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PRESSEKONFERENZ/1037: Regierungspressekonferenz vom 10. August 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 10. August 2015
Regierungspressekonferenz vom 10. August 2015

Themen: Griechenland, Strafanzeigen gegen Netzpolitik.org, angebliche Pläne zur Einführung einer Fernbus-Maut, Androhung der Zwangsvollstreckung gegen die Funke Mediengruppe wegen der Veröffentlichung von Dokumenten zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, Sicherheitslage in Afghanistan, Ukraine, Einstufung von Staaten als sichere Herkunftsstaaten, Rüstungsexporte

Sprecher: StS Seibert, Weißgerber (BMF), Neymanns (BMI), Malachowski (BMJV), Rudolph (BMVI), Gerhartz (BMVg), Chebli (AA), Toschev (BMWi)


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich würde mich gerne informieren lassen - sei es von Ihnen, Herr Seibert, sei es vom Finanzministerium - über den Stand der Dinge in Sachen Griechenland, insbesondere im Hinblick auf die Zielsetzung, bis spätestens morgen früh - das sagt die griechische Regierung - eine Grundsatzvereinbarung zu haben. Teilt die Bundesregierung den Optimismus, dass das möglich ist? Gibt es inzwischen Pläne für eine Finanzministersitzung am kommenden Freitag? Wie ist die Position der Bundesregierung im Hinblick auf die Größe des Finanzhilfepakets? Wir schreiben ja immer so schön: bis zu 86 Milliarden Euro. Mich würde interessieren, wenn man jetzt schon so konkret darüber spricht: Zeichnet sich denn ab, wie groß dieses Paket jetzt endgültig sein wird?

StS Seibert: Von wem wollten Sie das wissen?

Zusatz: Von demjenigen, der mehr weiß.

StS Seibert: Das wird sich herausstellen. Ich kann ja einmal anfangen, und der Kollege aus dem Finanzministerium ergänzt dann.

Die Verhandlungen über das dritte Hilfsprogramm werden zurzeit zwischen den Institutionen inklusive IWF und der griechischen Regierung sehr intensiv geführt. Man muss allerdings sagen, dass der Bundesregierung zu diesen Verhandlungen keine Dokumente vorliegen. Ein rascher Abschluss der Verhandlungen - klar - wäre wünschenswert. Aber wir dürfen nicht vergessen: Es handelt sich hierbei um ein dreijähriges Programm - ein Programm mit einer umfangreichen Liste von Reformen und weiteren Maßnahmen, ein Programm, das dann auch eine langfristige und zuverlässige Grundlage für die Zusammenarbeit sein soll. Deswegen trifft hier ganz besonders der Satz zu: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.

Wenn die Verhandlungen bis Mitte dieser Woche abgeschlossen würden, dann würden die nationalen Verfahren in den Mitgliedstaaten starten. In Deutschland würde das bedeuten, dass der Bundestag dem Programm zustimmen müsste. Aber ganz klar ist auch, dass zunächst das griechische Parlament allen Punkten des Programms zugestimmt haben muss, bevor die anderen Parlamente damit befasst werden.

Warten wir ab, wie die Verhandlungen weiter laufen. Das wäre jetzt die Summe dessen, was ich gesagt habe.

Weißgerber: Ich schließe mich dem vollständig an. Man könnte eventuell noch ergänzen: Wie Herr Seibert sagte, sind wir als Mitgliedstaaten ja nicht Teil der Verhandlungen. Deswegen ist es wichtig, dass wir nach Abschluss der Verhandlungen ausreichend Zeit bekommen, um das Verhandlungsergebnis zu prüfen. Wir sind in dieser Woche zu einer schnellen Prüfung bereit, wenn es notwendig ist. Aber wie Herr Seibert schon sagte: Qualität geht hier vor Geschwindigkeit.

Zu Ihrer Frage nach der Höhe des Finanzbedarfs: Das hängt davon ab, wie die Verhandlungsergebnisse im Einzelnen aussehen. Wir wollen, dass es eine ambitionierte Haushalts- und Finanzplanung, eine glaubwürdige Privatisierungsstrategie und eine nachhaltige Pensionsreform gibt. Davon wiederum hängen die übergeordneten Ziele des Finanzbedarfs und der Schuldentragfähigkeit ab.

Zusatzfrage: Es wird ja kolportiert, dass die Bundesregierung im Hinblick auf die erste Auszahlungsrate mit den Institutionen über Kreuz liege. 30 bis 35 Milliarden Euro wollen die einen; Sie wollen nur 20 Milliarden Euro. Ist diese Meinungsverschiedenheit in den Positionen zutreffend?

Noch einmal konkret gefragt: Passiert heute auf irgendeiner Ebene irgendetwas, in das die Bundesregierung in Sachen Griechenland involviert ist?

Weißgerber: Zu der Frage nach der ersten Auszahlungsrate: Auch dazu laufen noch die Verhandlungen. Es macht jetzt wenig Sinn, Zahlen in die Welt zu setzen, wie dies am Wochenende geschehen ist. Es ist sinnvoll - das ist eine Vorstellung, die wir haben -, die Höhe der ersten Auszahlungsrate im Verhältnis zum Umfang der umgesetzten Reformen festzulegen. Das heißt auch hier wieder strikte Konditionalität für die Finanzhilfe. Sollte eine erste ESM-Tranche im August noch nicht möglich sein, müsste man über eine erneute Brückenfinanzierung sprechen.

Zusatzfrage: Finden heute irgendwelche Gespräche statt, in die die Bundesregierung involviert ist?

Weißgerber: Nach wie vor laufen die Verhandlungen zwischen den Institutionen und der griechischen Regierung. Wir werden darüber informiert. Aber wir müssen wirklich zuerst abwarten, bis die Verhandlungen abgeschlossen sind.

Frage: Herr Staatssekretär, hat der Fraktionsvorsitzende Kauder seine Warnung oder seine Drohung gegenüber potenziellen und bisherigen Abweichlern in der Union auch im Namen oder im Auftrag der Bundeskanzlerin getätigt?

StS Seibert: Herr Kauder ist Fraktionsvorsitzender. Das, was er sagt, betrifft die parlamentarische Arbeit. Dazu habe ich als Sprecher der Bundesregierung nichts beizutragen.

Zusatzfrage: Hat er die Bundeskanzlerin vorher über Art und Inhalt seiner Äußerungen informiert?

StS Seibert: Ich kann über konkrete Gespräche der Bundeskanzlerin mit dem CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden hier nicht berichten. Das tue ich üblicherweise auch nicht.

Frage: Herr Weißgerber, ich habe noch eine Frage zum Verfahren: Es heißt immer, Deutschland sei nicht beteiligt. Aber der ESM ist ja beteiligt. Das oberste Gremium des ESM ist der Gouverneursrat. Also ist auch der Finanzminister beteiligt. Fragen Sie da nicht nach? Bekommen Sie keine Informationen, oder verbietet es sich, dass das Finanzministerium über diesen Weg nachfragt, wie der Stand der Verhandlungen ist?

Weißgerber: Doch, natürlich, es gibt laufende Unterrichtungen, Telefonkonferenzen. Erst am letzten Freitagabend war eine Telefonkonferenz, an der unser Staatssekretär Steffen teilgenommen hat. Insofern laufen da Unterrichtungen. Aber formal sind die Verhandlungen bei den Institutionen. Erst wenn die abgeschlossen sind, kommen die Finanzminister wieder ins Spiel.

Frage: Da Sie eben die Telefonkonferenz angesprochen haben: Gibt es eine konkrete Vereinbarung für eine weitere Telefonkonferenz?

Weißgerber: Mir ist jetzt nicht bekannt, dass schon ein konkreter Termin feststeht. Das hängt vom weiteren Fortgang der Verhandlungen ab.

Frage: Ich habe erst einmal eine Lernfrage, wahrscheinlich an das Justizministerium oder das Innenministerium, in Sachen Netzpolitik.org: Gegen Herrn Beckedahl und Herrn Meister wird ja wegen einer schweren Straftat, nämlich Landesverrat, ermittelt. Werden die für immer im polizeilichen Infosystem sein? Sind die schon darin gelandet?

Neymanns: Zu den konkreten Fällen kann ich Ihnen nichts sagen. Sie wissen, dass dies auch schon in der letzten Woche Thema war. Die genauen Bedingungen, wie man in INPOL oder SIS eingetragen wird, ist der Kollege, glaube ich, noch schuldig. Ich werde mich dazu noch schlaumachen und gegebenenfalls etwas nachreichen, wenn ich etwas habe. Aber selbstverständlich wird dies keinen konkreten Sachverhalt über die beiden Personen enthalten, die Sie genannt haben.

Zusatzfrage: Es ist weniger eine konkrete Frage als eine allgemeine Frage, wenn gegen jemanden wegen Landesverrats ermittelt - -

Neymanns: Genau. Ich habe ja gesagt: Ich werde schauen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, und das nachliefern. Wie gesagt: Ich bitte um Verständnis, dass das die beiden konkreten Personen nicht besonders betreffen wird.

Frage: Herr Seibert, ich wüsste gerne, ob die Bundeskanzlerin erfreut die Mitteilung zur Kenntnis genommen hat, dass gegen Netzjournalisten keine Ermittlungen wegen Landesverrats oder des Verrats von Staatsgeheimnissen erwogen werden beziehungsweise dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird.

In diesem Zusammenhang an das Bundesinnenministerium die Frage: Der Bundesinnenminister - soweit man in dieser Sache in letzter Zeit etwas von ihm vernommen hat - schien ja der Ansicht des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu sein, dass es sich sehr wohl um den Verrat von Staatsgeheimnissen gehandelt hat. Wäre er jetzt insofern über die Einstellungsmitteilung aus Karlsruhe betrübt?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat die Entscheidung des Generalbundesanwalts zur Kenntnis genommen. Wie in solchen Fällen üblich kommentieren wir sie nicht.

Zusatzfrage: Nachdem ja nicht nur Sie wieder aus dem Urlaub zurück sind, sondern auch die Kanzlerin: Haben Sie schon eine taufrische Kommentierung dieser ganzen Ereignisse, unabhängig von einer Bewertung des Entscheids des amtierenden Generalbundesanwalts? Wie hat die Kanzlerin diese Debatte in den letzten 14 Tagen in einem Gespräch mit Ihnen abgehakt?

StS Seibert: Wir hatten hier auch in den letzten zwei, drei Wochen regelmäßig Regierungspressekonferenzen mit Frau Wirtz und Herrn Streiter. Vor allem Frau Wirtz hat bereits in der vergangenen Woche namens der Bundeskanzlerin zu einzelnen Facetten dieses Themas Stellung genommen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Neymanns: Zunächst einmal zur Klarstellung: Die Strafanzeigen sind gegen unbekannt unter Berücksichtigung aller rechtlichen Gesichtspunkte gestellt worden. Dies vorausgesetzt - das ist in der letzten Woche immer sehr deutlich gemacht worden -, gilt weiterhin, dass, wenn als vertraulich oder geheim eingestufte Dokumente in die Öffentlichkeit gelangen, das grundsätzlich eine Straftat darstellen kann. Das ist weiterhin der Standpunkt.

Zusatzfrage: Aber direkt zu der Einstellung wissen Sie von Ihrem Minister nichts?

Neymanns: Ich weiß sehr wohl etwas direkt von dem Minister. Genau vor diesem Hintergrund habe ich das gesagt.

Frage: Auch ich habe eine Frage zu diesem Themenbereich: Wird es seitens des Innenministeriums beziehungsweise des Verfassungsschutzes eine Aussprache mit Netzpolitik.org geben? Die Redakteure gehen davon aus, dass Überwachungsmaßnahmen stattgefunden haben, beziehungsweise sie können nicht ausschließen, dass das der Fall gewesen ist. Wenn eine Redaktion über zwei Monate lang unter Überwachung steht, dann sind möglicherweise auch eine Reihe von Quellen und anderen möglichen Informanten kompromittiert worden. Wie sieht dies das BMI?

Neymanns: Mir ist noch nicht angetragen worden, dass Netzpolitik.org das BMI um eine Aussprache bittet. Von daher kann ich das hier auch gar nicht kommentieren.

Zusatz: Netzpolitik.org hat nicht um eine Aussprache gebeten. Sie berichten nur darüber, dass sie nicht sagen können, ob sie überwacht worden sind. Das ist natürlich ein fatales Zeichen, das eine Redaktion in Richtung möglicher Informanten, Hinweisgeber und all der Menschen senden kann, die in den letzten zwei Monaten, in denen die Anschuldigung des Landesverrats hinter dem Rücken der Redaktion verhandelt worden ist, im Raum standen.

Neymanns: Der Kollege vom BMJV wird das einsortieren.

Malachowski: Wenn ich kurz ergänzen darf: Generalbundesanwalt Range hat ja in seiner Pressemitteilung vom 2. August selbst gesagt, dass er bereits bei der Einleitung des Ermittlungsverfahrens am 13. Mai die Generalbundesanwaltschaft angewiesen hat, dass mit Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit keine Maßnahmen gegen den in Strafanzeigen erwähnten Journalisten ergriffen werden. Mir liegen jetzt keine Anhaltspunkte darüber vor, weshalb diese Pressemitteilung des Generalbundesanwalts nicht mehr aktuell oder sonst wie inhaltlich nicht mehr richtig sein sollte.

Im Übrigen ist es vielleicht ratsam für die Betreiber von Netzpolitik.org, Akteneinsicht zu nehmen und diese Zweifel dann gegebenenfalls auszuräumen.

Zusatzfrage: Wäre es möglich, von allen Seiten Akteneinsicht zu erhalten?

Malachowski: Grundsätzlich ist das so, ja. Ich nehme an, dass sie auch anwaltlich beraten werden; das weiß ich jetzt nicht genau. Das ist etwas, was dann auf dieser Schiene besprochen werden sollte.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMJV: Wer ist denn dieser unabhängige Gutachter gewesen, den Herr Range eingesetzt hat?

Malachowski: Dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen; das weiß ich nicht.

Zusatzfrage: Können Sie das nachreichen?

Malachowski: Ich würde Sie bitten, sich an den Generalbundesanwalt zu wenden, der dieses Gutachten in Auftrag gegeben hat.

Zusatz: Sie sind doch das vorgesetzte Haus, das müssen Sie ja wissen.

Malachowski: Ich persönlich weiß es nicht. Wenn der Generalbundesanwalt das in Auftrag gegeben hat, könnte er Ihnen sicherlich etwas dazu sagen; das hoffe ich zumindest.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium zur heute diskutierten Bus-Maut: Ist es richtig, dass der Verkehrsminister mehr oder minder der Einzige ist, der diese Maut nicht will, und was sind die Argumente?

Rudolph: Der Fernbusmarkt in Deutschland entwickelt sich positiv. Wir haben derzeit rund 300 genehmigte Linien und erwarten einen Anstieg der Fernbusreisenden auf rund 25 Millionen Menschen.

Innerhalb der Bundesregierung und des Verkehrsministeriums gibt es aktuell keine Pläne, eine Fernbus-Maut in Deutschland umzusetzen. Dies steht auch nicht im Koalitionsvertrag.

Nach unseren aktuellen Untersuchungen sind rund 50 Prozent der Fernbusreisenden entweder Neukunden oder vom Pkw für diese Reisen auf den Fernbus umgestiegen. Wir sehen im Fernbus ein zusätzliches attraktives Mobilitätsangebot zu den bereits bestehenden Angeboten.

Insgesamt kann man sagen, weil auch die Kritik aufkam nach dem Motto, der Fernbus müsse ein bisschen mit den gleichen Maßstäben gemessen werden: Wir haben der Deutschen Bahn angeraten, weil auch das im Raum stand, stärker in den Fernbusmarkt einzusteigen. Das ist mittlerweile mit der Fernbusstrategie erfolgt, beziehungsweise dies wird erfolgen.

Das Zweite ist, dass die Deutsche Bahn - natürlich auch Privatbahnbetreiber - auf einem guten Weg ist, zum Beispiel mit kostenfreiem WLAN in allen Zügen dafür zu sorgen, dass diese Mobilitätsangebote attraktiver werden.

Zusatzfrage: Warum sind dann in Zukunft die Busse die einzigen Fahrzeuge, die keine Maut zahlen?

Rudolph: Das stimmt so nicht. Ich verstehe die Frage so: Warum sollen die Busse künftig keine Maut zahlen? - Nach unseren Berechnungen würde eine Omnibus-Maut mit 0,2 Cent pro Fahrgast je Kilometer den aktuellen harten Wettbewerb im Mobilitätsgeschäft kaum verändern. Deswegen auch meine Hinweise Richtung Bahn, die eigene Attraktivität zu steigern beziehungsweise die Konkurrenz von derzeit bestehenden Fernbusanbietern aufzunehmen und auch stärker in den Markt zu gehen, was beides erfolgt.

Ich hatte eingangs gesagt: Fernbusse sind in Deutschland beliebt. Der Markt entwickelt sich jetzt. Er war jahrzehntelang reglementiert. Seit zwei Jahren ist er liberalisiert. Wir werden diese Entwicklung zunächst beobachten und sehen, dass er sich positiv entwickelt. Wir sehen darin ein zusätzliches Mobilitätsangebot auch für den kleinen Geldbeutel und wollen das fördern.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Justizministerium zu Netzpolitik.org, weil Sie darauf hingewiesen haben, dass der Generalbundesanwalt am 13. Mai erklärt habe, es seien keine Überwachungsmaßnahmen zulässig. Dieser Hinweis des Generalbundesanwalts bezieht sich ganz offenkundig auf vorliegende Anträge zur Überwachung von Journalisten. Können Sie das bestätigen? War das ausschließlich eine vorbeugende Mahnung oder ein vorbeugender Hinweis des GBA, oder war das eine reaktive Reaktion des GBA auf ein gewünschtes Aufklärungsverhalten der Behörden?

Malachowski: Dazu kann ich Ihnen wirklich nicht allzu viel sagen. Vielleicht sollten Sie beim GBA selbst nachfragen, wie das gemeint war.

Nur zur Klarstellung: Das war nicht am 13. Mai. Veröffentlicht wurde die Pressemitteilung am 2. August. Inhaltlich steht darin, dass er schon bei der Einleitung gegenüber seiner Behörde darauf hingewiesen hat, dass die Pressefreiheit ein hohes und wichtiges Gut ist und man im Hinblick auf die Pressefreiheit im Laufe der Ermittlungen, die am 13. Mai eingeleitet wurden, darauf verzichten sollte, solche Maßnahmen zu beantragen oder zu benutzen.

Zusatzfrage: Das habe ich schon verstanden. Meine Frage war, ob bei der Übermittlung der Anzeige gegen unbekannt, wegen Landesverrats zu ermitteln, auch begehrt wurde, dass Journalisten abgehört, ausgespäht werden. Das muss dem Justizminister doch bekannt gewesen sein. Oder es muss ihm doch jetzt bekannt sein, ob es diese Anträge gab. Gab es solche Anträge auf Spähmaßnahmen gegen Journalisten, oder gab es solche Anträge nicht?

Malachowski: Mir sind keine Anträge auf Spähmaßnahmen gegen Journalisten bekannt.

Zusatzfrage: Wenn sie Ihnen nicht bekannt sind, heißt das, im Justizministerium oder Ihnen als Sprecher?

Malachowski: Mir als Sprecher. Aber ich kann gerne versuchen, dem nachzugehen. Ansonsten kann vielleicht auch der Generalbundesanwalt selbst Licht ins Dunkel bringen.

Frage: Bei der Frage, die wir eben behandelt haben, geht es nur darum, dass der Generalbundesanwalt gesagt hat: Lasst die Polizei dort keine Maßnahmen einleiten. - Herr Neymanns, schließen Sie aus, dass das BfV, bevor es die Anzeige erstattet hat, eigene Maßnahmen gemacht hat, möglicherweise im Rahmen des Eigenschutzes? Ist da irgendetwas bekannt?

Die zweite Frage, auch an Sie, wäre: Das BMI hat vergangene Woche sehr viel Wert auf die Formulierung gelegt, man könne die Position, die das BfV in seinem Gutachten eingenommen habe, vertreten. Man fand sie aber offensichtlich nicht überzeugend. Ist der Minister mittlerweile der Meinung, dass der Verfassungsschutz da vielleicht ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen ist? Rechnen Sie jetzt damit, dass die Staatsanwaltschaft Berlin, wenn das Verfahren zurückkommt, Ermittlungen auf einem niedrigeren Niveau, also unterhalb der Ebene Landesverrat/Staatsgeheimnis, führen wird? Wenn nicht, erwarten Sie, dass das BfV erneut eine Anzeige erstattet? Würde Ihr Minister, Ihr Haus Herrn Maaßen dazu raten?

Neymanns: Vielen Dank. Das war ein großer Fragenkomplex. Ich hoffe, ich habe mir alles gemerkt.

Zu der ersten Frage, ob das BfV - ich paraphrasiere einmal - Maßnahmen gegen die Journalisten unternommen hat - so habe ich Sie verstanden -, kann ich nichts sagen; das weiß ich nicht.

Zusatzfrage: Können Sie das nachreichen?

Neymanns: Ja. Ich befürchte, ich dürfte auch nichts darüber sagen. Aber ich mache mich dazu einmal schlau.

Die zweite Frage war die Frage nach der Rechtsauffassung bezüglich des Gutachtens. Ich glaube, dazu hat mein Kollege in der letzten Woche geantwortet - ich hoffe, es war hier und nicht in einer internen Besprechung -: zwei Juristen, drei Meinungen.

Das BfV hat seine Rechtsauffassung an das LKA übermittelt, wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, und auch klar gesagt, dass wir die für vertretbar halten. Man kann aber durchaus - das scheint das neue Gutachten auch zu belegen - auch zu einer anderen Auffassung kommen. Weiter kann ich das nicht qualifizieren.

Ihre dritte Frage bitte noch einmal.

Zusatzfrage: Falls die Staatsanwaltschaft in Berlin nicht ermittelt, würde Ihr Minister Herrn Maaßen empfehlen, eine neue Anzeige zu erstatten?

Neymanns: Auch dazu kann ich nichts sagen. Das müsste der Generalbundesanwalt entscheiden. Ich glaube, die letztendliche Entscheidung ist noch nicht getroffen, wenn ich es richtig weiß. Dazu, wie weit da vorgegangen wird und wie die Ermittlungen weiter laufen, kann ich vom BMI logischerweise nichts sagen.

Ich meine, Sie hatten auch noch eine vierte Frage.

Zusatz: Nein.

Frage: Herr Malachowski, nicht nur in Karlsruhe wird bei den Ermittlungen zum Fall "Netzpolitik" und seinen Umständen von Strafvereitelung im Amt durch Minister Maas gesprochen. Ich möchte Sie einmal bitten, zu erläutern, warum dies nicht zutrifft.

Malachowski: Wieso was nicht zutrifft?

Zusatz: Warum die Strafvereitelung im Amt von Minister Maas nicht zutrifft.

Malachowski: Ich habe jetzt leider den Paragrafen für Strafvereitelung im Amt nicht dabei. Aber ich glaube, das wird gerade erst geprüft.

Zusatzfrage: Sie prüfen intern, ob es eine Strafvereitelung gibt?

Malachowski: Nein, nein. Ich gehe davon aus, ohne jetzt den Paragrafen hier vorrätig zu haben, dass eine Strafvereitelung im Amt durch Herrn Maas gar nicht infrage kommt, weil er ja keinen direkten Kontakt mit dem Generalbundesanwalt hatte.

Zusatzfrage: Er hatte keinen direkten Kontakt mit dem Generalbundesanwalt?

Malachowski: Der Kontakt lief über die Staatssekretärin und die Abteilungsleitung bei uns. Das ist eine Frage, zu der ich im Moment wirklich nichts sagen kann. Ich müsste einmal nachschauen, wie genau die Voraussetzungen dafür sind.

Zusatzfrage: Herr Seibert, Herr Beckedahl ist auch BPK-Mitglied. Woher wissen wir als BPK-Mitglieder, dass zukünftig gegen uns nicht wegen Landesverrat ermittelt wird?

StS Seibert: Ich kann doch hier keine Aussagen für alle Zeiten machen! Was den konkreten Fall betrifft, ist, so glaube ich, von den entsprechenden Ressorts alles gesagt worden. Über allem steht die Aussage, die in den letzten Tagen und Wochen mehrfach gemacht worden ist, dass da, wo die Pressefreiheit, die ein sehr hohes Gut in unserer Demokratie ist, berührt ist, natürlich besonders sensible Abwägungen vorgenommen werden müssen und der Staat sich besonders sensibel zu bewegen hat.

Frage: Herr Seibert, das Kanzleramt weiß ja seit April von der Anzeige. Es hat selbst gesagt, man habe in einem parlamentarischen Gremium - man sei auch im April nachträglich über die Anzeige informiert worden - davon erfahren. Was hat man denn seither getan, um sich über den weiteren Verlauf zu informieren, beziehungsweise warum hat man es nicht getan? Dann wurde von dem Umstand, dass Ermittlungen aufgenommen worden sind, nur über die Presse erfahren. Wie gut hat man da also gearbeitet? Wie konnte es so weit kommen, dass die Sensibilität, die Sie ja gerade angesprochen haben, gerade auf diesem Feld im Kanzleramt offensichtlich nicht in einer Überdosis vorhanden war?

StS Seibert: Auf die Behauptung, die Sie jetzt in dem zweiten Satz aufgestellt haben, werde ich nicht eingehen. Die werde ich so natürlich auch nicht bestätigen.

Es stimmt, und das ist ja von Frau Wirtz auch in der vergangenen Woche hier gesagt worden: Von der Anzeige ist das Bundeskanzleramt nachträglich, also nach der Stellung der Anzeige, im April unterrichtet worden. Das sind Vorgänge, die in den Ressortzuständigkeiten zweier Ministerien abliefen und entsprechend auch dort behandelt wurden. Es gab keinen Grund, dabei irgendwie anders als sonst vorzugehen.

Zusatzfrage: Sehen Sie also in dieser Causa ausreichende Sensibilität im Kanzleramt vorhanden?

StS Seibert: Die Sensibilität für die Bedeutung der Pressefreiheit ist im Bundeskanzleramt wie im Übrigen in der gesamten Bundesregierung natürlich gegeben.

Frage: Ich wüsste gerne, ob das Innenministerium mit dem Kommunikationsverlauf zufrieden ist, nachdem diese Affäre jetzt zumindest formal halbwegs abgeschlossen ist, oder gibt es Bemühungen, einen verbesserten Kommunikationsverkehr zwischen dem Dienst und dem Kanzleramt und dem Minister und der Staatssekretärin herzustellen? Kann man diesen Schluss daraus ziehen?

Zur zweiten Frage in diesem Zusammenhang: Ich nehme einmal an, Ihr Haus weiß Bescheid, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz versucht hat, Journalisten in diesem Zusammenhang auszuspähen; das würde ich jedenfalls einmal vermuten. Eine seriöse Amtsführung müsste darüber mittlerweile Bescheid wissen. Es kann sein, dass Sie das wegen irgendwelcher Vertraulichkeitsstände jetzt nicht sagen können oder wollen, aber ob solche Versuche der Ausspähung von Netzjournalisten unternommen wurden, müsste die Hausspitze doch wissen. Gehe ich recht in dieser Annahme?

Neymanns: Zu Ihrer ersten Frage nach den Kommunikationsvorgängen: Es ist, glaube ich, in den letzten zwei Regierungspressekonferenzen detailliert berichtet worden, wer wann welche Informationen hatte. Dem habe ich zum jetzigen Zeitpunkt einfach nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Es ging um Verbesserungen, darum, Bilanz zu ziehen. Ist alles prima gelaufen, oder gibt es Verbesserungen? Das war die Frage.

Neymanns: Das BMI war vom Bundesamt für Verfassungsschutz darüber informiert worden, dass es die Absicht hatte, Strafanzeigen zu stellen; das ist bekannt. Wir haben die entsprechenden Strafanzeigen zu einem späten Zeitpunkt aber auch bekommen. Alle weiteren Dinge sind meines Erachtens jetzt zu verfrüht. Es ist also komplett dargestellt wurden, wann wie berichtet wurde. Das ist in Bezug auf diesen Punkt auch erst einmal ausreichend.

Über einzelne operative Maßnahmen, die das BfV durchführt, und Maßnahmen von herausgehobener politischer Bedeutung ist das Haus selbstverständlich informiert. Mehr kann ich dazu jetzt auch nicht beitragen.

Frage: Herr Seibert, was soll denn jetzt mit Herrn Maaßen passieren? Der hat ja das ganze Ding ins Rollen gebracht. Hat der noch das vollste Vertrauen der Kanzlerin?

StS Seibert: Sie haben diese Frage in der vergangenen Woche, glaube ich, zweimal an Frau Wirtz gestellt. Deswegen könnte ich einfach auf die Protokolle der Regierungspressekonferenzen verweisen; da steht schon alles drin. Ich habe dazu nichts Neues zu sagen.

Zusatz: Die Frage war, warum er das vollste Vertrauen hat.

StS Seibert: Das ist jetzt eine leicht modifizierte Frage von Ihnen. Die Arbeit von Herrn Maaßen beim Bundesamt für Verfassungsschutz liegt im Zuständigkeitsbereich oder unter der Fachaufsicht des Bundesinnenministeriums. Deswegen sehe ich keinen Grund dafür, mich jetzt hier für die Bundeskanzlerin dazu zu äußern.

Zusatzfrage: Vielleicht an das Innenministerium: Warum ist Herr Maaßen immer noch der beste Mann?

Neymanns: Die Frage ist auch tatsächlich in der letzten Woche zweimal besprochen worden. Ich habe es in meinem einleitenden Satz noch einmal ausgeführt: Wenn als vertraulich und geheim eingestufte Dokumente in die Öffentlichkeit gelangen, stellt das grundsätzlich eine Straftat dar. Mehr muss man dem jetzt, glaube ich, nicht hinzufügen.

Frage: Herr Seibert, in der letzten Woche hat eines der Bundesministerien die Funke Mediengruppe mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro belegen lassen. Es ging dabei um die Publikation von Papieren und einen möglichen Verstoß gegen das Urheberrecht. Frage an die Bundesregierung: Gibt es eine Liste oder ein Verzeichnis von Schrifterzeugnissen, Unterrichtungen, Berichten oder wie auch immer aus dem Kreis der Bundesregierung, bei denen ich als Journalist damit rechnen muss, dass ich, wenn ich sie verarbeite, bearbeite und kenntlich mache oder der Öffentlichkeit präsentiere, Ordnungsgeldandrohungen erhalten?

StS Seibert: Ich kann Ihnen leider zu diesem Sachverhalt, diesem konkreten Fall, den Sie da ansprechen und der mir jetzt auch nur aus meiner Urlaubslektüre bekannt ist, nichts sagen. Das müsste vielleicht das zuständige Ministerium machen. Ich bin im Moment nicht in der Lage, Ihnen darüber seriös Auskunft zu geben.

Zusatzfrage: Derzeit ist das zuständige Ministerium ja das einzige Ministerium, das so eine Praxis verfolgt. Herr Gerhartz, wird das der neue Standard im Umgang mit Publikationen aus dem BMVg, oder bleibt das eine Einzelmaßnahme?

Gerhartz: Sie hatten mich danach auch schon einmal vor einigen Tagen gefragt. Zuerst einmal möchte ich noch einmal klarstellen, dass es nicht das Ministerium ist, das der Funke Mediengruppe irgendetwas auferlegt hat, sondern es ist das Oberlandesgericht in Köln.

Zuruf: Aber auf Betreiben des Ministeriums!

Gerhartz: Die Frage, die Sie dann im Weiteren gestellt haben - ich übersetzte sie einmal etwas anders; so verstehe ich sie -, war ja: Kann Ihr Journalist wissen, wenn er etwas herausgibt, was sich dann ergeben würde? Kommt es dann zu einer Klage, aus welchen Gründen auch immer? - Ich denke einmal: Die Frage stellt sich nicht.

Sie hatten ja auch die Frage gestellt - ich glaube, es war Netzpolitik.org, das diese Cyber-Strategie ins Netz gestellt hat -, ob wir da auch irgendwelche Klagen erheben würden. Ich hatte das damals schon klar verneint. Das heißt, Sie können das jetzt weder als Stil noch als neuen Stil im Haus ansehen. Wir haben das damals gemacht, und zweimal haben wir Recht bekommen, sowohl vor dem Landesgericht in Köln als auch vor dem Oberlandesgericht. Ich habe Ihnen zu Netzpolitik.org, das die Cyber-Strategie eingestellt hat, auch schon gesagt, dass wir nichts machen werden.

Zusatzfrage: Jetzt haben sich die Afghanistan-Papiere ja auch im Internet verbreitet und sind als Reaktion auf diese Ordnungsgeldandrohung an mehreren Stellen aufrufbar. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund das Handeln des Verteidigungsministeriums, das diesen Prozess ja überhaupt erst in Gang gebracht hat?

Gerhartz: Es ist ja damals 2011/2012 entschieden worden, in Bezug auf das Urheberrecht zu klagen. Ich bin jetzt nicht der Jurist, der sagen könnte, ob, wenn sich das weiterverbreitet, also wenn eben Zweite, Dritte usw. diese Dokumente dann auch einstellen, eine Klage möglich wäre oder nicht. Jedenfalls sehen wir das nicht. Wir haben es damals gemacht, wir haben zweimal Recht bekommen, und wir werden sehen, wie die weitere Klage beim Bundesgerichtshof jetzt ausgehen wird.

Frage: Ich hätte eine Frage zum Thema Afghanistan an das Auswärtige Amt und an das Verteidigungsministerium. Nach meiner Wahrnehmung nimmt die Gewalt in Afghanistan gerade signifikant zu. Ich hätte gerne gewusst, wie sich die Lage aus Sicht des Auswärtigen Amtes darstellt.

Herr Gerhartz, wie viele Soldaten sind denn gerade in Afghanistan im, glaube ich, Rahmen dieser Support-Mission? Sind die sicher, oder müssen die Sicherheitsmaßnahmen dort erhöht werden?

Chebli: Danke für die Frage. Zunächst einmal möchte ich sagen, dass wir die Anschläge auf das Schärfste verurteilen.

Zu der Lageeinschätzung würden wir sagen, dass die Sicherheitslage insgesamt angespannt bleibt. Aber eine grundlegende Veränderung der Sicherheitslage ist damit nach unserer Einschätzung nicht verbunden.

Gerhartz: Dem habe ich überhaupt nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Können Sie mir sagen, wie viele Soldaten da sind? Ich habe die Zahlen nicht gefunden.

Gerhartz: Ich habe die genaue Zahl jetzt auch nicht dabei. Ich werde sie gleich nachliefern können.

Frage: Ich habe eine ähnliche Frage zu einem anderen Thema, nämlich zur Ukraine. Ich würde gerne das Außenministerium und das Finanzministerium etwas fragen, und zwar das Außenministerium, ob sich durch diese Angriffe auf OSZE-Fahrzeuge, die es dort ja jetzt gegeben hat, die Lage in irgendeiner Weise grundlegend verändert hat und wie Sie das beurteilen.

Vom Finanzministerium würde ich gerne wissen, ob die Sorge momentan zunimmt, dass die Ukraine zu einem Finanzproblem größeren Ausmaßes werden könnte. Die Bemühungen, eine Einigung mit den privaten Gläubigern zu erzielen, haben nämlich bislang nicht gefruchtet. Das ist eine Säule des gesamten Hilfskonzepts, das im Rahmen der G7 und mit anderen internationalen Partnern vereinbart wurde. Muss man also im Moment befürchten, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Ukraine droht?

Chebli: Wir verurteilen den Brandanschlag auf die vier Fahrzeuge der OSZE und erwarten von den Verantwortlichen in Donezk, dass sie die Hintermänner dieses Anschlags finden und auch zur Rechenschaft ziehen. Aus unserer Sicht tragen sie die klare Verantwortung dafür, den effektiven Schutz der OSZE-Beobachter zu garantieren. Wir stehen dazu in engem Kontakt mit der OSZE-Mission, um die Sachlage und die Hintergründe der Anschläge in Erfahrung zu bringen. Im Einklang mit der Mission bemühen wir uns darum, auf die Konfliktparteien einzuwirken und die Sicherheit der SMM, also der Beobachter, zu garantieren.

Generell sehen wir die Eskalation entlang der Frontlinie mit Sorge. Es hat ja vor einigen Wochen schon einmal einen Zwischenfall mit Angriffen auf die OSZE-Beobachter gegeben. Aus unserer Sicht tragen beide Seiten, die sich ja zum Minsker Prozess bekannt haben - darunter fällt auch das Operationsmandat der SMM -, die Verantwortung dafür, die Sicherheit der Beobachter zu garantieren.

Weißgerber: Zur Finanzsituation der Ukraine möchte ich jetzt keine Stellungnahme des BMF abgeben. Ich möchte auf die laufenden Gespräche beim Internationalen Währungsfonds verweisen - dort ist das Finanzhilfeprogramm ja angesiedelt -, und dazu möchten wir im Moment keine Stellungnahme abgeben.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage zur Fernbus-Maut an Herrn Seibert: Hat sich die Kanzlerin dazu schon eine Meinung gebildet?

StS Seibert: Ich habe dem, was der Sprecher des Verkehrsministeriums gesagt hat, nichts hinzuzufügen, auch nicht für die Bundeskanzlerin.

Zusatzfrage: Herr Rudolph, kann es sein, dass der Verkehrsminister vielleicht auch deshalb etwas zurückhaltend ist, weil diese Maut ja auch an die Pkw-Maut gebunden wäre und es momentan relativ unklar ist, ob die in dieser Legislaturperiode überhaupt noch kommen wird? Immerhin will ja zum Beispiel auch der CSU-Verkehrsminister eine Bus-Maut.

Rudolph: Dieser Zusammenhang ist falsch. Aber um Ihnen die Vergangenheit noch ein bisschen nahezubringen: Im Oktober 2013 gab es die Bodewig-Kommission - da waren alle Landesverkehrsminister drin; auch der Bund war dort drin -, und im Abschlusspapier der Bodewig-Kommission taucht eine Bus-Maut nicht auf. Es gab die Koalitionsverhandlungen mit dem Abschluss eines Koalitionsvertrags. Darin taucht die Bus-Maut insofern auf, als wir den Markt beobachten, aber nicht als konkretes Ziel. Dies vielleicht als Einbindung in Bezug darauf, dass der Zusammenhang, den Sie jetzt aufwerfen, nicht zutrifft, und als Ergänzung zu dem, was ich gesagt hatte.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema "sichere Herkunftsländer". Wird denn auf diesem Gipfel beabsichtigt, den Kreis der sicheren Herkunftsländer zu erweitern? Ist da schon etwas absehbar?

Vorsitzende Maier: An wen richtet sich diese Frage?

Zusatzfrage: An das BMI und an das Kanzleramt; vielleicht kann das AA auch eine Einschätzung abgeben.

StS Seibert: Sie wissen, dass es über die Entwicklung der Zuwanderung einen ständigen Austausch zwischen dem Bund und den Ländern auf Fachebene, auf politischer Ebene gibt und dass es in dem Zusammenhang auch die Frage diskutiert wird, ob weitere Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Die Bundeskanzlerin hatte bei ihrer Reise nach Albanien dafür eine gewisse Sympathie geäußert. Sie hat aber auch gesagt, dass das politisch durchsetzbar sein müsse. Das ist dann eben der Blick auf den Bundesrat.

Bei all dem muss man dazu sagen, dass diese Frage, Länder als sichere Herkunftsländer auszuweisen, eine von vielen Facetten bei der Bemühung ist, mit den stark angewachsenen Asylbewerberzahlen umzugehen und vor allem auch dafür zu sorgen, dass die Bearbeitung dieser Anträge deutlich schneller geleistet werden kann. Aber es ist eben nur eine Facette von vielen; da spielen auch andere Dinge mit hinein.

Zusatzfrage: Wollen Sie noch eine Einschätzung vom Auswärtigen Amt?

Zusatzfrage: Ja, gerne.

StS Seibert: Das sollten Sie auf jeden Fall wollen!

Zusatz: Ja, ja!

Chebli: Bundesaußenminister Steinmeier hat sich am Wochenende zu dem Thema geäußert, was breiten Niederschlag in den Medien gefunden hat.

Ich kann eigentlich nur das unterstreichen, was Herr Seibert gesagt hat, dass es nämlich nur ein Instrument des Instrumentenwerkkastens ist, den wir haben, um letztendlich Verfahren zu beschleunigen, wenn es um die Fragen geht: Wie schaffen wir es eigentlich, die Unterstützung für die Menschen in diesem Land, die großartige Unterstützung für Flüchtlinge leisten, die hierherkommen, und ihnen eine Heimat bieten, aufrechtzuerhalten? Wie schaffen wir es, dass Menschen aus dem Westbalkan nicht so lange in Ungewissheit bleiben, sondern Klarheit darüber erhalten, dass im Prinzip ihr Antrag chancenlos ist? Dazu hat der Minister gesagt, dass der Weg der Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten ein Weg ist, den man gehen kann.

Zusätzlich kann ich darauf hinweisen, dass das Auswärtige Amt beziehungsweise unsere Auslandsvertretung in den Staaten des westlichen Balkans seit Beginn der Diskussionen um steigende Flüchtlingszahlen aus der Region öffentlichkeitswirksame Kampagnen durchführen, um vor Ort die Menschen aufzuklären, dass es sich überhaupt nicht lohnt, nach Deutschland zu kommen - im Prinzip wird dem Antrag nicht stattgegeben - und wie sie diesen Schleppern, die sie teilweise missbrauchen und ihnen das Rosarote vom Himmel herunter erklären, nicht auf den Leim gehen. Wir haben hier ganz konkrete Arbeit geleistet, was ich jetzt, da das viel zu lang wäre, nicht ausführen kann. Wenn Sie Interesse haben, kann ich Ihnen gerne (bilateral) Näheres dazu sagen.

Frage: Herr Seibert, Frau Chebli, eine Lernfrage: Wie kommt es eigentlich, dass ein Land ein sicheres Herkunftsland sein kann, wenn dort die deutsche Bundeswehr noch ist?

StS Seibert: Die Tatsache, dass die Bundeswehr beispielsweise im Kosovo im Einsatz ist, ist ja kein Hinweis darauf, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen oder einzelne Menschen dort einer politischen Verfolgung unterliegen. Ich glaube, ich brauche nicht aus der Entwicklung der Jugoslawienkriege und des Kosovo-Konflikts heraus zu begründen, warum die Bundeswehr dort im Einsatz ist - im Übrigen seit vielen Jahren erfolgreich und in einem sehr verantwortungsvollen Einsatz. Aber es ist zumindest nicht der Zusammenhang herzustellen, den Sie herstellen.

Chebli: Vielleicht kann ich ergänzen: Was die Kriterien zur Einstufung der sicheren Herkunftsländer angeht, gibt es verschiedene Maßnahmen und bestimmte Kriterien, die erfüllt sein müssen. Zum Beispiel geht es um das Thema Rechtsstaatlichkeit oder die Frage: Wie lange dauert es, bis Urteile gefällt werden, wenn jemand angeklagt ist? Das sind alles Fragen, die maßgeblich für die Entscheidung ist, ein Land als sicheres Herkunftsland zu klassifizieren.

Frage: Mit Verbindung zu dem eben Gesagten nur zwei Terminfragen:

Ich habe es verpasst: Ist das Datum 9. September für den Flüchtlingsgipfel inzwischen eines, das bestätigt werden kann?

Zum Zweiten: Wann findet denn die nächste Kabinettsklausur in Meseberg statt? Ich habe immer Mitte September im Ohr, was mir in Verbindung mit verschiedenen Vorhaben gesagt worden. Gibt es inzwischen einen konkreten Termin?

StS Seibert: Zu dem einen: Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung sind offen für ein solches Treffen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder im September. Aber einen Termin gibt es noch nicht, und den jetzt mehrfach genannten kann ich in dem Sinne auch nicht bestätigen. Aber wir sind offen für einen solchen Termin, und daran wird gearbeitet werden.

Was den anderen Termin angeht, bin ich jetzt nicht in der Lage, ihn zu bestätigen. Aber Sie wissen, dass wir die Zeitplanungen nicht ganz so frühzeitig bekanntgeben.

Frage: Zum Thema Rüstungsexporte. Herr Toschev, der "Spiegel" berichtet, dass die Bundesregierung zwischen Januar und Ende Juni 2015 deutlich mehr Rüstungsexporte als im Vorjahreszeitraum genehmigt hat. Der Wert der Einzelgenehmigungen ist um rund 50 Prozent gestiegen. Wie passt das mit einem Wirtschaftsminister zusammen, der die Rüstungsexporte beschränken und nicht ausweiten wollte?

Toschev: Vielen Dank für die Frage. - Vorweg: Das passt mit einer verantwortungsvollen Rüstungspolitik zusammen. Wenn man sich die Zahlen etwas genauer anschaut, wird man auch fündig. Die Zahlen beruhen auf einer parlamentarischen Anfrage, die gestellt wurde und die sich auf die Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2015 bezog. Die parlamentarische Anfrage ist einsehbar und online verfügbar.

Ja, es ist richtig: Zum einen sind die Zahlen im Vergleichszeitraum zum ersten Halbjahr 2014 gestiegen. Aber die Zahlen allein sind kein tauglicher Gradmesser. Auch das reflexhafte Verweisen auf die Zahlen bringt nicht weiter, sondern man muss sich schon die Mühe machen, genau zu schauen: Was wird eigentlich an Rüstungsgütern exportiert, in welches Land wird exportiert und - quasi in Kombination - für welchen Verwendungszweck eignet sich das?

Wenn man sich das etwas genauer anschaut - wie gesagt, die Mühe muss man sich machen -, sieht man, dass von den Einzelgenehmigungen, deren Anstieg Sie gerade erwähnten, allein 34,8 Prozent an Großbritannien gegangen sind und der Anstieg der Einzelgenehmigungen an einen EU- und Nato-Partner ganz maßgeblich darauf beruht, und zwar für Tankflugzeuge. An zweiter Stelle steht zum Beispiel Israel mit einem U-Boot. An dritter Stelle - das will ich auch nicht verschweigen - steht Saudi-Arabien. Aber, wenn man sich das genau anschaut, sieht man, dass das dort Zulieferungen für Komponenten für unbewaffnete Transporter sind. Es sind also keinerlei Kriegswaffen, Handfeuerwaffen - G36 -, die genehmigt wurden.

Ich will damit sagen: Man muss sich genau anschauen, woher eigentlich der Anstieg der einzelnen Zahlen kommt. Wenn man sich diese Mühe macht und sich das genau anschaut, sieht man, dass wir in jedem Einzelfall wirklich genau prüfen, uns das anschauen, dass eine verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik dahinter steckt und dass das, was wir uns vorgenommen haben, was ja auch in den Verschärfungen der Regelungen zum Ausdruck gekommen ist - Kleinwaffengrundsätze; wie beschränken wir sozusagen Exporte von Kleinwaffen, die besonders gefährlich sind, in Drittländer? -, seinen Niederschlag findet.

Zusatzfrage: Herr Seibert, mich würde einmal interessieren, ob die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen deutschen Waffenexporten in die Welt und dem Flüchtlingsproblem sieht.

StS Seibert: Das ist nun wirklich eine sehr universale Frage.

Zuruf: Nein!

StS Seibert: Gut, ich finde sie sehr universal.

Wir haben hier vielfach ausgeführt, welches die Grundlagen der restriktiven deutschen Rüstungsexportgenehmigungspraxis sind. Die Flüchtlingsproblematik, der sich Europa jetzt besonders stellen muss, hat so vielfältige Ursachen, dass es, glaube ich, jetzt den Rahmen dieser Pressekonferenz sprengt, sie einzeln zu besprechen. Sie sind auch von Land zu Land unterschiedlich. Ich kann jedenfalls den Zusammenhang, den Sie herstellen, nicht sehen.

Zusatzfrage: Sie sagen ja selbst, dass das mehrere Ursachen hat. Ist eine Ursache auch, dass deutsche Waffen dorthin geliefert werden, wo die Flüchtlinge herkommen?

StS Seibert: Nein, ich sehe diesen Zusammenhang nicht. Es gibt sicherlich Flüchtlinge, die aus Gegenden mit bewaffneten Auseinandersetzungen - Bürgerkriege oder Ähnliches - fliehen. Das ist ja offensichtlich zurzeit in der Lage von Syrien so, wo sich Hunderttausende oder Millionen auf den Weg aus ihrer Heimat gemacht haben, machen mussten. Das hängt aber nicht mit deutschen Waffenexporten zusammen.

Montag, 10. August 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 10. August 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/08/2015-08-10-regpk.html;jsessionid=798DA63893F768DAD9E23974FA2A89C1.s4t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2015

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