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PRESSEKONFERENZ/1034: Regierungspressekonferenz vom 29. Juli 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 29. Juli 2015 Regierungspressekonferenz vom 29. Juli 2015

Themen: Personalie, Kabinettssitzung (Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, Dritte Verordnung zur Änderung der Beschäftigtenverordnung), Sitzordnung in der heutigen Kabinettssitzung, Teilnehmer der heutigen Kabinettssitzung, Rüstungspolitik, Umfragewerte für Bundeswirtschaftsminister Gabriel, mögliche Übernahme von K+S durch Potash, Aussetzung des türkischen Friedensprozesses mit den Kurden, Verhandlungen über iranisches Atomprogramm, Vorratsdatenspeicherung, Rückstellungen für den Rückbau von Kernkraftwerken, Debatte über ein mögliches Einwanderungsgesetz, Erbschaftssteuerreform, Besteuerung von Investmentfonds, Krieg im Jemen

Sprecher: SRS'in Wirtz, Mishra (BMBF), Plate (BMI), Zimmermann (BMJV), Dünow (BMWi), Chebli (AA), Nannt (BMVg), Weißgerber (BMF)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Wirtz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Mishra: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute verabschiede ich mich von Ihnen nach fünf Jahren als Sprecher des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Wie Sie vielleicht wissen, werde ich am 1. September für drei Jahre in das Auswärtige Amt wechseln und in die USA umziehen. Wenn Sie so wollen, werde ich Auslandskorrespondent für die Themen Bildung und Forschung sein. Meine Aufgabe wird sein, an der deutschen Botschaft in Washington die Themen voranzubringen, die in Wissenschaft, Bildung und Forschung gerade up to date sind, und auch die Themen ausfindig zu machen, bei denen beide Länder gut zusammenarbeiten und voneinander lernen können.

Für mich persönlich geht mit dieser Chance, ins Ausland zu gehen, ein Wunsch in Erfüllung. Es ist aber auch eine Zäsur. Ich habe seit 2001 zunächst auf der anderen Seite des Tisches gesessen, dann seit 2010 auf dieser Seite. Das waren, kann man wohl sagen, intensive und interessante Jahre, bewegte und bewegende Jahre. Es waren aber eben auch Berliner Jahre, sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite.

Insgesamt kann ich sagen, dass mir die Vermittlerrolle des Pressesprechers sehr viel Freude gemacht hat. Ihnen habe ich sehr zu danken für manches offene Gespräch, aber auch für die gute und faire Zusammenarbeit.

Ich würde sagen: Alles Gute, besten Dank und auf Wiedersehen!

Vorsitzender Mayntz: Die guten Wünsche von uns begleiten Sie. Vielleicht sieht man sich ja doch noch einmal wieder im Leben, vielleicht hier, an dieser Bank, oder auch da drüben. Da haben wir ja beides kennengelernt. Alles Gute! Wer Herrn Mishra noch immer unbedingt eine Frage stellen möchte, er ist ja noch eine Weile hier.

Damit kommen wir zum Kabinett.

SRS'in Wirtz: Wir hatten heute das sogenannte Vizekanzler-Kabinett, also das Kabinett unter der Leitung des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel. Bei dieser Kabinettssitzung wurde zunächst das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen verabschiedet, vorgelegt vom BMJV, vom Justizminister. Anlass für dieses Gesetz war, dass der Bundesgerichtshof 2012 eine Schutzlücke festgestellt hat, die allgemein kritisiert wurde und dazu führte, dass im Koalitionsvertrag zwischen den Koalitionspartnern vereinbart wurde, diese Schutzlücke zu schließen. Insofern wurde in das StGB ein Korruptionstatbestand aufgenommen, der die Bestechung und die Bestechlichkeit von Angehörigen in Heilberufen unter Strafe stellt. Angehörige von Heilberufen sind Ärzte und Apotheker einerseits, aber durchaus auch nicht akademische Heilberufe wie zum Beispiel Physiotherapeuten. Diese Tatbestände werden unter Strafe gestellt und mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet. Ziel, Sinn und Zweck dieses Gesetzes ist es, zum einen die Integrität der Patienten-Arzt-Beziehung zu schützen und zum anderen, dass es keine unnötige Verteuerung von Arzneimitteln oder medizinischen Leistungen gibt.

Das war die eine gesetzliche Neuerung, die auf den Weg gebracht worden ist.

Sie wissen, dass die Bundesregierung daran ist, jungen Asylsuchenden und Geduldeten mit einer guten Bleibeperspektive bessere Möglichkeiten zu bieten, sich auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren, also den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Deshalb ist auf Vorschlag der Bundesarbeitsministerin heute die Dritte Verordnung zur Änderung der Beschäftigtenverordnung im Kabinett auf den Weg gebracht worden. Diese Verordnung führt dazu, dass Asylsuchende und Geduldete, wie gesagt, mit einer guten Bleibeperspektive für bestimmte Praktika künftig keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr brauchen werden. Konkret gilt das für Pflichtpraktika, Orientierungspraktika sowie ausbildungs- und studienbegleitende Praktika, die bis zu drei Monate dauern sollen. Mit dieser Verordnung wird außerdem eine Vereinbarung der Gespräche umgesetzt, die auf Bund-Länder-Ebene geführt wurden - auch darüber haben wir mehrfach hier berichtet -, in denen es darum geht, die Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland zu koordinieren.

So viel zum Kabinett von meiner Seite.

Frage : Frau Wirtz, zu den Praktika für Asylsuchende oder Flüchtlinge, wenn ich das richtig verstanden habe: Was ist mit Nichtpraktika? Manche Flüchtlinge sind ja so gut ausgebildet, dass sie keine Praktika brauchen.

SRS'in Wirtz: Ganz konkret haben wir das Phänomen, dass es junge Menschen, junge Asylsuchende oder Geduldete gibt, die eine gute Bleibeperspektive haben. In diesen Fällen stellt sich ganz konkret das Problem, wenn sie ein Praktikum machen wollen, um dann einen Beruf zu erlernen oder weiter in eine Berufsausbildung zu gehen, dass dieses Praktikum erst genehmigt werden muss. Dieses Problem hat die Bundesregierung jetzt erleichtert, indem man gesagt hat: Diese Genehmigung muss in Zukunft nicht mehr erfolgen. - Das ist ein ganz konkretes Problem und eine ganz konkrete neue Regelung und Veränderung.

Zusatzfrage : Ich habe ja das Problem angesprochen: Was ist mit den Menschen, die keine Praktika brauchen, sondern einfach nur einen normalen Job?

SRS'in Wirtz: Dazu kann Herr Plate noch weiter ergänzen.

Plate: Ich kann das gerne ergänzen. - Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode für Asylsuchende die Frist, in der sie noch nicht arbeiten dürfen, auf drei Monate verkürzt. Inzwischen können sie, auch wenn über den Asylantrag noch nicht entschieden ist, nach drei Monaten arbeiten; früher war das deutlich länger. Wenn der Asylantrag schon vor Ablauf von drei Monaten entschieden worden ist, was noch nicht so häufig passiert, wie wir uns das wünschen - aber bei Flüchtlingen aus dem Kosovo jedenfalls schon -, und er positiv beschieden wird, kann sowieso gearbeitet werden. Ein anerkannter Flüchtling kann sowieso eine bezahlte Beschäftigung aufnehmen.

Frage: Ich habe keine Frage direkt zum Kabinett, sondern zur Sitzordnung des heutigen Tages. Die Kanzlerin ist nicht da. Vizekanzler Gabriel hat das Kabinett geleitet. Wo hat er denn heute gesessen, auf seinem üblichen Stuhl oder auf dem der Kanzlerin?

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen jetzt wirklich nicht sagen, ob es genau der Stuhl ist, auf dem sonst die Kanzlerin sitzt. Aber dadurch, dass heute weniger Menschen an dem großen Kabinettstisch saßen, man sozusagen zusammengerückt ist, würde ich Pi mal Daumen sagen, dass Herr Gabriel auf einem Stuhl saß, von dem ich nicht weiß, wer sonst darauf sitzt, ungefähr auf der Höhe, wo die Kanzlerin in der Regel sitzt.

Zusatzfrage: Könnten Sie das möglicherweise noch genauer herausfinden?

SRS'in Wirtz: Nein, das kann ich nicht. Ich kann Ihnen jetzt nur das wiedergeben, was ich Ihnen aus meiner eigenen Inaugenscheinnahme berichten kann. Wie gesagt: Es muss ungefähr auf Höhe der Uhr gewesen sein, also ungefähr auf der Höhe, wo sonst die Bundeskanzlerin sitzt.

Frage : Welche Minister waren denn anwesend, Frau Wirtz?

SRS'in Wirtz: Sagen wir es einmal so: Das Wichtigste ist ja, dass das Kabinett beschlussfähig war. Das heißt, es waren hinreichend Minister anwesend, um die von mir schon erwähnten Gesetze beziehungsweise Verordnungen zu verabschieden. Anwesend waren der Bundeswirtschaftsminister, der Bundesaußenminister, der Bundesjustizminister, die Bundesarbeitsministerin, der Bundeslandwirtschaftsminister, der Bundesgesundheitsminister, die Bundesbildungsministerin und der Bundesminister für besondere Aufgaben.

Frage : Ich habe zum Thema Korruption im Gesundheitswesen eine Frage, vielleicht eine etwas andere. Es soll Fälle geben, in denen Pflegedienste Schmiergeldzahlungen an Pflegebedürftige oder deren Angehörige leisten, um diese Pflegebedürftigen pflegen zu dürfen, weil das ein lukrativer Job ist. Sind dem Justizministerium oder dem Gesundheitsministerium solche Fälle bekannt, und deckt das neue Gesetz auch solche Fälle ab?

Zimmermann: Ich kann Ihnen jetzt nicht ganz konkret sagen, inwiefern solche konkreten Fälle bei uns bekannt sind. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir unseren neuen Gesetzentwurf so vorgesehen und ausgestaltet haben, dass zu den Personen, die sich künftig wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen strafbar machen können, auch Krankenpfleger gehören, und zwar dann, wenn sie einen Vorteil als Gegenleistung dafür erlangen, dass ihre heilberufliche Unabhängigkeit nicht mehr gewährt wird. Das heißt, man braucht für die Annahme eines Vorteils immer eine entsprechende Gegenleistung, die dann erbracht wird. Einzelfallkonstellationen sind natürlich jetzt für mich auch nicht wirklich zu bewerten. Das kommt dann immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Aber generell ist es so, dass sich auch Gesundheits- und Krankenpfleger auf Nehmerseite künftig wegen Bestechlichkeit strafbar machen können.

Zusatzfrage : Und wenn sie die Geber sind?

Zimmermann: Auf Geberseite ist ohnehin jede Person erfasst. Das heißt, jede natürliche Person - wie Sie und ich - kann sich auf Geberseite wegen Bestechung strafbar machen.

Frage : Mich interessiert die Rüstungspolitik. Ich möchte das Wirtschaftsministerium fragen: Es steht ja die Panzerfusion von Krauss-Maffei mit Nexter an. Ich erinnere mich, dass die Bundesregierung vor einigen Wochen ein Zehn-Punkte-Strategiepapier zur Rüstungspolitik beschlossen hat. Darin war von einer stärkeren Europäisierung, die man im Rüstungsbereich anstrebt, auch bei Firmenzusammenführungen, die Rede. Ist diese Panzerfusion das, was sich die Bundesregierung als Europäisierung vorstellt? Spielt die Bundesregierung bei solchen Vorgängen eine aktive Rolle? Das heißt, führt sie solche Fusionsgespräche möglicherweise selbst herbei?

Zu dem ganz konkreten Fall Nexter/Krauss-Maffei interessiert mich noch: Von Krauss-Maffei ist in einem Interview schon der Wunsch, die Absicht geäußert worden, dass man zwischen der Bundesregierung und Frankreich Gespräche zur Harmonisierung der Rüstungsexportpolitik führen sollte, die ja in Frankreich etwas lockerer gehandhabt wird. Ist die Bundesregierung darauf eingestellt, nach dieser Unternehmensfusion solche Gespräche mit Frankreich zu führen, um auf ein gemeinsames Level bei Rüstungsexporten zu kommen?

Dünow: Vielen Dank. Das sind viele komplizierte Fragen auf einmal. Ich versuche es kurz zu machen.

Erstens. Die Bundesregierung hat keine aktive Rolle gespielt. Das ist eine unternehmerische Entscheidung.

Zweitens. Die strengen deutschen Rüstungsexport- und -kontrollvorschriften gelten unvermindert weiter. Minister Gabriel hat im Oktober vergangenen Jahres bei einer Rede für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik hier in Berlin zu dem ganzen Komplex Stellung genommen. Ich zitiere ihn einmal wörtlich:

"Aus meiner Sicht kann die Lösung nicht darin bestehen, dass wir unsere deutschen Exportrichtlinien einfach zugunsten des Kooperationslandes lockern, sondern dass wir dringend auch hier eine europäisierte Rüstungsexportdebatte brauchen."

Wir können also gerne eine Debatte führen. Ich gehe aber davon aus, dass die nicht das Ergebnis haben wird, dass wir unsere strengen Vorschriften in Deutschland lockern werden.

Zusatzfrage : Ich darf ergänzend zu der aktiven Rolle über den konkreten Fall hinausgehend fragen: Hat die Bundesregierung vor, selbst weitere Fusionen auf europäischer Ebene, auf dieser Ebene aktiv zu befördern, sich da einzuschalten?

Zu dem letztgenannten Punkt ist mir etwas noch nicht klar geworden: Wenn jetzt der Wunsch von Frankreich geäußert wird, mit Deutschland über Veränderungen der Exportpolitik zu sprechen, gibt es da irgendeinen Raum für Veränderungen der jetzigen Regelungen in Deutschland? Denn man braucht sich ja dann nicht zu unterhalten, wenn man sagt: "Es bleibt sowieso bei der restriktiven Politik, die wir haben." Dann brauchen wir auch nicht zu reden. Gibt es da irgendwelche Spielräume, etwas zu verändern?

Dünow: Zu Ihrer ersten Frage: Da die Bundesregierung, die Bundesrepublik nicht Eigentümer von irgendwelchen Rüstungsunternehmen ist, kann sie auch keine aktive Rolle bei möglichen Fusionen spielen.

Zu der zweiten Frage: Minister Gabriel hat in der Vergangenheit häufig genug darauf hingewiesen, dass er die Rüstungsexportvorschriften, die es in Deutschland gibt, sehr restriktiv auslegt und auch weiterhin sehr restriktiv auszulegen gedenkt. Insofern kann man Gespräche führen. An der Grundhaltung wird sich aber nach menschlichem Ermessen erst einmal nichts ändern.

Frage: Was wird man denn dagegen unternehmen, dass das neue Unternehmen - was auch immer - dann einfach von Frankreich aus verkauft? Da wird man ja irgendeine Regelung finden müssen, dass man nicht sagt: Der Leopard 3 - oder wie auch immer das Ding dann heißen wird - wird zwar da und da gebaut, aber verkauft wird er im anderen Land.

Dünow: Die Regeln müssen wir nicht finden; die Regeln haben wir längst. Es gibt ja eine ganze Reihe von multinational aufgestellten Unternehmen - Stichwort Airbus -, bei denen das Rüstungsexportgenehmigungsgeschäft schon heute gewissermaßen deutsche Komponenten, deutsche Technologien betrifft. Das ist ein eingespieltes Verfahren. Grundsätzlich gelten für jede Zulieferung für ein ausländisches Unternehmen, für jede Zulieferung innerhalb eines dann möglicherweise fusionierten Konzerns und für jeden Transfer von Technologie die deutschen Rüstungsexportvorschriften. Daran wird sich auch nichts ändern.

Frage : Noch einmal zur Klarstellung, Herr Dünow: Heißt das jetzt, wer verkauft, entscheidet, an wen zum Beispiel so ein System wie dieser neue Panzer ginge? Das heißt, die restriktiven deutschen Richtlinien stehen parallel neben den etwas laxeren französischen, und beide existieren in friedlicher Koexistenz?

Dünow: Nein. Es gilt nicht die Regel, wer verkauft, entscheidet, sondern es gilt die Regel, wer entwickelt oder produziert, entscheidet. Das ist auch schon heute nach geltendem Recht das täglich Brot im Bundeswirtschaftsministerium, in der Rüstungsexportkontrollpolitik. Das heißt, wenn ein deutsches Unternehmen ein Teil - einen Motor oder so etwas - für ein, sagen wir, französisches oder australisches Unternehmen zuliefert, das wiederum in ein Rüstungsgut eingebaut wird, das an ein beliebiges Drittland exportiert werden soll, dann unterliegt diese Zulieferung den deutschen Rüstungsexportkontrollmechanismen.

Zusatzfrage : Nun wird sich ja nach Lage der Dinge die französische Regierung nicht unbedingt von Deutschlands restriktiveren Vorschriften beeinflussen lassen. Wie soll das denn in der Praxis dann laufen?

Dünow: Das läuft in der Praxis so, wie es schon heute läuft: Wenn ein deutsches Teil oder deutsches Know-how transferiert wird, sozusagen materiell im Sinne von "Ein Motor wird über eine Grenze geliefert" oder im Sinne von Technologietransfer, dann muss das vom BMWi oder vom BAFA - das ist ja ein abgestuftes Verfahren - genehmigt werden.

Frage : Herr Dünow, wie definieren Sie denn "deutsches Unternehmen"? Wenn Krauss-Maffei jetzt mit dem französischen Unternehmen fusioniert, dann ist es ja ein Unternehmen. Wenn es seinen Standortsitz in Frankreich hat, ist es dann ein französisches Unternehmen und unterliegt dann nicht den deutschen Bestimmungen?

Dünow: Nein. Das ist gesetzlich ganz klar geregelt. Nehmen wir das Beispiel Airbus, weil das ein eingeführtes Verfahren ist. Das Unternehmen hat seinen offiziellen Sitz in Amsterdam. Trotzdem unterliegen Zulieferungen für militärische Geräte, die in Deutschland entwickelt oder produziert worden sind, unserem Regime.

Zusatzfrage : Ich habe noch eine Lernfrage. Es gibt doch dieses deutsch-französische Abkommen aus den 70er-Jahren - das ist noch immer gültig -, in dem es heißt: Die eine Seite mischt sich bei der anderen Seite in Sachen Exporten nicht ein. Welche Rolle spielt das zukünftig?

Dünow: Gar keine. Sie spielen auf das sogenannte Schmidt-Debré-Abkommen aus dem Jahr 1972 an. Das ist eine Vereinbarung zwischen zwei Verteidigungsministern. Das bezog sich ausschließlich auf staatliche Rüstungsentwicklungsprojekte. Es gab, wenn ich das richtig sehe, einen Anwendungsfall, bei dem es eine solche Kooperation gab. Aber nageln Sie mich bitte nicht darauf fest. In der Praxis spielt das keine Rolle.

Frage: Um die Exportchancen möglichst hochzuschrauben, würde man das gemeinsame Unternehmen dann doch möglichst komplett nach Frankreich verlagern. Was heißt das aus der Sicht der Bundesregierung für deutsche Arbeitsplätze, bezogen auf diejenigen, die wir jetzt bei KMW haben?

Unabhängig davon: Wie wird sich die Fusion aus Ihrer Sicht auf Arbeitsplätze überhaupt in der Branche auswirken? Es gibt ja auch Befürchtungen, dass gerade Mittelständler durch den Wegfall eines möglichen Kunden oder durch die Fusion dieser zwei Kunden Probleme bekommen könnten.

Dünow: Zu der ersten Frage: Wie sich Unternehmen aufstellen, ist Sache der Unternehmen. Ich wiederhole: Es ist völlig normal und ein ganz normaler Vorgang, gerade in der Rüstungswirtschaft, dass Unternehmen mehrere Standorte in mehreren unterschiedlichen Ländern haben und dass da unterschiedliche Exportregime gelten. Das ist nicht neu. Da brauchen wir keine neuen Regeln, sondern wir müssen die Regeln, die wir haben, die sich bewährt haben und die übrigens auch nicht dazu geführt haben, dass die deutsche Rüstungsindustrie massenhaft abgewandert oder zugrunde gegangen wäre, weiter anwenden.

Zusatzfrage: Findet der Wirtschaftsminister diese Fusion gut, oder ist es ihm eigentlich egal?

Dünow: Da der Wirtschaftsminister irgendwann in der Situation sein wird, dass er, wenn diese Fusion angezeigt wird, nach dem Außenwirtschaftsgesetz Einspruch einlegen müsste, wenn deutsche Sicherheitsinteressen betroffen wären, kann er sich vorher dazu nicht äußern.

Frage : Ich habe es so verstanden: Wenn ein Unternehmen etwas entwickelt und hier produziert, dann unterliegt das den deutschen Rüstungsexportbestimmungen. Richtig?

Dünow: Nicht ganz richtig: entwickelt oder produziert.

Zusatzfrage : Wenn jetzt das neue Unternehmen mit Krauss-Maffei sagt: "Hey, wir haben den Panzer am Schreibtisch in Frankreich entwickelt und haben das alles in Frankreich produziert. Wir wollen ihn an Saudi-Arabien verkaufen", muss das dann noch bei der Bundesregierung angezeigt werden?

Dünow: Wenn ein französisches Unternehmen ein französisches Produkt neu entwickelt und an einen ausländischen Kunden verkaufen würde, wäre das natürlich nicht der Fall. Sie spielen wahrscheinlich auf die Frage an: Wie läuft es mit der Know-how-Zulieferung? Was passiert beispielsweise, wenn - ich sage einmal untechnisch - Blaupausen von Krauss-Maffei Wegmann in dieses Unternehmen eingebracht werden? Auch dieser Know-how-Transfer unterliegt den Regularien, die wir für materielle Rüstungsexporte haben.

Zusatzfrage : Aber wie will man denn einen Know-how-Transfer kontrollieren?

Dünow: Das ist das ganz normale Geschäft sowohl des BMWi als auch des BAFA. Sie können nicht einfach Pläne für Rüstungsgüter wild in der Welt herum handeln. Das ist aber auch nichts Neues.

Frage : Herr Dünow, sehen Sie die Gefahr, dass dadurch, weil es möglicherweise in Frankreich leichter ist, Rüstungsexportgüter in Drittstaaten zu exportieren - um die geht es ja -, dies dennoch eine gewisse Sogwirkung dahin gehend entfalten könnte, dass das, was in Deutschland noch an Rüstungsindustrie vorhanden ist, möglicherweise dann in Richtung Frankreich abwandert?

Dünow: Nein, die Gefahr sehe ich nicht, weil die deutschen Rüstungsexportregularien schon seit vielen Jahren gelten, in der Vergangenheit gelegentlich unterschiedlich intensiv ausgelegt worden sind, aber wir nach wie vor eine sehr gut aufgestellte Rüstungsindustrie in Deutschland haben. Darüber sind wir auch sehr froh.

Frage: Herr Dünow, wir haben ja über den Einsatz von Eurofightern und Tornados saudischer Herkunft im Jemen-Konflikt gesprochen. Das wurde immer als britische Rüstungsexportlieferung definiert. Ist ein Eurofighter, der jetzt im Jemen kämpft, ein deutscher Rüstungsexport, und welche Analogien lassen sich dann bei dem deutsch-französischen Projekt daraus ziehen?

Dünow: Die Frage kann ich Ihnen aus dem Stand, ehrlich gesagt, nicht beantworten. Ich gehe davon aus, dass bei allen großen Systemen, die beispielsweise wie der Eurofighter unter Beteiligung von vielen internationalen Firmen hergestellt werden, immer schwer ist zu sagen, woher das System wirklich stammt. Wichtig ist: Egal, wo ein Eurofighter oder ein anderes Flugzeug mit deutschen Zulieferungen fliegt oder am Boden steht, muss immer das BMWi oder das BAFA eine entsprechende Genehmigung für den Export dieser Teile erteilt haben.

Zusatzfrage: Das verändert aber dann doch die Debatte um den Einsatz von saudischen Eurofightern und Tornados in einem unmittelbaren Konflikt- und Kriegsgebiet, oder? Bisher wurde immer gesagt: Wir sind nicht zuständig. Das sind britische Waffenlieferungen gewesen.

Dünow: In dem konkreten Fall kann ich Ihnen aus dem Stand einfach nicht sagen, wer die letzte Genehmigung erteilt hat. Das weiß ich schlicht und ergreifend nicht.

Frage: Mir wird bei dieser ganzen Diskussion nicht klar, welches Interesse eigentlich das französische Unternehmen der beiden Partner haben sollte; denn in dem Moment, wo er mit einem deutschen Unternehmen kooperiert, die Entwicklung zusammenschmeißt, wird ja der Anteil dessen, was deutschen Regularien unterliegt, immer größer. Das heißt doch, die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Seite dann eben nicht nur einen Motor liefert, den man dann gegebenenfalls ersetzen könnte, sondern dass die Hälfte der Blaupause aus Deutschland kommt und das Produkt dann gesperrt ist, wird mit jeder zusätzlichen Kooperation größer. Wo soll der Sinn für einen Franzosen liegen, es sei denn, er möchte sich aus dem Markt kegeln?

Dünow: Das ist eine Frage, die Sie sinnvollerweise nicht mir, sondern dem Management oder dem Eigentümer von Nexter stellen sollten. Ich habe nach den Presseveröffentlichungen den Eindruck, dass es ein großes Interesse an dieser Kooperation, möglicherweise an dieser Fusion gibt. Aber ich als Sprecher des Wirtschaftsministeriums kann das nicht weiter kommentieren.

Frage: Herr Dünow, ich mache gleich bei Ihnen weiter. Es gab heute Umfragewerte für den Wirtschaftsminister, die nicht besonders gut waren. Hat sich Herr Gabriel darüber geärgert?

Die zweite Frage, andere Baustelle: Wäre es denkbar, dass die KfW bei K+S einsteigt, um einen Aufkauf durch Potash zu verhindern?

Dünow: Zu Ihrer ersten Frage: Ich jedenfalls habe heute nichts über Umfragen zum Bundeswirtschaftsminister gelesen, zu anderen Funktionen möglicherweise schon. Ich bin aber nicht dazu in der Lage, Ihnen Auskünfte zu geben.

Zu der zweiten Frage: Die mögliche Fusion, die Sie angesprochen haben, ist eine unternehmerische Entscheidung, die ich nicht kommentiere.

Frage : Wenn Sie von Ihrem Ministerium aus immerhin insofern kommentieren, als Sie bestätigen, dass es Gespräche gegeben hat, verstehe ich Ihre Zurückhaltung nicht ganz. Ich würde gerne wissen, auf welcher Ebene diese Gespräche in Ihrem Hause geführt worden sind und was der Hintergrund dieser Gespräche ist, die Sie nicht kommentieren wollen.

Dünow: Auf welcher Ebene die Gespräche geführt worden sind, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen auch nichts zum Inhalt der Gespräche sagen. Ich gehe aber davon aus, dass die Gespräche vermutlich auf Telefonanrufe aus dem betroffenen Unternehmen zurückgehen.

Frage : Auch ich habe noch eine Frage zu den Gesprächen. Ist es richtig, dass mit beiden Seiten gesprochen wurde, also sowohl mit K+S also auch mit Potash?

Dünow: Ich kann das wiederholen, was ich eben gesagt habe: Es hat Gespräche gegeben. Das ist bei solchen Diskussionen durchaus nicht ungewöhnlich. Das machen wir tagtäglich. Zu weiteren Details kann ich Ihnen nichts sagen.

Frage : Ich möchte zum Konflikt der Türkei gegen ISIS, gegen die Kurden kommen und erst einmal die Einschätzung des Auswärtigen Amtes und vielleicht auch des Kanzleramts zur Zukunft des türkisch-kurdischen Friedensprozesses wissen.

SRS'in Wirtz: Dazu kann ich kurz etwas sagen. Dann kann Frau Chebli vielleicht noch weiter ergänzen. Sie wissen: Am Montag - beziehungsweise schon am Sonntag haben wir die Pressemitteilung herausgegeben - hat mein Kollege Herr Streiter darauf hingewiesen, dass es ein entsprechendes Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem türkischen Ministerpräsidenten gab, in dem auch noch einmal die Notwendigkeit, die Wichtigkeit dieses Friedensprozesses erwähnt worden ist. In der Tat hat sich an der Haltung der Bundesregierung nichts geändert, dass die Bundesregierung einen solchen Friedensprozess in der Türkei für sehr wichtig hält und es durchaus begrüßen würde oder sie die Hoffnung hat, dass es dann, wenn der jetzige Weg, der beschritten worden ist, nicht zu einem Erfolg führt, hoffentlich bald neue Ansatzpunkte geben wird, um diesen Friedensprozess weiterzuführen.

Zusatzfrage : Ich wollte eigentlich eine realistische Einschätzung der ganzen Lage bekommen. Jetzt rezitieren Sie einfach nur das, was Ihnen da die türkische Seite gesagt hat: Ja, natürlich wollen wir weiterhin Frieden usw. - Aber das sieht alles andere als nach dem aus.

SRS'in Wirtz: Ich bin die Sprecherin der deutschen Bundesregierung. Also lasse ich mir bestimmt nicht von der türkischen Regierung in den Block diktieren, was ich sage. Ich kann Ihnen nur das referieren, wonach Sie gefragt haben. So habe ich das jedenfalls verstanden, nämlich dass Sie die Stellungnahme der deutschen Bundesregierung zu der Entwicklung in der Türkei hören wollten. Ich kann Ihnen daher noch einmal sagen, dass die Haltung der Bundesregierung ist, dass dieser Friedensprozess eine große Bedeutung für die Region, für dieses Land, für die Türkei hat, und dass die Bundesregierung daher die Hoffnung äußert, dass dieser Prozess, der jetzt ganz offensichtlich in Schwierigkeiten geraten ist, trotzdem wieder neue Ansatzpunkte findet, um diesen Prozess weiterzutreiben. Das ist die Haltung der Bundeskanzlerin zu dem Thema.

Vielleicht möchte Frau Chebli das aus der Sicht des Außenministeriums noch ergänzen.

Chebli: Ich kann das eigentlich nur unterstreichen: Allen muss daran gelegen sein, dass dieser Friedensprozess fortgesetzt wird. Sie haben recht: Die gegenwärtige Lage ist schwierig. Aber wir bleiben natürlich bei unserer Haltung, dass es am Ende für die Zukunft der Türkei am besten wäre, wenn dieser Friedensprozess aufrechterhalten und fortgesetzt werden würde.

Ich kann vielleicht ergänzen, dass der Politische Direktor im Auswärtigen Amt zu Gesprächen nach Ankara in die Türkei reisen wird und dort mit dem Staatssekretär im türkischen Außenministerium sprechen wird. Dabei wird natürlich die Lage insgesamt ein Thema sein. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass über den Friedensprozess gesprochen werden wird und wir noch einmal die Gelegenheit haben werden, die Position der Bundesregierung zu verdeutlichen.

Vielleicht noch ein weiterer Aspekt, der auch in dem Türkei-Kontext eine Rolle spielt: Gestern hat der Außenminister mit Präsident Barzani telefoniert, weil wir auch noch einmal von ihm eine Lageeinschätzung haben wollten. Präsident Barzani und der Minister waren sich einig darin, dass die PKK und die Türkei zu dem eingeschlagenen Friedensprozess zurückkehren sollten und dass eine Eskalation im Prinzip nur den Extremisten dient.

Zusatzfrage : Ich habe noch eine Lernfrage: Wie hält es die Bundesregierung eigentlich mit der sogenannten Kurdenfrage? Ist man für einen eigenen Kurdenstaat?

Chebli: Ich glaube, zu der Kurdenfrage haben wir hier auch mehrfach Stellung bezogen, auch zu einem kurdischen Staat. Da hat sich an der Haltung der Bundesregierung nichts verändert.

Zusatzfrage : (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

Chebli: Die Haltung der Bundesregierung ist, dass wir nicht für einen kurdischen Staat sind, sondern dass wir der Meinung sind, dass wir keine weiteren neuen Grenzziehungen in der Region brauchen. Neue Grenzen haben in der Region in der Vergangenheit eher nicht unbedingt zu den positivsten Ergebnissen geführt. In einer Region, in der es lauter Unabwägbarkeiten, viele Konflikte und Krisenherde gibt, sind Grenzziehungen, glaube ich, nicht das beste Mittel, um für eine Befriedung und Frieden in der Region zu sorgen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium: Hat sich an der Einschätzung der Sicherheitslage für die deutschen Soldaten im Patriot-Einsatz etwas geändert? Hat es in den Einsatzregeln - zum Beispiel auch bei den Regeln darüber, was das Verlassen des Geländes und das tägliche Verhalten angeht - irgendwelche Veränderungen gegeben, durch die man auf eine verschärfte Sicherheitslage eingeht?

Nannt: Wir beobachten die Lage natürlich sehr genau, gerade diese Entwicklung in den letzten Tagen. Wir stehen dazu auch in einem ständigen Dialog mit den regionalen Sicherheitsbehörden vor Ort, aber auch mit unseren Partnern.

Die Sicherheit unserer Soldaten vor Ort hat natürlich für uns oberste Priorität. Wir haben auch allgemein unsere Absicherungsmaßnahmen erhöht, dies auch im Zusammenspiel mit den türkischen Streitkräften, die dort auch weitere Maßnahmen ergriffen haben, sodass wir den Schutz unserer Soldaten dort gewährleisten. Das sind zum Beispiel solche Punkte, wie Sie sie ansprechen, also eine Ausgangssperre oder eine verstärkte Sicherung der Kaserne durch türkische Kräfte; ich will da jetzt nicht ins Detail gehen.

Wichtig ist: Wir haben die Maßnahmen erhöht, und der Schutz ist für uns natürlich ganz wichtig. Das hat die Ministerin ja auch gestern in dem Telefonat mit ihrem türkischen Amtskollegen noch einmal deutlich gemacht, indem sie auch noch einmal darauf hingewiesen hat, dass das ein ganz wichtiger und entscheidender Punkt ist.

Zusatzfrage: In der politischen Debatte geht es ja jetzt einerseits um die Frage, dass zunehmend Stimmen laut werden, die diesen Einsatz insgesamt infrage stellen. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass das Mandat ja deutlich über die bisherigen 250 Soldaten hinausgeht, und fragen, ob man nicht die Sicherheitskomponente erhöhen und zusätzliche Soldaten zur Absicherung des Einsatzes schicken sollte. Gibt es solche Überlegungen im Verteidigungsministerium?

Nannt: Wie gesagt: Derzeit haben wir gar keine Anzeichen dafür, dass sich die Gefährdungslage verändert hat, auch wenn wir jetzt die Sicherheitsmaßnahmen erhöht haben. Wir haben ein Mandat. Das ist bis zum 31. Januar 2016 befristet. Der Einsatz wird jetzt auch im Rahmen der parlamentarischen Beschlusslage sowie unter engerer weiterer Beobachtung so fortgeführt.

Zusatzfrage: Das Mandat umfasst ja maximal 400 Soldaten. Jetzt sind rund 250 Soldaten da. Jetzt werden Stimmen laut, die sagen, man müsste die Sicherheitskomponente erhöhen und deshalb zusätzliche Soldaten bis zur Mandatsobergrenze von 400 Soldaten dorthin schicken. Gibt es solche Überlegungen?

Nannt: Noch einmal: Es gibt derzeit keine Auswirkungen auf den operativen Auftrag. Derzeit sind die Soldaten, die dort unten sind, genau so dort unten heruntergeschickt worden. Derzeit gibt es also keine Überlegungen. Aber, wie gesagt, man beobachtet natürlich weiterhin, wie sich die Lage entwickelt; keine Frage.

Frage : Die Bundesregierung hat ja nun in den letzten Tagen - die Kanzlerin am Wochenende - das große Gewicht, das man dem Friedensprozess einräumt, hinlänglich deutlich gemacht. Fühlt sich denn die Bundesregierung durch die Aufkündigung dieses Prozesses durch die türkische Regierung brüskiert?

Als Zweites würde mich interessieren: Wie läuft denn da die Kommunikation über die EU? Ist die EU da auf einer geschlossenen Linie, oder agiert jeder quasi für sich mit Anrufen bei den verschiedenen Amtsträgern in der Türkei und mit dem Vertreten seiner Position?

SRS'in Wirtz: Was die Situation in der Türkei insgesamt anbelangt, ist es natürlich so, dass sich in dem Land natürlich eine gewisse Instabilität darstellt und dass es da zu Eskalationen kommt. Das ist für die Bundesregierung natürlich durchaus Grund für Sorge. Deshalb nutzte die Bundesregierung auch Gesprächskanäle. Die Bundeskanzlerin selbst, der Bundesaußenminister und die Bundesverteidigungsministerin sind im Gespräch mit ihren jeweiligen Kollegen, um sich zum einen natürlich über die Situation vor Ort zu informieren, aber um vielleicht auch zu sehen, in welchen Punkten man hilfreich sein kann.

Die Bundeskanzlerin hat ja auch klargemacht - nicht nur die Bundeskanzlerin, sondern auch die Minister und Ministerinnen, die sich zu dem Thema geäußert haben -, dass es natürlich einerseits das Verteidigungsrecht der Türkei gegen terroristische Anschläge gibt, aber dass andererseits - wie bei all diesen Fragen, wenn es um solche Notwehr geht - immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss. Das ist ein Grundsatz, der sich jetzt natürlich auch durch die weitere Entwicklung zieht.

Zusatzfrage : Sagen Sie noch etwas zu den Abstimmungen auf europäischer Ebene?

SRS'in Wirtz: Dazu kann vielleicht Frau Chebli etwas sagen; ich kann es jetzt nicht im Konkreten.

Chebli: Soweit ich es richtig in Erinnerung habe, hat sich Frau Mogherini ja ziemlich schnell geäußert. Ich weiß jetzt nur nicht genau, wann. Frau Mogherini spricht dann ja auch für die EU und vertritt im Prinzip die Linie - ich bin jetzt nicht ihre Sprecherin -, dass auf der einen Seite die reale Bedrohung der Türkei durch den Terror und Gruppen wie ISIS existiert, aber dass gleichzeitig an die Türkei appelliert wird, am Friedensprozess festzuhalten. Was die einzelnen Akteure und die einzelnen Staaten angeht, kann ich das jetzt hier natürlich nicht im Einzelnen beurteilen.

Zusatzfrage : Die Meinungsäußerung von Frau Mogherini stammt ja vom Wochenende. Seitdem habe ich aus Brüssel nichts mehr gehört. Habe ich da etwas überhört?

Chebli: Ich dachte, das wäre früher gewesen. Das weiß ich nicht ganz genau. Aber ich glaube, ohne dass ich dem jetzt vorgreifen wollte, wie gesagt, dass es da eine einheitliche Meinung über die Bedrohungsanalyse der Türkei einerseits und den Umgang und unsere Haltung zum Friedensprozess andererseits gibt, die ja gestern auch noch einmal innerhalb der Nato zum Ausdruck gebracht wurde.

Frage : Ich wollte einmal zu völkerrechtlichen Fragen kommen, weil die Bundesregierung ja immer ein Befürworter des Völkerrechts ist. Erstens: Wie sind diese Bombenangriffe auf syrisches Territorium mit dem Völkerrecht aktuell vereinbar? Gibt es da einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates oder Ähnliches?

Chebli: Ich glaube, was Syrien angeht, gibt es die internationale Koalition, also die Amerikaner und weitere Staaten. Das völkerrechtliche Mandat bezog sich ja sozusagen auf Notwehr, um dem Irak zur Hilfe zu kommen. Jetzt ist es auch so, dass natürlich die Türkei - - - Grundsätzlich gibt es auch im Völkerrecht unter bestimmten Bedingungen das Recht auf Notwehr gegen Angriffe, und das ist jetzt auch in diesem Fall der Fall.

Zusatz . Es ging um Syrien!

Chebli: Ja, auch um Syrien. Ich glaube, völkerrechtlich ist das alles ein bisschen schwierig und nicht einfach zu formulieren. Aber grundsätzlich gibt es auch im Völkerrecht unter bestimmten Bedingungen das Recht auf Notwehr gegen Angriffe beziehungsweise im Fall eines bewaffneten Angriffs das Recht auf Selbstverteidigung. Und das bezieht sich hier auch auf die Angriffe der Türkei auf ISIS in Syrien.

Zusatzfrage : Das Zweite ist die Flugverbotszone. Ich weiß jetzt nur nicht, ob sie schon eingerichtet wurde oder eingerichtet werden soll. Muss es dafür nicht auch einen UN-Sicherheitsratsbeschluss geben?

Chebli: Es gibt ja keinen, der hier über eine Flugverbotszone spricht. Diese Diskussion habe ich jetzt nicht gehört. Wovon ich in den Medien gehört habe - scheinbar gibt es auch schon ein Abkommen zwischen den Amerikanern und der Türkei -, ist eine Sicherheitszone, wobei wir nach unseren Erkenntnissen auch nicht bestätigen können, dass es diese Sicherheitszone oder ein Abkommen darüber geben soll. Nach den Gesprächen und Erkenntnissen, die wir haben, gibt es ein solches Abkommen nicht. Ich habe ja in der letzten Regierungspressekonferenz dazu Stellung bezogen, wie unsere Haltung zu einer Sicherheitszone insgesamt aussieht, und an dieser Haltung hält die Bundesregierung fest.

Frage: Ich habe eine weitere Frage an Frau Chebli. Sie haben das Telefonat des Ministers mit Barzani erwähnt. Fragt Herr Steinmeier in solchen Gesprächen, die er führt, eigentlich auch einmal nach, wie sich dieser Konflikt im Moment konkret an der Grenze auswirkt, und was erfährt er dann? Wir hören immer nur, dass PKK-Stellungen bombardiert werden. Das hat aber, denke ich einmal, ganz konkrete Auswirkungen. Man erfährt aber nichts darüber, wie viele Menschenleben dort gerade geopfert werden. Vielleicht weiß der Minister ja ein bisschen mehr, nachdem er solche Telefonate geführt hat.

Chebli: Der Minister hat in der Tat auch darüber mit Herrn Barzani gesprochen. Ich möchte jetzt nicht in den einzelnen Details auf die Aussagen von Herrn Barzani und den Inhalt des Gesprächs eingehen. Was man letztendlich aus dem Gespräch festhalten kann, ist, dass beide der Meinung sind, dass man die Gefahr einer weiteren Eskalation bannen muss, weil sie am Ende Extremisten dient und das natürlich für die gesamte Region keine gute Entwicklung wäre. Ich glaube, so viel kann man dazu sagen. Barzani hat dem Minister zudem gesagt, dass er mit der türkischen Seite in Kontakt steht, was eine gute Sache ist.

Zusatzfrage: Kommt, wenn ich direkt nachfragen darf, von dieser Seite auch einmal der Appell an Deutschland, jetzt auch wirklich ein Bundesgenosse zu sein, von dem man bis jetzt ja fest davon ausgeht, dass er fest an der Seite der Kurden steht?

Chebli: Herr Barzani hat sich für die Unterstützung der Bundesregierung für die Peschmerga und für den Einsatz Deutschlands für die Peschmerga bedankt. Er hat gesagt, dass die Unterstützung sehr hilfreich ist und dass sie gebraucht wird. Das hat uns natürlich gefreut.

Frage : Ich habe jetzt einmal eine Verständnisfrage. Herr Nannt hatte ja am Montag gesagt, es gebe eine Endverbleibserklärung. Da gebe es eine Unterschrift von Herrn Barzani, glaube ich, in Bezug darauf, dass die deutschen Waffen bei den Peschmerga bleiben. Jetzt sagen Sie, dass Sie gegen einen eigenständigen kurdischen Staat sind, also gegen Kurdistan, bezeichnen aber Herrn Barzanis autonome Region im Nordirak als Staat. Ist das jetzt schon ein Staat? Das ist doch kein Staat. Der Staat ist doch der Irak, oder nicht?

Chebli: Wer hat denn über einen Staat gesprochen?

Zusatz : Herr Nannt! Herr Nannt, Sie haben am Montag gesagt, Sie hätten eine Unterschrift von einem Staat.

SRS'in Wirtz: Vielleicht darf ich an dieser Stelle nur einmal ganz kurz einhaken: Wir haben ja, wie wir uns erinnern, schon im vergangenen Jahr eine große Diskussion gehabt. Sie erinnern sich an die Bilder aus dem vergangenen Sommer, als sich die Situation zuspitzte und die Frage war, wie man den Kampf gegen IS in der Region unterstützen kann. Dann hat sich die Bundesregierung auf Bitten der Regionalregierung von Herrn Barzani und mit Zustimmung der Regierung in Bagdad praktisch entschlossen, diese Waffenlieferungen durchzuführen. Insofern ist das der Weg, der damals gewählt worden ist, und in diesem Zusammenhang sind dann auch die Endverbleibsklauseln abgeschlossen worden.

Chebli: Ich kann das nur ergänzen: Aber klar ist Ihnen ja, dass wir bei all der Hilfe, die wir unternehmen, und bei unserer Unterstützung für die Regionalregierung im Nordirak natürlich all das engstens mit der Zentralregierung abstimmen. Das ist Ihnen ja klar. Sonst könnte man auch nicht völkerrechtlich agieren.

Zusatzfrage : Herr Nannt, haben Sie jetzt eine Unterschrift aus Bagdad oder von Herrn Barzani bekommen?

Nannt: Ich habe jetzt nicht parat, wer das genau unterzeichnet hat. Aber letztendlich geht es genau in die (gerade vorgetragene) Richtung. Jede Unterstützung, die wir für die Region Kurdistan/Irak geleistet haben, also für die dortige Regierung, steht im Einvernehmen mit der Regierung im Irak. Insofern ist das quasi der Bereich, den man sehen muss. Es geht jetzt also nicht darum, dass man nur einen Teilbereich unterstützt, sondern das geschieht in enger Absprache, wie es Frau Wirtz auch gerade genau so gesagt hat.

Vorsitzender Mayntz: Würden Sie feststellen, woher die Unterschrift kommt, und uns das dann über den Verteiler mitteilen?

Nannt: Das kann ich tun.

Frage : Frau Chebli, gestern fand ja die Anhörung im US-Kongress zum Thema "Iran nuclear deal" statt. Erwarten Sie, dass der US-Kongress diesen Deal jetzt befürwortet, oder glauben Sie, dass es da Probleme geben wird?

Chebli: Wir hoffen natürlich sehr, dass die Zustimmung erfolgen wird. Aber der amerikanische Präsident und auch der Außenminister haben ja klargemacht - das habe ich hier, glaube ich, auch schon gesagt -, dass sie alles daransetzen werden, dass dieses Abkommen und der Deal am Ende durchgesetzt werden und das Wiener Abkommen umgesetzt wird. Vor diesem Hintergrund haben wir jedes Vertrauen in die amerikanische Regierung, dass dies der Fall ist.

Frage : Ich wollte einmal zum Thema VDS kommen. Dazu hat Herr Maas gestern Interessantes gesagt. Er meinte, er habe jetzt eine grundrechtsverträgliche Form der Vorratsdatenspeicherung ausgearbeitet. Wie kommt er darauf? Das ist ja nämlich immer noch eine anlasslose Speicherung, und anlasslose Speicherung ist europäisch wie auch nach der deutschen Verfassung verboten.

Zimmermann: Ich glaube, zur Vorratsdatenspeicherung haben wir hier wirklich mehrmals alles gesagt. Ich weiß jetzt auch nicht, was ich Ihnen dazu noch mehr sagen soll. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der ist vom Kabinett beschlossen worden. Der sieht strenge und enge Zugriffsvoraussetzungen und Eingriffsvoraussetzungen vor. Im Übrigen möchte ich tatsächlich auf die Protokolle verweisen, die wir hier vor ein paar Wochen in diesem Zusammenhang umfassend produziert haben.

Zusatzfrage : Das ist einfach nur eine Lernfrage. Ihr Minister behauptet, dass das grundrechtsverträglich ist. Gleichzeitig ist es ja immer noch eine anlasslose Speicherung, und damit kann das nicht grundrechtsverträglich sein.

Zimmermann: Das ist Ihre Ansicht, dass das nicht grundrechtsverträglich ist. Wir haben, wie ich gerade eben schon sagte, enge Zugriffsvoraussetzungen in unserem Gesetzentwurf normiert. Die Daten, die gespeichert werden können, sind nicht so umfassend wie bei dem, was früher unter Vorratsdatenspeicherung verstanden wurde. Insofern bezieht sich die Aussage von Herrn Maas, die Sie gerade zitiert haben, genau auf diesen Umstand.

Frage : Ich möchte das Wirtschaftsministerium etwas fragen. Es gibt eine neue Studie, in der es heißt, dass die Atomrückstellungen bei RWE und bei E.ON möglicherweise nicht ausreichend hoch sind. Mich würde interessieren: Gibt es eigentlich schon eine Nachschusspflicht der Konzerne, wenn die Rückstellungen für den Rückbau von Atomanlagen höher ausfallen, oder ist das noch in diesem Jahr geplant? Mir ist dazu im Kopf, dass das zumindest in der Diskussion ist.

Dünow: Zu dem Gutachten der Grünen kann ich Ihnen nichts sagen; das liegt uns nicht vor. Das geltende Recht ist aber ziemlich klar: Die Verantwortung der Kernkraftwerksbetreiber für die Übernahme sämtlicher Kosten zum Rückbau und zur Endlagerung ist im Atomgesetz normiert. Das Bundeswirtschaftsministerium hat aber, wie im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, das Thema schon aufgegriffen. Es hat, wie Sie wissen, ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, das auch bei uns auf der Internetseite steht. Wir bereiten jetzt gerade einen Stresstest vor. In der Tat bereiten wir auch ein Gesetz vor, das die Frage der Haftung bei gesellschaftsrechtlichen Veränderungen noch einmal klärt und noch einmal klarer fasst, als sie ohnehin schon gefasst ist.

Zusatzfrage : Aber gibt es eine konkrete Nachschusspflicht, wenn das, was jetzt von den Konzernen eingestellt worden ist, nicht ausreicht, oder gibt es die nicht?

Dünow: Ja, selbstverständlich! Die Konzerne haften für sämtliche Kosten, die durch den Rückbau und die Endlagerung der Atomkraftwerke entstehen, mit denen sie ja über viele Jahre hinweg viel Geld verdient haben.

Frage: Herr Plate, man hört ja, dass in der Union in punkto Zuwanderung und Einwanderungsrecht einiges in Bewegung ist. Da ist ihr Minister ja jetzt möglicherweise ein bisschen spät dran mit seiner Haltung zu diesem Thema beziehungsweise er müsste sie möglicherweise verändern. Bis jetzt hat er ja gesehen: Es gibt keine größere Notwendigkeit dafür, etwas zu ändern und Paragrafen zusammenzuführen. Ist das noch der letzte Stand, oder kann man da für die Zukunft etwas an veränderter Haltung erwarten?

Plate: Vielen Dank für die Frage. Ich bin mir nicht richtig sicher, ob ich richtig verstehe, was Sie damit meinen, dass der Minister mit seiner Haltung irgendwie spät dran sei. Das verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht.

Aber wenn Sie sozusagen grundsätzlich zur Debatte um ein Einwanderungsgesetz oder ein mögliches Einwanderungsgesetz nach einer Stellungnahme fragen, und so verstehe ich jetzt einfach einmal Ihre Frage, ist das im Moment ja in erster Linie eine parteiinterne Diskussion innerhalb der CDU sowie inzwischen auch ein bisschen eine Diskussion, die sich zwischen der CDU und der SPD beziehungsweise dortigen einzelnen Akteuren abspielt. Dazu möchte ich als Sprecher des Bundesinnenministeriums oder als Teil der Bundesregierung jetzt gar nicht Stellung nehmen.

Ich verweise aber gerne darauf, was der Minister schon am 14. April in der Migrationskonferenz gesagt hat, die das BMI selbst einberufen hat. Das habe ich jetzt zwar nicht wörtlich dabei, aber im Wesentlichen hat er da gesagt, dass man natürlich an allen Gesetzen und auch am Aufenthaltsgesetz sicherlich vieles im Einzelnen verbessern kann, dass aber die entscheidende Frage die ist, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir Zuwanderung gestalten wollen. Damit ist nicht nur oder vor allen Dingen nicht gemeint, welche Regelungen es geben soll, sondern, wie wir die Regelungen tatsächlich mit Leben erfüllen. Damit ist sowohl die Frage der Willkommenskultur als auch des Umgangs mit Schutzbedürftigen gemeint. Ich verweise hier insbesondere auch noch einmal auf das, was ich in der letzten Regierungspressekonferenz zum Thema "Angriffe und Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte" vorgetragen habe.

Damit ist aber auch der Umgang mit dem Thema Fachkräftemigration gemeint. Sie wissen vielleicht oder haben den Agenturmeldungen entnommen, dass wir Anfang November in Kooperation mit dem Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration eine Art Follow-up zu der Migrationskonferenz, die am 14. April stattgefunden hat, geben werden. Dabei werden wir uns den Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Fachkräftemigration widmen, weil wir überzeugt sind, dass wir uns vor allen Dingen mit den Inhalten befassen müssen.

Frage : Herr Plate, Frau Wirtz, Sie sprechen ja oft von sicheren Herkunftsländern. Gerade mit Blick auf die Angriffe auf Flüchtlingsheime möchte ich daher fragen: Ist Deutschland eigentlich ein sicheres Ankunftsland?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal würde ich sagen, dass Deutschland - diesen Punkt haben wir hier ja schon oft erwähnt - ein Land innerhalb von Europa ist, das sehr viele Flüchtlinge aufnimmt - zusammen mit Schweden 45 Prozent aller Flüchtlinge in Europa. Ich kann natürlich die Besorgnis verstehen - und Herr Plate hat hier am Montag, glaube ich, ausgeführt, dass auch das Bundesinnenministerium sehr genau und besorgt auf die Zahlen der Übergriffe oder Vorkommnisse, die es im Zusammenhang mit fremdenfeindlichen Ressentiments gibt, schaut -, aber an dieser Stelle kann man auch nur allzu oft wiederholen, dass es in Deutschland auch sehr viele Menschen in ganz vielen verschiedenen Bereichen gibt - in den Kommunen, am Arbeitsplatz, in Verbänden -, die durchaus sehr darum bemüht sind, Menschen, die ihre Heimat verloren haben, in Deutschland willkommen zu heißen und ihnen bei der Integration zu helfen.

Ich glaube, dass diese Flüchtlingsfrage die Bundesregierung - und im Übrigen ganz Europa - vor eine große Herausforderung stellt; das ist unbestritten so. Sie sehen Sie ja auch - ich habe eben aus dem Kabinett berichtet - die Bemühungen der Bundesregierung, der Landesregierungen und der Kommunen, dieses Problems beziehungsweise dieser Herausforderung Herr zu werden und das zu handeln. Insofern denke ich, dass sich Deutschland durchaus nach allen Kräften bemüht und dass sich die Menschen in Deutschland nach allen Kräften bemühen, Menschen hier ein neues Zuhause oder jedenfalls die Möglichkeit zu geben, sicher zu leben, während in den Staaten, in denen sie eigentlich geboren wurden und aus denen sie stammen, Krieg und Verfolgung herrschen.

Plate: Ich möchte, wenn ich darf, noch zwei Sätze ergänzen:

Ja, Deutschland ist immer noch ein sicheres Land für Schutzsuchende. Es ist aber nicht unser Anspruch, immer noch ein sicheres Land für Schutzbedürftige zu sein. Vielmehr ist es unser Anspruch, ohne jegliches Wenn und Aber ein sicheres Land für Schutzbedürftige zu sein.

Weil ich in der letzten Zeit öfter gelesen habe, der Minister habe sich dazu nicht geäußert: Der Minister ist in der Tat im Moment im Urlaub, deswegen hat er sich vielleicht in den letzten Tagen nicht dazu geäußert. Der Minister hat aber mehrfach gesagt: Was Gewalt gegen Andersdenkende und Gewalt gegen Ausländer, gegen Migranten betrifft - egal, woher sie kommen, und übrigens unabhängig von der Frage der Schutzbedürftigkeit -, so muss man ganz hart dagegen sein, und da ist der Minister auch ganz hart dagegen. Deswegen ist es nicht nur eine Floskel, wenn ich sage, dass wir das mit großer Sorge sehen. Vielmehr sind wir bemüht und sehr stark bestrebt, daran zu arbeiten, dass diese Entwicklung, über die ich am Montag berichtet habe und auf die Sie Bezug genommen haben, so gerade nicht weitergeht.

Zusatzfrage : Wenn die Bundesregierung "ganz hart dagegen" ist, Frau Wirtz: Ist die Bundeskanzlerin dafür, Polizei vor Flüchtlingsheime zu stellen?

SRS'in Wirtz: Diese Frage hatten wir an dieser Stelle ja schon häufiger.

Zusatzfrage : Dass die Länder für diese Frage zuständig sind, wissen wir ja.

SRS'in Wirtz: Dann lassen Sie mich doch weiterreden. Wenn Sie die Frage häufiger stellen, dann darf ich auch einführen, wie ich das für richtig halte.

Es gibt ja verschiedene Kompetenzverteilungen in der Bundesrepublik, und Fragen der Polizei sind Ländersache. Insofern ist es so - und das macht ja auch einen gewissen Sinn -, dass die Behörden vor Ort die Gefahrenlage einschätzen und sich dann ganz konkret überlegen: Wie hoch ist die Gefährdung und wie müssen wir dann schützen? Insofern gibt es keine Haltung der Bundeskanzlerin in dem Sinne, dass man diese Kompetenzordnung, die ja auch im Grundgesetz niedergelegt ist, in irgendeiner Form ändern müsste.

Natürlich beobachten auch die Polizeien der Länder - das hat Herr Plate ja auch ausgeführt - die Situation mit großer Besorgnis beziehungsweise sehr genau und werden der Situation dann Herr, wenn sich konkrete Angriffe oder Übergriffe äußern.

Frage: Herr Weißgerber, der hessische Finanzminister hat in einem Gastbeitrag über die Erbschaftssteuerreform ein relativ harsches Urteil gefällt. Wie reagiert Herr Schäuble darauf? Heißt das, dass da noch einmal nachgebessert wird? Wie lautet die Einschätzung Ihres Ministeriums dazu?

Weissgerber: Wir haben ja zur Erbschaftssteuerreform einen Regierungsentwurf, der vom Kabinett beschlossen worden ist. Wir gehen davon aus, dass dieser Regierungsentwurf verfassungskonform ist und auch Prüfungen vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten würde. Der Gesetzentwurf geht nun in das parlamentarische Verfahren, er wird also dem Bundesrat zugeleitet. Dort haben die Länder die Gelegenheit, Stellung dazu zu beziehen. Die Bundesregierung wird sich dann, wie das so üblich ist, in Form einer Gegenäußerung zu Wort melden. Dann geht das in den Bundestag und wird dort von den Fraktionen im Finanzausschuss behandelt. Von unserer Seite aus sehen wir keinen Änderungsbedarf.

Zusatzfrage: Gegen die Erbschaftssteuerreform, so wie sie geplant ist, gab es ja auch in den eigenen Reihen großen Widerstand. Gleichzeitig gibt es ein zweites Projekt, nämlich die Besteuerung von Investmentfonds, die auch Business Angels mit erfasst. Auch da gibt es aus der CDU-Fraktion von Herrn Brinkhaus und Herrn Fuchs erheblichen Widerstand; sie haben schon öffentlich gemacht, dass sie das für keine gute Idee halten. Hat der Minister derzeit Schwierigkeiten, die eigenen Reihen hinter sich geschlossen zu halten?

Weissgerber: Na ja, es gibt ja eine Trennung von Exekutive und Legislative. Wir haben zu diesem Thema einen Diskussionsentwurf vorgelegt. Im Rahmen der Neuregelung der Besteuerung von Investmentfonds soll eben auch das Thema Veräußerungserlöse bei Streubesitzbeteiligungen angegangen werden. Das ist auch im Koalitionsvertrag vorgegeben. Insofern gibt es einen Auftrag an das BMF, das zu tun und in diesem Kontext auch auf die besondere Problematik von Wagniskapitalgebern, Business Angels und Startups einzugehen. Wir haben diesen Diskussionsentwurf jetzt vorgelegt. Wir sind der Auffassung, dass man Veräußerungsgewinne bei Streubesitzbeteiligungen - das heißt, Beteiligungen von unter 10 Prozent - besteuern muss. Das folgt daraus, dass wir auch Dividenden im Streubesitz besteuern, insofern ist das aus steuersystematischen Gründen notwendig.

Was die Frage der Startups betrifft, so kommen wir der Branche in unserem Diskussionsentwurf entgegen. Es wird also weitreichende Möglichkeiten zur Steuerermäßigung auf Antrag geben. Da müssen wir aber auch auf beihilferechtliche Vorgaben im EU-Recht schauen, deswegen muss es dafür eine Deckelung auf 30 Prozent der Anschaffungskosten geben.

Wir haben jetzt also einen Diskussionsentwurf vorgelegt. Das heißt, jetzt können sich die Beteiligten - die Länder, die Fraktionen, die Verbände - zu diesem Diskussionsentwurf äußern. Entsprechend beurteilen wir auch die Pressemitteilung der CDU/CSU-Fraktion.

Zusatzfrage: Also gehen Sie davon aus, dass es daran noch Änderungen geben wird? Anders gefragt: Halten Sie beziehungsweise hält der Minister den Entwurf für gut, so wie er jetzt ist?

Weissgerber: Wie gesagt, das ist ein Diskussionsentwurf. Jetzt laufen die Beratungen, und man wird sich im weiteren Verfahren eben abstimmen. Ziel ist es, dass wir irgendwann im Herbst einen Referentenentwurf vorlegen, der dann auch ins Kabinett gehen kann. Aber natürlich laufen jetzt die Abstimmungen auf Basis dieses Diskussionsentwurfs.

Frage : Ich habe noch ein Rausschmeißerthema.

Vorsitzender Mayntz: Sie können auch noch etwas bleiben.

SRS'in Wirtz: Genau, das wollte ich gerade sagen.

Frage : Kennt die Bundesregierung jetzt schon die genauen Kosten des G7- Gipfels? Stimmt es, dass das G7-Logo 80.000 Euro gekostet hat?

SRS'in Wirtz: Schön, dass Sie die Choreographie der Bundespressekonferenz so übernommen haben. Sie wissen ja, dass wir zu diesem Thema sagen, dass erst die Abrechnung erfolgen muss, damit wir uns abschließend über die Kosten äußern können. Das ist noch nicht der Fall; die Abrechnungen zum G7-Gipfel sind also noch nicht abschließend erfolgt, sodass ich noch keine konkrete Zahl nennen kann.

Zu Ihrer Frage nach dem Logo: Richtig ist, dass Kosten von knapp 80.000 Euro, genauer gesagt von 79.964,43 Euro, entstanden sind. Man muss in diesem Zusammenhang allerdings sagen, dass dieses Logo nicht nur für den G7-Gipfel in Elmau war, sondern auch für viele Veranstaltungen im Vorfeld von Elmau genutzt worden ist, zum Beispiel für die verschiedenen Gipfel der Fachminister, die es im Vorfeld gab. Der Außenminister, der Finanzminister und andere haben sich ja im Vorfeld schon getroffen und dieses Logo praktisch für ihre Veranstaltung mitbenutzt - beziehungsweise haben sie es nicht mitgenutzt, sondern dieses Logo stand auch als Klammer für alle anderen Veranstaltungen.

Zusatzfrage : Ist so ein Logo 80.000 Euro wert? Gibt die Bundesregierung öfter so viel Geld für Logos aus?

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen jetzt nichts zu der sonstigen Praxis sagen. Jeder Auftrag, den die Bundesregierung oder das Bundespresseamt an irgendeine Agentur gibt, hat andere Herausforderungen und einen anderen Aufwand. Insofern gibt es jetzt keinen durchschnittlichen Wert, denen ich Ihnen hier sagen könnte, aber das sind die Kosten, die für dieses Logo entstanden sind.

Vorsitzender Mayntz: In den Wettstreit um die Rausschmeißerfrage steigt jetzt auch Kollege Towfigh Nia ein.

Frage : Na ja, ich weiß nicht, ob das eine Rausschmeißerfrage ist.

Zum Jemen-Krieg: Frau Chebli, die amerikanische Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" hat heute Saudi-Arabien schwerer Kriegsverbrechen beschuldigt. Ich hätte gerne eine Stellungnahme zu diesen Anschuldigungen.

Chebli: Wenn ich das richtig verstanden habe, beziehen die sich auf einen Vorfall, der sich letzten Freitag in der Stadt Mokka ereignet hat und bei dem 65 Menschen - darunter auch Kinder - getötet wurden. Das ist in der Tat ein schwerwiegender Fall, von dem wir auch erwarten, dass er untersucht wird.

Ich glaube, insgesamt kann ich dazu nur das wiederholen, was ich in der letzten Regierungspressekonferenz gesagt habe: Wir sehen alle Parteien in der Pflicht, alles dafür zu tun, dass das Leiden aufhört, dass Menschen nicht weiter sterben müssen und dass die dringend notwendige humanitäre Hilfe endlich die Menschen erreicht. Dazu steht unsere Botschaft beziehungsweise unser Botschafter in engstem Kontakt auch mit der saudischen Seite. Dabei geht es vor allem auch um ein ganz konkretes Problem, nämlich das Problem der kommerziellen Schifffahrt. Meine Leute haben mir gesagt, dass 80 Prozent der Nahrungsmittel, die den Jemen erreichen, importiert werden. Das heißt, wenn wir da keine kommerzielle Schifffahrt zulassen, kommen wir überhaupt nicht rein; das kann man nicht kompensieren. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir in dieser Frage mit Saudi-Arabien weiterkommen. Bevor ich in die Regierungspressekonferenz gekommen bin, habe ich noch einmal mit unserem Botschafter gesprochen, der mir gesagt hat, dass es in den vergangenen Tagen mehrfach Gespräche mit Saudi-Arabien gegeben hat. Es muss alles getan werden, damit die Feuerpause jetzt endlich eingehalten wird und das Notleiden beendet wird.

Frage: Ich möchte in diesem Zusammenhang noch darum bitten, dass eine Antwort auf meine Frage nach den Eurofightern - ob das nun eine rein britische Lieferung an Saudi-Arabien war oder ob das auch in irgendeiner Weise Berührungspunkte mit den deutschen Rüstungsexportrichtlinien hat - nachgereicht wird. In welcher Weise sind die Tornados und Eurofighter, die jetzt von Saudi-Arabien im Jemen eingesetzt werden, ausschließlich britische oder deutsch-britische Projekte?

Nannt: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Vorsitzender Mayntz: Gut, dann bekommen wir heute Nachmittag noch eine Zusatzinformation.

Mittwoch, 29. Juli 2015

*

Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 29. Juli 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/07/2015-07-29-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
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Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2015

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