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PRESSEKONFERENZ/1042: Merkel zu den ersten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen, 20.8.15 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz in Brasilia - Donnerstag, 20. August 2015
Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel am 20. August 2015


Wir sind zu den ersten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen hier nach Brasilien gefahren. Allein die Tatsache, dass diese Regierungskonsultationen stattfinden, zeigt schon, dass wir eine spezielle Partnerschaft mit Brasilien haben. Brasilien ist unser Hauptpartner im lateinamerikanischen Gebiet. Allein ein Drittel des Handels mit Lateinamerika findet zwischen Deutschland und Brasilien statt.

Wir sind gestern nicht nur von der Präsidentin, sondern von einem großen Teil der brasilianischen Regierung sehr herzlich empfangen worden. Auch die Tatsache, dass doch eine große Zahl von Ministern und Staatssekretären in unserer Delegation, aber auch auf der brasilianischen Seite vertreten ist, zeigt, dass wir breite Beziehungen haben, aber dass wir diese Beziehungen auch noch verstärken wollen. Es geht natürlich um Wirtschaftsbeziehungen; ich werde mich auch mit Vertretern der deutschen Wirtschaft in Brasilien treffen. Wir können unseren Handel ausweiten. Wir brauchen verlässliche Investitionsbedingungen, und das wird auch in den Gesprächen mit der Präsidentin immer wieder eine Rolle spielen. Die deutschen Unternehmen wollen das und sind dann auch bereit, noch mehr in Brasilien zu investieren.

Wir haben eine breite Zusammenarbeit im Bereich der Landwirtschaft, die gerade auch bei Agrarprodukten, insbesondere im Zusammenhang mit Soja, eine große Rolle spielt. Wir haben eine sehr breite Kooperation im Umwelt- und Entwicklungsbereich. Wir werden gerade auch im Bereich der Waldwirtschaft, das heißt der Tropenwalderhaltung und der Tropenwaldwiederaufforstung, eine Vielzahl von Programmen diskutieren. Auch eine Vielzahl von Programmen, die Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland mit der indigenen Bevölkerung, also mit den Indianern, durchführen, ist von großer Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung Brasiliens.

Es gibt auch Felder, in denen wir unsere Zusammenarbeit erweitern können. Das ist zum Beispiel im Gesundheitsbereich der Fall, wo es um Zulassungsfragen von Medikamenten und technischen Geräten geht. Hier kann der Austausch intensiviert werden.

Wir haben einen lang gewachsenen Austausch im Bereich von Bildung und Forschung.

Es gibt natürlich eine große Zusammenarbeit im Bereich der Außenpolitik. Brasilien und Deutschland gehören zu den Ländern, die sich um einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat bewerben, also zu den sogenannten G4-Ländern. Wir werden auch den anderen beiden Ländern - Indien und Japan - vorschlagen, dass wir am Rande der UN-Vollversammlung ein G4-Treffen durchführen, um diesen Anspruch noch einmal zu untermauern.

Deutschland und Brasilien arbeiten auch sehr eng im Bereich der internationalen Fragen zusammen. Hier ist in diesem Jahr ein wichtiger Punkt die Klimakonferenz in Paris. Wir arbeiten hier an einer gemeinsamen Klimaerklärung. Ich kann so viel sagen, dass wir doch sehr ambitionierte Ergebnisse erzielen werden. Die letzten Feinheiten werden in den letzten Stunden noch geklärt und sicherlich nachher abgeschlossen werden können.

Es gibt eine Entwicklung, die mich sehr hoffnungsfroh stimmt und die die Belebung unserer wirtschaftlichen Kooperation sehr fördern könnte. Das ist eine neue Offenheit Brasiliens gegenüber der Beschleunigung der Verhandlungen zu einem EU-MERCOSUR-Freihandelsabkommen. Brasilien ist hierbei sehr ambitioniert. Das hat gestern schon in unseren Gesprächen eine Rolle gespielt und wird das auch heute noch weiterhin tun.

Insgesamt sind es also sehr intensive Besprechungen auf einer sehr breiten Grundlage. Ich bin ganz sicher: Wenn in zwei Jahren die nächsten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen in Deutschland stattfinden, wird man resümieren können, dass sich die Intensität unserer Zusammenarbeit noch einmal sehr gut entwickelt hat.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, eine Frage zu dem Verhältnis Deutschland-Brasilien. Vor einem Jahr konnten Sie hier feiern. Es gab nach der Fußball-WM Grund zur Freude, jetzt gibt es Grund zur Sorge, nachdem das Land in der Krise steckt. Auch die deutschen Autobauer sind betroffen. Was kann Brasilien außer den Verhandlungen zwischen MERCOSUR und der EU tun, um aus dieser Krise herauszukommen?

BK'in Merkel: Ich habe den Eindruck, dass Brasilien merkt, wie stark es weltweit von Rohstoffpreisentwicklungen betroffen ist, wie stark natürlich auch Entwicklungen in anderen Teilen der Welt eine Rolle spielen, zum Beispiel im asiatischen Bereich - beispielsweise China -, und dass man bemüht ist, die gesamten Kooperationsbeziehungen, wie wir das in Deutschland ja auch tun, auf möglichst breite Füße zu stellen. Deshalb glaube ich, dass dieser Besuch gerade wegen der angespannten wirtschaftlichen Situation genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, zu den EU-MERCOSUR-Verhandlungen: Welchen Eindruck haben Sie denn gewonnen? Wie sehr muss denn Brasilien hier auf Argentinien und Venezuela Rücksicht nehmen?

BK'in Merkel: Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Präsidentin ein sehr hohes Interesse daran hat und dass sie auch in einem sehr engen Kontakt mit Argentinien steht. Paraguay und Uruguay sind, glaube ich, sowieso Partner, die sehr gern dabei mitmachen. Wir werden vielleicht überlegen müssen, ob wir auch Wege finden, wie wir einigen unterschiedliche Geschwindigkeiten gestatten. Ich glaube, das ist ein Mittel, das wir oft anwenden. Das kennen wir auch aus der Europäischen Union. Das heißt, es gibt Verhandlungen mit der gesamten MERCOSUR-Gruppe, aber manche gehen voran. Dazu ist Brasilien zusammen mit anderen bereit, und das ist das neue Momentum, das ich sehe und das sehr hilfreich sein könnte.

Frage: Sie haben den Klimaschutz angesprochen. Werden Sie heute Abend konkrete Ergebnisse im Gepäck mitnehmen können?

BK'in Merkel: Ich bin recht optimistisch, dass wir - sagen wir es einmal so - zumindest anspruchsvolle Formulierungen haben, die uns weiter helfen. Es geht ja bei der Klimakonferenz neben den nationalen Zielen, die Brasilien noch vorliegen wird - nicht im Zusammenhang mit diesen Regierungskonsultationen, aber dann im September -, darum, dass wir einen glaubwürdigen Pfad in Richtung der Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels hinbekommen. Da spielt die Frage der Dekarbonisierung eine Rolle, worüber wir sprechen. Ich bin ganz optimistisch, dass wir dabei recht gute Ergebnisse erzielen.

Im Übrigen ist Brasilien einer der großen Inhaber von Waldlandschaften. Wir sind sehr zufrieden, dass es sehr ambitionierte Entwicklungen gibt, was den Stopp und die Reduktion der Abforstung anbelangt. Das ist für die gesamten Klimaziele Brasiliens der Schlüssel. Aber es ist eben auch für die Erhaltung der Artenvielfalt auf der Welt der Schlüssel. Brasilien - das dürfen wir nie vergessen - ist das artenreichste Land der Welt. Was hier zerstört wird, ist nicht reproduzierbar.

Frage: Brasilien hat als wichtiges Schwellenland früher Vorbehalte gehabt, dass der IWF sich in Europa engagiert. Haben Sie eine Zusicherung bekommen, dass Brasilien die Beteiligung des IWF am Griechenland-Rettungspaket im Oktober unterstützen wird?

Vielleicht können Sie noch einen Kommentar zu den Abweichlern in Ihren eigenen Reihen abgeben. Ist das ein Problem für Sie?

BK'in Merkel: Heute sprechen wir über die deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen. Wir haben nicht konkret über die Rolle des IWF gesprochen, sondern wir haben darüber gesprochen - das wurde von Brasilien sehr geschätzt -, dass es uns gelungen ist, das Paket doch auch in allen europäischen Parlamenten zu verabschieden, sofern das notwendig war, und dass damit eine gute Grundlage dafür gelegt ist, dass Griechenland dieses Programm erfüllen kann und damit auch Unsicherheiten genommen sind.

Gerade hier in Brasilien schaut man angesichts der Kooperationen, die es auch im lateinamerikanischen Bereich gibt, sehr intensiv darauf: Wie entwickelt sich Europa? Wie hält Europa zusammen? Wie überwinden wir Konflikte und auch Schwierigkeiten? Deshalb war die Präsidentin sichtlich froh, als wir gestern kamen und sagen konnten: Die Tranchen können freigegeben werden und das Programm kann jetzt umgesetzt werden.

Herzlichen Dank!

Donnerstag, 20. August 2015

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Quelle:
Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel am 20. August 2015 in Brasilia
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/08/2015-08-20-pk-brasilien.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2015

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