Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


PRESSEKONFERENZ/1079: Regierungspressekonferenz vom 7. Oktober 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 7. Oktober 2015
Regierungspressekonferenz vom 7. Oktober 2015

Themen: Absage der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen, Ukraine-Konflikt, Kabinettssitzung (Beteiligung an den Friedensmissionen der Vereinten Nationen in Mali, in Somalia, im Südsudan und in Haiti, Ausbau der Stromnetze, Konzept zur Koordinierung der Asyl- und Flüchtlingspolitik), Syrien, Asyl- und Flüchtlingspolitik, Konzernnachhaftung für nukleare Entsorgung, Ermittlungen gegen den Automobilkonzern Volkswagen wegen manipulierter Abgaswerte, EuGH-Urteil zum Safe-Harbor-Abkommen

Sprecher: SRS Streiter, Urban (BMEL), Ewald (BMEL), Henjes (BMVg), Plate (BMI), Braams (BMWI), Rudolph (BMVI), Scholz (BMJV)


Vors. Szent-Ivanyi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Urban (zu einer Personalie): Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist mir eine Freude, Ihnen heute Frau Ewald vorzustellen. Sie ist jetzt neu in der Pressestelle des Bundeslandwirtschaftsministeriums.

Ewald: Vielen Dank! Ich freue mich auch, dass ich mich Ihnen heute vorstellen darf. Vielleicht sind wir uns irgendwie schon einmal begegnet. Ich komme aus dem Bundesinstitut für Risikobewertung; dort habe ich in den vergangenen acht Jahren Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gemacht, bis ich jetzt im vergangenen Sommer in das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gewechselt bin. Ich freue mich, dass ich in dieser für mich neuen Position als Sprecherin des BMEL mit Ihnen hier zusammenarbeiten werde und hoffe, dass das eine gute Zusammenarbeit wird.

Vors. Szent-Ivanyi: Das hoffen wir auch, und in diesem Zuge möchte ich Ihnen auch gerne unser Starterpaket überreichen.

Ewald: Herzlichen Dank!

Vors. Szent-Ivanyi: Dann möchte ich Herrn Streiter das Wort für zwei Ankündigungen und danach die Themen aus dem Kabinett geben.

SRS Streiter: Es gibt eine Änderung, was die Termine der Bundeskanzlerin betrifft: Aufgrund der zunehmenden Eskalation der Gewalt in Israel hat die israelische Regierung die für morgen angesetzten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen abgesagt. Die Bundesregierung bedauert diese Absage und hofft, dass diese Konsultationen später nachgeholt werden können.

Dann wollte ich noch etwas zum Thema Ukraine sagen. Die Bundesregierung hat die Meldungen über den Verzicht der Separatisten auf die Abhaltung unabgestimmter Kommunalwahlen im Oktober zur Kenntnis genommen. Sie begrüßt, dass sich die Separatisten wieder auf den Boden der Minsker Vereinbarungen begeben haben. Der Verzicht auf diese Wahlen entspricht auch dem gemeinsamen Verständnis aller vier Beteiligten des Normandie-Treffens in der vergangenen Woche. Jetzt kommt es darauf an, dass in der politischen Arbeitsgruppe, der trilateralen Kontaktgruppe, zügig die Modalitäten für Lokalwahlen in der Ostukraine auf der Grundlage ukrainischen Rechts und unter Einhaltung der einschlägigen OSZE-Standards vereinbart werden.

Dann kommen wir zum Bundeskabinett, das heute eine ziemlich umfangreiche Tagesordnung hatte.

Zunächst hat die Bundesregierung beschlossen, sich an den Friedensmissionen der Vereinten Nationen in Mali, in Somalia, im Südsudan und in Haiti mit Polizistinnen und Polizisten des Bundes und der Länder zu beteiligen beziehungsweise die bereits bestehende Beteiligung zu erhöhen. In Mali und im Südsudan sind bereits deutsche Polizistinnen und Polizisten im Einsatz; in Somalia und Haiti geschieht dies erstmalig. Die Stärkung der Vereinten Nationen bleibt auch im 70. Jahr ihres Bestehens ein wichtiges außenpolitisches Anliegen der Bundesregierung. Die Missionen leisten weltweit unverzichtbare Beiträge zur Schaffung und Erhaltung von Frieden und Sicherheit.

VN-Missionen sind längst nicht mehr auf militärische Mittel beschränkt. Im Sinne einer nachhaltigen Stabilisierung kommt in den heutigen multidimensionalen Friedensmissionen die gesamte Bandbreite militärischer, polizeilicher und ziviler Mittel zum Tragen. Das bisherige deutsche Engagement im Polizeibereich ist weithin anerkannt und hat das Potenzial, sich zu einer Art deutschem Markenzeichen bei der Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen zu entwickeln.

Die heutigen vier Kabinettsbeschlüsse zur Erhöhung der Kontingente bei MINUSMA in Mali, UNMISS im Südsudan beziehungsweise zu Neubeteiligungen bei UNSOM in Somalia und MINUSTAH in Haiti sind weitere substanzielle Schritte in diese Richtung. Mit der Beteiligung an den Friedensmissionen der Vereinten Nationen leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung dieser Staaten und damit auch einen wichtigen Beitrag zur Beseitigung von Fluchtursachen.

Dann gab es einen zweiten Block im Kabinett, bei dem es im weitesten Sinne um den Energieleitungsausbau ging. Der Ausbau der Stromnetze ist wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Umsetzungsstand und Weiterentwicklung des gesetzlichen Rahmens für den Netzausbau, insbesondere zur Erdverkabelung, waren heute Kabinettsthemen.

Zunächst hat das Kabinett den zweiten Bericht über den Netzausbau nach dem Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG - zur Kenntnis genommen. Er zeigt, dass von den nach EnLAG geplanten Vorhaben Mitte dieses Jahres rund ein Viertel realisiert waren. Das entspricht einer Leitungsstrecke von etwa 500 Kilometern. Bis Ende 2016 sollen rund 40 Prozent der Leitungskilometer, bis Ende 2017 rund 60 Prozent fertig gestellt sein.

Vom EnLAG zu unterscheiden ist der im Bundesbedarfsplan enthaltene Netzausbaubedarf. Nach dem aktuellen Netzentwicklungsplan 2014 besteht bis 2024 ein zusätzlicher Netzausbaubedarf von ca. 5.800 Leitungskilometern.

Die Bundesregierung hat heute außerdem eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen beschlossen. Damit soll der Gesetzentwurf zur Änderung des Rechts des Energieleitungsbaus vom März 2015 ergänzt werden.

Erdkabel können einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz des Netzausbaus leisten, führen jedoch auch zu erheblichen Mehrkosten. Den Vorrang von Erdkabeln haben die Parteivorsitzenden der Regierungsparteien im Juli für Stromautobahnen beschlossen, die mit der neuen Technik der Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen - abgekürzt HGÜ - geplant sind. Dies soll mit der Formulierungshilfe umgesetzt werden.

Bei den herkömmlichen 380-Kilovolt- Drehstromleitungen - sogenannte Höchstspannungsleitungen - bleibt der Einsatz von Erdkabeln weiterhin auf ausgewählte Pilotvorhaben beschränkt. Im Gegensatz zu den Gleichstrom-Leitungen sehen die Übertragungsnetzbetreiber hier noch erhebliche technische Risiken mit Erdkabeln. Um hier zügiger Erfahrungen zu sammeln, sah der ursprüngliche Gesetzentwurf bereits eine moderate Ausweitung der Pilotvorhaben vor. Diese sollen nochmals um drei weitere Pilotvorhaben, beispielsweise die Ostküstenleitung in Schleswig-Holstein, erweitert werden.

Schließlich soll mit dieser Formulierungshilfe der Bundesbedarfsplan geändert und an den aktuellen, von der Bundesnetzagentur genehmigten Netzentwicklungsplan 2014/2024 angepasst werden. Dabei soll unter anderem für die Gleichstrompassage Süd-Ost als neuer Ausgangspunkt Wolmirstedt und als neuer Endpunkt Isar festgelegt werden. Das ist ebenfalls ein Ergebnis der Energiebeschlüsse vom Juli 2015.

Des Weiteren hat das Kabinett heute ein Konzept zur Koordinierung der Asyl- und Flüchtlingspolitik beschlossen. Die Entwicklung des Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland und in die EU wirkt sich auch auf die vielschichtigen und mehrere Ministerien betreffenden Aufgaben der Bundesregierung aus. Zu deren Bewältigung sind koordinierende und organisatorische Maßnahmen erforderlich.

Dazu hat das Bundeskabinett heute ein Koordinierungskonzept beschlossen. Die politische Gesamtkoordinierung obliegt dem Chef des Bundeskanzleramts, Herrn Minister Peter Altmaier. Sein ständiger Vertreter ist Staatsminister Helge Braun. Zur Unterstützung wird im Bundeskanzleramt eine Stabsstelle eingerichtet. Die operative Koordinierung liegt weiterhin beim Bundesminister des Innern. Zugleich wird die verantwortliche Mitwirkung der übrigen Ressorts verstärkt.

Der bereits bestehende Lenkungsausschuss aus Vertretern der Bundesressorts wird weiterhin von der zuständigen Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Frau Haber, geleitet. Als Geschäftsstelle steht dem Lenkungsausschuss der bereits im Innenministerium eingerichtete Stab "Koordinierung der Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahme" zur Seite.

Die Einbeziehung der Länder erfolgt unter Beachtung ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeiten über den Bund-Länder-Koordinierungsstab Asyl und Flüchtlinge. Dieser tagt ebenfalls unter Leitung von Frau Haber.

Das Thema Flüchtlinge und Asyl wird bis auf Weiteres als ständiger Tagesordnungspunkt in jeder Kabinettssitzung besprochen werden.

Soweit der Bericht aus dem Kabinett.

Frage : Herr Streiter und Herr Schäfer, ist die Einschätzung zutreffend, dass nach der Absage der Wahlen in der Ostukraine der Ball quasi in der Hälfte der ukrainischen Regierung liegt? Welche konkreten Maßnahmen müsste die ukrainische Regierung jetzt unternehmen, insbesondere in Bezug auf die Verfassungsreform, die mehr Autonomie für diese Gebiete vorsehen sollte?

Schäfer: Ich glaube, das kann man nicht unbedingt so sehen. Der französische Präsident hat dazu im Namen der vier Teilnehmer des Gipfeltreffens am vergangenen Freitag in seiner Pressekonferenz im Élysée-Palast in Paris ausgeführt, dass es aus Sicht der Gipfelteilnehmer erforderlich sei, die Wahlen substanziell und vernünftig vorzubereiten. Herr Streiter hat ja gerade die Position der Bundesregierung vorgetragen. Die Wahlen sollen auf der Grundlage des ukrainischen Rechtes stattfinden und sie sollen frei und fair sein. Das geht eben nicht von heute auf morgen.

Deshalb müssen jetzt in der Tat in der trilateralen Kontaktgruppe und in der Arbeitsgruppe für den politischen Prozess die Gespräche aufgenommen werden, um genau das zu tun, und zwar nach den Regeln von Minsk und das bedeutet unter Beteiligung der Separatisten. Insofern kann ich für diesen spezifischen Teil der Vereinbarungen vom vergangenen Freitag, nämlich den Umgang mit den Lokalwahlen, nur sagen: Der Ball liegt im Felde aller Konfliktparteien, insbesondere der Regierung in Kiew, aber auch der Separatisten, die jetzt in geeigneter Weise dazu das Gespräch suchen müssen, um vernünftige, unseren europäischen Maßstäben entsprechende Regelungen zu vereinbaren, die dann in ein ukrainisches Wahlgesetz einmünden sollten, das dann wiederum mit etwas Vorlauf durch die Durchführung vernünftiger freier und fairer Wahlen umgesetzt werden soll.

Darüber hinaus - da haben Sie völlig Recht, Herr Jolkver - gibt es noch eine Menge Baustellen hinsichtlich der Vereinbarung von Minsk. Manche davon betreffen alle Konfliktparteien. Dazu gehören der Schutz und der Respekt vor der Arbeit der zivilen Beobachtermission der OSZE; dazu gehört die immer noch ausstehende abschließende Einigung auf den Rückzug schwerer Waffen, wie er auch schon in Minsk vorgesehen ist; dazu gehören aber auch in der Tat - da haben Sie völlig Recht - Dinge, die im Wesentlichen in Kiew geregelt werden müssen; dazu gehören die Verfassungsreform, der Umgang mit dem Sonderstatusgesetz und manches mehr.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, ich bin stark beeindruckt von Ihren hellseherischen Fähigkeiten. Letzten Montag haben Sie gesagt, man müsse ein paar Tage warten und dann komme schon die Absage der Wahlen. Offensichtlich wussten Sie viel mehr als alle anderen. Was war denn Ihrer Kenntnis nach ausschlaggebend, dass die Absage oder die Verschiebung der Wahl doch so schnell kam, obwohl das am Samstag noch alles andere als in trockenen Tüchern war?

Schäfer: Komplimente kommen von Ihrer Seite nicht so häufig. Deshalb muss ich das, was Sie gerade gesagt haben, jetzt erst einmal ein paar Sekunden auf der Zunge zergehen lassen. Dann würde ich Ihnen antworten: Es gab intensive Debatten am vergangenen Freitag im Élysée-Palast genau um diese Frage. Das, was die Separatisten angekündigt hatten, war ein klarer, eklatanter Verstoß gegen die Vereinbarungen von Minsk, die ja von den Separatisten selber mit unterzeichnet gewesen sind. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Ich denke, das ist einer, vielleicht der entscheidende Grund dafür, dass auch Moskau gesehen hat, dass man hier Einfluss ausüben muss. Nachdem wir über das Wochenende hier und da sehr vorsichtige, ja skeptische Äußerungen aus Moskau gehört hatten, ob denn der Einfluss aus Moskau auf die Separatisten hinreichend stark sei, gab es durchaus Beobachter, zu denen auch wir im Auswärtigen Amt zählten, die darauf vertraut haben, dass das, was der russische Präsident am Freitag angekündigt hatte, er auch in der Folge umsetzen würde. Und genauso ist es gekommen.

Frage : Also kann man das so verstehen, dass Herr Putin dafür gesorgt hat, dass es keine Wahlen geben wird?

Schäfer: Jedenfalls hat sich der russische Präsident im Namen Russlands am Freitagabend dazu bekannt, mit den Separatisten mit dem Ziel zu sprechen, dass die Wahlen abgesagt werden.

Was hinter den Kulissen vorgefallen ist, wie wann auf welche Art und Weise und in welcher Tonlage mit den Separatisten gesprochen worden ist, entzieht sich total unserer und auch meiner Kenntnis. Das scheint mir jetzt aber auch nicht entscheidend zu sein. Entscheidend ist das, was hinten herauskommt. Das Ergebnis in diesem Fall ist aus unserer Sicht das richtige, weil es die Möglichkeit erhält, die Vereinbarungen von Minsk einzuhalten und umzusetzen, auch wenn - auch das ist ja bereits am letzten Freitag festgestellt worden - der Zeitplan bis Ende 2015 wahrscheinlich nicht zu halten sein wird. Das ergibt sich auch aus dem von mir gerade dargestellten Zeitplan für die Abhaltung der Wahlen. Wenn man das alles hintereinander rechnet - die Diskussion um ein Wahlgesetz, die Verabschiedung des Wahlgesetzes, die Vorbereitung der Wahlen auf der Grundlage eines zu verabschiedenden Wahlgesetzes -, dann kommt man sicher auf eine Zeitspanne jenseits von drei oder vier Monaten. Damit sind wir eindeutig bereits im Jahr 2016, das ja eigentlich dann ein Moment wäre, bei dem Minsk längst hätte umgesetzt worden sein sollen.

Frage : Herr Schäfer, zu dem Treffen am vergangenen Freitag - ich wollte Ihre prophetischen Fähigkeiten sozusagen auf die Probe stellen -: Haben Sie noch weitere Vorhersagen, was noch an Zusagen vonseiten Putins möglicherweise in den nächsten Tagen erfüllt werden könnte? Vor allem hörte man, dass es unter anderem auch um Finanzhilfe für die syrischen Rebellen bei dem Gespräch ging. Dabei ist ja offensichtlich, dass die Kanzlerin, Hollande und der russische Präsident doch wahrscheinlich ein bisschen anderer Meinung sind. Können Sie dazu etwas sagen?

Schäfer: Ich würde es dem Vorsitzenden überlassen, ob er jetzt so elegant das Thema wechseln möchte. Das ist ja eine Frage zu Syrien. Wenn Sie das zulassen, will ich dazu gerne antworten.

Vors. Szent-Ivanyi: Ich würde sagen: Ja, bitte.

Schäfer: Dann lassen Sie mich zuvor sagen: So schön, wie wir das hier bislang besprochen haben, ist es natürlich in der Praxis nicht und auch nicht immer. Bereits gestern hat die trilaterale Kontaktgruppe wieder in Minsk getagt, auch die Arbeitsgruppensitzungen haben stattgefunden. Die Mühen der weißrussischen Ebene - ich glaube, so kann man es ganz gut beschreiben - stehen noch vor uns. Abgesehen davon, dass die Wahlen abgesagt oder verschoben wurden, haben wir noch keine Lösung für das, was jetzt gestalterisch geschehen muss, nämlich ein vernünftiges Wahlgesetz nach den Prinzipien von Minsk. Da sind wir noch nicht. Insofern gibt es noch jede Menge Gelegenheit für den einen oder anderen, Sand ins Getriebe zu streuen. Ich hoffe, dass das nicht passiert. Ich kann das aber auch nicht ausschließen.

Bei anderen Zusagen vielleicht nur noch der Punkt: Es gibt ja eine Einigung seit der letzten Woche auf den Rückzug von - ich hoffe, ich drücke mich verständlich aus - schweren leichten Waffen, also von einer Kategorie von Waffen, die von den Minsker Vereinbarungen nicht umfasst war, die aber bei den letzten Außenminister-Treffen immer wieder Gegenstand der Beratungen war. Da gibt es einen Zeitplan jenseits von einem Monat, nachdem beide Seiten die Waffen Zug um Zug zurückziehen. Letztlich steht noch der formale Beschluss über den Rückzug von schweren schweren Waffen aus, wie das Punkt zwei der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar 2015 vorsieht. Da stehen wir jetzt kurz vor einer förmlichen Unterzeichnung. Auch da gilt es, jetzt Nägel mit Köpfen zu machen und diese Vereinbarung unter Dach zu bringen und damit parallel zum Rückzug der leichten Waffen auch die schweren Waffen abzuziehen.

All das dient natürlich dem Ziel, den Waffenstillstand fester zu machen, ihn zu kräftigen und die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass es - aus welchen Gründen auch immer - wieder zu einer neuen militärischen Eskalation kommt.

Jetzt kann ich, wenn der Vorsitzende es zugelassen hat, auch zu Syrien sprechen: Ich war bei den Gesprächen, die die Bundeskanzlerin geführt hat, nicht dabei. Deshalb sehe ich mich auch nicht in der Lage, jetzt als Sprecher des Auswärtigen Amtes für die Bundeskanzlerin und ihre Gespräche in Paris zu sprechen.

Ganz grundsätzlich kann ich nur sagen: Das, was wir in Syrien erleben, ist wirklich brandgefährlich. Bisher ist - auch von dieser Seite aus - immer von einem Stellvertreterkrieg geredet worden. Aber wir sind ja - das sage ich mit all der Ernsthaftigkeit, die das bedeutet - weit über einen Stellvertreterkrieg hinaus. Die großen Mächte - Russland, die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, die internationale Koalition unter Beteiligung der Golf-Monarchien - haben ja nicht - vielleicht der eine oder andere auch; der Iran, Hisbollah - andere Gruppierungen am Start, sondern die Mächte sind selbst im Einsatz, indem sie Luftangriffe fliegen. Die Ereignisse der letzten Tage - etwa die Auseinandersetzungen um die Verletzung des türkischen Luftraums und damit des Nato-Luftraums, auch der Versuch der Vereinigten Staaten von Amerika, mit Russland mindestens einen kleinen gemeinsamen Nenner bei der Abstimmung von Militäroperationen zu finden - zeigen, in welch gefährlicher brisanten Lage wir sind. Ein kleiner Unfall, eine kleine Panne, eine Fehlentscheidung eines kleinen Soldaten und wir haben eine Situation, die eine völlig andere ist.

Deshalb gilt die Aufforderung der Bundesregierung wirklich an alle Beteiligten und insbesondere an diejenigen, die dort selber militärisch im Einsatz sind, wirklich alles daran zu setzen, solche Unfälle, solche Missverständnisse und solche Pannen zu vermeiden und darüber hinaus nicht zu vergessen, dass es ganz sicher - sicher nicht auf die Art und Weise, wie das zurzeit abläuft - eine Lösung für die Krise und den Bürgerkrieg in Syrien geben wird. Die Lösung einer Krise findet sich nur und ausschließlich am Verhandlungstisch, was nicht ausschließt, dass auch etwa gegen ISIS militärische Gewalt aus unserer Sicht notwendig und erforderlich ist.

Frage : Herr Schäfer, die Meldung ist schon ein paar Stunden alt. Die irakische Regierung hat Russland darum gebeten, Luftangriffe gegen ISIS im Irak zu fliegen. Haben Sie das vorher gewusst, haben Sie das ahnen können?

Schäfer: Die irakische Regierung hat sich nach meiner Erinnerung vor einigen Monaten an die gesamte Staatengemeinschaft mit der Bitte um Nothilfe gewandt, also auch militärische Unterstützung beim Kampf gegen ISIS. Die internationale Koalition unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika, in der Deutschland ein wichtiger Teil ist, hat dieser Bitte stattgegeben. Seit dieser Zeit gibt es, wie Sie wissen, auch militärische Aktionen vonseiten dieser Koalition, an denen Deutschland keinen Anteil hat. Dass diese Bitte schon damals an die gesamte internationale Staatengemeinschaft, also auch an die Russische Föderation, gegangen ist, war für niemanden ein Geheimnis. Dass jetzt womöglich konkrete Militäroperationen im Raum stehen, das, glaube ich, finden kundige Beobachter nicht übermäßig überraschend. Aber auch im irakischen Luftraum gilt genau das Gleiche wie für den Luftraum über Syrien: Da muss man schon verdammt aufpassen, dass nicht Dinge durcheinander geraten und Dinge passieren, die man nicht erreichen will. Je mehr Abstimmung, je mehr Koordination, je mehr gemeinsames Vorgehen es gegen ISIS gibt, umso größer die Erfolgsaussichten.

Zusatzfrage : Kann man denn Russland mittlerweile zur westlichen Anti-ISIS-Koalition zählen?

Schäfer: Ich fürchte, da müssen Sie in Russland nachfragen, ob die russische Regierung sich als Teil dieser Koalition sieht oder nicht. Mein Gefühl ist, dass die Antwort aus Moskau dazu eher zögerlich käme.

Zusatzfrage : Was sagen Sie? Ist Russland für Sie Teil der Anti-ISIS-Koalition?

Schäfer: Russland ist formal kein Teil dieser Koalition. Mir wäre nicht bekannt, dass Russland als aktives Mitglied dieser Koalition an den Gründungsveranstaltungen oder den Treffen, die seit September 2014 stattgefunden haben, teilgenommen hätte. Nichtsdestotrotz haben wir Interessenüberschneidungen mit der Russischen Föderation. Wenn es so ist, wie Russland sagt, dass es auch bereit ist, den Kampf gegen ISIS aufzunehmen, dann geht es darum, das gemeinsam zu tun, das möglichst abgestimmt zu tun, um die begrenzten endlichen Ressourcen, die wir dafür zur Hand haben, so wirksam wie möglich einzusetzen und ISIS damit so schnell wie nur irgend möglich in die Knie zu zwingen.

Frage : Herr Schäfer, der Bundesaußenminister war gestern in Kuwait und hat sich mit dem kuwaitischen Emir getroffen. Er hat noch einmal seine Sorge über den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ausgedrückt, was die Lösungsansätze für Syrien erschweren würde. Meine Frage konkret: Deutschland und Kuwait haben beide sehr gute Beziehungen zum Iran und auch zu Saudi-Arabien. Gibt es vor dem Hintergrund irgendwelche gemeinsamen Vermittlungsbemühungen zwischen Kuwait und Deutschland, dass man beide Seiten, also Riad und Teheran, näher zueinander bringt, auch wieder vor dem Hintergrund der Reise des Bundesaußenministers nächste Woche nach Teheran und Riad?

Schäfer: Ich will das, was Sie sagen, ausdrücklich bestätigen. In der Tat unterhält Kuwait gute Beziehungen zu beiden Staaten; Deutschland tut das auch. Ich kann Ihnen aber von keinen Vereinbarungen über gemeinsame Vermittlungsbemühungen berichten. Ich glaube, wir würden uns auch überheben, wenn die deutsche Außenpolitik den Anspruch erheben würde, da eine Vermittlerrolle einzunehmen. Wir sind bereit, unsere guten Dienste zu leisten. Der Außenminister hat in der vergangenen Woche - das habe ich vor einigen Tagen hier schon berichtet - lange und intensive Gespräche mit seinem saudischen Amtskollegen und mit seinem iranischen Amtskollegen geführt. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass es in der nächsten Zeit in der Tat auch zu Reisen des Außenministers in die Region kommt, ohne dass ich das jetzt hier bestätigen kann und will.

Das zeigt Ihnen, dass wir am Ball sind, weil uns das Thema Syrien, ein Ende des Bürgerkrieges und ein Einstieg in den politischen Prozess unter den Nägeln brennt - nicht nur, aber auch wegen der Flüchtlingsströme nach Europa, die eine unmittelbare Folge der kriegerischen Auseinandersetzungen sind. Es stehen ja auch jetzt wieder Meinungen und Beobachtungen im Raum, wonach etwa das russische Eingreifen in diesen Konflikt womöglich neue Flüchtlingswellen aus Syrien in die Region auslösen könnte, mit denen die internationale Gemeinschaft dann natürlich auch wieder umzugehen hätte.

Zusatzfrage : Sie haben gerade gesagt, dass Sie sich nicht überheben wollen, was die Vermittlungen angeht, dass Sie anscheinend nicht die Kapazitäten haben. Aber angesichts der Dramatik des Syrien-Konflikts und angesichts der Tatsache, dass man weiß, man braucht beide Länder zur Lösung dieses Konflikts, würde die deutsche Regierung eine Vermittlungsinitiative vonseiten der UN oder vonseiten der EU begrüßen?

Schäfer: Sie hätten mich falsch verstanden, wenn Sie mich so verstanden hätten, dass die deutsche Außenpolitik - ich weiß nicht, was Sie meinen - nicht die materiellen, personellen oder sonstigen Ressourcen oder Kapazitäten hätte, so etwas zu spielen. Das ist nicht das, was ich gemeint habe. Ich glaube einfach, wir tun gut daran, mit Bescheidenheit an die Sache heranzugehen und unseren tatsächlichen Einfluss nicht zu überschätzen. Das ist das, was ich sagen wollte.

Das schließt überhaupt nicht aus, dass die deutsche Außenpolitik darauf hinwirkt, dass es eine Lösung in Syrien gibt. Unsere klare Analyse ist: Sie wird es nur dann geben, wenn die großen Mächte, die Interessen in der Region haben, bereit sind, miteinander zusammenzuarbeiten. Dazu zählen ausdrücklich auch die drei Regionalmächte Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Im Optimalfall kommt es dazu, dass Europa, die Vereinigten Staaten von Amerika, Russland und die Mächte der Region miteinander an einem Tisch sitzen. Es war illusorisch zu glauben, dass das etwa während der Generaldebatte der Vereinten Nationen klappen könnte. Dazu ist die Kluft, dazu sind die Gräben zwischen manchen der wichtigen Spieler einfach zu tief und zu breit. Aber die Vorstellung, davon vielleicht im Rahmen von E3+3+3 - das ist so ein Schlagwort, das ja auch manchmal durch die Medien geistert - miteinander ins Gespräch zu kommen, scheint aus unserer Sicht durchaus vernünftig zu sein.

Frage: Herr Schäfer, Sie haben ja gerade erwähnt, dass die russischen Kampfflugzeuge, die in Syrien zum Einsatz kamen, den türkischen Luftraum verletzen. Wie ist die Reaktion der Bundesregierung auf diese Verletzung des Luftraums eines Nato-Mitglieds?

Schäfer: Ich glaube, ich habe dem, was vonseiten der Nato dazu gesagt worden ist - der Generalsekretär der Nato hat sich gestern zu Wort gemeldet; vorgestern hat, glaube ich, der Nato-Rat auf türkische Bitte dazu getagt - eigentlich gar nichts hinzuzufügen. Es ist doch ein Ding der Selbstverständlichkeit, dass die Regeln des Völkerrechts eingehalten werden und dass die russische Luftwaffe eben nicht den Luftraum eines Partnerstaates wie der Türkei verletzt. Dazu ist, glaube ich, aber auch alles gesagt. An Spekulationen darüber, ob das ein Unfall, eine Panne oder ein bewusstes Überschreiten von Regeln war, will und kann ich mich nicht beteiligen, weil wir dazu gar keine eigenen Erkenntnisse hätten.

Zusatzfrage: Der türkische Präsident Erdogan hat gesagt, dass ein Angriff auf die Türkei auch ein Angriff auf die Nato ist. Teilen Sie diese Ansicht? Kann sich die Türkei auf die Allianz verlassen?

Schäfer: Die letzten viereinhalb Jahre im syrischen Bürgerkrieg haben, glaube ich, sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass die Nato und dass auch Deutschland als Teil der Nato solidarisch mit der Türkei ist. Das war der Grund dafür, dass die Bundeswehr, die Bundesregierung ihre Patriot-Systeme in der Türkei vor einigen Jahren installiert hat. Die Angriffe, die von syrischem Territorium auf türkisches Territorium erfolgt sind, haben uns dazu veranlasst, uns nicht nur sozusagen politisch mit der Türkei solidarisch zu erklären, sondern ganz konkret eben mit besagten Patriot-Luftabwehrsystemen zu handeln, die wir installiert haben. Das gilt selbstverständlich auch für die Zukunft.

Frage : Wir sind von dem Thema Ukraine abgekommen. Ich habe doch noch eine Frage zu der Reihenfolge der ukrainischen Ereignisse. Wie soll denn nach Ihrer Ansicht die Reihenfolge sein? Erst das Wahlgesetz und die Wahlen und dann die Verfassungsreform oder alles gleichzeitig oder erst die Verfassungsreform?

Schäfer: Die Sequenzierung der verschiedenen Handlungsstränge ist durch die Formulierungen der Vereinbarungen von Minsk vom 12. Februar vorgegeben. Da gibt es hier und da unterschiedliche Auslegungen, wie das alles vonstattengehen soll, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis der Abhaltung von Lokalwahlen einerseits und das Inkrafttreten des ukrainischen Sonderstatusgesetzes auf der anderen Seite. Da gibt es seit einigen Wochen sehr vernünftige Vorschläge aus dem Auswärtigen Amt in Berlin, die auch schon intensiv mit Kiew und Moskau diskutiert worden sind, die auch am Freitag im Élysée Gegenstand der Beratungen der Staats- und Regierungschefs gewesen sind.

Wir glauben, dass es einen Fahrplan gibt, der auch in Paris besprochen worden ist, nach dem das jetzt ablaufen kann. Dabei spielt natürlich auch die von Ihnen angesprochene Verfassungsreform eine wichtige Rolle. Aber der entscheidende politische Knackpunkt ist die Sequenzierung von Lokalwahl und das Inkrafttreten eines Sonderstatusgesetzes, das wiederum einige andere Aspekte von Minsk wie eine Amnestie, den Gefangenenaustausch und manches andere beinhaltet.

Zusatzfrage : Aber den Inhalt dieses Vorschlags wollen Sie noch nicht preisgeben?

Schäfer: Das ist ja durchaus vom französischen Präsidenten letzten Freitag in der Pressekonferenz schon angesprochen worden. Dahinter verbirgt sich eigentlich gar kein Geheimnis. Der Vorschlag von Außenminister Steinmeier sieht vor, dass man zunächst erst einmal mit der Abhaltung der Lokwahlen das Sonderstatusgesetz in der Ukraine provisorisch zur Anwendung bringt und eine endgültige und dauerhafte Anwendung eines solches Gesetzes dann erfolgt, wenn sozusagen die Wahlen gut gelaufen sind, wenn sich alles konstituiert hat und der übrige Prozess der Minsker Vereinbarungen weiter auf gutem Weg ist.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium: Herr Schäfer erwähnte schon den Patriot-Einsatz. Dieser soll bald enden, und die Patriots sollen Mitte Oktober abgeschaltet werden. Gibt es im Zusammenhang mit den Verletzungen des Luftraums zum Beispiel der Türkei vielleicht Überlegungen, davon wieder Abstand zu nehmen und die Patriots erst einmal angeschaltet zu lassen?

Henjes: Zu dem Patriot-Einsatz unserer Kräfte in der Türkei ist zu sagen, dass dieser, wie Sie eben schon gesagt haben, jetzt nach drei Jahren beendet wird. Wir planen derzeit, am 15. Oktober unsere Kräfte von ihrem operativen Auftrag im Zusammenhang mit unseren Partnern vor Ort zu entbinden, und zwar mit der gemeinsam getragenen Entscheidung mit unseren Nato-Partnern und, wie gesagt, vonseiten der Türkei. Die von Ihnen angesprochenen Pläne sind mir nicht bekannt.

Frage : Herr Schäfer, wenn Russland zwar nicht formal an Bord der Anti-ISIS-Koalition ist, aber quasi informell, wie sieht es dann mit einer UN-Sicherheitsratsresolution aus, damit das einmal auf eine grundsätzliche Basis gestellt werden könnte?

Die andere Frage ist: Rechnen Sie damit, dass Assad auch die westliche Anti-ISIS-Koalition darum bitten wird, Luftangriffe in Syrien zu fliegen, damit man wie die Russen eine völkerrechtliche Grundlage für die Bombardierung hat?

Schäfer: Ihre erste Frage ist ein sehr guter Vorschlag. In der Tat wäre es gut, wenn es gelingen könnte, dass das entscheidende Gremium für Frieden und Sicherheit der Welt, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, hier handlungsfähig werden würde. So ganz handlungsfähig ist er in den letzten zwei Jahren nicht gewesen. Es hat zwei relevante Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gegeben. Eine im Herbst 2013 in der Folge der Erkenntnis, dass das syrische Regime ganz offensichtlich Chemiewaffen eingesetzt hat, jedenfalls in Syrien mit fatalen Folgen Chemiewaffen eingesetzt worden sind. Da ist es immerhin geglückt, die großen Chemiewaffenvorräte des syrischen Regimes aus dem Land zu bringen und unter deutscher Beteiligung zum Teil auch auf deutschem Boden zu vernichten. Es hat im Frühjahr 2014 die Resolution 2139 des Sicherheitsrats gegeben, bei der immerhin Russland und China Verpflichtungen für alle Konfliktparteien, insbesondere des Assad-Regimes, mitgetragen haben, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten und damit auch den Einsatz von Fassbomben und ähnliche Gräueltaten und Grässlichkeiten zu unterlassen.

Auch heute ist den Medien zu entnehmen, dass die französische Regierung plant, erneut einen Versuch zu starten, diesen Punkt, nämlich die Einhaltung des zivilisierten Umgangs miteinander, des humanitären Völkerrechts und das Verbot von Fassbomben in die Tat umzusetzen und noch einmal in einer Sicherheitsratsresolution zu verankern. Wäre das so, so würden wir das natürlich unterstützen. Unser Appell vonseiten der Bundesregierung geht an die engen Partner des Assad-Regimes, insbesondere an Moskau und an Teheran, dass, wenn man schon gemeinsam miteinander kämpft, man den Partner - in dem Fall Assad - aus Moskauer und Teheraner Sicht darauf einschwört, nicht das zu tun, was seit drei Jahren die Menschen in die Flucht treibt und terrorisiert, nämlich Hunderte und Aberhunderte von Fassbomben abzuwerfen und mutmaßlich auch Chemiewaffen gegen das eigene Volk einzusetzen. Das wäre ein konkreter Schritt in die richtige Richtung, der den Menschen im Land, glaube ich, nur zugutekommen kann.

Zusatzfrage : Die zweite Frage war, ob man sich von Assad wünscht, dass er die westliche Koalition auch um Luftangriffe bittet. Sie haben gerade gesagt, dass man mit Russland gemeinsam kämpft und gleichzeitig Assad als Partner Russlands (akustisch unverständlich). Ist Assad jetzt also auch schon der Partner des Westens - -

Schäfer: Ich glaube, diese Art von simplifizierter Logik funktioniert in Syrien nicht. Wenn man sich einmal das Reißbrett oder das mehrdimensionale Schachbrett der verschiedenen Spieler anschaut, dann entsteht daraus ein nahezu unentwirrbares, politisches, militärisches Knäuel, das niemand mehr auseinanderdividieren kann. Jedenfalls können Sie aus was auch immer nicht den Schluss ziehen, dass wir oder unsere westlichen Partner durch welche logische Schlussfolgerung auch immer Partner von Assad wären. Wahrscheinlich trifft es in der Sache zu, dass auch das Assad-Regime ein Interesse daran hat, dass ISIS in Syrien nicht weiter um sich greift. Insofern wären wir da einmal einer Meinung. Aber wenn man einmal in einem Punkt einer Meinung ist, heißt das noch lange nicht, dass man einander Partner oder gar Freund ist.

Im Übrigen zeigt ja das Verhalten der syrischen Armee in Syrien, dass als Feind weniger ISIS perzipiert wird, sondern man gewissermaßen indirekt ISIS als Hilfsmittel nutzt, um andere Teile der Opposition, auch der gemäßigten Opposition, militärisch zu bekämpfen.

Wir bleiben dabei, dass für uns auch der Kampf gegen ISIS eine absolute Priorität ist und dass (vonseiten) der internationalen Koalition, an der sich Deutschland, wie Sie wissen, beteiligt - auch durch eine Ausrüstung mit Militärgütern der Peschmerga, was allerdings im Irak und nicht in Syrien der Fall ist - der Kampf gegen ISIS so bald wie möglich erfolgreich abgeschlossen werden kann.

Frage(zum Konzept zur Koordinierung der Asyl- und Flüchtlingspolitik): Herr Streiter, wer war denn bisher für die politische Gesamtkoordinierung verantwortlich?

Was ist der Unterschied zwischen einer politischen und einer operativen Koordinierung?

Noch eine Frage, wenn ich darf: Es ist eine Liste von Federführungen einzelner Häuser vorgesehen, zum Beispiel in Zukunft Unterbringung und Liegenschaften beim BMVg. Hat es eine solche Federführung für die einzelnen Themen bisher nicht gegeben?

SRS Streiter: Die politische Gesamtkoordinierung ist schon immer eine Kernaufgabe des Bundeskanzleramtes gewesen. Das ist bei diesem Thema nicht anders als bei anderen Themen. Nur hat man sich bei diesem Thema, weil das Ganze doch ein gewisses Ausmaß erreicht hat, (dazu entschlossen), es noch ein bisschen zu institutionalisieren. Ansonsten ändert sich gar nichts. Die gesamte operative Koordinierung liegt beim Bundesminister des Innern.

Zusatzfrage: Und die anderen beiden Fragen? Was ist der Unterschied zwischen politischer und operativer Koordinierung und die Frage nach der Federführung der einzelnen Häuser?

SRS Streiter: Wie der Name schon sagt, ist die operative Koordinierung die Durchführung, und die politische Koordinierung ist noch etwas weiter gefasst. Um es einmal praktisch auszudrücken: Es gibt ja auch eine Situation, wo man mit ausländischen Staaten ins Gespräch kommen muss oder es gibt politische Differenzen - zum Beispiel zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern -, wo es ja auch sehr intensive Verhandlungen gibt. Das ist der Unterschied.

Zur Frage, was die Zuständigkeiten betrifft: Es geht um diesen Lenkungsausschuss, und in diesem Lenkungsausschuss gibt es halt Verantwortliche. Das ist das Neue. Das ist, ehrlich gesagt, auch das, was von einigen offenbar entweder nicht gewusst oder missinterpretiert wurde. Hier wird der Bundesinnenminister ja ausdrücklich gestärkt und nicht geschwächt.

Zusatzfrage: Mir ging es noch um einen anderen Punkt, zum Beispiel dieser Punkt Liegenschaften und Unterkunft, der in Zukunft federführend durch das BMVg behandelt wird. Es gibt eine ganze Liste solcher Federführungen. Die Frage ist, ob es die vorher schon gegeben hat oder ob das bisher einfach ein Nebeneinander in ähnlichen Feldern war.

SRS Streiter: Diese Zuständigkeiten gab es bisher natürlich teilweise auch; deswegen haben sie ja dann diese Federführung. Es ist aber jetzt richtig institutionalisiert. Das heißt, in diesem Lenkungsausschuss werden eben auch zusätzlich zu den Staatssekretären, die sich gelegentlich treffen, einfach ständig Mitarbeiter, etwa im Range eines Unterabteilungsleiters, dort sein und ständig verfügbar sein, was die ganze Sache etwas einfacher macht. Das heißt, der Bundesinnenminister gewinnt an Zugriff auf zusätzliche Kompetenzen.

Frage: Herr Streiter, was für konkrete Verbesserungen erhofft sich die Bundesregierung durch die Einrichtung der Stabsstelle zur Koordinierung der Flüchtlingslage?

SRS Streiter: Die Frage finde ich jetzt ein bisschen lustig, weil auch hier ständig gefragt wurde: Ja, wer hat denn jetzt die Mütze auf? Wer ist denn jetzt der Chef von dem Ganzen usw.? - Jetzt tun wir Ihnen einmal den Gefallen, und dann ist es auch nicht recht.

Zusatz: Ich habe nicht gesagt, dass mir das nicht recht ist. Ich frage nur, was Sie sich für Verbesserungen davon erhoffen.

SRS Streiter: Man verspricht sich einfach eine Verbesserung der Abläufe, eine Intensivierung der Arbeit und eine Beschleunigung der Arbeit. Es ist natürlich ein Unterschied, ob Sie, was zum Beispiel diesen Lenkungsausschuss betrifft, es mit Menschen zu tun haben, mit denen Sie ein- oder zweimal die Woche zusammensitzen oder ob Sie wirklich jeden Tag Zugriff haben. Das ist schon ein beträchtlicher Unterschied. Das wird die Sache sehr beschleunigen.

Zusatzfrage: Wo hat es denn vorher konkret gehakt, dass es jetzt im Kanzleramt angesiedelt wird?

SRS Streiter: Sehen Sie, da haben Sie mich jetzt wieder missverstanden. Ich habe jetzt gerade über die operative Koordinierung gesprochen, wo der Bundesinnenminister zusätzlich Zugriff auf mehr Leute hat, die a) über den Sachverstand und b) über die Kompetenz verfügen. Die politische Koordinierung ist nichts anderes als die politische Gesamtverantwortung, die das Bundeskanzleramt immer hat. Nur weil das Problem hier ein bisschen größer ist, wird es auch institutionalisiert und dass halt Leute da sind, die sich ständig damit befassen.

Frage: Meine Frage bezieht sich auf die Familiennachzügler; ich weiß nicht, an wen sie sich richtet. Ich würde gerne wissen, warum es so schwierig ist, zu sagen, wie viele in den nächster Zeit kommen, was die rechtlichen Grundlagen dafür sind, Herr Plate, und ob man diese rechtlichen Grundlagen für die Frage, wer überhaupt kommen darf, jederzeit ändern kann.

Plate: Die Frage ist zum Familiennachzug bei mir richtig aufgehoben. Warum ist das so schwierig zu sagen? Ich weiß jetzt nicht genau, woher Sie diese Äußerung nehmen, ob es schwierig ist, das zu sagen oder nicht. Ich glaube, es ist nicht schwierig zu sagen, was die rechtliche Grundlage ist. Der Familiennachzug ist im Aufenthaltsgesetz geregelt.

Vielleicht fange ich deshalb mit der letzten Frage an, ob die Vorschriften, die Voraussetzungen, die im Aufenthaltsgesetz zum Familiennachzug geregelt sind, leicht oder nicht leicht geändert werden können. Dafür gilt selbstverständlich nichts anderes als für jede andere gesetzliche Regelung in jedem anderen Gesetz. Das ist eine Frage der Durchführung eines Gesetzgebungsverfahrens, wenn man die Regelungen, die im Gesetz stehen, gerne anfassen möchte. Vielleicht habe ich die Frage aber auch falsch verstanden.

Zu der zweiten Frage: Was vielleicht schwierig zu sagen ist: wie lange ein Familiennachzug manchmal dauert. Sie könnten möglicherweise meinen, warum es vielleicht so schwierig ist, das zu sagen. Weil das einfach total vom Einzelfall abhängig ist, zum Beispiel von der Belastung der Ausländerbehörde, die das bearbeitet, selbstverständlich davon, ob alle Papiere, die dafür erforderlich sind, verfügbar sind oder erst besorgt werden müssen etc. pp. Falls das die Frage noch nicht beantwortet, würde ich Sie bitten, die Frage noch einmal zu präzisieren.

Zusatzfrage: Ich höre ganz unterschiedliche Zahlen. Ilse Aigner spricht von sieben Millionen, dann habe ich in der "Bild"-Zeitung vier bis sechs Millionen gelesen. Wie viele Familiennachzügler erwarten Sie denn in nächster Zeit?

Plate: Ach so, es geht um die Zahl. Dann habe ich Sie missverstanden.

Warum ist das schwierig zu sagen? Das ist doch ganz klar: Der Familiennachzug bezieht sich auf die Kernfamilie, wie Sie wahrscheinlich schon wissen. Die Kernfamilie heißt im Prinzip Ehegatten und minderjährige Kinder, jedenfalls im Wesentlichen. Wie viele zum Beispiel minderjährige Kinder eine Person, die in Deutschland bereits angekommen ist, hat, die für einen Nachzug infrage kommen, hat natürlich nicht jede Person, die hier angekommen ist, bereits irgendwo registermäßig erfassen lassen. Dafür gibt es keine zentrale Datei oder Ähnliches. Insofern ist es völlig klar, warum man das zahlenmäßig nicht seriös prognostizieren kann.

Schäfer: Wenn ich noch einen Satz hinzufügen darf: Das sind ja wirklich "sensationalistische" Zahlen, die mit der Realität und der Praxis des Familiennachzugs, wie er sich an deutschen Auslandsvertretungen in der Region darstellt - in der Türkei und im Libanon im Wesentlichen -, in überhaupt keinem Zusammenhang stehen. Das ist wirklich total abwegig.

Frage : Herr Streiter, vielleicht auch eine Frage an Plate zu dieser Unterscheidung operativer und politischer Koordinierung: Nach dieser Umbesetzung wäre zum Beispiel der Bundesinnenminister nicht mehr befugt, so eine Aussage zu tätigen, wie er es kürzlich im Interview gemacht hat, dass es auch eine Art Ankommenskultur geben müsse, dass die Flüchtlinge sich sozusagen korrekt verhalten, sich praktisch an irgendwelche Orte zuweisen lassen. Das würde ja dann nicht mehr in seine Kompetenz fallen, sondern das wäre eine politische Bewertung. Habe ich das richtig verstanden?

SRS Streiter: Ich würde einmal ganz herzlich darum bitten, von düsteren Fantasien Abstand zu nehmen. Es geht hier nicht darum, einen Minister zu quälen oder nicht zu quälen oder ihn zu kujonieren oder nicht zu kujonieren, sondern es geht hier darum, ein relativ großes Problem, eine große Aufgabe zu lösen, und zwar möglichst effektiv. Ich finde, daraus, dass man den Bundesinnenminister zusätzliches Personal an die Seite stellt, dass man Dinge bündelt und ihn von anderen Dingen entlastet, die irgendwie zähe internationalen Verhandlungen etc. betreffen, so etwas zu konstruieren, ist doch ziemlich mutig.

Zusatzfrage : Das heißt, diese ganzen Schlagzeilen "Merkel entmachtet de Maizière" - -

SRS Streiter: Das ist Quatsch, wenn Sie es genau wissen wollen! Das ist völliger Quatsch. Niemand nimmt dem Bundesinnenminister etwas weg, sondern er kriegt noch etwas dazu. Er wird unterstützt und ihm wird nicht das Wasser abgegraben. Das ist völliger Quark. Das geht, ehrlich gesagt, wenn man einmal genauer darüber nachdenkt, daraus auch nicht hervor.

Frage : Herr Streiter, Sie sagen gerade, dass der Bundesinnenminister noch etwas dazu bekommt. Er schien ja in den letzten Wochen besonders überfordert zu sein. Warum bekommt er jetzt noch etwas dazu?

SRS Streiter: Er schien nach Ihrer Wahrnehmung überfordert zu sein. Diese Wahrnehmung kann ich nicht teilen; tut mir leid. Ihre Kommentare stehen für sich. Das sind Ihre Meinungen. Aber das ist garantiert nicht meine Meinung. ist nicht richtig. Die gesellschaftliche Integration war schon vorher ein Punkt, wo es Zuständigkeiten im Bundesinnenministerium gab, die es nach wie vor gibt. Wie Sie wissen, gibt es auch die im Bundeskanzleramt angesiedelte Integrationsbeauftragte, wo weitere Zuständigkeiten in diesem Bereich angesiedelt waren und auch weiterhin sind.

SRS Streiter: Das haben Sie irgendwie grundsätzlich missverstanden. Da wird gar nichts irgendjemandem entzogen, sondern - ich versuche zum dritten Mal, das zu erläutern - es kommt zusätzliches Personal in den Lenkungsausschuss, der vom Bundesinnenministerium geleitet wird. Da gibt es eben verschiedene Zuständigkeiten, weil sich halt weder der Bundesinnenminister noch seine Staatssekretärin noch die Leute, die im Bundesinnenministerium arbeiten, rund um die Uhr mit allen Dingen gleichzeitig befassen können. Das ist eine Steigerung der Effektivität. Das macht ja auch Sinn.

Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrem Leben schon einmal eine größere Aufgabe zu bewältigen hatten. Dann versuchen Sie auch, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Vor allen Dingen weiß auch nicht jeder alles. Nicht jeder ist Experte für alles. Wenn es zum Beispiel um Logistik und Transport geht, gibt es Leute, die sich ihr ganzes Leben lang mit Logistik und Transport befasst haben. Es gibt aber auch Leute, die sich ihr ganzes Leben lang mit Unterkünften oder mit der juristischen Ausgestaltung von irgendwelchen Regelungen befasst haben. Dieser Sachverstand wird jetzt im zuständigen Bundesministerium des Innern gebündelt. Das ist eine Stärkung und keine Schwächung. Ich verstehe aber auch nicht, warum es so schwer ist, das zu verstehen.

Zusatz : Ich habe mich nur gewundert, weil die Opposition davon gesprochen hat, dass es weiterhin ein Fehler sei, diese Aufgaben - -

SRS Streiter: Die Opposition hat ja auch kein Interesse daran, dass die Bundesregierung gut aussieht. Ich meine, das ist doch klar.

Zusatz : Ich war nur neugierig, ob das - -

SRS Streiter: Ich wollte Ihnen das ja nur erläutern. Ich hoffe, es ist mir halbwegs gelungen.

Frage: Herr Schäfer, plant Herr Steinmeier im November eine Reise nach Athen mit Schwerpunkt Flüchtlingskrise? Können Sie das bestätigen?

Schäfer: Wir planen ganz viele Reisen. Griechenland ist ein ganz erstrebenswertes Reiseziel - nicht nur für die vielen Deutschen, die dort gerne Urlaub machen, sondern ganz bestimmt auch aus politischen Gründen für den Bundesaußenminister. Ich bin aber jetzt nicht in der Lage, Ihnen eine solche Reiseabsicht zu bestätigen.

Zusatzfrage: Herr Plate, die Bundespolizei organisiert morgen eine Konferenz mit dem Schwerpunkt Flüchtlingskrise, an der Polizeibehörden aus anderen Ländern teilnehmen. Die griechische Polizei ist laut Medienberichten nicht eingeladen. Wissen Sie, warum?

Plate: Dazu kann ich Ihnen ad hoc hier von der Bank nichts sagen. Diesen Termin kenne ich nicht. Es gibt ja viele Geschäftsbereichsbehörden, die verschiedene Konferenzen täglich organisieren. Da bin ich im Einzelnen nicht informiert, reiche das aber sehr gerne nach.

Frage: Herr Schäfer, eine Nachfrage zu Ihrer Aussage, es handele sich um "sensationalistische" Zahlen, die im Umlauf seien. Bezog sich das nur auf die 7 oder auch auf die 3,5?

Könnten Sie eine Einschätzung geben, was in etwa zu erwarten ist, oder auch zu der Aussage, die dem von der "Bild"-Zeitung zitierten Bericht zugrunde lag, dass möglicherweise höhere Nachzugszahlen bei dieser Personengruppe als bei anderen zu erwarten seien?

Schäfer: Beide Zahlen im hohen einstelligen Millionenbereich, die Sie genannt haben, scheinen mir "sensationalistisch" zu sein. Da kann man alles Mögliche zusammenrühren und irgendwelche Hochrechnungen anstellen. Diese haben, glaube ich, mit der Realität - jedenfalls zurzeit - sehr wenig zu tun. Mit der Realität zu tun hat, was deutsche Auslandsvertretungen in der Region - das hatte ich eben angedeutet; auch vorgestern hatten wir schon darüber gesprochen - an konkreten Anträgen zu bearbeiten haben. Die Zahl dieser Anträge, auch häufig genug die Qualität der Anträge mit Blick auf die beizubringenden Unterlagen, stellen unsere Auslandsvertretungen vor große Herausforderungen. Die Kapazitäten werden unter Hochdruck und auch mit Unterstützung des Deutschen Bundestages, der dafür Geld und Planstellen bereitgestellt hat, zurzeit hochgefahren.

Wir haben es etwa im Libanon im Vergleich zur Situation von vor vier oder fünf Jahren mit einer Vervier- oder Verfünffachung der Visazahlen zu tun. Um Ihnen eine Größenordnung zu geben: von 6.000 und ein paar Zerquetschte auf ungefähr 30.000 pro Jahr. In diesen Zahlen befinden sich aber nur ein Teil, auch erteilte Visa für Fälle der Familienzusammenführung. Die Zahlen an anderen deutschen Auslandsvertretungen sind nicht viel höher. Eine Zahl, die Sie heute auf Anfrage im Auswärtigen Amt in einer großen deutschen Zeitung, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", nachlesen: Ein geringer fünfstelliger Bereich, also jenseits von 10.000 bisher erteilten Visa, ist die Realität. Alles andere ist Spekulation und wahrscheinlich auch Sensationalismus.

Wir haben es mit wachsenden Zahlen zu tun. Das liegt einfach daran, dass die Zahlen der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge mit Kernfamilie - Herr Plate hat ja gerade ausgeführt, welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen - stark ansteigen. Nur ein Teil dieser Menschen hat zurzeit Anträge gestellt. Die Wahrheit ist auch: Es fällt unseren Auslandsvertretungen trotz der erheblich ausgeweiteten Ressourcen ziemlich schwer, alle Anträge zeitnah bearbeiten zu können, einfach weil es Grenzen der zur Verfügung stehenden Ressourcen, auch Probleme bei der Sicherheitslage und vieles andere mehr gibt. Wir werden einen weiteren Aufwuchs erleben - das ist in den Planungen des Auswärtigen Amtes und der Auslandsvertretungen bereits vorgesehen -, aber bei Weitem nicht in den Kategorien, die heute durch die Gazetten geistern.

Frage : Ich hatte das am Montag schon gefragt, Herr Schäfer: Es gibt ja noch viele Familienangehörige in Syrien, die gerne nach Deutschland kommen wollen. Die brauchen ja ein Visum usw. Wo ist denn von Syrien aus gesehen das nächste deutsche Hoheitsgebiet, die nächste deutsche Botschaft, wo diese Menschen hingehen können?

Schäfer: Jetzt muss man einmal unterscheiden: Es gibt diejenigen, die Asylanträge stellen, was nach deutschem Verfassungsrecht nur auf deutschem Hoheitsgebiet geht, und dann gibt es diejenigen, über die wir gerade gesprochen haben, die im Zuge von dem, was wir Familienzusammenführung nennen, selber keinen Asylantrag stellen, sondern nur als Teil der Kernfamilie eines Asylbewerbers eine Möglichkeit haben, auch nach Deutschland einzureisen. Diese Anträge werden ganz regulär an deutschen Auslandsvertretungen bearbeitet. Da gibt es die Möglichkeit, selber zu entscheiden, an welcher deutschen Auslandsvertretung man solche Anträge stellen möchte. Da kann man sich auch an den unterschiedlichen Wartezeiten orientieren. Es ist inzwischen auch mit den Mitteln einer neuen Software möglich, solche Entscheidungen den Antragstellern zu überlassen.

Wir haben keine Botschaft mehr in Syrien. Das ist schon seit vielen Jahren nicht mehr der Fall, weil das weder politisch noch sicherheitsmäßig vertretbar wäre, sodass es für diejenigen, die die Familienzusammenführung beantragen, nur darum gehen kann, in der Türkei, im Libanon entsprechende Anträge zu stellen.

Zusatzfrage : Es kursiert in Brüssel jetzt der sogenannt Merkel-Plan. Dort heißt es, dass Deutschland sich dazu verpflichten wird, innerhalb von zwölf Monaten 500.000 syrische Flüchtlinge aus türkischen Lagern auszufliegen und aufzunehmen, die jetzt bereits dort registriert sind. Können Sie das bestätigen? Es heißt außerdem, dass türkische Staatsbürger ab 2016 ohne ein Visum nach Deutschland reisen können.

Schäfer: Es hat - das ist ja auch den Medien leicht zu entnehmen - vorgestern einen Besuch des türkischen Staatspräsidenten Erdogan in Brüssel gegeben. Er hat mit den Spitzen der EU-Institutionen beraten. Lange zuvor ist darüber gesprochen worden, dass die Türkei ein wichtiger Partner der Europäischen Union ist; das sieht die Bundesregierung genauso wie die Spitzen der europäischen Institutionen. Es gibt auch schon relativ präzise Vorstellungen darüber, wie eine solche Partnerschaft zwischen der Türkei und der Europäischen Union aussehen kann. Das, was Sie "Merkel-Plan" genannt haben, kenne ich persönlich nicht. Ich glaube auch sagen zu können, dass die Gespräche zwischen der Europäischen Union und der Türkei in einer Phase sind, in der man noch nicht von abschließenden Ergebnissen sprechen kann. Alles Weitere sollten Sie, glaube ich, in Brüssel erfragen.

Frage (zum Ausbau der Stromnetze): Herr Streiter, Frau Braams, können Sie etwas Genaueres dazu sagen, was der Vorrang für Erdkabel konkret heißt? In welchen Fällen werden tatsächlich Erdkabel gebaut und wann nicht?

Wovon gehen Sie aus? Wie viel Prozent dieser HGÜ-Leitungen werden am Ende unterirdisch und wie viel oberirdisch geführt werden?

Braams: Vielen Dank für die Frage! Das kann ich gerne übernehmen.

Zunächst einmal zur Einordung: Es ist richtig, dass dieser Kabinettsbeschluss zur Formulierungshilfe zum Ausbau von Erdkabel aus unserer Sicht ein ganz wichtiger Schritt zum Vorangehen des Netzausbaus ist. Wir brauchen einen zügigen und akzeptierten Netzausbau. Dafür war der Kabinettsbeschluss heute wichtig, denn gerade beim Thema Ausbau von Freileitungen gibt es Bedenken und Sorgen in der Bevölkerung. Damit wurde mit dem Eckpunktepapier vom 1. Juli der Beschluss gefasst, hier diesen Vorrang von Erdkabeln einzuräumen.

Wichtig ist, zwischen Gleichstrom und Wechselstrom zu differenzieren. Dieser Vorrang soll eben für Gleichstrom gelten, weil er dort technisch durchsetzbar ist. Bei Wechselstrom hingegen bleibt es bei Pilotvorhaben. Auch da wurde heute im Kabinett beschlossen, weitere Pilotvorhaben zu beschließen.

Jetzt zu Ihrer Frage, was das konkret heißt: Es geht darum, im Gesetz Planungsgrundsätze zu definieren, wann der Vorrang gelten soll. Verallgemeinert gesprochen kann man sagen: Es gilt der Vorrang, ausnahmsweise gelten Freileitungen. Freileitungen gelten nur in wenigen Fällen, nämlich dann, wenn es Gebiets- oder Artenschutzgründe gibt, wo Erdkabel zu schlechteren Bedingungen führen. Dann können ausnahmsweise Freileitungen weiterhin verwendet werden. Außerhalb von Wohnbebauung kann das in Ausnahmefällen der Fall sein, wenn die Gebietskörperschaften - das heißt die lokalen Behörden - zu dem Ergebnis kommen, dass hier Freileitungen besser technisch machbar und einsetzbar sind. Aber man kann sagen: Dort, wo sich Wohnbebauung befindet, soll der Vorrang von Erdkabeln gelten, weil man sich damit die höhere Akzeptanz verspricht.

Wie viele Trassenabschnitte dieses sehr hohen Leitungsausbaus, den wir brauchen, dann tatsächlich als Erdkabel gebaut werden kann, ist jetzt noch schwierig vorherzusagen. Wir sind jetzt sozusagen mit diesem Bundesbedarfsplanungsgesetz in der Phase der Netzentwicklungsplanung, wo zunächst einmal die Anfangs- und Endpunkte und noch nicht konkrete Trassenverläufe geplant werden, sodass die konkrete Prüfung im Verfahren der Bundesfachplanung erfolgt und mit Antragstellung der Übertagungsnetzbetreiber konkret geprüft wird. Aber Vorrang soll natürlich heißen, dass es so weit wie möglich durchsetzbar ist. Wir gehen davon aus, dass man sagen kann, dass auf weiten Streckenabschnitten bis zu 80 Prozent durch Erdkabel und 20 Prozent durch Freileitungen erfolgen sollen. Das ist aber, wie gesagt, eine Schätzung, die man in der Phase der Netzentwicklungsplanung vornehmen kann. Konkretisieren muss es sich in der späteren Phase der Bundesfachplanung und im konkreten Planungsverfahren.

Zusatzfrage: Kurz zu den Kosten: Sie hatten ja vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass Sie mit 5 bis 8 Milliarden Euro Mehrkosten rechnen. Langt das denn, wenn, wie Sie gerade sagten, 80 Prozent unter der Erde sein soll? Die Zahl, die ich bisher kenne, ist, dass eine Erdleitung zwischen vier- und fünfzehnmal so viel wie eine Freileitung kostet. Dann würde man bei 80 Prozent auf einen deutlich höheren Wert kommen müssen, oder?

Braams: Auch hier gilt: Kostenschätzungen sind in diesem Stadium wieder schwierig. Wir haben bisher Anfangs- und Endpunkte, und genaue Trassenverläufe sind noch nicht zu planen und hängen dann wirklich von den Gegebenheiten vor Ort ab, also dem tatsächlichen Trassenverlauf, den Bodenverhältnissen, der konkreten Infrastruktur. Deshalb sind Kostenschätzungen wirklich schwer vorzunehmen.

Im Zuge der Arbeiten zum Gesetzentwurf und der Formulierungshilfe gab es Kostenschätzungen. Wir haben bestätigt, dass wir davon ausgehen, dass es Investitionsmehrkosten für die großen Stromautobahnen - das sind insbesondere die Gleichstrompassage Südost und SuedLink - von 3 bis 8 Milliarden Euro geben kann. Das sind aber, wie gesagt, erste Schätzungen. Zur Einordnung ist aber wichtig zu sagen, dass das Investitionsmehrkosten wären. Diese sind auch in die Gesamtsystematik einzubetten.

Für uns ist völlig klar: Das Wichtigste ist, dass der Netzausbau voranschreitet, denn die günstigste aller Varianten ist ein zügiger Netzausbau. Da muss man eben auch sehen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt durch den stockenden Netzausbau sehr hohe Kosten für die sogenannte Netzengpassbewirtschaftung gibt. Diese belaufen sich auf bis zu 900 Millionen Euro jährlich, Tendenz steigend. Diesen Kosten muss man dann eben auch die Entscheidung für den Vorrang von Erdkabeln gegenüber setzen.

Frage (zu den UN-Friedensmissionen): Herr Streiter, zu den Polizeimissionen: Wie viele Polizisten sind schon in Mali und im Südsudan? Wie viele sollen noch dazu kommen? Wie viele werden in Somalia und Haiti sein?

SRS Streiter: Das hätte ich mir auch alles aufschreiben können. Im Grundsatz geht es immer um 10 bis 20. Jetzt sind also 10 da, und es sollen dann bis zu 20 da sein. Ich kann das auch nachreichen, wenn Sie wollen.

Schäfer: Die Kabinettsbeschlüsse enthalten ja immer Obergrenzen, die nicht überschritten werden dürfen oder sollen. Diese Obergrenzen sind für MINUSTAH in Mali 20 - das sind 10 mehr als bisher -, für UNMISS im Südsudan ebenso 20 - das sind 10 mehr als bisher - und bei den beiden Uno-Missionen, bei denen eine Beteiligung mit deutschen Polizisten neu ist, in Somalia bis zu 5 Polizistinnen oder Polizisten und in Haiti - MINUSTAH - bis zu 20 Polizisten.

Frage: Zu einem Nicht-Thema im Kabinett: Warum stand das mehrfach angekündigte Gesetz zur Haftung der Atomkonzerne auch diese Woche wieder nicht auf der Tagesordnung oder wurde von der Tagesordnung wieder heruntergenommen? Woran lag das?

SRS Streiter: Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Braams: Ich kann letztlich auf das verweisen, was wir in der letzten Woche in der Regierungspressekonferenz gesagt haben. Es stand leider nicht auf der Tagesordnung für diese Woche. Wir gehen aber davon aus, dass wir das zügig abschließen können. Der Entwurf, den wir vorgelegt haben, ist aus unserer Sicht sehr klar. Wir hoffen, dass wir zügig die Kabinettsbefassung herbeiführen können.

Zusatzfrage: Woran hängt es denn?

Braams: Es gibt noch finale Abstimmungen. Wenn diese beendet sind, gibt es eben auch hoffentlich zügig und bald einen Kabinettsbeschluss zum wichtigen Thema der Konzernnachhaftung.

Frage : Zum Thema Volkswagen: Herr Rudolph, der neue VW-Chef hat heute in einem großen Interview als Zeitperspektive für die Behebung der Fehler an den Dieselmotoren bis Ende 2016 genannt. Die Frage ist: Finden Sie einen so langen Zeithorizont angesichts der vielen Tausend Menschen, die diese Fahrzeuge fahren und sich Klarheit wünschen, angemessen?

Wenn Sie mich kurz aufklären könnten: Ist Ihre Untersuchungskommission eigentlich noch in Wolfsburg? Was fördert sie denn zu Tage?

Rudolph: Zur zweiten Frage zuerst: Die Untersuchungskommission arbeitet noch. Sie war am Mittwoch vor zwei Wochen in Wolfsburg - das ist richtig -, sie tagt aber auch in Berlin, so zum Beispiel gestern wieder. Gestern hat uns unter anderem VW noch einmal versichert, dass der Brief an das Kraftfahrt-Bundesamt fristgerecht eingehen wird. Er ist heute noch nicht eingegangen, aber wir erwarten ihn für heute - unter anderem auch aus diesem Grund. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte ja in einem Schreiben an VW den 7. Oktober als Frist gesetzt, um einen Zeitplan zu bekommen und einen technischen Plan, wie diese Manipulation behoben werden kann. Wenn der Brief eingeht, wird das Kraftfahrt-Bundesamt das prüfen, es wird also die von VW vorgeschlagenen Maßnahmen auf Sinnhaftigkeit prüfen - also ob deutsche und europäische Gesetze eingehalten werden, ob die Normenkonformität eingehalten wird. Wenn das der Fall ist, also wenn der Brief eingegangen ist, dann kommentieren wir das auch vonseiten des Bundesverkehrsministeriums, aber nicht vorher.

Zusatzfrage : Ich hatte mich ja ganz bewusst nicht auf den Brief bezogen, sondern auf die Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden heute in einer großen Tageszeitung und den Zeitplan bis Ende 2016. Finden Sie das ambitioniert genug?

Rudolph: Der Vorstandsvorsitzende ist von VW. Der Brief, den das Kraftfahrt-Bundesamt erwartet, wird von VW kommen. Die Fragen, die darin vom Kraftfahrt-Bundesamt aufgeworfen werden - technischer Zeitplan, inhaltlicher Zeitplan -, beziehen sich unter anderem auch darauf. Ich werde kein Zeitungsinterview kommentieren, sondern wir werden vom Bundesverkehrsministerium aus kommentieren, wenn der Brief da ist und VW praktisch schwarz auf weiß den Behörden gegenüber geantwortet hat, und nicht vorab medial. Insofern kann ich diese Frage nicht beantworten und habe Ihnen dafür den Rahmen skizziert. Wenn der Brief eingeht, werden auch wir uns äußern - auch gerne heute schon.

Frage : Herr Rudolph, ich muss es auch noch einmal auf einem anderen Weg probieren: Herr Müller hat in der "FAZ" ja gesagt, dass dem Kraftfahrt-Bundesamt schon in dieser Woche technische Lösungsvorschläge präsentiert worden seien. Kennen Sie diese Lösungsvorschläge, sind die auch an Ihr Ministerium gegangen? Was erwarten Sie jetzt über diese Lösungsvorschläge hinaus an Mehrwert in diesem Brief, der ja heute noch kommen soll?

Zweitens. Die Deutsche Umwelthilfe hat ja noch einmal ihren Vorwurf erneuert, dass die Bundesregierung schon vorab über den ganzen Skandal Kenntnis gehabt hat. Können Sie dazu kurz noch einmal etwas sagen?

Rudolph: Das Erste ist, dass wir die Kenntnisse über die illegale Manipulation seitens VW durch deren Eingeständnis bekommen haben. Die Kenntnis, dass zum Beispiel 1,2-, 1,6- und 2-Liter-Motoren betroffen sind, haben wir vor zwei Wochen durch unsere Untersuchungskommission, die eingesetzt wurde, erhalten. Der Mehrwert, den wir uns jetzt von einem Brief erwarten, ist, dass VW schriftlich, schwarz auf weiß, noch einmal fixiert, was genau manipuliert wurde und wie es manipuliert wurde; wir erwarten außerdem, dass sie schreiben, wie und in welchem Zeitraum sie das beheben wollen. Für uns, also das Kraftfahrt-Bundesamt als Behörde und auch das Bundesverkehrsministerium, ist also das maßgebend, was schwarz auf weiß gegenüber Behörden mitgeteilt wurde - unbenommen der ganzen öffentlichen Kommunikation, die natürlich auch dazugehört. Aber wenn wir solche Prozesse anstoßen - und dazu gehört eben auch, dass VW aufgefordert wird, dazu Stellung zu beziehen, und zwar nicht nur in einem Interview, nicht nur gegenüber der Untersuchungskommission, sondern auch gegenüber einer maßgebenden Behörde, die für diese Themen zuständig ist, nämlich dem Kraftfahrt-Bundesamt -, dann ist das der Mehrwert, den VW dort schwarz auf weiß liefern wird.

Zu Ihrer zweiten Frage - Deutsche Umwelthilfe -: Auch das haben wir praktisch schon seit zwei Wochen besprochen; man kann es gerne immer wieder tun. Die Bundesregierung hat infolge der öffentlichen Berichterstattung darüber erfahren, dass illegale Manipulationen seitens VW vorgenommen worden sind, vorher nicht. Was bekannt war - auch das ist seit zwei Wochen von mehreren Sprechern genannt worden -, sind unterschiedliche Prüfergebnisse auf der Rolle, dem Prüfstand, und eben im realen Verkehr. Deswegen gibt es seit 2011 eine Arbeitsgruppe auf EU-Ebene, die sich genau mit diesen "Real Driving Emissions" befasst, um das weiterzuentwickeln. Das Zweite ist, dass die Nachprüfungen, die seitens unseres Hauses über das Kraftfahrt-Bundesamt angewiesen worden sind, neben der Prüfung auf der Rolle eben auch die Prüfung auf der Straße beinhalten werden.

Darüber hinaus - da kommen wir wieder zur Umwelthilfe - gibt es keine Arbeitsgruppe, die sich mit illegalen Abschalteinrichtungen befasst. Das ist also ein Gedankenprotokoll der Umwelthilfe, das exklusiv nur bei der Umwelthilfe vorliegt, aber es gibt eine solche Arbeitsgruppe nicht. Was es gibt, ist eine Arbeitsgruppe auf UNECE-Ebene, also weltweit; auch die tagt seit 2011. Da geht es darum, den WLTP-Zyklus weiterzuentwickeln. Ich will Sie damit nicht langweilen, ich möchte nur versuchen, das auseinanderzuhalten, da immer alles zusammengemengt wird - jetzt nicht von Ihrer Seite, aber gerne auch von der Umwelthilfe. Dieser WLTP-Zyklus befasst sich damit, wie man die Messung von Kraftstoffverbräuchen praktisch mit neuen Messelementen ergänzt, sodass die Prüfung auf der Rolle auch noch realistischer wird. Weltweit wird also daran gearbeitet, die europäischen Elemente - "Real Driving Emissions" - noch damit zusammenzubringen. Das ist, was passiert, und das ist, was bekannt ist. Das andere Vorgeworfene muss ich an dieser Stelle als falsche Schlussfolgerungen zurückweisen.

Zusatzfrage : Ich habe noch eine Nachfrage zu Ihrer ersten Antwort. Herr Müller sagt in diesem Interview ausdrücklich, VW habe in dieser Woche dem Kraftfahrt-Bundesamt technische Lösungsvorschläge vorgestellt. Das heißt doch, dass da schon irgendetwas vorliegen muss; ich beziehe mich jetzt also nicht nur auf das "FAZ"-Interview. Da wäre meine Frage: Haben Sie schon Kenntnis von diesen Vorschlägen erhalten? Falls ja: Wie bewerten Sie diese?

Rudolph: Ich werde an dieser Stelle keine Bewertung vornehmen, aber wenn Herr Müller in dem Interview sagt, dass dem Kraftfahrt-Bundesamt schon so etwas mitgeteilt wurde - auf welcher Ebene auch immer -, dann lässt das wiederum die Schlussfolgerung zu, dass das heute auch schwarz auf weiß eingeht und man das dann offiziell bewerten kann. Das werden wir tun, das Kraftfahrt-Bundesamt wird die Maßnahmen also intern bewerten und die Ergebnisse dann natürlich auch öffentlich mitteilen, und auch wir werden uns dazu äußern. Ich habe auch schon gesagt: Wir würden das auch heute noch tun. Ich weiß nicht, wann der Brief eingeht - ansonsten geschieht das eben morgen. Wir kommunizieren an dieser Stelle aber immer sehr offen und sehr transparent und wollen das auch beibehalten.

Frage : Herr Rudolph, wenn ich richtig aufgepasst habe, ist die Frage, ob die Untersuchungskommission schon etwas herausgefunden hat, noch offengeblieben. Haben die schon etwas herausgefunden? Könnten Sie vielleicht quantifizieren, wie viel Prozent der Arbeit dieser Kommission auf VW entfällt und wie viel auf andere Automarken? Denn es sollen ja auch andere Automarken untersucht werden.

Rudolph: Ich hatte das nur angeschnitten, insofern führe ich das gern noch aus. Die Untersuchungskommission ist ja von Bundesminister Dobrindt am 22. September eingesetzt worden. Sie hatte in der ersten Woche sowohl in den Gesprächen in Wolfsburg am Mittwoch als auch in weiteren Gesprächen, die sie in der ersten Woche geführt hat, herausgefunden, dass die betreffenden Motoren von VW, die ich vorhin genannt hatte - die 1,2-, 1,6- und 2-Liter-Motoren -, betroffen sind. Das haben wir vor zwei Wochen ja auch kommuniziert. Die Kommission hatte auch herausgefunden, dass eine bestimmte Anzahl von Fahrzeugen, nämlich mindestens 2,8 Millionen Fahrzeuge in Deutschland, betroffen sind. Das war dann am Freitag unter anderem auch in der Rede des Ministers in der Aktuellen Stunde des Bundestages kommuniziert worden. Die Zahl von 2,8 Millionen bezog sich auf die 1,6- und 2-Liter-Motoren; die Zahl bezüglich der 1,2-Liter-Motoren hatten wir zu diesem Zeitpunkt nicht, die kommt noch oben drauf.

Die Untersuchungskommission - in der ja auch das Kraftfahrt-Bundesamt sitzt - hat sich ferner damit befasst, wie die Tests, die vom Minister angewiesen worden sind, durchgeführt werden. Ich habe die Nachprüfungen der VW-Diesel-Modelle und auch die Nachprüfungen der Motoren weiterer Hersteller von Dieselfahrzeugen, also auch über VW hinaus, genannt. All das findet in der Untersuchungskommission statt beziehungsweise die Nachprüfungen selbst dann beim Kraftfahrt-Bundesamt. Das Kraftfahrt-Bundesamt beauftragte dafür Gutachter, die diese Nachprüfungen vornehmen. Sobald es da Ergebnisse gibt, werden wir die auch entsprechend kommunizieren. Das noch als Ausführung dazu, womit sich die Untersuchungskommission befasst - VW im Kern, aber auch darüber hinaus.

Zusatzfrage : Können Sie sagen, wie viele Fahrzeuge mit 1,2-Liter-Motoren betroffen sind?

Die Frage war auch: Wie viele VW-Modelle und wie viele Modelle anderer Automarken werden untersucht? Haben Sie da eine Zahl?

Rudolph: Ich habe zu beiden Fragen keine Zahl - auch zu den 1,2-Liter-Motoren nicht. Wenn ich etwas nachreichen kann, dann würde ich das tun. Ich würde Sie zugleich bitten, bei VW nachzufragen, weil die über die interne Revision, die an Fahrt aufgenommen hat, eben auch das, was zu Tage förderbar ist, kommunizieren - jedenfalls ist das mein Kenntnisstand.

Das Zweite ist: Die genaue Anzahl kann ich Ihnen nicht nennen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass Dieselfahrzeuge der VW-Markenfamilie und - das hatten wir vor zwei Wochen auch schon gesagt - eben auch Dieselfahrzeuge namhafter Hersteller europäischer und internationaler Marken, die Diesel-Modelle in Deutschland verkaufen, untersucht werden.

Frage : Zum EuGH-Urteil zum Safe-Harbor-Abkommen: Herr Streiter, was ist die Reaktion der Kanzlerin auf dieses Urteil? Die Bundesregierung war ja kein ausgesprochener Gegner dieses Abkommen.

Vielleicht an Herrn Plate und Herrn Scholz: Der EuGH spricht in seinem Urteil ja viel von Herrn Snowden und zieht in dem Urteil deswegen auch Konsequenzen. Die Bundesregierung hat in zwei Jahren bisher gar keine Konsequenzen aus den Snowden-Enthüllungen gezogen. Wann ist denn damit von Ihrer Seite zu rechnen?

SRS Streiter: Weil Sie die Bundeskanzlerin angesprochen haben, kann ich Ihnen sagen, dass die Bundeskanzlerin von der EU jetzt schnellstmöglich die Schaffung von Rechtssicherheit erwartet. Die Bundesregierung hat sich wiederholt für die Verbesserung des Datenschutzes beim transatlantischen Datenaustausch ausgesprochen und begrüßt, dass die Europäische Kommission bereits dabei ist, in Verhandlungen mit den USA wesentliche Verbesserungen zu erreichen. Dies betrifft insbesondere die Zulässigkeit der Weitergabe von Informationen an US-Behörden. Das scheint der richtige Weg zu sein, und die Kommission muss jetzt prüfen, welche Folgen dieses Urteil insbesondere auf die laufenden Verhandlungen hat. Die Bundesregierung erwartet, dass die Verhandlungen mit den USA jetzt mit Nachdruck vorangetrieben werden.

Plate: Zu dem Teil der Frage, der sich wahrscheinlich vorrangig an mich richtet: Zunächst möchte ich vielleicht mit zwei, drei Unterstellungen, die in Ihrer Frage enthalten waren, aufräumen.

Einmal zu dem Punkt, die Bundesregierung sei kein dezidierter Gegner dieses Abkommens gewesen: Erstens handelt es sich nicht um ein Abkommen und zweitens hat sich die Bundesregierung auch in der Vergangenheit schon permanent für Verbesserungen am Safe-Harbor-Modell eingesetzt.

Zu dem anderen Punkt - den Snowden-Enthüllungen, wie Sie sie genannt haben, und der Frage "Hat es Veränderungen und Verbesserungen gegeben?" -: Es hat zahlreiche Reaktionen der Bundesregierung auf das, was Sie beschrieben haben, gegeben. Exemplarisch möchte ich an dieser Stelle nur noch einmal an den sogenannten 360-Grad-Blick im Rahmen der Spionageabwehr erinnern. Weitere Aufzählungen möchte ich hier mit Rücksicht auf die Zeit jetzt nicht vornehmen; die sind hier auch schon in extenso mehrfach erörtert worden.

Zusatzfrage : Herr Scholz vielleicht noch? Ihr Minister hat ja von einem starken Signal vom EuGH gesprochen. Das hat er letztes Jahr bei dem VDS-Urteil auch so gesagt, glaube ich, und ein paar Monate später hat er selbst ein VDS-Gesetz auf den Weg gebracht. Kann man wieder mit einer ähnlichen Reaktion rechnen, also damit, dass Heiko Maas jetzt freut, dass Safe Harbor gecancelt wurde, dann aber selbst wieder für ein ähnliches Abkommen eintreten wird?

Scholz: Auf diese Frage kann ich so nicht antworten. Dem, was mein Kollege vom Innenministerium gesagt hat, kann ich mich nur anschließen; ich habe dem nichts hinzuzufügen. Zum Urteil selber hat Minister Maas gestern deutlich gemacht, dass die Europäische Kommission jetzt zügig mit den USA über die Folgen des Urteils verhandeln muss und über neue Regelungsmechanismen gesprochen werden muss. Er hat des Weiteren sehr deutlich gemacht, dass das auch ein Auftrag an die Europäische Kommission, an die Europäer ist, die europäischen Datenschutzstandards international durchzusetzen.

Mittwoch, 7. Oktober 2015

*

Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 7. Oktober 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/10/2015-10-08-regpk.html;jsessionid=6E44E3E282FA13D12365EE820A0B1E57.s4t1
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang