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PRESSEKONFERENZ/980: Regierungspressekonferenz vom 29. April 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 29. April 2015
Regierungspressekonferenz vom 29. April 2015

Themen: Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche (Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau, Treffen mit dem tschechischen Ministerpräsidenten, Gespräch mit den Vorstandsvorsitzenden von elf europäischen Energiekonzernen, Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen, Jahresempfang der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Gedenkveranstaltung des Bundestages und des Bundesrates anlässlich des 70. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs, Treffen zu Asyl- und Flüchtlingsfragen im Bundeskanzleramt, Reise nach Moskau anlässlich des 70. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs), Kabinettssitzung (Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der EU-Operation Atalanta, Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der VN-Mission UNMIL, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe, Hospiz- und Palliativgesetz, Rentenerhöhung zum 1. Juli 2015), Vollstreckung von Todesurteilen in Indonesien, Reise des Bundesaußenministers nach Kroatien und Slowenien, Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, NSA-Untersuchungsausschuss, Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Äußerungen des Bundesentwicklungsministers zu der Operation Mare Nostrum, Griechenland, Saudi-Arabien, Vorratsdatenspeicherung, Äußerungen des EU-Kommissionspräsidenten zum Verbleib von Großbritannien in der EU, zweite Amtszeit des Bundespräsidenten

Sprecher: StS Seibert, Jäger (BMF), Angeli (BMG), Schäfer (AA), Dimroth (BMI), Ulbert (BMZ), Malachowski (BMJV)


Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren, wegen des Mai-Feiertages gebe ich Ihnen heute schon den Überblick über die öffentlichen Termine der Kanzlerin in der kommenden Woche. Ich wiederhole, was wir schon angekündigt haben:

An diesem Sonntag, den 3. Mai, wird die Bundeskanzlerin ab 9.45 Uhr an den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau teilnehmen. Sie hält um 11.45 Uhr auf dem ehemaligen Appellplatz eine Rede und wird dann am internationalen Mahnmal einen Kranz niederlegen.

Am kommenden Montag, den 4. Mai, empfängt die Bundeskanzlerin den Ministerpräsidenten Tschechiens, Bohuslav Sobotka, im Bundeskanzleramt. Es wird gegen 14 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung geben.

Am Montagabend trifft sich die Bundeskanzlerin mit den Vorstandsvorsitzenden von elf europäischen Energiekonzernen, der sogenannten Magritte-Gruppe. Ein solches Treffen hatte es schon einmal im Februar 2014 gegeben. Es ist ein Austausch zu den zentralen Fragen der nationalen und eben auch der europäischen Energie- und Klimapolitik. Ebenso dabei sein werden Wirtschafts- und Energieminister Gabriel sowie der Staatssekretär aus dem Bundesumweltministerium.

Am Dienstag, den 5. Mai, nimmt die Kanzlerin - wie schon im vergangenen Jahr - am Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen teil und spricht dort ein Grußwort. Das findet von 18 Uhr bis 18.45 Uhr hier im Atrium der Bundespressekonferenz statt. Es ist der erste Jahresempfang unter dem neuen Präsidenten des Bundes der Vertriebenen, Herrn Fabritius.

Am Mittwoch findet, wie immer um 9.30 Uhr, die Kabinettssitzung statt.

Am Nachmittag wird die Bundeskanzlerin am Jahresempfang der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen teilnehmen. Das ist in der Landesvertretung von Baden-Württemberg. Es beginnt um 17 Uhr. Die Bundeskanzlerin selbst kommt um 17.30 Uhr und wird dort ein Grußwort sprechen, in dem sie sicherlich auf das sowohl politische als auch gesellschaftliche Ziel der Inklusion eingehen wird, des Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Behinderung von Anfang an in allen Lebensbereichen, so wie es ein zentrales Anliegen der Bundesregierung ist.

Am Freitag, den 8. Mai, nimmt die Bundeskanzlerin im Deutschen Bundestag von 9 Uhr bis 10 Uhr an der gemeinsamen Gedenkveranstaltung des Bundestages und des Bundesrates anlässlich des 70. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs teil.

Wie schon angekündigt, wird es dann am Nachmittag des Freitags - oder am späten Mittag von 13 Uhr bis 15 Uhr - ein Treffen der Bundeskanzlerin geben mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel, Bundesinnenminister de Maizière, dem Chef des Bundeskanzleramts, der Beauftragten für Migration und Flüchtlinge, Staatsministerin Özoguz, sowie dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Herrn Weise, und dem Präsidenten des BAMF, Herrn Schmidt, mit den Vertretern der Ländern zu aktuellen Fragen des Flüchtlingszustroms nach Deutschland. Schwerpunkt des Treffens ist: Wie können wir mit diesen Herausforderungen auf nationaler Ebene umgehen? Wie haben Bund, Länder und Kommen zu reagieren, um die hohen Flüchtlingszahlen zu bewältigen? - Insofern baut das Treffen auf früheren Treffen der Bundesregierung mit den Ländern zu diesem Thema auf.

Am Sonntag, den 10. Mai, reist die Bundeskanzlerin dann nach Moskau. Anlass ist der 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Sie wird in Moskau gemeinsam mit Präsident Putin am Grabmal des unbekannten Soldaten einen Kranz niederlegen. Anschließend wird sie den Präsidenten bei einem Arbeitsmittagessen im kleinsten Kreise treffen, und im Anschluss daran ist eine kurze gemeinsame Pressekonferenz geplant. Am späten Nachmittag wird die Bundeskanzlerin in Berlin zurück erwartet.

So viel zu den Terminen.

Frage: Eine Frage zum Flüchtlingsgipfel am 8. Mai: Sie sagten, Vertreter der Länder sind dabei? Sind das Vertreter aller Länder?

StS Seibert: Nein, das sind Vertreter der Länder, nicht aller Länder.

Zusatzfrage: Und welche sind dann dabei?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Es gibt Einladungen. Aber ich kann Ihnen jetzt noch nicht sagen, wer zusagt. Deswegen müssen wir darauf später zurückkommen.

Zusatzfrage: Es sind aber auch nicht alle Bundesländer eingeladen?

StS Seibert: Nein. Es ist ja kein Treffen mit der Gesamtheit der Bundesländer - die gibt es ja regelmäßig zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten -, sondern es ist ein Sondertreffen zu diesem speziellen Thema mit einer Auswahl von Ländern. Es gibt da Einladungen. Ich kann Ihnen jetzt noch nicht genau sagen, wer teilnehmen wird. Das können wir aber später besprechen.

Frage : Zu dem Treffen mit den Vorstandsvorsitzenden der Energie-Konzerne: Herr Seibert, erwarten Sie da Beschlüsse, oder ist das Treffen sozusagen eine Regelmäßigkeit, eine Fortsetzung, eine Kontinuität aller bisherigen Treffen? Gibt es eine Tagesordnung, auf der auch Kohle oder Marktdesign stehen? Können Sie etwas Näheres dazu sagen?

StS Seibert: Es liegt ja auf der Hand, dass Beschlüsse im Sinne von politischen Maßnahmen für die Bundesrepublik Deutschland nicht mit einer Runde von internationalen Vorstandsvorsitzenden getroffen werden. Insofern ist das ein notwendiger und wichtiger Gedankenaustausch, der so im vergangenen Jahr auch schon stattfand, zu einer ganzen Reihe von Themen, die national, aber eben auch europäisch auf dem Tisch liegen. Die Energie-Union, Strommarktdesign, die Fragen, wie man die erneuerbaren Energien ausbaut und wie man sie wiederum integriert, die Versorgungssicherheit, die Reform des EU-Emissionshandelssystems - das sind die Themen, die auf dem Tisch liegen. Aber es ist natürlich ein Meinungsaustausch und kein Beschlussgremium.

Frage: Ich habe noch eine Frage zu dem Treffen mit dem russischen Präsidenten. Da wird ja mit Sicherheit auch noch einmal die Ukraine-Krise Thema sein. Die Kanzlerin hat sich im Grunde genommen schon festgelegt, dass es eine Verlängerung dieser Sanktionen geben wird. Was ist denn eigentlich der Sinn dieses Treffens? Also eine Rücknahme der Sanktionen oder ein Ende der Sanktionen kann Putin ja ohnehin nicht mehr erwarten.

StS Seibert: Ganz klare Antwort: Die Reise der Bundeskanzlerin nach Moskau findet statt, weil es eine Notwendigkeit und ein Bedürfnis ist, an diesem Tag, der für die russische Bevölkerung enorm wichtig ist, die Leiden des russischen Volkes, die enormen Opfer, die das russische Volk im Zweiten Weltkrieg gebracht hat - in einem zweiten Weltkrieg, der von Deutschland aus entfesselt worden ist - zu würdigen.

Deswegen gibt es diese Reise. Deswegen gibt es die gemeinsame Kranzniederlegung am Grabmal des unbekannten Soldaten. Was dann in dem Gespräch zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Putin noch zur Sprache kommt, das wird sich zeigen.

Vorsitzender Wefers: Gibt es weitere Fragen zu den Terminen? Dann zum Kabinett.

StS Seibert: Das erste Thema war das Thema der EU-geführten Operation Atalanta. Die Bundeswehr wird sich ein weiteres Jahr, genau bis Ende Mai 2016, an dieser EU-geführten Operation vor der Küste Somalias beteiligen. Sie wissen, diese Operation dient dazu, die Schiffe des World Food Programme und der internationalen Seeschifffahrt vor der Küste Somalias vor Piraterie zu schützen und die Piraterie insgesamt zu bekämpfen. Deutschland nimmt schon seit 2008 an dieser Operation teil, und zwar zurzeit mit der Fregatte "Bayern" und einem Seefernaufklärer vom Typ "Orion".

Man kann ganz klar sagen, dass diese Operation erfolgreich ist. Es hat im Jahr 2014 vier versuchte Überfälle auf Handelsschiffe gegeben. Keiner davon war erfolgreich. Das ist der bisher niedrigste Stand solcher Kaperversuche seit Beginn der Operationen. Es hat 2012 die letzte, wenn Sie so wollen, erfolgreiche Schiffsentführung gegeben. Es sind in der Zeit dieser Mission 179 Schiffe des World Food Program mit für die Bevölkerung Somalias wichtiger Versorgung und 121 Schiffe von AMISOM durch diese Einheiten nach Mogadischu begleitet worden. Der Golf von Aden ist durch die durchgängige Anwesenheit von Kriegsschiffen seit 2008 für die Handelsschifffahrt erheblich sicherer geworden. Vor dem Hintergrund dieser Erfolge ist es jetzt möglich, die gesamte personelle Stärke dieses Mandats von 1.200 Soldaten auf 950 Soldaten zu senken.

Die Bundesregierung unterstreicht mit der Fortsetzung dieser Beteiligung an Atalanta die weiterlaufende deutsche Unterstützung für den umfassenden Ansatz eines strategischen Rahmens der EU für das Horn von Afrika. Das ergänzt sinnvoll die Ausbildungsmission (EUTM Somalia), die wir dort haben, und die zivile Mission EUCAP Nestor. Es ergänzt natürlich auch das, was wir im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tun. Dieser ganzheitliche Ansatz ist sicherlich der notwendige.

Eine zweite Mission, die verlängert wird, ist die Beteiligung von bewaffnetem Einzelpersonal an der EU-Mission in Liberia, UNMIL. Deutschland wird sich mit einzelnen, maximal bis zu 5 bewaffneten Soldatinnen und Soldaten beteiligen. Wir sind im September des vergangenen Jahres gebeten worden, den stellvertretenden Befehlshaber bei dieser Mission zu stellen. Dafür ist ein Bundestagsmandat erforderlich. Diese Mission gibt es seit 2003. Ihre Hauptaufgabe ist es, dieses Land Liberia zu stützen, zu stabilisieren, indem der Schutz von Zivilpersonen übernommen wird, die Unterstützung der humanitären Hilfe und des gesamten Reformprozesses in der Justiz, in den Sicherheitsinstitutionen des Landes, die Förderung, der Schutz der Menschenrechte und auch der Schutz des Personals der Vereinten Nationen. Auch dank dieser Missionen sind wichtige Wegmarken möglich gewesen, die demokratischen Wahlen 2005, 2011 und zuletzt 2014.

Die Sicherheitslage hat sich seit Jahren relativ stabilisiert. Das wiederum wirkt sich positiv auf rechtsstaatliche und demokratische Prozesse in dem Land aus. Die geplante militärische Beteiligung an der Mission fügt sich in unser umfassendes Engagement zur Unterstützung Liberias und seiner Regierung ein. Ich erinnere also an den Einsatz deutscher Polizistinnen und Polizisten bei UNMIL. Dazu kommen die deutsche Entwicklungszusammenarbeit und aktuell natürlich auch die deutschen Hilfsmaßnahmen gegen die Ebola-Epidemie. Das Mandat, das jetzt beantragt wird, ist bis zum 31. Dezember 2016 befristet und steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundestages. Diese wird in diesem Fall im vereinfachten Zustimmungsverfahren eingeholt.

Das dritte Thema im Kabinett war der Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe. Genau das, was der Titel sagt, ist da auch drin. Es geht darum, unser nationales Bankenabwicklungsrecht an den aktuellen Stand der europarechtlichen Vorgaben anzupassen. Insbesondere bereiten wir damit den Start des einheitlichen europäischen Abwicklungsmechanismus vor, der mit vollen Kompetenzen zum 1. Januar 2016 beginnen soll. Außerdem schlägt die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf Änderungen der Insolvenzregelungen für Banken vor. Sie sollen es in Zukunft möglich machen, leichter die Gläubiger einer Bank an den Kosten einer Abwicklung zu beteiligen und möglichst den Einsatz von Steuergeldern zu vermeiden.

Ein wichtiges Thema aus dem Bereich der Gesundheitsfürsorge: Es geht um das Hospiz- und Palliativgesetz, das heute als Gesetzentwurf beschlossen wurde. Schwerkranke und sterbende Menschen brauchen in ihrer letzten Lebensphase - da sind wir uns alle einig - bestmögliche Zuwendung, bestmögliche Versorgung, Pflege, Betreuung. Da sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte beim Aufbau und beim Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung gelungen. Vor allem in strukturschwachen und in ländlichen Regionen fehlt es immer noch an ausreichenden Angeboten.

Natürlich muss für uns das Ziel sein, dass alle Menschen in ihrer letzten Lebensphase gut versorgt und gut begleitet werden, und zwar überall, ob zuhause, in Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern oder eben in Hospizen. Das ist das Ziel des heute auf den Weg gebrachten Gesetzentwurfs. Es wird künftig mehr Geld für Leistungen der ambulanten und stationären Palliativversorgung zur Verfügung stehen. Die Krankenkassen werden bei den stationären Hospizen für Erwachsene statt wie bisher 90 Prozent 95 Prozent der Kosten finanzieren. Bei der ambulanten Hospizarbeit werden neben dem Personal künftig auch die Sachkosten berücksichtigt. Bei den Ärzten werden zusätzlich Leistungen vergütet, die auf eine bessere Qualität der Versorgung und eine engere Kooperation mit allen, die an der Versorgung beteiligt sind, abzielen. Wir wollen die Übergänge von der allgemeinen und der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung weiter verbessern. Die Kooperation ist etwas ganz Wichtiges zwischen Ärzten, Heimen, ambulanten Diensten. Das soll verbessert werden.

Ein Letztes noch: Gesetzlich Versicherte haben künftig einen Anspruch darauf, umfassend von ihrer Krankenkasse über bestehende Palliativ- und Hospizleistungen beraten zu werden. Die Menschen sollen - das ist natürlich das Ziel - informiert entscheiden können, wie sie in ihrer letzten Lebensphase versorgt werden. Auch Menschen in Pflegeheimen wird eine individuelle Versorgungsplanung ermöglicht.

Ein Letztes: Das Kabinett hat heute die Rentenerhöhung zum 1. Juli 2015 per Verordnung auf den Weg gebracht. Sie betrifft 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland. In den neuen Bundesländern steigt die Rente zum 1. Juli um 2,5 Prozent, in den alten Bundesländern um 2,1 Prozent. Die Erhöhung liegt also in beiden Fällen deutlich über der Inflationsrate. Das ist sehr erfreulich. Die unterschiedliche Erhöhung in den alten und in den neuen Ländern hat damit zu tun, dass die Rente den Löhnen folgt. Die für die Rentenanpassung relevante Lohnentwicklung des Jahres 2014 liegt eben im Westen bei knapp 2,1 Prozent, im Osten bei 2,5 Prozent.

Das ist das, was ich zum Kabinett zu sagen hätte.

Frage (zum Bankenabwicklungsrecht und der Anpassung an die EU-Richtlinien): Ich würde mich gern von Herrn Jäger noch ein bisschen schlauer machen lassen über Änderungen im Insolvenzrecht der Banken. Können Sie da vielleicht zwei, drei erläuternde Details nennen?

Jäger: Da geht es im Kern darum, wie man bislang gleichrangig zu behandelnde Papiere im Fall einer Insolvenz einer Bank behandelt. Da wird künftig unterschieden zwischen nicht besicherten Papieren und solchen, die davon unterschieden sind. Das erlaubt es im Falle eines Falles, einen Bail-in effektiver durchzusetzen als das heute möglich ist.

Frage (zum Hospiz- und Palliativgesetz): An das BMG gefragt: Es gibt ja heftige Kritiken von mehreren Verbänden, die in Rede stehenden 200 Millionen seien viel zu wenig. Man produziere dort nur Insellösungen. Können Sie sagen, für wie viele Patienten das in etwa gedacht ist? Sind die 200 Millionen sozusagen das Ende der Fahnenstange, oder wird man das in den nächsten Jahren aufstocken?

Angeli: Ich weiß nicht, wo Sie die 200 Millionen her haben. Von uns kann das nicht stammen. Wenn Sie sich den Kabinettentwurf ansehen - er ist auf unserer Seite eingestellt -, dann sehen Sie, dass da ganz ausdrücklich steht: "Die genauen Kosten für dieses Gesetz richten sich natürlich danach, wie die Angebote, die flächendeckend eingerichtet werden sollen, in Anspruch genommen werden." Wir rechnen - aber das ist eine grobe Schätzung - mit einem unteren bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag.

Natürlich sieht eine flächendeckende Zurverfügungstellung von Angeboten für Schwerstkranke in ihrer Lebensphase vor, dass auch wirklich alle, die eine Versorgung brauchen, diese bekommen können. Insofern richtet sich das immer nach dem Bedarf.

Schäfer: Zunächst würde ich Ihnen gern von der Betroffenheit der Bundesregierung über die jüngste Vollstreckung von erneut acht Todesurteilen in Indonesien berichten. Trotz Appellen aus aller Welt einschließlich aus Berlin wurden heute acht Personen wegen Drogendelikten in Indonesien hingerichtet. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Todesstrafe eine unmenschliche und grausame Art der Bestrafung, die wir unter allen Umständen ablehnen.

Wir unterstützen gleichzeitig das Bestreben der indonesischen Regierung, den illegalen Handel mit Drogen zu bekämpfen, meinen aber, dass nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die wir haben, die Anwendung der Todesstrafe in ihrer abschreckenden Wirkung sehr zweifelhaft ist.

Darüber hinaus müssen wir darauf hinweisen, dass Indonesien aus unserer Sicht an internationale Verpflichtungen gebunden ist, etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Sogar der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen hat vor kurzem daran erinnert, dass die Anwendung der Todesstrafe für Drogendelikte nach diesem internationalen Vertragswerk der Vereinten Nationen nicht zulässig ist.

Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, dass Indonesien in vielen Bereichen des Schutzes der Menschenrechte eine Vorreiterrolle übernommen und große Fortschritte erzielt hat. Gerade deshalb rufen wir Indonesien dazu auf, diese Vorreiterrolle auch im Bereich von Justiz und Strafrecht weiterzutreiben, das Recht auf Leben zu achten und die Aufhebung des Moratoriums für eine Todesstrafe wieder zurückzunehmen. Ich kann Ihnen versichern: Die Bundesregierung wird sich - egal wo und egal wie - gemeinsam mit ihren europäischen und anderen Partnern weiterhin sehr konsequent für eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzen.

Zweitens möchte ich Ihnen sagen, dass der Außenminister seine Balkan-Woche fortsetzt. Er reist morgen in die beiden Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Balkan, nämlich nach Kroatien und nach Slowenien, nachdem er bereits gestern zwei Staaten einen Besuch abgestattet hat, die sich auf den Weg zur Mitgliedschaft der Europäischen Union gemacht haben.

Herr Steinmeier wird morgen und übermorgen Gespräche mit den Staatsführungen in Kroatien und in Slowenien führen. Kroatien und Slowenien sind für uns in der Region naturgemäß ganz wichtige Partner - als Mitglieder der Europäischen Union und auch als Beispiele, wie politische, wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen erfolgen können, die dann auch den Weg in die Europäische Union frei machen. Beide Länder engagieren sich stark für die weitere Entwicklung der Westbalkan-Region und die Heranführung ihrer Nachbarn in die Europäische Union und sind deshalb für uns echte Brücken in die Region des westlichen Balkan hinein.

Frage (zum BND): Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat ja am Montag erklärt, dass sie selber - so habe ich das wenigstens verstanden - dahinter steht, dass völlige Aufklärung erreicht wird. Gehört zu diesem Bekenntnis der Bundeskanzlerin, dass sie in den letzten Tagen oder Stunden das Gespräch mit Thomas de Maizière gesucht hat, um sich selber darüber informieren zu lassen, wie es passieren kann, dass das von de Maizière geführte Ministerium in einer parlamentarischen Beantwortung einer Frage in Sachen Spionage die Unwahrheit zu Protokoll gegeben hat?

An Herrn Dimroth die Frage: Haben Sie eine Erklärung, wieso es dem doch als sehr penibel geltenden Minister bei Ihnen unterlaufen konnte, dass er das Parlament schriftlich mit der Unwahrheit versorgt?

StS Seibert: Dann fange ich einmal an.

Tatsächlich hat die Bundeskanzlerin am Montag in Warschau bei der dortigen Pressekonferenz gesagt: Jetzt geht es darum, die Dinge vollständig aufzuklären. - Das beschreibt in aller Kürze die Haltung der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung in dieser Angelegenheit.

Ich will zu dem anderen, was Sie angesprochen haben, Folgendes sagen: Die Bundesregierung informiert das Parlament immer nach bestem Wissen und Gewissen. Das gilt jetzt, und das gilt auch für die Vergangenheit. Die Behauptung, die Bundesregierung habe die Unwahrheit gesagt, weise ich nachdrücklich zurück. Am 23. April habe ich für die Bundesregierung in der bekannten Presseerklärung öffentlich erklärt, dass das Bundeskanzleramt prüft, ob die Antworten auf die zu diesem Sachverhalt gestellten parlamentarischen Fragen weiter uneingeschränkt Bestand haben.

Zusatzfrage: Entschuldigung, da war noch die Frage, ob die Kanzlerin seitdem im Zuge ihrer persönlichen Aufklärungsbemühungen das Gespräch mit Herrn de Maizière gesucht hat. Wenn Sie sagen, dass Sie den Vorwurf der Unwahrheit - Sie haben die Anführungsstriche und Abführungsstriche nicht gehört, die ich bei der Verwendung des Begriffes benutzt habe - zurückweisen, würde ich Sie aber doch bitten, mir zu erklären, wieso es nicht die Unwahrheit ist, wenn das Innenministerium von Herrn de Maizière am 14. April erklärt "Es liegen keine weiteren Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten vor", nachdem das Kanzleramt fünf Wochen vorher darüber unterrichtet wurde, dass das nicht der Fall ist.

StS Seibert: Gut. Sie verstehen, dass ich hier - auch in dieser Pressekonferenz - nicht auf die inhaltlichen Fragen eingehen kann, weil sie geheimdienstliche, nachrichtendienstliche Sachverhalte und auch als Verschlusssache eingestufte Dokumente betreffen. Da bin ich nicht in der Lage, Ihnen hier inhaltlich Auskunft zu geben.

Ich kann sagen, dass der 14. April vor dem 22. April und dem 23. April liegt, also vor den Tagen, an denen die Bundesregierung das Parlamentarische Kontrollgremium, den Untersuchungsausschuss und dann per Presseerklärung auch die Öffentlichkeit unterrichtet hat. Ich kann noch einmal darauf hinweisen, dass wir in der Presseerklärung vom 23. April erklären, dass wir die bisherigen Antworten auf zu diesem Sachverhalt gestellte parlamentarische Fragen nun auf die Frage hin überprüfen wollen, ob sie noch vollständig Bestand haben.

Zusatzfrage: Ich habe einfach nur noch einmal die Bitte, auf die Frage zu antworten, ob es ein Gespräch von Frau Merkel mit Herrn de Maizière gab und wieso die Presseerklärung BMI mit dem Datum 14. April, die ja regierungsamtlich auch im Kanzleramt zur Information vorgelegen haben sollte, den Tatsachen entspricht, wenn das Kanzleramt fünf Wochen vorher wusste, dass gegenteilige Fakten vorliegen?

StS Seibert: Erstens haben Sie Recht: Die Beantwortung solcher parlamentarischer Anfragen wird innerhalb der Bundesregierung abgestimmt unter Zulieferung von den fachlich zuständigen Stellen.

Zweitens wissen Sie, dass auch in der Presseerklärung steht, dass wir uns zu der Frage, ob Sachverhalte, die behauptet werden oder nicht, erst im Parlament und ausschließlich in den parlamentarischen Gremien äußern können. An dieser Haltung, die auch gar keine andere sein kann, weil es sich um eingestufte Sachverhalte handelt, hat sich nichts geändert. Es gilt auch hier das, was wir gesagt haben.

Alle Betroffenen, alle zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, sind selbstverständlich jederzeit bereit, sich vor den parlamentarischen Kontrollgremien zu äußern. Ich habe gehört, dass sich der Bundesinnenminister in diesem Sinne ja auch vorhin vor der Presse geäußert hat. Unser Interesse ist die vollständige Aufklärung dieses komplexen Sachverhalts. So lautet im Übrigen auch die Weisung, die das Bundeskanzleramt an den BND gegeben hat, und zwar unverzüglich, nachdem dort organisatorische wie technische Defizite identifiziert worden waren. In diesem Sinne der Aufklärung wird die Bundesregierung die Gremien über den Sachverhalt, über ergriffene Maßnahmen und auch über geplante Konsequenzen informieren.

Zu Ihrer Frage: Ich kann über einzelne Gespräche der Bundeskanzlerin hier - wie üblich - keine Auskunft geben. Heute war Kabinett mit dem entsprechenden Treffen vor dem Kabinett. Natürlich hatte die Bundeskanzlerin heute neben anderen Ministern auch die Gelegenheit, den Bundesinnenminister zu sehen.

Vorsitzender Wefers: Jetzt hatten Sie noch eine Frage, an Herrn Dimroth gerichtet.

Dimroth: Ja, deren Ausgangspunkt nach den Ausführungen von Herrn Seibert etwas weggefallen ist. Denn, wie gerade zutreffend ausgeführt, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass Ihre These stimmt, dass hier schriftlich die Unwahrheit gesagt wurde.

Im Übrigen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, nur der Form halber, dass sämtliche parlamentarische Anfragen im Namen der Bundesregierung beantwortet werden und nicht - wie jetzt teilweise dargestellt - ausschließlich im Namen der einzelnen Fachminister, selbstverständlich - wie eben schon ausgeführt - nach Konsultationen der dafür innerhalb der Bundesregierung zuständigen Stellen und auf Grundlage der durch diese zuständigen Stellen für die jeweiligen Fragen erfolgten Zulieferung. Das ist das Verfahren.

Noch einmal: Da Ihre Grundthese nicht zutreffend ist, erübrigt sich auch Ihre Frage, wie das passieren konnte.

Frage : Herr Seibert, wenn Sie erlauben, eine Doppelfrage:

Die erste Frage ist: Sieht die Bundesregierung - Stand: heute Mittag, 13 Uhr - die Notwendigkeit personeller Konsequenzen über alles Bisherige hinaus oder sonstiger Konsequenzen - technisch, organisatorisch, wie auch immer?

Zweite Frage: Nachdem es den Beweisbeschluss BK-14 des Untersuchungsausschusses gegeben hat, sind die Akten nun ja offensichtlich dem Untersuchungsausschuss zugänglich gemacht worden. In dem Kontext würde mich interessieren, Herr Schäfer, ob Sie negative Rückwirkungen auf das deutsch-amerikanische Verhältnis befürchten?

StS Seibert: Dann erlauben Sie mir, dass ich für den einen Teil, der mich betrifft, auf die Presseerklärung verweise, die wir am Freitag herausgegeben haben. Darin steht ganz klar, dass die Bundesregierung die entsprechenden parlamentarischen Gremien über den Sachverhalt, über ergriffene Maßnahmen wie über geplante Konsequenzen informieren wird. Das ist der Stand: Wenn es Konsequenzen gibt, dann werden sie den Gremien zuerst mitgeteilt.

Schäfer: Wir erleben ja schon eine ganze Zeit lang, dass Informationen, die über die Zusammenarbeit der Dienste der Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland bekannt werden, Fragen aufwerfen. Das hat zwischen den Verantwortlichen beider Regierungen in den letzten anderthalb oder zwei Jahren zu Gesprächen geführt. Ich stelle fest, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen auch nach dieser längeren Periode von Gesprächen über Fragen, die sich aus der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste ergeben, weitgehend ungetrübt sind.

Ich kann für den Außenminister nur sagen, dass die Zusammenarbeit mit seinem amerikanischen Amtskollegen hervorragend ist. Wir haben da gemeinsam eine ganze Menge von internationalen Konflikten zu bearbeiten, und dem stellt sich der Bundesaußenminister gemeinsam mit seinem amerikanischen Amtskollegen. Ich glaube, ich brauche hier nicht aufzuzählen, welche Konflikte da auf der Tagesordnung sind. Zuletzt hat Herr Steinmeier in Lausanne kurz vor Ostern eine ganze Woche mit Herrn Kerry zugebracht, um gemeinsam den Versuch zu unternehmen, die Probleme und Fragen um das iranische Atomprogramm zu klären. Das gilt auch für alle anderen Konflikte - Syrien, Irak, den Kampf gegen ISIS, die Krise in der Ukraine -: Da gibt es einen ganz engen, vertrauensvollen Austausch, der in keiner Weise eingetrübt ist.

Zusatzfrage : Die Frage war, ob Sie befürchten, dass das eine Rückwirkung hat, und nicht, ob es bislang Rückwirkungen gab.

Schäfer: Sie können das, was ich im Perfekt oder in der Gegenwart gesagt habe, gerne auch auf die Zukunft stellen.

Frage : Herr Seibert, war die BND-Affäre im Kabinett ein Thema?

Reicht es, wenn die Kanzlerin in einer Pressekonferenz sagt, dass sie vollständige Aufklärung will, oder unternimmt sie dann noch einmal Schritte, um diese Aufklärung auch von ihren Kabinettsmitarbeitern einzufordern?

StS Seibert: Teil eins meiner Antwort: Das war heute kein Thema im Kabinett.

Teil zwei: Die Bundeskanzlerin nimmt ihre Aufgaben wahr - natürlich in enger Zusammenarbeit mit dem Kanzleramtschef. Mehr möchte ich Ihnen hier über die Arbeitsabläufe, bei denen jeder das tut, was seinem Amt zukommt, nicht berichten.

Frage : Herr Seibert, hat sich die polnische Regierung am Montag informiert, ob sie oder polnische Unternehmen ausspioniert wurden?

StS Seibert: Das war kein Thema bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen.

Zusatzfrage : Eine Frage zum NSA-Untersuchungsausschuss: Wird die Bundeskanzlerin dort erscheinen?

StS Seibert: Es ist ja die grundsätzliche Frage, was ein Untersuchungsausschuss beantragt und wen er auffordert oder bittet, zu erscheinen. Dem habe ich hier ja nicht vorzugreifen.

Zusatzfrage : Wenn die Bitte kommt, ist sie dabei?

StS Seibert: Es hat schon Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages gegeben, bei denen die Bundeskanzlerin gebeten wurde und gekommen ist.

Zusatzfrage : Also stellt sie sich zur Verfügung?

StS Seibert: Ich habe doch gar keinen Grund, hier über solche hypothetischen Fragen nachzudenken.

Frage: Herr Dimroth, Sie haben ja die These aufgestellt, dass es nicht stimme, dass mit Beantwortung der Frage von Mitte April möglicherweise im Bundeskanzleramt schon bekannt gewesen sein könnte, dass das, was sie da beantwortet haben, möglicherweise doch nicht ganz richtig ist. Ist denn im Innenministerium eigentlich bekannt, ab wann dem Bundeskanzleramt bekannt war, dass die These nicht ganz richtig ist, dass es gar keine Hinweise darauf gibt, dass Wirtschaftsspionage vonseiten der NSA betrieben worden ist?

Dimroth: Ich habe mich in meiner ersten Antwort schlicht dem angeschlossen, was Herr Seibert hier ausgeführt hat - das ist auch das, was schon in der Pressemitteilung der vergangenen Woche gesagt wurde -, nämlich dass jetzt sozusagen im Nachhinein geschaut wird, wie viele andere Dinge jetzt im Rahmen der Aufklärung noch angeschaut werden müssen. Dennoch war die Antwort, die im Namen der Bundesregierung erfolgt ist, zum Zeitpunkt der erfolgten Beantwortung nicht falsch. Das war das, was Herr Seibert gesagt hat, und dem habe ich mich angeschlossen.

Zusatzfrage: Können Sie einmal sagen, was an der Antwort explizit nicht falsch war?

Dimroth: Diese Frage erschließt sich mir schon nicht. Die Frage ist zum damaligen Zeitpunkt so beantwortet worden, wie es der damaligen Erkenntnislage entsprach.

Zusatzfrage: Herr Seibert, was genau war in der Antwort nicht falsch? Anders gefragt: Was war an der Antwort zu dem Zeitpunkt, zu dem sie gegeben worden ist, völlig richtig?

StS Seibert: Ich werde jetzt nicht anfangen, über den Sachverhalt inhaltlich zu sprechen. Aus den Gründen, die ich hier schon mehrfach genannt habe, bin ich nicht in der Lage und befugt, das zu tun. Was ich sagen kann - einfach nur, damit es das Richtige ist, weil man das auch in der Zeitung lesen konnte -, ist, dass in der Beantwortung der Anfrage nicht von Hinweisen, sondern von Erkenntnissen die Rede war. Sie haben das gerade ein bisschen falsch zitiert.

Zusatzfrage: Ohne auf Inhalte einzugehen: Könnten die Erkenntnisse, die Sie am Tag der Beantwortung der Frage im Bundeskanzleramt hatten, andere als heute gewesen sein, wäre die Frage heute also vielleicht anders zu beantworten?

StS Seibert: Ich kann nur wiederholen, dass die Bundesregierung solche parlamentarischen Anfragen immer nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet - mit dem jeweiligen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Beantwortung. Das gilt heute - -

Zusatzfrage: Das heißt, am Tag der Beantwortung hatten Sie keine - -

StS Seibert: - Darf ich das ganz kurz zu Ende sagen? Danke. - Das gilt heute, das gilt auch für die Vergangenheit, und daran werden wir uns auch in Zukunft halten. Das ist eine grundsätzliche Aussage über die Art und Weise, wie die Bundesregierung mit Anfragen aus dem Parlament umgeht.

Zusatzfrage: Dann hatten Sie also am Tag der Beantwortung dieser Frage keinen Hinweis im Bundeskanzleramt, dass es Erkenntnisse geben könnte, die darauf hinweisen, dass die NSA Wirtschaftsspionage über den BND betreibt?

StS Seibert: Ich habe das, was ich gerade grundsätzlich gesagt habe, jetzt nicht zu verändern. Wir antworten grundsätzlich dem Parlament, wir informieren das Parlament grundsätzlich nach bestem Wissen und Gewissen. Das gilt jetzt und das hat auch für die Vergangenheit gegolten.

Zusatzfrage: In dem Fall auch?

StS Seibert: Mein Satz umfasst die Gegenwart und die Vergangenheit.

Frage: Ich habe zwei Fragen zu den Grundlagen.

Erstens. Herr Dimroth, zur Frage der Wirtschaftsspionage, die jetzt ja auch als Wort im Raum steht: Herr Friedrich war aus den USA zurückgekommen mit dem Satz, die USA hätten zugesichert, dass es keine Industriespionage gebe. Wenn ich das damals richtig beobachtet habe, wurde immer sorgsam darauf geachtet, das Wort Industriespionage und nicht das Wort Wirtschaftsspionage zu verwenden. Gibt es eine Zusicherung, dass keine Wirtschaftsspionage betrieben wurde? Was wäre gegebenenfalls der Unterschied?

Eine weitere Frage an Herrn Dimroth und Herrn Seibert: Es liegt ja wohl an der Schnittstelle zwischen Spionageabwehr und Zusammenarbeit. Herr Pofalla hat, wie ich gerade noch einmal nachhören konnte, aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen der Zusammenarbeit zitiert, dass nicht gegen deutsche Interessen zu verstoßen sei. In Medien taucht jetzt immer wieder die Formulierung "gegen deutsche und europäische Interessen" auf. Können Sie das aufhellen? Ist ausdrücklich von den europäischen Interessen die Rede, oder wären die europäischen Interessen möglicherweise in den deutschen enthalten?

Dimroth: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich habe jetzt keinen abschließenden Katalog der Vielzahl von Gesprächen, die es zwischen deutschen und amerikanischen Regierungsvertretern zu diesem Sachverhalt in der Vergangenheit gegeben hat - von denen Sie weitestgehend auch Kenntnis haben, weil auch öffentlich darüber berichtet wurde -, sodass ich jetzt auch nicht sozusagen abschließend aufzählen kann, wer wann was unter welchem Terminus - diese Differenzierung hatten Sie ja gerade erbeten - wem zugesichert hat. Das ist mir schlicht nicht möglich.

In Bezug auf Ihre Frage nach der Terminologie oder Begrifflichkeit würde ich gerne auf die jetzt in Rede stehende Kleine Anfrage oder vielmehr deren Beantwortung aus dem Jahre 2014 verweisen. Dort ist in Antwort auf Frage 1 genau eine solche Umschreibung dessen, was als Wirtschaftsspionage zu verstehen ist, enthalten. Das ist die Grundlage, die Referenz, auf die Sie gerne noch einmal einen Blick werfen können, um nachvollziehen zu können, was unter diesem Begriff jedenfalls für die Sicherheitsbehörden zu subsummieren ist.

Zusatzfrage: Das ist ja nur dann hilfreich, wenn die Wirtschaftsspionage überhaupt jemals ausgeschlossen wurde. Wenn es immer nur um Industriespionage ging und das etwas anderes war, dann hilft uns ja diese Begrifflichkeit nicht weiter.

Dimroth: Wir reden gerade ja über die Frage, wie parlamentarisches Frage- und Antwortwesen hier zu beurteilen ist. Die parlamentarischen Fragen, die in Rede stehen, beziehen sich auf den Begriff Wirtschaftsspionage. Daher ist es, denke ich, sehr hilfreich für Sie, wenn Sie in die Antwort auf Frage 1 dieser in Rede stehenden Kleinen Anfrage schauen, denn dort ist genau dieser Begriff, der hier gerade in Rede steht, umschrieben - "definiert" ist vielleicht etwas zu juristisch formuliert, aber umschrieben jedenfalls.

StS Seibert: Ich kann nur sagen, dass der BND auf der Basis des BND-Gesetzes arbeitet. Das macht ihn als demokratischen oder als parlamentarisch kontrollierten Nachrichtendienst eines demokratischen Landes aus. In dem BND-Gesetz steht, dass der BND zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen sammelt und auswertet.

Zusatzfrage: Das beantwortet aber nicht meine Frage.

StS Seibert: Aber das ist die gesetzliche Grundlage, auf der der BND arbeitet und an die er sich natürlich auch zu halten hat.

Zusatzfrage: Es ging mir um die Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen der NSA und dem BND und die Frage, ob dort noch einmal besonders vereinbart wurde, dass nicht nur nicht gegen deutsche Interessen, sondern auch nicht gegen europäische Interessen oder möglicherweise die Interessen europäischer befreundeter Länder verstoßen werde.

StS Seibert: Ich bin nicht in der Lage, Ihnen hier über Vereinbarungen zwischen Nachrichtendiensten Auskunft zu geben. Auch das ist etwas, worüber sicherlich die parlamentarischen Kontrollgremien bei Bedarf zu informieren wären.

Frage: Herr Seibert, am 12. März dieses Jahres hat Herr Schindler das Kanzleramt darüber unterrichtet, dass es BND-Akten, Vermerke und Hinweise darüber gibt, dass die NSA den BND benutzen wollte, um unter anderem auch andere Ziele als die vereinbarten auszuforschen - ich fasse das einmal unter "Verdacht auf Beihilfe zur Wirtschaftsspionage" zusammen. Am 14. April erklärt das Innenministerium oder, wie ich jetzt gelernt habe, erklärt die Bundesregierung - das Innenministerium also nur in einer Art Notarfunktion -: Uns liegen keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage vor. Worüber hat Herr Schindler am 12. März den Kanzleramtsminister unterrichtet, wenn er nicht verhindert, dass am 14. April mitgeteilt wird: Es gibt keine Hinweise beziehungsweise keinen Verdacht der Wirtschaftsspionage?

StS Seibert: Sie versuchen, mich auf diese Art und Weise dazu zu bringen, mich inhaltlich und sachlich zu Sachverhalten zu äußern, die als Verschlusssache eingestuft sind. Das werde ich hier nicht tun können und werde es auch nicht tun. Deswegen kann ich nur auf das verweisen, was ich zu der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 14. April und zu dem Vorwurf, die Bundesregierung habe die Unwahrheit gesagt - der natürlich nicht zutrifft -, gesagt habe. Das ist das, was ich hierzu nur wiederholen kann.

Zusatzfrage: Dann erklären Sie mir bitte, was Sie unter "Verschlusssache" verstehen. Das heißt, als "Verschlusssache" tituliert erfährt der Kanzleramtsminister am 12. März: Da gibt es einen Vorgang von Brisanz - Stichwort Wirtschaftsspionage. Das verschließt er in seinem Kopf, um am 14. April beziehungsweise im Vorfeld des 14. Aprils als Kanzleramtsminister eine Erklärung der Bundesregierung abzusegnen, in der drinsteht: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zum Verdacht auf Wirtschaftsspionage vor. Ist es der Sinn einer Verschlusssache beim Kanzleramtsminister, dass er sein Wissen nicht für operatives Regierungsverhalten benutzt?

StS Seibert: Niemand verschließt irgendetwas in seinem Kopf, wie es ja auch ganz klar aus der Presseerklärung vom vergangenen Donnerstag hervorgegangen ist. Es gab einen seit mehreren Wochen laufenden intensiven Kontakt zwischen Bundeskanzleramt und Bundesnachrichtendienst. Es gab die Anweisung an den Bundesnachrichtendienst, den kompletten und komplexen Sachverhalt vollständig aufzuklären, und es gab in dem Moment, in dem die Identifikation von organisatorischen und technischen Defiziten stattgefunden hatte, unverzüglich die Anweisung, diese Defizite zu beheben. Das ist operatives Handeln.

Frage : Herr Dimroth, ich habe immer noch nicht ganz verstanden, ob der Herr Innenminister die Anfrage heute anders beantworten würde.

Dimroth: Auch das ist ja letztlich ein Versuch, mich zu den inhaltlichen Dingen zu einer Stellungnahme zu bewegen. Da geht es mir aber nicht anders als Herrn Seibert, denn das ist mir schon aus übergeordneten Gründen - und zwar rechtlichen Gründen - nicht möglich. Der Innenminister selbst hat sich, wie bereits angedeutet, heute erklärt und ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass er selbstverständlich in seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramts von Ende 2005 bis 2009 unter anderem auch die Verantwortung für den Bundesnachrichtendienst trug und sich dieser Verantwortung selbstverständlich damals wie heute stellt, dass Teil dieser Verantwortung aber eben auch ist, sich an die Regeln zu halten. Die Regeln sind unter anderem, dass als vertraulich eingestufte Dokumente und deren Inhalte nicht öffentlich verbreitet werden dürfen. Diese Regeln gelten selbstverständlich auch für den damaligen Chef des Bundeskanzleramts und den heutigen Bundesinnenminister.

Um möglichst dennoch effektiv und zeitnah im Interesse der Sache, aber auch - das möchte ich ausdrücklich betonen - im Interesse des Ministers diesen Aufklärungsbeitrag leisten zu können, würde er es begrüßen, möglichst zeitnah den dafür zuständigen parlamentarischen Gremien Bericht zu erstatten.

Zusatzfrage : Sie sagen immer, dass Sie inhaltlich nichts sagen könnten. Gleichzeitig sagen Sie aber, er habe nicht gelogen; das ist ja auch eine inhaltliche Aussage. Wenn er nicht gelogen hat, dann würde er die Anfrage heute ja genauso beantworten, oder nicht?

Dimroth: Ich habe mich vorhin sozusagen der Bewertung von Herrn Seibert angeschlossen, der - das möchte ich noch einmal wiederholen - in Bezug auf eine parlamentarische Anfrage und deren Beantwortung, die im Namen der Bundesregierung erfolgt ist, erklärt hat, dass diese Beantwortung immer nach bestem Wissen und Gewissen zum jeweiligen Zeitpunkt stattfindet und sich im Rückblick nicht als zum damaligen Zeitpunkt falsch herausstellt. Das ist der Punkt, dieser Bewertung habe ich mich angeschlossen. Alles andere wäre tatsächlich nur mit Inhalten begründbar und belegbar, die als solche vertraulich sind.

Frage: Herr Dimroth, Herr Seibert, ich würde hier gerne einfach noch einmal die Frage aus der Kleinen Anfrage der Linksfraktion wiederholen, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über mögliche Wirtschaftsspionage der NSA vorliegen. Damals, am 14. April, war ja eine Antwort möglich, dann muss es jetzt ja eigentlich auch eine Antwort geben.

StS Seibert: Ich bin nicht in der Lage, hier mal so eben parlamentarische Anfragen oder die Simulation einer parlamentarischen Anfrage zu beantworten. Das ist am 14. April nach bestem Wissen und Gewissen geschehen - nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Beantwortung. Wenn eine solche Anfrage noch einmal parlamentarisch gestellt wird, dann wird sie erneut beantwortet. Ich bin auch nicht in der Lage, Ihnen hier als Regierungssprecher inhaltlich dazu Auskunft zu geben. Ich wiederhole aber, was ich von Anfang an gesagt habe: Die Bundesregierung informiert das Parlament nach bestem Wissen und Gewissen - immer.

Zusatzfrage: Dann nehme ich die Kleine Anfrage heraus und frage persönlich: Liegen der Bundesregierung heute Erkenntnisse über mögliche Wirtschaftsspionage der NSA vor?

StS Seibert: Das ist eine Frage, die nur im Rahmen der dafür vorgesehenen parlamentarischen Kontrollgremien beantwortet werden kann.

Zusatzfrage: Am 14. April war das anders. Was hat sich in dieser Zeit geändert?

StS Seibert: Am 14. April gab es eine parlamentarische Anfrage, die so beantwortet wurde, wie sie beantwortet wurde. Ich kann eine solche Frage, die mich natürlich tief in die Inhalte der Sachverhalte, die jetzt hier in Rede stehen, hineinführt, nicht beantworten. Dazu ist die Bundesregierung nach Aufklärung des Sachverhaltes, den wir jetzt aufzuklären haben, vor den parlamentarischen Gremien bereit - und zwar jederzeit.

Frage : Herr Dimroth, wenn es übergeordnete rechtliche Gründe gibt, uns über bestimmte Inhalte nicht in Kenntnis zu setzen: Ist es denkbar, dass Sie eine erneute parlamentarische Anfrage mit gleicher Begründung ablehnen würden oder auf die gleiche Weise beantworten würden, weil Sie Inhalte nicht bekanntmachen oder sich darauf beziehen dürfen?

Dimroth: Denkbar ist zunächst einmal natürlich herzlich vieles. Wie Sie wissen, gibt es gerade auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament - gerade auch im parlamentarischen Fragewesen - sehr klare und etablierte Regelungen - auch darüber, wie beispielsweise mit eingestuften Informationen umzugehen ist. Ebendiese Regeln würden auch bei einer solchen hypothetischen neuen Anfrage gelten, und man müsste genau prüfen, welche Inhalte in welche Einstufungskategorie fallen und welche Folgen das für die Beantwortung von parlamentarischen Anfragen hätte.

Frage : Ich möchte mich den Fragen der Kollegen anschließen: Herr Dimroth, für die Spionageabwehr sind Sie zuständig, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Die spannende Frage ist daher also: Wenn diese Anfrage jetzt wiederkommt und dann als Verschlusssache eingestuft wird - ein Nein ist ja keine Verschlusssache beziehungsweise braucht ja keine Verschlusssache zu sein -, können wir dann im Umkehrschluss davon ausgehen, dass es entsprechende Erkenntnisse gibt?

Dazu gehörend: Herr Seibert, ich verstehe jetzt noch nicht so ganz, wer welche Rolle bei der Beantwortung dieser parlamentarischen Anfrage gespielt hat. Das Kanzleramt hat dem BND zugeliefert, korrekt?

StS Seibert: Es ist den ganz normalen Weg gegangen. Die Beantwortung einer solchen Anfrage wird innerhalb der Bundesregierung abgestimmt, und es liefern diejenigen Stellen zu, die fachlich zuständig sind - in diesem Fall auch die Zuständigen im Kanzleramt, ja.

Dimroth: Jedenfalls, soweit Sie auf den Inhalt der parlamentarischen Anfrage abstellen, die jetzt insbesondere in Rede steht. Da geht es ja, wenn ich mich recht erinnere, nicht um die Frage von Erkenntnissen über Wirtschaftsspionage in Deutschland - dann wären sie richtigerweise beim Bundesamt für Verfassungsschutz und damit beim BMI -, sondern um die Frage von Erkenntnissen in anderen Staaten. Darüber kann ich Ihnen leider nichts sagen.

Frage: Herr Seibert, mir ist noch nicht ganz klar, warum genau Sie uns die zeitlichen Abläufe nicht darstellen können. Ich verstehe natürlich das Argument, dass Sie das zuerst den zuständigen Gremien erzählen. Ich gehe aber einmal davon aus, dass das, nachdem Herr Fritsche und Herr Altmaier lange Rede und Antwort gestanden haben, Thema gewesen sein wird. Wenn es zum Beispiel so gewesen sein sollte, dass zuerst eine Information vom BND kam und man nachfassen musste, bis man das tatsächlich in der ganzen Tragweite verstanden hat, dann wäre ich noch dankbar für die Begründung, welcher Art der Geheimhaltung es unterliegt, uns so etwas jetzt darzustellen.

StS Seibert: Entschuldigung, ich glaube, ich habe das nicht verstanden. Sagen Sie es bitte noch einmal?

Frage: Was hindert Sie daran, die zeitlichen Abläufe - die ja für die Frage, wann welche Information nach dem jeweiligen Kenntnisstand richtig war, eine Rolle spielen - darzustellen? Denn ich gehe davon aus, dass die zuständigen Gremien diese bereits erhalten haben.

StS Seibert: Wenn zuständige Gremien sie erhalten haben, dann ist das ja nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass sie hier auch ausgebreitet werden müssen. Der zeitliche Ablauf, den ich Ihnen darlegen kann, ist - und das wissen Sie ja -: Die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage erfolgte am 14. April, am 22. April hatte der Chef des Bundeskanzleramtes eine erste Information des Parlamentarischen Kontrollgremiums und dann des Untersuchungsausschusses vorgenommen, und am 23. April haben wir die Öffentlichkeit unterrichtet. In dieser Erklärung vom 23. April sagen wir, dass wir nun überprüfen wollen, ob die bisherigen Antworten auf parlamentarische Anfragen in vollem Umfang Bestand haben. Das ist der zeitliche Ablauf.

Zusatzfrage: Mir geht es um die Zeit vorher, also um die Zeit nach der Information an das Kanzleramt durch den BND. Warum wussten Sie da noch nicht Bescheid beziehungsweise was war der zeitliche Ablauf in den darauf folgenden Wochen?

StS Seibert: Ich habe Ihnen hier nicht eine Day-by-day-Chronologie zu geben. Es hat den Kontakt über mehrere Wochen intensiv gegeben - verbunden mit der ganz klaren Weisung aufzuklären, verbunden mit der Erkenntnis, dass es da tatsächlich organisatorische wie technische Defizite gab, verbunden mit der erneuten Weisung, dass diese Defizite abzustellen seien. Das ist das, was in der Zeit zwischen dem März und dem Zeitpunkt der Information des Parlamentarischen Kontrollgremiums geschehen ist. Das war eine intensive Zeit.

Frage : Herr Seibert, im Juli vergangenen Jahres war der Stabschef des Weißen Hauses im Kanzleramt. Es ging damals auch schon um das Thema Geheimdienste, und es wurde ein strukturierter Dialog vereinbart. Ist dieser Dialog eigentlich fortgesetzt worden? Wenn ja: Wurde im Rahmen dieses Dialoges auch der Themenkomplex gesprochen, über den wir heute reden?

StS Seibert: Die Bundesregierung und die entsprechenden amerikanischen Stellen sind natürlich in engem Kontakt zum Gesamtsachverhalt nachrichtendienstliche Zusammenarbeit. Ich kann Ihnen im Moment nicht sagen, wer wann mit wem gesprochen hat, aber dieser Kontakt ist fortlaufend.

Frage: Sie hatten gerade eben noch einmal gesagt, dass nunmehr überprüft werden solle, ob alle gemachten Antworten - sicherlich auch die vom 14. April - noch vollumfänglich Bestand haben. Wie aufwändig ist diese Prüfung einer so schlichten Antwort, wie sie gegeben wurde? Wird die Antwort des Innenministers vom 14. April die erste sein, die Sie darauf überprüfen wollen, ob sie noch Bestand hat?

StS Seibert: In der Presseerklärung gehen wir nicht auf einzelne Antworten ein, sondern sprechen im Plural von den zu diesem Sachverhalt gestellten parlamentarischen Fragen und den Antworten darauf. Die Antwort vom 14. April gehört sicherlich dazu. Auch hinter einer solchen, wie Sie sagen, einfachen Antwort kann ja ein komplexer Sachverhalt stehen. Insofern kann ich jetzt nicht sagen, wie aufwändig diese Prüfung ist. Sie wird aber vollzogen, sie ist wichtig.

Zusatzfrage: Wird diese Antwort die erste sein, die Sie überprüfen?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Frage: Herr Seibert, hat der Chef des Bundeskanzleramtes, Herr Altmaier, am 14. April durch das Innenministerium, sein Sprachrohr, die Unwahrheit erklären lassen, als festgestellt wurde: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über den Verdacht auf Wirtschaftsspionage vor?

StS Seibert: Ich habe diese Unterstellung schon einmal zurückgewiesen und tue das gerne noch einmal. Die Behauptung, die Bundesregierung habe die Unwahrheit gesagt, weise ich zurück.

Zusatzfrage: Das heißt, am 14. April lagen dem Chef des Bundeskanzleramtes keinerlei Erkenntnisse über den Verdacht von Wirtschaftsspionage mithilfe des BND vor, erklären Sie das jetzt wirklich aus Überzeugung?

StS Seibert: Das heißt, dass unsere Leitlinie bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen, nämlich dass sie nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten sind, auch an diesem Tag gegolten hat. Das ist das, was uns leitet; so handelt die Bundesregierung, sie hat es in der Vergangenheit getan und sie wird es in der Zukunft tun.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie hatten am 14. April, vertreten durch den Chef des Bundeskanzleramtes, keinerlei Hinweise auf den Verdacht von Wirtschaftsspionage, obwohl der gleiche Chef des Kanzleramtes am 12. März vom Präsidenten des BND genau darüber unterrichtet wurde?

StS Seibert: Ich kann nur das wiederholen, was ich gesagt habe, weil ich auch nicht auf einzelne Erkenntnisse eingehe - aus den genannten Gründen. Die Bundesregierung informiert das Parlament nach bestem Wissen und Gewissen. Das umfasst die Aussagen der Vergangenheit wie die, die wir in Zukunft treffen werden. Nun sind wir in einer Situation, in der wir uns - so wie wir es in der Presseerklärung ausgedrückt haben - tatsächlich mit einer Überprüfung in der Vergangenheit gemachter Antworten auf parlamentarische Anfragen befassen müssen.

Frage : Herr Seibert, Sie haben erst das BND-Gesetz und gesetzliche Grundlagen angesprochen. Nun wurde ja vor ein paar Tagen im Kabinett die Verfassungsschutzreform durchgewunken, in der unter anderem auch die BND-Kompetenzen ausgeweitet worden sind. Ist das aktuelle eine gute Idee, soll das jetzt also durch den Bundestag als Gesetz bestätigt werden? Es gibt organisatorische Defizite im BND, und gleichzeitig soll der BND jetzt belohnt werden, indem er noch mehr Freiheiten und Kompetenzen bekommen soll? Wie passt das zusammen?

StS Seibert: Über das Gesetz für den Bundesverfassungsschutz gibt Ihnen am besten Herr Dimroth für das BMI Auskunft. Es wird so sein, wie es immer war - -

Zusatzfrage : Es geht um den BND, Herr Seibert?

StS Seibert: Sie sprachen das Gesetz über den Bundesverfassungsschutz an.

Zusatz : In dem unter anderem auch der BND - -

Vorsitzender Wefers: Können wir jetzt mal hier - -

StS Seibert: Deswegen wird Ihnen doch Herr Dimroth für das BMI darüber Auskunft geben. Ansonsten wird es natürlich so sein, wie es in unserem demokratischen Staat sein muss, nämlich dass wir einen an die Gesetze gebundenen Bundesnachrichtendienst haben, der der parlamentarischen Kontrolle unterliegt.

Dimroth: Ehrlich gesagt kann ich Ihnen nicht viel mehr dazu sagen. Es gibt einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der vom Bundeskabinett beschlossen wurde, der insbesondere die schrecklichen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem sogenannten NSU in bestimmten Verbesserungen des Gesetzes für den Bundesverfassungsschutz abzubilden versucht. Dieses Gesetz ist jetzt im parlamentarischen Verfahren, insofern obliegt es jetzt dem dafür sozusagen grundgesetzlich kompetenten Gesetzgeber, zu entscheiden, ob dieses Gesetz das parlamentarische Verfahren so verlässt, wie es von der Bundesregierung in dieses parlamentarische Verfahren gegeben wurde. Das müssten Sie also andere fragen. Das Bundeskabinett hat sich dazu verhalten und entsprechend auf Vorschlag des Bundesinnenministers diesen Gesetzentwurf verabschiedet. Jetzt ist das Parlament berufen, sich mit diesem Gesetzentwurf zu befassen.

Zusatzfrage : Aber dieses Kabinett weiß doch jetzt von den organisatorischen Defiziten im BND. Herr Seibert, die Bundesregierung könnte das jetzt doch auch zurückziehen oder ändern, indem man sagt: Diese Kompetenzen, die der BND bekommen soll, werden jetzt erstmal hintangestellt, weil erst einmal der ganze Laden aufgeräumt werden muss.

StS Seibert: Es gibt jetzt keinen Grund, das im Bundeskabinett beschlossene Gesetz aus dem parlamentarischen Verfahren herauszunehmen. Es gibt Grund, das, was an Defiziten beim BND festgestellt wurde, mit allem Nachdruck zu beheben - und zwar so schnell als möglich -, und die Sachaufklärung weiter voranzutreiben. Das sind zwei Dinge, die nun nicht automatisch etwas miteinander zu tun haben. An dem Aufklärungswillen der Bundesregierung brauchen Sie nicht zu zweifeln.

Frage : Herr Dimroth, der Bundesinnenminister hat vorhin so ausdrücklich bedauert - und ich merke auch hier ein gewisses Bedauern -, dass es schwierig ist, über den Sachverhalt, der als geheim eingestuft ist, zu sprechen. Daher die Frage: Gibt es innerhalb der Bundesregierung Absichten, vielleicht Teile des Verfahrens herunterzustufen und zum Beispiel nicht mehr als Verschlusssache zu handhaben?

Dimroth: Mit Stand heute kann ich über solche Absichten nicht berichten. Die Einstufung kann aber auch nicht ohne Weiteres - das Verfahren ist ja nicht ganz unkompliziert - an jeder Stelle einfach substituiert werden; vielmehr kann eigentlich immer nur derjenige, der das eingestuft hat, auch wieder herabstufen. Zu Ihrer konkreten Frage, ob es dazu heute Absichten gibt: Solche Absichten sind mir nicht bekannt.

Frage: Herr Jäger, plant der Bundesfinanzminister, die Länder um 7 Milliarden Euro zu entlasten?

Jäger: Sie beziehen sich auf einen Pressebericht von heute, den wir auch gesehen haben. Es kam für uns nicht völlig überraschend, zu lesen, was in diesem Artikel drinsteht; denn dort wird in der Tat ein Papier aus dem Bundesfinanzministerium referiert - das nicht gerade von gestern ist, aber die Papiere gehen dann eben ihre Wege, bis sie sozusagen an die Wasseroberfläche kommen. Dieses Papier ist eine Art Modellskizze für eine mögliche Lösung für eine mögliche zukünftige Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nach 2019. Der Bundesfinanzminister ist darüber im Gespräch mit den Vertretern der Länder. Es ist nach wie vor unser Ziel, diese Gespräche bis zum Juni, bis zum Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten - also, so wie angekündigt, noch vor der Sommerpause -, erfolgreich abzuschließen. Sie spielen auf eine Zahl an, die aus diesem Papier genannt wurde. Es ist zu früh, sich hier auf Einzelheiten einer Gesamtlösung festzulegen. Ich kann Ihnen, was die Zahl angeht, aber sagen: Das ist sehr, sehr nahe an der absoluten Schmerzgrenze dessen, was der Bund im Rahmen einer Gesamtlösung zu leisten bereit und in der Lage wäre. Das ist definitiv kein Einstiegsgebot des Bundes, wie manche zu glauben scheinen.

Zusatzfrage: Ist denn dieses Papier in der Koalition besprochen worden? Ich spiele auf den Koalitionsausschuss an, in dem dieses Papier ja wahrscheinlich auch Grundlage war. Gibt es also Einigkeit in der Koalition über diese Vorschläge?

Jäger: Nein, dieses Papier datiert aus einer Zeit vor dem Koalitionsausschuss, und ich habe Ihnen gesagt: Dieses Papier ist eine Modellskizze. Das heißt, der Bundesfinanzminister ist im Gespräch mit den Vertretern der Länder bemüht, Umrisse einer Lösung zu identifizieren. Sie wissen, dass diese Gespräche nicht erst seit gestern laufen. Wir haben auch schon im Herbst des vergangenen Jahres darüber gesprochen und wir haben hier auch verschiedene Basisszenarien diskutiert; auch daran können Sie sich sicherlich erinnern. Aus solchen Basisszenarien ergeben sich dann unterschiedliche Ableitungen, was die Ausgestaltung einer Gesamtlösung angeht.

Insofern: Nehmen Sie das als einen möglichen Zwischenschritt, der aber noch nicht ein endgültiges Ergebnis abbildet. Ich stelle aber ausdrücklich fest, dass sich der Bund natürlich nicht von diesem Papier distanziert.

Frage : Herr Jäger, wenn Sie sagen, die Zahl liege nahe an der Schmerzgrenze: Heißt das, Sie weisen die Forderung der Ost-Länder, 10 Milliarden Euro zu erhalten, weil das der Finanzbedarf sei, zurück?

Jäger: Ich sprach nicht von der Schmerzgrenze, sondern von der absoluten Schmerzgrenze. - Was Zahlen und Forderungen einzelner Bundesländer angeht, so ist das nicht so einfach zu beantworten. Wie Sie wissen, sind die Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein komplexes Finanzierungsgeflecht. Die Ausgleichsleistungen seitens des Bundes insbesondere für die neuen Länder umfassen viele Leistungen. Insofern ist das also nicht vergleichbar, das ist nicht gegeneinander aufrechenbar. Was die Länder im Osten Deutschlands angeht, so sind wir uns sehr wohl bewusst, dass es hier eine gesamtstaatliche Verantwortung aller Akteure gibt. Das schließt übrigens die anderen, die westdeutschen Bundesländer, mit ein, hier auch in Zukunft auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse hinzuarbeiten.

Zusatzfrage : Was sagen Sie zu dem Vorwurf der Ost-Länder, Sie würden deren Interessen im Vergleich zu anderen Beteiligten nicht ausreichend würdigen?

Jäger: Dieser Vorwurf ist nicht zutreffend.

Frage : Ich würde gerne wissen, ob diese 7 Milliarden Euro ein Brutto- oder Netto-Betrag ist. In Ihrem Ministerium ist es oft so, dass, wenn Beträge genannt werden, das mit irgendwelchen anderen Beträgen, die schon in Rede standen, verrechnet wird. Ist das also Geld, das den Ländern netto zur Verfügung steht?

Nachdem Sie ja darauf hinweisen, dass das Papier, das zitiert wird, schon älter ist, die Frage: Ist der Minister, insbesondere in Anbetracht des Koalitionsgipfels vor Kurzem, angesichts der Zerstrittenheit der Position immer noch der Auffassung - und hat er den Optimismus -, dass er bis Juli zu einem Ergebnis kommen kann oder sind die Chancen dafür nicht erheblich schlechter geworden?

Jäger: Zu Ihrer ersten Frage. Sie spielen vermutlich auf die 5 Milliarden Euro an, die der Bund den Ländern für die Zeit ab 2018 zugesagt hat. Diese Summe ist nicht in den in der Zahl 7 Milliarden Euro, die Sie hier zitieren, inbegriffen.

Es ist uns allen bewusst, dass nicht mehr sehr viel Zeit bleibt, wenn wir die selbstgesetzte Zielmarke erreichen wollen. Der Bundesfinanzminister ist aber dennoch zuversichtlich, dass eine Lösung gelingen kann. Die Tatsache, dass es diese Lösung bislang noch nicht gibt, liegt allerdings nicht daran, dass es an Lösungsvorschlägen fehlen würde. Es hat sehr viel damit zu tun, dass die Aufaddierung von 16 Länderinteressen leider bislang noch kein konsensfähiges Gesamtpaket ergibt.

Frage: Herr Jäger, noch einmal zu diesem Medienbericht. Da ist die Rede von Nahverkehr und Straßenbau. Können Sie konkretisieren, ob es um GVFG-Mittel, um Entflechtungsmittel, um Regionalisierungsmittel geht und ob es beim Straßenbau auch um die Neugestaltung der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen geht?

Jäger: Ich fange mit dem Letzten an: Es ist unter anderem Auffassung des Bundes, dass wir im Rahmen eines Gesamtkompromisses auch eine Grundgesetzänderung zustande bringen sollten, die den Weg hin zu einer Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen, Bundesautobahnen ebnet. Ja, das ist richtig.

Was die von Ihnen angesprochenen anderen Elemente angeht, kann ich - da bitte ich einfach um Verständnis - nicht schon den Gesamtkompromiss vorwegnehmen. Aber gehen Sie davon aus, dass es sicher auch in Zukunft Entflechtungsmittel geben wird, dass es Mittel geben muss, um Regionalisierungsbelange zu adressieren. Wie der Mix im Einzelnen aussieht, kann man im Augenblick nicht sagen. Ich sprach von einer Lösungsskizze, was dieses Papier angeht. Wir sind fortlaufend im Gespräch mit den Ländern und hoffen, dass wir noch rechtzeitig vor der Sommerpause zu einer für alle tragfähigen Lösung kommen, die die gesamtstaatlichen Interessen der Bundesrepublik widerspiegelt.

Frage: Herr Jäger, eine Frage zu den 7 Milliarden Euro. Wenn ich es richtig im Kopf habe, ist das von der Steuerschätzung prognostizierte Soli-Aufkommen in den Jahren 2019/2020 20 Milliarden Euro. Warum bekommen die Länder weniger als die Hälfte des Soli-Aufkommens, wo ja dann der Soli nur in Zehn-Jahres-Raten allmählich abschmilzt? Müsste dabei nicht eigentlich mehr für die Länder herausspringen?

Jäger: Nein. Sie wissen, dass die Leistungen des Bundes insbesondere für die neuen Länder über das hinausgehen, was im Rahmen des Länder-Finanzausgleichs und des Solidarpakts II geregelt ist. Insofern ist diese Rechnung nicht ganz zulässig.

Ich darf an der Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass der Vorschlag, den der Bundesfinanzminister vor Weihnachten, glaube ich, gemacht hat, auf eine stufenweise Abschmelzung des Solis abzielt. Der würde also nicht auf einen Schlag wegfallen, sondern so, wie damals kommuniziert, nämlich in Schritten.

Frage : Eine Frage an das Entwicklungsministerium. Entwicklungsminister Müller hat gesagt, dass er aus seinem eigenen Etat 6 Millionen Euro für Mare Nostrum angeboten hatte, aber dass niemand interessiert habe. Wem hat er das in der Bundesregierung angeboten?

Ulbert: Er hat es der Bundesregierung angeboten, und er hat es vor allem im EU-Kreis angeboten. Ich habe noch keine Erkenntnisse darüber, ob das nachgefragt wurde, aber das Angebot steht.

Zusatzfrage : Das Innenministerium hat das nicht wahrgenommen oder einfach abgelehnt? Wie ist das?

Dimroth: Wie Sie vielleicht wissen, ist die Operation Mare Nostrum eine gewesen, die die italienische Regierung durchgeführt hat und die auch die dafür erforderlichen Aufwendungen zu tragen hatte. Insofern erschließt sich mir nicht, was das Innenministerium zu einem solchen Angebot hätte sagen sollen, wenn es das jemals erreicht hätte. Das kann ich nicht bestätigen. Ich weiß es nicht. Jedenfalls wäre der richtige Adressat bei der Frage "Wer trägt die Kosten für Mare Nostrum?" sicher nicht das Innenministerium.

Zusatz : Aber das Innenministerium hat Entscheidendes dazu zu sagen, ob das weitergehen soll oder nicht.

Dimroth: Noch einmal: Es war eine Entscheidung der italienischen Regierung, diese Operation einzusetzen und sie zu beenden. Insofern stellt sich mir und auch nicht dem Innenministerium diese Frage nicht.

Zusatzfrage : Der Entwicklungsminister ist gegen die Zerstörung und den Beschuss von Schlepperbooten. Gibt es jetzt einen Konflikt mit dem Innenminister, der genau das tun möchte?

Ulbert: Das ist richtig; unser Minister hat sich dazu auch heute geäußert. Ich habe aber bisher keinen Konflikt mit dem Innenministerium wahrgenommen.

Zusatz : Das ist doch ein offensichtlicher Konflikt. Der eine will die kaputt machen und der andere nicht.

Ulbert: Ich habe auch nicht wahrgenommen, dass das Innenministerium die kaputt machen möchte.

Im Übrigen ist unser Thema weniger das Thema, wie wir mit dem Schleppern umgehen. Es ist ein Ansatz unseres Ministers zu sagen, dass es eine gesamte Aufgabe ist und dass dieser Ansatz vernetzt gehört; Stichwort vernetzte Sicherheit. Dazu gehören die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium sowie die außenpolitische Zusammenarbeit und die Entwicklungszusammenarbeit, um das Gesamtproblem zu lösen. Unser Ansatz als Entwicklungsministerium liegt ganz eindeutig auf dem Thema Fluchtursachenbekämpfung. Dazu hat sich der Minister auch detailliert geäußert.

Zusatz : Herr Dimroth, dann muss Herr de Maizière noch einmal mit dem Entwicklungsminister reden.

Dimroth: Ganz grundsätzlich ist das sicher immer sehr lohnenswert.

Bei dem konkret von Ihnen angesprochenen Sachverhalt kann ich gerne auf das verweisen, was der Koalitionsausschuss dazu am vergangenen Sonntag besprochen hat. Zunächst hat das Thema Seennotrettung Priorität, was das Tun der Bundesregierung angeht - und zwar relativ unabhängig davon, welchen Titel man dem gibt -, und die Maßnahmen, die der Bundesregierung möglich sind, zu verstärken, um die Seenotrettung im Mittelmeer besser zu gewährleisten, als das in der Vergangenheit der Fall war. Das ist der Punkt eins.

Gleichzeitig hat man vereinbart, auch das Thema Bekämpfung der Schlepperbanden besser zu erledigen, als das in der Vergangenheit der Fall war. In diesem Zusammenhang ist man sich auch einig geworden, dass dafür ein robustes Mandat und ein robustes Vorgehen erforderlich sind. Was das jetzt im Einzelnen bedeutet - wir hatten schon Gelegenheit, darüber in Bezug auf die von Ihnen angesprochenen Fischerboote zu sprechen -, ist Gegenstand der dazu laufenden Arbeiten, die das jetzt ausbuchstabieren müssen, was daraus im Einzelnen sowohl für die Bundesregierung als auch für die Position der Bundesregierung in Europa bedeutet. Das sind laufende Arbeiten, die heute noch nicht abgeschlossen sind, die, wie hier teilweise schon andiskutiert, eine Reihe von insbesondere verfassungs- und völkerrechtlichen Fragestellungen betrifft, die nicht ganz trivial zu lösen sind.

Frage: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat in Kopenhagen gesagt, dass wir alle Flüchtlinge fair verteilen müssen. Wie viele Flüchtlinge sollte Großbritannien aufnehmen?

StS Seibert: Das ist eine Frage, die ich Ihnen jetzt nicht beantworten kann, weil das so überhaupt nicht festgelegt ist. Es gab einen europäischen Sonderrat, bei dem beschlossen wurde, dass man auf freiwilliger Basis und unter Beteiligung aller europäischen Länder für die Zukunft zu einer faireren Verteilung kommen will. Die Bundeskanzlerin hat die beiden Kriterien benannt, die dabei zu betrachten sind, nämlich die Wirtschaftsstärke eines Landes und natürlich auch seine Bevölkerung. Wir sind derzeit in einem freiwilligen Verfahren und dennoch in einem Verfahren, von dem zumindest die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin hoffen, dass alle sich daran beteiligen werden. Details werden auszuarbeiten sein.

Frage: Herr Seibert, in einem TV-Interview hat sich Herr Tsipras für ein Referendum ausgesprochen. Wie kommentieren Sie diese Aussage?

StS Seibert: Ich habe innerstaatliche Entwicklungen, Entscheidungen oder Gedanken für mögliche spätere Entscheidungen hier für die Bundesregierung nicht zu kommentieren.

Zusatzfrage: Wahrscheinlich hat dieses Referendum nicht nur mit Griechenland zu tun. Es ist die Frage, ob Griechenland (in der Eurozone) bleibt oder ob es einen "Grexit" mit den Stimmen des Volkes gibt.

StS Seibert: Zunächst einmal ist es das demokratische Recht jeder Regierung, ein Referendum einzuberufen oder nicht. Aber das ist eine ganz grundsätzliche Aussage. Im Moment wissen wir nicht, ob es eines geben wird. Es gibt einen klaren Fahrplan für die Gespräche zwischen den Institutionen und den Vertretern der griechischen Regierung. Das ist das, was zählt. Deutschland wird sich mit aller Kraft daran beteiligen, dass diese Gespräche zu einem guten Ergebnis gebracht werden können. Dafür ist allerdings auch von der griechischen Seite noch einiges zu leisten.

Zusatzfrage: Herr Jäger, haben Sie einen Kommentar dazu?

Jäger: Ich habe dem, was Herr Seibert hier gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Genau so ist es.

Frage : Herr Jäger, heute sollten ja laut Medienberichten schon die neuen Reformvorschläge aus Griechenland kommen, die offenbar das Einfrieren des Mindestlohns, eine Pensionsreform etc. beinhalten. Sie sind ja vorhin kurz hinausgegangen. Haben Sie schon irgendetwas aus Athen gehört, eine SMS oder einen Anruf erhalten?

Zweite Frage. Herr Seibert, seit dem Telefonat zwischen Frau Merkel und Herrn Tsipras ist doch auf beiden Seiten offenbar ein bisschen mehr Optimismus gekeimt. Teilen Sie diesen Eindruck? Sehen Sie nach diesem Telefonat in Athen einen größeren Willen, diese Reform jetzt anzugehen?

Jäger: Ich habe keine geheime, vertrauliche Rücksprache mit Athen gehalten. Das Arbeitsprogramm ist genau so, wie hier schon verschiedentlich dargestellt. Wir haben jetzt in Athen neue Arbeitsstrukturen. Wir erwarten, dass dies dazu führen kann, dass die Gespräche im Ganzen beschleunigt werden. Heute trifft sich in Brüssel die Euro-Arbeitsgruppe - das ist die Runde der Staatssekretäre -, die die Themen für die Minister vorbereitet. Soweit ich informiert bin, wollen die Griechen ihr Arbeitsprogramm vorstellen. Ich gehe nicht davon aus, dass schon ein umfassendes Reformpaket diskutiert wird, kann der Sitzung aber natürlich nicht vorgreifen.

Das weitere Verfahren ist so, wie schon verschiedentlich beschrieben. Die Griechen sind aufgefordert, ein umfassendes Gesamtpaket vorzulegen, zu schnüren und dieses Paket, diesen umfassenden Lösungsansatz, der sich am Memorandum, das nach wie vor gültig ist, zu orientieren hat, mit den Institutionen zu besprechen. Darüber werden die drei Institutionen die Eurogruppe informieren. Erst dann wird es zu einer Beratung in der Eurogruppe kommen können. Wenn alles sehr, sehr zügig läuft, kann man möglicherweise beim nächsten Treffen der Eurogruppe, das am 11. Mai in Brüssel stattfindet, an so etwas denken. An dieser Stelle ist es noch viel zu früh, eine entsprechende Vorhersage zu wagen. Insofern bitte ich jetzt einfach um etwas Geduld und äußere die Hoffnung, dass die griechische Seite alle Energie mobilisiert, um möglichst schnell diskussionswürdige Vorschläge zu unterbreiten. Dazu gehört auch - wenn ich das noch kurz ergänzen darf -, dass man nicht parallel Maßnahmen ergreift, die schon umgesetzten Reformen wieder zurückdrehen.

StS Seibert: Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin und Ministerpräsident Tsipras jetzt das eine oder andere offene und vertrauliche Gespräch miteinander hatten. Eine wichtige Bedingung dafür ist sicherlich das Stillschweigen, das man anschließend über das Gespräch bewahrt. Dem würde ich mich jetzt auch weiter anschließen wollen.

Frage : Herr Schäfer, eine Frage zum Thema Saudi-Arabien. Das saudische Königreich hat ja seit heute einen neuen Kronprinzen und einen neuen Außenminister. Wie bewertet die Bundesregierung diesen Führungswechsel? Was erhofft sich die Bundesregierung gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung im Jemen?

Schäfer: Es ist nicht an mir und auch nicht an der Bundesregierung, die Entscheidungen des saudischen Königs zu kommentieren. Jedenfalls gilt unser Dank denjenigen, die heute von ihren Aufgaben entbunden wurden, für das, was es an Zusammenarbeit mit Deutschland gegeben hat. Das gilt insbesondere für den langjährigen saudischen Außenminister, der mit weitem, besser gesagt: mit weitestem Abstand der am längsten amtierende Außenminister der Welt gewesen ist. Ich weiß gar nicht, wie viele Generationen Außenminister der saudische überlebt hat.

Das, was wir von der neuen saudischen Führung erwarten und uns erhoffen, ist auch das, was wir von der alten Führung erwartet hätten, dass wir nämlich - Sie haben konkret nach dem Jemen gefragt - so schnell wie nur irgend möglich zu einer Situation kommen, in der es möglich ist, dass alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen des Jemen sich zusammenfinden, um gemeinsam nach Wegen für ein Zusammenleben in der Zukunft zu suchen, also eine politische Lösung zu finden, die für ein Land, das ganz viele Probleme hat, eine echte Zukunftsperspektive eröffnet.

Frage : Eine Frage an das Bundesjustizministerium zur Vorratsdatenspeicherung. Da ist seit Montag Kurioses passiert. Am Montag hat mir Frau Zimmermann gesagt, dass es diese Nebenabrede nicht gibt, dass es keinen Richtvorbehalt bei der Verwendung von Daten aus der Vorratsdatenspeicherung geben soll. Nun ist ein Dokument herausgekommen, wo diese Nebenabrede existiert. Der Autor oder die Autorin dieses Dokuments ist ein Herr oder eine Frau Zimmermann, der/die das am Montag bestritten hat. Ist das dieselbe Person?

Malachwoski: Tut mir leid, dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Sie meinen, ob der Autor des Dokuments meine Kollegin ist, die am Montag hier war?

Zusatzfrage : Da steht: zimmermann-an. Das könnte Anne Zimmermann sein. Dann müsste Frau Zimmermann doch am Montag gewusst haben, dass sie diese Nebenabrede, diesen Bonustrack, in die Leitlinien reingepackt hat, die aber nicht veröffentlicht wurden.

Malachwoski: Ich kann Ihnen dazu jetzt nichts sagen; außer, dass ich Ihnen bestätigen kann, was meine Kollegin Frau Zimmermann am Montag schon gesagt hat, dass es keine geheimen Nebenabsprachen oder so etwas zu den Leitlinien gibt.

Zusatzfrage : Über genau diese Nebenabsprache hat sie doch anscheinend geschrieben.

Malachwoski: Das kann ich Ihnen nicht bestätigen.

Zusatzfrage : Könnten Sie nachforschen und uns das nachreichen?

Vorsitzender Wefers: Herr Dimroth kann ergänzen.

Dimroth: Ich darf ergänzen: Sie hatten in den vergangenen Sitzung sowie heute nach geheimen Nebenabreden gefragt. Es gibt keine geheimen Nebenabreden. Das ist damals genauso richtig gewesen wie heute. Der wesentliche Teil Ihrer Frage, der die Antwort damals genauso richtig macht wie heute, ist der Teil geheim. Es gibt keine geheime Nebenabrede. Es geht hier auch nicht um das Thema Vorratsdaten und den Zugriff auf Vorratsdaten, sondern es geht um die sogenannte Bestandsdatenauskunft, nämlich den mittelbaren Zugriff auf Vorratsdaten durch die Unternehmen. Die Verkehrsdaten werden bei diesem Vorgang nicht verbeauskunftet, sondern die Verkehrsdaten werden dafür genutzt, dass der jeweilige Telekommunikationsunternehmer aufgrund der Zuordnung der dynamischen IP-Adresse in die Vergangenheit in der Lage ist, den hinter dieser dynamischen IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt stehenden Nutzer zu identifizieren und zu beauskunften. Das ist der Sachverhalt, über den wir sprechen.

Dabei hatte die Kollegin aus dem BMJV zutreffenderweise auf die geltende Rechtslage verwiesen, die nach dem, was zwischen BMI und BMJV vereinbart wurde, nicht angefasst werden soll. Diese Vereinbarung lässt sich eins zu eins auf das stützen, was das Bundesverfassungsgericht dazu erklärt hat - ich würde tatsächlich empfehlen, das einmal nachzulesen -, wo nämlich sehr ausdrücklich herausgearbeitet wird, dass eben gerade diese Auskunft - die nicht die von Artikel 10 geschützten Verkehrsdaten, sondern lediglich die Auskunft der Bestandsdaten umfasst, die aber, um diese Auskunft überhaupt möglich zu machen, im internen Prozess bei den Providern auf die Verkehrsdaten zurückgreift - ein deutlich geringeres Schutzerfordernis als der Zugriff auf die Verkehrsdaten mit sich bringt.

Das ist wirklich lesenswert und ich empfehle es sehr. - Um Ihre Frage noch einmal aufzugreifen: Es gibt keine geheime Nebenabrede. Das ist heute ebenso richtig.

Zusatzfrage : Es gibt eine offensichtlich nicht öffentliche. Es gibt die öffentlichen Leitlinien, und dann gibt es diesen Zusatz dieser Nebenabrede, die anscheinend immer noch von Ihnen geleugnet wird, die aber - -

Dimroth: Ich habe gerade sehr klar ausgeführt, dass das so ist. Es ist nur eben keine geheime Nebenabrede.

Zuruf : Dann ist sie nicht öffentlich!

Dimroth: Entschuldigung, nicht öffentlich ist nicht gleich geheim. Ich würde jetzt doch gerne ins Klein-Klein gehen. Nicht öffentlich ist ja nicht gleich geheim. Es gibt natürlich eine Reihe von Abreden zwischen jedermann, die deswegen noch lange nicht geheim sind. Das ist offensichtlich.

Zusatzfrage : Das ist interessant. Also gibt es diese nicht öffentliche Nebenabrede.

Dimroth: Es gibt die Verabredung, dass für die Bestandsdatenauskunft das gilt, was schon immer gilt, und zwar auf Grundlage dessen, was das Bundesverfassungsgericht dazu ausgeurteilt hat. Genauso ist das.

Frage: Herr Seibert, Jean-Claude Juncker hat dem "STERN" gesagt, er sei für kleine Änderungen der EU-Verträge, um Großbritannien in der EU zu halten. Was denkt die Kanzlerin darüber? Ist sie jetzt auch für kleine Änderungen?

StS Seibert: Eine Äußerung von Herrn Juncker muss ich jetzt hier nicht kommentieren. Die Bundesregierung vertritt nun wirklich seit langer Zeit eine ganz klare Linie. Wir wünschen uns Großbritannien weiterhin als einen aktiven und einen starken Partner in Europa. Diese Linie hat die Bundeskanzlerin sehr deutlich bei Reden in London und auch natürlich bei all ihren Begegnungen mit dem britischen Premierminister ausgeführt. Es gibt keine neue Position. Sie können alles nachlesen, was die Bundeskanzlerin bei Pressekonferenzen auch öffentlich gesagt hat.

Frage : Herr Seibert, der Außenminister und der Vizekanzler haben sich für eine zweite Amtszeit von Herrn Gauck ausgesprochen. Möchte Frau Merkel einen neuen Bundespräsidenten?

StS Seibert: Es gibt keinen Grund für den Regierungssprecher, heute darüber überhaupt zu sprechen. Zunächst einmal wird sich der Bundespräsident, wie er ja selber gesagt hat, zum gegebenen Zeitpunkt selber äußern. Dann - da bin ich sicher - werden sich die Vertreter der Parteien dazu äußern. Das ist kein Thema für den Regierungssprecher.

Mittwoch, 29. April 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 29. April 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/04/2015-04-29-regpk.html;jsessionid=D24CBAA1F176CC8243A9D41F1B8B6798.s2t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2015

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