Akkreditierungsfrist-Gründen sage.

Sie haben schon vorgestern aus einer Pressemitteilung erfahren, dass die Bundeskanzlerin am kommenden Montag, den 23. März, den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras zu seinem Antrittsbesuch im Kanzleramt empfangen wird. Weil es ein Antrittsbesuch ist, wird er mit militärischen Ehren empfangen. Direkt im Anschluss an die militärischen Ehren gibt es ein bilaterales Gespräch. Dem folgt eine gemeinsame Pressekonferenz, an die sich wiederum ein gemeinsames Arbeitsabendessen anschließt. Das ist der geplante Verlauf.

Der zweite Termin, den ich Ihnen mitteilen wollte, betrifft auch Montag, den 23. März. Da wird die Bundeskanzlerin am G7-Dialogforum der Gewerkschaften teilnehmen. Dieses G7-Dialogforum steht unter dem Titel "Gute Arbeit weltweit - ein Geschäftsmodell für die Zukunft". Einladender und Veranstalter ist der DGB. Es werden Vertreter nationaler und internationaler Gewerkschaftsorganisationen teilnehmen.

Um das ein bisschen einzuordnen: Der Bundeskanzlerin ist der Dialog mit der Zivilgesellschaft im Rahmen des G7-Prozesses außerordentlich wichtig. Es ist ihr auch wichtig, dass sie persönlich an solchen Treffen teilnimmt. Entsprechend können Sie neben diesem G7-Dialog mit den Gewerkschaften noch Dialogforen mit Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftlern, Wirtschaftsverbänden und ein G7-Jugendtreffen vor dem G7-Treffen in Schloss Elmau Anfang Juni erwarten und einen Dialog mit Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft im September hier in Berlin.

Die Bundeskanzlerin wird, um das abzuschließen, um 15.00 Uhr eintreffen. Nach der Begrüßung durch den DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann wird sie eine Rede halten. Es geht darin sicherlich um die G7-Agenda insgesamt wie auch um das besondere Thema der internationalen Arbeits- und Sozialstandards in der Lieferkette. Anschließend nimmt sie an einer Diskussion mit Vertretern internationaler Gewerkschaftsorganisationen teil.

Dann komme ich zum Kabinett:

Da kann ich die Themen, die heute sehr stark im Mittelpunkt standen, wahrscheinlich überspringen, weil der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister Sie schon darüber informiert haben. Ich gehe deswegen jetzt über Haushaltsentwürfe, Nachtragshaushalte, Investitionen finanzschwacher Kommunen, Förderung dieser Investitionen usw. hinweg.

Ich komme daher zu dem anderen Thema, nämlich dem Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung und über die Aufgaben des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Die Bundesregierung misst, wie Sie wissen, in ihrer politischen Arbeit dem Schutz der Menschenrechte eine ganz zentrale Bedeutung zu. Sie hat heute den vom Bundesjustizminister vorgelegten Gesetzentwurf beschlossen - ein Gesetzentwurf über die Rechtsstellung und die Aufgaben des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

Ich will die Aufgabe vielleicht ganz kurz in einem Satz zusammenfassen. Dieses Institut hat die Aufgabe, über die Lage der Menschenrechte im In- wie im Ausland zu informieren und zur Prävention von Menschenrechtsverletzungen sowie zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte beizutragen. Dieser Entwurf schafft also eine gesetzliche Grundlage für das Deutsche Institut für Menschenrechte als die nationale Menschenrechtsorganisation der Bundesrepublik Deutschland.

Die Bundesregierung begrüßt, dass die Fraktionen der Regierungskoalition sich auf einen Gesetzentwurf geeinigt haben. Diese Regelungen stehen nun im Einklang mit den sogenannten Pariser Prinzipien, die wiederum Voraussetzung dafür sind, dass das Deutsche Institut für Menschenrechte seinen A-Status behält. Mit diesem Gesetzentwurf kommt die Bundesregierung auch den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags nach.

Dann hat die Bundesbauministerin den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Wohngeldrechts und zur Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes vorgelegt. Einfacher ausgedrückt: Die Bundesregierung hat beschlossen, das Wohngeld für Geringverdiener ab 2016 deutlich zu erhöhen. Von dieser Wohngeldreform werden 870.000 Haushalte profitieren, unter ihnen 90.000 Haushalte, die bisher entweder auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende oder auf die Grundsicherung im Alter beziehungsweise auf Sozialhilfe angewiesen waren. Man kann sagen, dass diese Leistungsverbesserungen insbesondere alleinerziehenden Familien und Rentnern zugutekommen. Die Bundesregierung ist überzeugt: Mit diesem Gesetz leistet sie einen wichtigen Beitrag zum bezahlbaren Wohnen in Deutschland.

Ein letztes Kabinettsthema: Von der Bundesbildungs- und Forschungsministerin wurde der Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Bologna-Prozesses von 2012 bis 2015 vorgelegt. Sie wissen, dabei geht es um Bachelor und Master, um die Umstellung auf zwei gestufte Studienabschlüsse. Das ist sicher das bekannteste Ergebnis der Bologna-Konferenz, die im Jahre 1999 getagt hat und die diesen Bologna-Prozess in Kraft gesetzt hat. Es geht dabei um die Anerkennung von Studienabschlüssen in den Ländern, die an diesem Prozess teilnehmen, um ein Kreditpunktesystem für Studiengänge und generell um mehr Mobilität für Hochschulangehörige und auch für Studenten.

Diese durch den Bologna-Prozess angestoßenen Reformen haben in Deutschland an den Universitäten einen erheblichen Strukturwandel in Studium wie Lehre bewirkt. Vor der nächsten EU-Ministerkonferenz, die jetzt im Mai stattfindet, berichtet nun die Bundesregierung turnusgemäß, wie dieser Prozess in dem Zeitraum von 2012 bis 2015 umgesetzt worden ist.

Nur einige wesentliche Aussagen: 2014 waren 87,4 Prozent aller Studiengänge auf die Bachelor- und die Masterabschlüsse umgestellt. Man kann also sagen: Dieser Prozess ist weitestgehend abgeschlossen. Die Absolventen dieser gestuften Studiengänge werden auf dem Arbeitsmarkt - da liegen jetzt genügend Erfahrungen vor - niveaugerecht und fachadäquat eingesetzt. Man kann auch sagen, dass bei Bachelorabsolventen genauso selten Arbeitslosigkeit eintritt wie bei anderen Akademikerinnen und Akademikern.

Zentral ist für die deutsche Hochschullandschaft die Internationalität, die Internationalisierung, die eingetreten ist. Wir haben an vielen oder an den meisten Universitäten eine Willkommenskultur etabliert. Es sind Stipendien, es sind Betreuungsprogramme für ausländische Studenten aufgelegt worden. Wir haben den Aufbau internationaler Hochschulverbünde. Das führt dazu, dass schon jetzt über 300.000 Ausländer an deutschen Hochschulen studieren. - Diese Zahl bezieht sich auf das Wintersemester 2013/2014. Das ist die letzte vorliegende Zahl.

Die Forderung, dass immer mehr Studenten in Deutschland Auslandserfahrung sammeln, ist inzwischen auch schon sehr gut umgesetzt. 2012 haben 138.500 deutsche Studentinnen und Studenten im Ausland studiert; das waren dreimal mehr als 1998. - So weit der Bericht aus dem Kabinett.

Frage (zum Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Berlin): Herr Seibert, können Sie uns bitte sagen, warum die Bundeskanzlerin erst jetzt den griechischen Ministerpräsidenten eingeladen hat, also zwei Monate, nachdem er sein Amt angenommen hat? Hat das mit der Verschärfung der griechischen Krise zu tun oder mit der Stimmung, die momentan zwischen den beiden Ländern herrscht?

StS Seibert: Es gibt für den Antrittsbesuch von europäischen Ministerpräsidenten keine festgelegten Zeiträume, in denen so etwas stattfindet. Das kann innerhalb von Wochen und manchmal innerhalb von etwas mehr Wochen stattfinden. Nun ist ein Zeitpunkt gekommen, an dem die Bundeskanzlerin davon überzeugt ist, dass es der richtige Zeitpunkt ist, um mit Herrn Tsipras ein ausführliches Gespräch zu führen.

Zusatzfrage : Wie ist es mit der Agenda dieses Treffens? Was steht auf der Tagesordnung, abgesehen von der aktuellen Lage? Erwarten Sie bei diesem Treffen etwas Besonderes, das die griechische Seite einbringt?

StS Seibert: Ich glaube, dass die Themen des Treffens auf der Hand liegen. Ich kann aber überhaupt nicht vorhersehen, welche Themenwünsche der griechische Ministerpräsident mitgebracht hat. Ganz klar ist: Es wird darum gehen, die Situation, die sich zwischen Griechenland und den anderen Mitgliedern der Eurozone ergeben hat, zu besprechen und zu schauen, wie man auf der Basis der Vereinbarungen vom 20. Februar vorankommen und zu einem erfolgreichen Abschluss des Programms kommen kann.

Frage: Ich hätte gerne einen Kommentar zu den heutigen Ereignissen in Frankfurt rund um die EZB.

StS Seibert: Ich glaube, es haben sich heute schon mehrere Minister zu diesem Thema geäußert. Der Bundesjustizminister hat sich geäußert, und ich glaube, auch die beiden Minister, die gerade hier saßen, haben es getan. Ich kann hier nicht über konkrete Ereignisse oder Einsatzdetails sprechen, weil das alles eine länderpolizeiliche Sache ist. Ich kann nur sagen: Für die Bundesregierung ist das Grundrecht, sich frei, freiheitlich und friedlich zu versammeln und ebenso zu demonstrieren, ein sehr hoher Wert. Gewalttätige Auseinandersetzungen oder eben ein gewalttätiger Missbrauch des Demonstrationsrechts durch organisierte Gewalttäter sind etwas völlig anderes, und das verurteilt die Bundesregierung.

Zusatzfrage: Es gibt da offenbar eine Art Gewalttourismus aus dem Ausland. Ist Ihnen davon etwas bekannt?

StS Seibert: Ich bin jetzt wirklich nicht in der Lage, für die Bundesregierung aufgrund von Medienberichten, die heute gelaufen sind, zu beurteilen, wie die Lage in Frankfurt wirklich ist. Da gibt es auch keine Bundeskompetenz. Es sind die Bundesländer, die für die Ausübung der polizeilichen Befugnisse zuständig sind, und von denen werden, wenn das Ereignis vorbei sein wird, sicherlich auch die Lagebeurteilung und die Betrachtungen vorgenommen werden.

Frage: In Kürze wird Deutschland auch Gastgeber des G7-Gipfels sein, bei dem es möglicherweise zu ähnlichen Protesten kommen wird. Gibt es denn irgendwelche Konsequenzen aus den Frankfurter Ereignissen, die jetzt für Elmau gezogen werden sollen, Stichwort Einreiseverbot oder Ähnliches?

StS Seibert: Ich finde, es ist sehr früh, schon über Konsequenzen zu reden, während der Tag in Frankfurt noch nicht vorbei ist. Ich verweise noch einmal darauf, dass es Länderpolizeien sind, die da antreten und die natürlich auch erst einmal versuchen, mit der Situation zurechtzukommen. Das wird dann dort auszuwerten sein.

Was den G7-Gipfel im Sommer in Bayern betrifft, kann ich nur ganz generell sagen, dass natürlich alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen sein werden.

Frage : Herr Schäfer, ich möchte auf Äußerungen des Bundesaußenministers nach den Brüsseler Iran-Gesprächen zurückkommen, in denen er von größeren Hindernissen spricht, was eine Einigung in Bezug auf den Nuklear-Deal angeht, ohne jetzt zu sagen, was genau die Hindernisse sind. Geht der Bundesminister weiterhin davon aus, dass es zu einer Einigung bis Ende des Monats kommen wird, oder sind diese Hindernisse so groß, dass man doch mehr Zeit brauchen wird?

Schäfer: Ich habe die Äußerungen seines iranischen Kollegen, Herrn Sarif, von heute Morgen in den Agenturen gelesen, wonach die iranische Delegation die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hat, auch über das iranische Neujahrsfest hinaus und noch in Lausanne weiter zu verhandeln. Wenn ich das richtig interpretiere, dann sieht die iranische Seite es ähnlich wie wir, nämlich so, dass man schon eine ganze und lange Strecke gegangen ist, aber die letzten Meter vielleicht nicht nur die entscheidenden, sondern auch die schwierigsten sind. Da sind wir jetzt. Von iranischer Seite hieß es vor Kurzem - ich glaube, Herr Saleh hat das gesagt -, 90 Prozent seien geschafft und 10 Prozent stünden noch aus. Das ist dann von amerikanischer Seite und auch vonseiten des deutschen Außenministers mit vergleichbaren Worten, aber doch irgendwie anders beschrieben worden.

Kurzum: Es gibt noch eine Wegstrecke zu gehen. Die ist kompliziert. Die ist schwierig. Dafür müssen die entscheidenden politischen Weichen gestellt werden. Wir sind weiterhin zuversichtlich, dass genau das gelingen kann. Aber das setzt voraus, dass besonders in Teheran der politische Mut besteht, den letzten Weg bis ins Ziel dann auch zu gehen. Das ist noch möglich.

Ich möchte aber nur für den Fall, der sich nicht ausschließen lässt, dass das in dieser Woche nicht gelingen wird, einfach noch einmal an die Einigung vom November erinnern, als zum dritten Mal der Übergangsplan, der "Joint Plan of Action", verlängert worden ist. Die Entscheidung vom November war, dass man bis spätestens Ende Juni zu einer Lösung kommen wollte. Das ist weniger Zeit, als es den Anschein hat, weil der Teufel im Detail und die Schwierigkeiten im Kleingedruckten liegen. Deshalb ist es weiterhin das Interesse der Bundesregierung, so schnell wie nur irgend möglich - am liebsten noch in dieser Woche - zu einer Grundsatzeinigung zu kommen, die dann den Weg in die Ausverhandlung des Kleingedruckten bahnt.

Zusatzfrage : Sie sprachen von dieser Woche. Das persische Neujahr beginnt am Freitag. Das heißt, es würde dann bis Sonntag gehen. Aber Sie haben, soweit ich weiß, noch bis zum 30. Zeit. Oder gehen Sie davon aus, dass es noch diese Woche zu einer Einigung kommen kann?

Schäfer: Ich kann das weder ausschließen noch bestätigen, weil ich ja nicht weiß, wie die Zukunft werden wird. Das Ziel ist jedenfalls, in diesen Tagen in Lausanne so weit voranzukommen, wie es nur irgend möglich ist, um sich dann auf dieser Grundlage vielleicht auch den Detailfragen zuwenden zu können. Aber ich kann noch nicht davon berichten, dass wir da schon einen Durchbruch erreicht hätten.

Frage: Eine Frage zum Gipfeltreffen: Wird es da auch noch einmal zu einem Treffen in Bezug auf Griechenland kommen, das von Tsipras eben gefordert wurde? Wird Frau Merkel daran teilnehmen?

StS Seibert: Sind Sie jetzt beim Treffen des Europäischen Rates morgen und übermorgen?

Zusatz: Ja.

StS Seibert: Dazu, ob es dabei abseits der Tagesordnung noch weitere Treffen geben wird: Es ist letztlich eine Sache des Präsidenten des Europäischen Rats Donald Tusk, solche Treffen einzuberufen. Wenn er ein solches Treffen einberiefe, dann würde die Bundeskanzlerin sicherlich daran teilnehmen. Aber ich kann Ihnen das nicht sagen. Die Frage wäre an Brüssel zu richten.

Frage : Ich habe die Frage an das Auswärtige Amt, ob man schon irgendeinen Kommentar zum Ausgang der Wahlen in Israel und zu den möglichen Auswirkungen auf den Nahost-Friedensprozess abzugeben hat.

Schäfer: Klar, haben wir! Möchten Sie den auch haben?

Zusatz : Ja, bitte!

Schäfer: Wir haben die Wahlen verfolgt und das Ergebnis der Wahlen zur Kenntnis genommen. Uns ist dabei insbesondere positiv aufgefallen, dass es eine sehr hohe Wahlbeteiligung gegeben hat. Das zeigt das Interesse der Wählerinnen und Wähler in Israel an den politischen Geschicken des Landes und an der Zukunft Israels. Im Wahlkampf haben eine Menge Themen eine Rolle gespielt, viele davon innenpolitischer Natur, aber natürlich auch außenpolitische Fragen und nicht zuletzt der Nahost-Friedensprozess.

Die Ergebnisse - das ist in Israel traditionell so - machen es erforderlich, dass es zunächst erst einmal die Entscheidung des israelischen Staatspräsidenten darüber gibt, wer denn damit beauftragt werden wird, als möglicher zukünftiger Ministerpräsident eine Regierungskoalition zusammenzubringen. Diese Entscheidung wird, so denke ich, in den nächsten Tagen erfolgen. Dem können und wollen wir gar nicht vorgreifen, weil das natürlich eine Frage ist, die dann in der Zuständigkeit des israelischen Staatspräsidenten liegt.

Dann sieht die israelische Verfassung eine, glaube ich, 30-tägige Frist vor, die womöglich verlängerbar ist, innerhalb der dann eine Koalitionsvereinbarung und auf dieser Grundlage eine Koalitionsregierung gebildet werden sollen, die dann auch das Vertrauen der neuen Knesset, des israelischen Parlaments, haben. Auch diesen Prozess werden wir hier von Berlin aus und von Europa aus sehr aufmerksam verfolgen, gerade auch mit Blick auf die Entscheidungen, die eine neue israelische Regierung im Hinblick auf den Nahost-Friedensprozess treffen wird. Wir gehen davon aus und hoffen auch, dass es bei dem bleibt, was die bisherige israelische Regierung als ihr politisches Ziel definiert hat, nämlich in Verhandlungen mit den Palästinensern über eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung einzutreten, an deren Ende dann auch ein palästinensischer Staat steht, der ein wirklicher Staat ist.

Über das hinaus warten wir jetzt in Geduld und mit Vertrauen ab, was als Folge der Wahlen in Israel als neue Regierung des Landes herauskommen wird.

Frage : Herr Schäfer, der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat ja ganz unmissverständlich erklärt, dass es mit ihm keinen Palästinenserstaat geben werde. Nehmen Sie diese Äußerung ernst, oder sehen Sie das nur als Wahlkampfgetöse an?

Schäfer: Fragen danach, was man ernst nimmt und was man nicht ernst nimmt, kommen hier in den letzten Wochen häufiger vor. Selbstverständlich nehmen wir Äußerungen eines amtierenden israelischen Ministerpräsidenten sehr ernst. Dennoch nehmen wir diese Äußerungen als Äußerungen wahr, die in einer entscheidenden Phase eines politischen, engagierten und auch erbittert geführten Wahlkampfes getroffen worden sind. Herr Netanjahu mag nach den Entscheidungen, die in den nächsten Wochen in Israel anstehen - davon ist wohl auszugehen -, eine weiterhin bedeutende Rolle in einer zukünftigen israelischen Regierung spielen; dem kann man nicht vorgreifen, aber das kann man sich durchaus als plausibel vorstellen. Aber in Bezug darauf, was dann tatsächlich die Politik dieser neuen israelischen Regierung sein wird - völlig unabhängig von der Frage, mit welchen Personen sie besetzt wird und ob Benjamin Netanjahu auch der neue israelische Ministerpräsident sein wird -, halten wir uns an das, was dann tatsächlich Gegenstand der Koalitionsvereinbarung sein wird, und an das, was dann tatsächlich an konkreter Politik vom Staate Israel, von der neuen israelischen Regierung in die Tat umgesetzt werden wird.

Frage: Haben Sie dem Gewinner gratuliert?

Schäfer: Wer ist der Gewinner?

Zusatz: Ich meine Netanjahu.

Schäfer: Ich habe das gesagt, was ich zu sagen hatte, und ich habe dem jetzt eigentlich gar nichts hinzuzufügen. Ich glaube, die Frage, wer Wahlen gewinnt - in Israel oder anderswo -, ist immer eine Frage der politischen Interpretation. Ich glaube, dass es eher Ihre Aufgabe ist, die Bewertung vorzunehmen, wer diese Wahlen gewonnen hat.

Wir haben dazu natürlich auch unsere Einschätzung, und wir haben das - das hatte ich eben gesagt - auch sehr aufmerksam verfolgt. Ich glaube, uns steht es jedenfalls eher an, in dem Moment einer neuen israelischen Regierung und einem möglichen neuen israelischen Ministerpräsidenten zu gratulieren, wenn sie denn tatsächlich förmlich in das Amt gewählt worden sind, und zwar auf der Grundlage der Verfahren, die die Verfassung - in diesem Fall die israelische - dafür vorsieht.

Frage : Ich hätte meine Frage auch im Zusammenhang mit dem Besuch von Ministerpräsident Tsipras am kommenden Montag stellen können, aber dann wäre ich vielleicht Gefahr gelaufen, dass Sie sagen, dass man den Gesprächen nichts vorwegnehmen will. Deshalb würde ich gerne ganz unabhängig von dem Besuch noch einmal die Frage stellen: Gibt es irgendwelche Pläne oder Diskussionen innerhalb der Bundesregierung, sich in der Frage der Reparationen für die NS-Zeit in Griechenland doch etwas gütlicher zu zeigen, als man das bisher getan, beispielsweise indem man den Zukunftsfonds aufstockt oder ähnliche Fonds kreiert, so wie das in den letzten Tagen auch von deutschen Politikern innerhalb der Regierungsparteien vorgeschlagen wurde?

StS Seibert: Wir haben die deutsche Haltung zu diesen Fragen hier ausführlich und mehrfach vorgetragen; ich würde Sie bitten, das nachzulesen. Ich habe auch keinen neuen Stand.

Zusatzfrage : So wie ich die deutsche Position, die Sie mehrfach vorgetragen haben, verstanden habe, ist das Thema für die Bundesregierung endgültig und umfassend abgeschlossen. Ist es richtig, dass man überhaupt nicht bereit ist, über das Thema zu sprechen, oder ist das eine Fehlinterpretation von mir?

StS Seibert: Ich habe zu diesem Thema - und das gilt auch für die Kollegen aus dem Auswärtigen Amt - hier sehr ausführlich gesprochen. Alle Fragen - auch diese - sind hier schon besprochen worden. Deswegen würde ich jetzt wirklich darum bitten, die Protokolle noch einmal nachzulesen.

Zusatzfrage : Wären Sie so freundlich, mir auf diese eine Frage ein Ja oder Nein zu geben, bevor ich das jetzt in den Protokollen der letzten Jahre nachlese?

StS Seibert: Ich habe für die Bundesregierung wirklich alles dargelegt - sowohl das volle Bewusstsein der entsetzlichen Verbrechen, die in deutschem Namen in Griechenland begangen wurden, wie auch die Beurteilung der rechtlichen und politischen Lage. Ich bitte Sie, das nachzulesen; es hat sich nicht verändert.

Frage: Ich habe eine etwas grundsätzlichere Frage zur Ostukraine - ich entschuldige mich im Vorhinein, falls das hier schon einmal behandelt wurde -: Ich verstehe zwar, was die Vorgehensweise sein soll, wenn in den nächsten Tagen und Wochen alles glattläuft und die Minsker Vereinbarungen eingehalten werden; ich habe allerdings nicht richtig verstanden, was ist, wenn zum Beispiel der Rückzug der Waffen oder der Austausch der Gefangenen nicht funktioniert und gegebenenfalls auch Sanktionen nicht greifen. Was gibt es da für einen Masterplan?

StS Seibert: Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, wie ich Ihre Frage zu verstehen habe. Was ist ein Masterplan? Es gibt die Minsker Vereinbarungen - sehr klare Vereinbarungen, ein sehr klares Maßnahmenpaket, das im Februar unterzeichnet wurde und das dafür sorgen soll, dass die Minsker Verabredungen aus dem September des vergangenen Jahres auch umgesetzt werden. Wir sind in dem erwartungsgemäß nicht einfachen Prozess der Umsetzung. Wir haben einen Waffenstillstand, der sicherlich noch kein umfassender und kompletter ist, aber wir haben deutlich weniger militärische Gewaltanwendung als noch vor einigen Wochen, eine vielleicht stabilisierte Waffenruhe, die aber trotzdem an einigen neuralgischen Punkten immer wieder gebrochen wird; wir haben den Beginn des Abzugs schwerer Waffen, der aber immer noch nicht vollständig durch die OSZE verifiziert ist. Das heißt, wir sind in dem Prozess der Umsetzung, und alles, was die Bundesregierung tun kann, um diesen Prozess positiv zu begleiten und um auch durch weitere Gespräche dafür zu sorgen, dass dieser Prozess so wie vorgesehen weitergehen wird, das wird sie tun.

Daneben gibt es Sanktionen, die die Europäische Union im Verlauf des letzten Jahres und auch in diesem Jahr noch ergriffen hat. Es ist immer klar gewesen, dass es einen engen Zusammenhang gibt zwischen der Umsetzung oder der Erfüllung - und zwar der kompletten Erfüllung - dessen, was in Minsk verabredet worden ist, und der Frage, wie man den Sanktionen weiter umgegangen werden soll. Dazu wird sich der Europäische Rat in den nächsten beiden Tagen auch politisch sehr klar äußern.

Zusatzfrage: Die Frage zielte aber darauf ab, was passiert, wenn die Sanktionen nicht greifen sollten - also das negative Szenario. Gibt es da dann andere Ideen?

StS Seibert: Ich weiß nicht, ob Sie darauf anspielen, aber ich kann es gerne noch einmal wiederholen: Es ist von Anfang an die Überzeugung der Bundesregierung gewesen, dass es keine militärische Lösung dieses Konflikts geben kann. Es ist auch die Überzeugung der Bundesregierung gewesen, dass im Falle schwerer Eskalationen oder weiterer schwer Verstöße natürlich auch über weitere Sanktionen nachgedacht werden kann. Die Bundeskanzlerin hat aber gesagt - zuletzt am Montag in der Pressekonferenz mit Präsident Poroschenko -, dass wir uns diesen Weg natürlich nicht wünschen. Sanktionen sind für uns nie ein Selbstzweck; deswegen steht das für uns jetzt auch nicht im Vordergrund. Für uns steht im Vordergrund, alles zu tun, was wir tun können, um dazu beizutragen, dass der Minsker Prozess weitergeht und das Minsker Maßnahmenpaket umgesetzt wird. Das ist etwas, was zunächst einmal die beteiligten Parteien umsetzen müssen. Beide werden von uns aufgefordert, das auch zu tun.

Mittwoch, 18. März 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 18. März 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/03/2015-03-18-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2015

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