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PRESSEKONFERENZ/1149: Regierungspressekonferenz vom 1. Februar 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 1. Februar 2016
Regierungspressekonferenz vom 1. Februar 2016

Themen: Reise des Bundesaußenministers (Rom/Teheran/Riad), Verhandlungen über einen Friedensprozess für Syrien, Flüchtlings- und Asylpolitik, Beobachtung von Parteien durch den Verfassungsschutz, Schusswaffengebrauch an der Grenze, Reise des Bundesinnenministers nach Afghanistan, Reise des bayerischen Ministerpräsidenten nach Moskau, Cyberangriff auf den Deutschen Bundestag, TTIP-Leseraum, Elektromobilität, Nachtsichtfähigkeit deutscher Tornados im Rahmen des Einsatzes für die Anti-ISIS-Koalition

Sprecher: StS Seibert, Braams (BMWi), Schäfer (AA), Daldrup (BMAS), Dimroth (BMI), Herb (BMFSFJ), Weißgerber (BMF), Henjes (BMVg)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Schäfer: Nachdem auch von Ihnen oder Ihren Kolleginnen und Kollegen in den letzten Wochen immer wieder über eine Reise des Außenministers geschrieben und spekuliert wurde, kann ich Ihnen jetzt in der Tat sagen: Es ist so weit. Herr Steinmeier wird morgen auf eine Reise in die Region aufbrechen, die ihn über drei Stationen in den Mittleren Osten führen wird, zunächst morgen früh nach Rom, wo ein Treffen einer Kerngruppe der Anti-ISIS-Koalition stattfinden wird, morgen Mittag weiter nach Teheran im Iran und am Donnerstag nach Riad.

In Rom wird es bei einem Treffen mit seinen Außenministerkollegen - unter anderem dem italienischen, dem amerikanischen, dem britischen und vielen anderen - um eine Bestandsaufnahme der Entwicklungen im Kampf gegen ISIS in den letzten Monaten gehen. Es ist der internationalen Koalition gegen ISIS geglückt, ISIS im Irak und in Syrien zurückzudrängen. Wir glauben auch, dass es anderenorts zu Fortschritten im Kampf gegen ISIS in Syrien und im Irak gekommen ist. Wir sind allerdings noch nicht am Ende. Es gibt noch viel zu tun, und die Bedrohung, die auch in Europa von ISIS ausgeht, ist weiterhin existent.

Die Rolle, die Deutschland insbesondere in der Anti-ISIS-Koalition übernimmt, ist eine Führungsrolle beim Thema der Stabilisierung. Es geht also darum, in den Gebieten, die IS wieder entrissen werden konnten, so schnell wie nur irgend möglich den zivilen Wiederaufbau vorzunehmen. Deutschland steht also einer Arbeitsgruppe vor und hat auch bereits Mittel bereitgestellt, um dafür zu sorgen, dass die lokalen Behörden wieder funktionsfähig werden, dass die Menschen zurückkehren können und dass ein irgendwie geordnetes Leben wieder anfangen kann.

Morgen Mittag wird es dann von Rom nach Teheran weiter gehen. Dort wird Herr Steinmeier morgen Abend eintreffen und dann gleich mit seinem iranischen Außenministerkollegen Dschawad Sarif zusammentreffen. Dort wird es eine Pressekonferenz geben. Am Folgetag, übermorgen Vormittag, sind Gespräche mit dem Parlamentspräsidenten Laridschani, den Herr Steinmeier seit vielen Jahren aus seiner Zeit als Chefunterhändler der iranischen Seite kennt, und mit dem iranischen Präsidenten Rohani vorgesehen.

Es wird Sie nicht überraschen, dass das ein ganz besonderer Moment in der Geschichte der deutsch-iranischen Beziehungen und vielleicht auch der Geschichte der Beziehungen der Welt mit dem Iran ist. Vor knapp zwei Wochen hatten wir "implementation day" und damit gewissermaßen förmlich die Rückkehr des Iran in die Weltgemeinschaft, verbunden mit einer Aufhebung von Finanz- und Wirtschaftssanktionen. Das ist ein Anlass zur Freude und zur Zufriedenheit, weil das bedeutet, dass die Gefahr einer nuklearen Proliferation in der Region durch eine atomare Bewaffnung des Iran bis auf Weiteres gebannt ist. Es ist aber auch eine Chance für einen Aufbruch im Iran, mit dem Iran, und auf mehr Öffnung des Iran gegenüber der Welt. Nicht zuletzt stehen in Kürze im Iran Parlamentswahlen an, die auch ein Wegweiser für die Schritte sein werden, die der Iran in den nächsten Jahren weitergehen wird - hoffentlich auf die Welt zu.

Am Mittwoch wird es weiter nach Riad gehen. Auch das wird Sie nicht überraschen, weil darüber schon viel geschrieben, geredet und auch gestritten worden ist. Herr Steinmeier wird die deutsche Delegation zur deutschen Beteiligung an dem Janadriyah-Festival anführen. Deutschland ist in diesem Jahr Gastland der Saudis für dieses Janadriyah-Festival, und schon am Rande der Eröffnung des Festivals wie dann auch am Folgetag wird Herr Steinmeier nicht nur mit seinem Außenministerkollegen Dschubeir, sondern auch mit anderen Vertretern der saudischen Führung und Vertretern der Zivilgesellschaft das Gespräch suchen.

Wir haben es immer wieder und auch an dieser Stelle angesprochen: Ja, für den Außenminister ist es wichtig, dass die Frage der Menschenrechte zur Sprache kommt. Menschenrechtsverletzungen können und dürfen uns nicht gleichgültig sein. Aber wenn man etwas bewegen und verändern und erreichen will, dann muss man auch das Gespräch suchen, und das tut Herr Steinmeier auch in schwierigen Momenten und Zeiten. Die Teilnahme Deutschlands am Janadriyah-Festival ist aus unserer Sicht die einmalige Chance, in einer ansonsten doch recht verschlossenen Gesellschaft Zugang zu Millionen von Menschen zu bekommen, die dann das Festival und hoffentlich auch den deutschen Pavillon und die deutschen Gäste besuchen werden.

Im Zentrum der Gespräche steht allerdings zweierlei: Wir wollen mit unseren Mitteln mithelfen, die Spannungen in der Region - auch die zwischen dem Iran und Saudi-Arabien - nicht weiter eskalieren zu lassen. Wir wollen auf eine Deeskalation hinwirken und nach Ansatzpunkten dafür suchen, wie auch diese beiden Mächte wieder miteinander reden können. Zweitens, vielleicht noch wichtiger, wollen wir Riad und Teheran dafür gewinnen, in einer ganz wichtigen Phase des Wiener Prozesses bei dem so schwierigen Beginn der Verhandlungen zwischen syrischer Opposition und syrischer Regierung - eben beide Mächte, Saudi-Arabien und den Iran, dafür zu gewinnen, den Druck auf die syrischen Konfliktparteien - auf die Regierung durch Teheran und auf die Opposition durch Saudi-Arabien - aufrechtzuerhalten, damit diese Gespräche nicht nur aufgenommen werden, sondern auch ernsthaft geführt werden, und das Ziel zu erreichen, nämlich einen Waffenstillstand, ein Ende der Kämpfe, ein Ende der Barbarei und eine politische Übergangslösung.

Frage: Mich würde in Sachen Iran Folgendes interessieren: Am Wochenende gab es eine Meldung darüber, dass Herr Gabriel möchte, dass Herr Rohani nach Deutschland eingeladen wird, aber die Kanzlerin das nicht möchte. Ist das richtig, Herr Seibert?

StS Seibert: Richtig ist lediglich, dass ein Deutschlandbesuch von Staatspräsident Rohani derzeit nicht vorgesehen ist.

Zusatzfrage: Warum nicht?

StS Seibert: Er ist nicht vorgesehen. Es steht derzeit auch keine Reise der Bundeskanzlerin in den Iran an. Aber wichtig ist: Es gibt ausreichende bilaterale Kontakte auf anderer Ebene. Sie haben gerade die Ankündigung der Reise des Bundesaußenministers gehört. Es ist gut, dass er nach Teheran fahren und dann auch den anschließenden Termin in Saudi-Arabien wahrnehmen wird. Er war ja auch im Oktober schon in der Region. Das heißt, wir haben keinen Mangel an intensiven Kontakten.

Frage: Hat die Bundesregierung nicht die Sorge, dass die wirtschaftlichen Chancen, die sich aus der Öffnung des Iran ergeben, womöglich nicht in diesem Maße wahrgenommen werden können, wo doch Herr Rohani im Moment schon dabei ist, in etlichen anderen Ländern solche Verträge zu unterzeichnen?

StS Seibert: Hinsichtlich der Frage nach den Aussichten der deutschen Wirtschaft im Geschäft mit dem Iran fragen Sie vielleicht am besten den Vertreter des Wirtschaftsministeriums. Ich denke, im Iran weiß man sehr wohl, was die deutsche Wirtschaft und eine gute Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft dem Land bringen kann.

Braams: Ich kann das nur bestätigen. Sie wissen ja: Bundesminister Gabriel war auch schon in der Region und hat betont, dass man dort aufbauen und die Kontakte pflegen will. Wir hatten ja auch vor zwei Wochen hier in der Regierungspressekonferenz dazu Stellung genommen, dass die Stadtsekretärin Zypries erst jüngst in Bezug auf das Thema der Gesundheitswirtschaft in der Region war und dass es in Kürze auch wieder eine erste Sitzung und Zusammenkunft der gemischten Wirtschaftskommission geben soll. Insofern bestehen da ein Kontakt und ein regelmäßiger Austausch.

Schäfer: Glücklicherweise gibt es ja auch große und sehr erfolgreiche europäische Unternehmen wie Airbus, für die vielleicht Verträge in Frankreich unterzeichnet und in der vergangenen Woche in Paris große Geschäfte gemacht worden sind, von denen aber die deutsche Wirtschaft und auch deutsche Arbeitsplätze ganz konkret profitieren.

Im Übrigen würde ich für das Außenministerium noch ergänzen, dass wir sehr sicher sind, dass das Profil der deutschen Wirtschaft und die Angebote, die die deutsche Wirtschaft der iranischen machen kann, bei dem unglaublichen Investitionsrückstau, den es im Iran wegen der Sanktionen der letzten Jahrzehnte gegeben hat, hervorragend und genau auf das passt, was in der iranischen Wirtschaft und auch von der iranischen Politik derzeit gewollt wird.

Zusatzfrage: Zum Zweiten hätte ich gerne vom Außenministerium noch eine Einschätzung zu dem Beginn der Syrien-Gespräche: Sehen Sie nach diesem holprigen Beginn die Chance, dass das letztendlich doch noch auf einen Kurs kommt, der einen Erfolg versprechen lässt? Ist es das Ziel des Außenministers, zu verhindern, dass diese Gespräche gleich im Anfang in eine Sackgasse geraten?

Schäfer: Ich glaube, "ein holpriger Start" ist fast noch geschönt. Das, was wir da mitverfolgen können - dieser dritte Versuch, in der Schweiz Gespräche zwischen Regierung und Opposition zustande zu bringen -, ist wirklich eine schwere Geburt. Sie haben vielleicht den Äußerungen des Außenministers über das Wochenende hinweg entnehmen können, dass er angesichts dessen, was das Regime trotz seiner Bereitschaft, in diese Gespräche einzutreten, weiterhin tut, all die Sorgen und Nöte der syrischen Opposition insbesondere hinsichtlich der Fortsetzung der Kämpfe und der Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht - der Belagerung, der Aushungerung, der Bombardierung mit Fassbomben - nachvollziehen kann.

Dennoch ist es richtig, und das begrüßen wir sehr, dass die syrische Opposition jetzt nach Genf gereist ist. Das ist eine unglaublich heikle und schwierige Aufgabe, die der VN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura da bei seinem Versuch übernommen hat, die Gespräche richtig in Gang zu bekommen. Er hat dabei die volle Unterstützung der Bundesregierung; das hat ihm der Außenminister gestern auch noch einmal telefonisch versichert.

Es ist im Grunde so, wie ich es schon eingangs bei meiner Reiseankündigung gesagt habe: Ohne ein entschlossenes Handeln der internationalen Gemeinschaft auf der Grundlage des Wiener Prozesses und der Wiener Prinzipien wird es nicht gehen. Wenn nicht Russland, die Türkei, Saudi-Arabien, der Iran und andere auf die Konfliktparteien Einfluss nehmen - und zwar im Sinne von Wien, im Sinne einer politischen Lösung, im Sinne der Schaffung einer nationalen Übergangsregierung, im Sinne eines Waffenstillstands, der im Zuge der Verhandlungen dann immer mehr Platz greift -, dann wird uns das nicht gelingen. Deshalb kommt es jetzt darauf an - deshalb ist die Reise von Herrn Steinmeier, glaube ich, auch so wichtig -, dass wir das Gespräch mit all diesen wichtigen Spielern aus der Region suchen, damit die Chance, die jetzt mit dem Beginn der Verhandlungen besteht, nicht wieder verschenkt, vergeben und vertan wird. Wenn das geschähe, wären diejenigen, die am allermeisten darunter leiden, die geschundenen Menschen in Syrien, die ohnehin schon auf der Flucht sind und für die das Leid dann überhaupt kein Ende mehr hätte.

Frage: Herr Seibert, ich möchte noch einmal auf die Frage des Kollegen zurückkommen, weil Herr Schäfer gerade von einer Aufbruchstimmung in den deutsch-iranischen Beziehungen und von einem weltpolitischen Moment gesprochen hat: Gibt es Differenzen innerhalb der Regierung, was eine Einladung von Herrn Rohani angeht?

Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Würde der Wirtschaftsminister einen Besuch des iranischen Präsidenten in Deutschland begrüßen?

StS Seibert: Ich dachte, dass ich es schon beantwortet hätte: Ich kann derzeit nicht über eine bevorstehende Einladung berichten. Gleichwohl gibt es die einhellige Haltung innerhalb der Bundesregierung, dass es gut ist, dass wir mit Reisen des Außenministers und mit Reisen aus dem Bundeswirtschaftsministerium jetzt diese intensivierten bilateralen Kontakte haben. Das ist die einhellige Überzeugung der Bundesregierung.

Braams: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Schäfer: Im Übrigen - das ist so wie mit Reisen - gilt: Einladungen vorweg anzukündigen, ohne sie dem Gesprächspartner mitzuteilen, ergibt irgendwie keinen Sinn. Finden Sie das nicht auch?

Zusatzfrage: Die Frage war generell gemeint: Würde man ihn einladen wollen oder nicht? Das ist die Frage, nicht eine Frage nach dem Termin oder danach, ob irgendetwas geplant ist.

Schäfer: Aber darauf haben Sie ja eine Antwort bekommen.

Frage: Herr Schäfer, welche konkreten Menschenrechtsfragen werden Sie in Saudi-Arabien und vielleicht auch im Iran ansprechen?

Ist die Ministerdelegation, die dorthin fliegen wird, die gleiche wie die, die in den Iran fliegen wird? Falls ja, wer wird mitfliegen? Können Sie uns da eine Liste geben?

Schäfer: Bei den Menschenrechtsfragen machen wir es wie immer: Die sprechen wir an. Die sprechen wir generell an.

Zuruf: Konkret, bitte!

Schäfer: Da wird es dann womöglich auch um Einzelfälle gehen, aber es ist absolut nicht möglich, das jetzt vorab mit Ihnen zu besprechen. Wir müssen einfach sehen, in welcher Weise das auch während der Reise kommuniziert werden kann.

Das Entscheidende ist, und das kann ich Ihnen versichern, dass wir bei der Problemlage wirklich auf der Höhe sind, die Sachen dabei haben und sie in geeigneter Weise ansprechen werden, und zwar in Teheran genauso wie in Riad.

Auch bei der Zusammensetzung des Delegation des Außenministers gilt das, was immer gilt: Da warten wir jetzt einmal den Abflug ab und schauen, wer dann an Bord ist. Dann ist das selbstverständlich eine Information, die öffentlich zugänglich ist.

Frage: Dazu vielleicht noch eine Nachfrage: Sie haben ja den Grund für diese Reise nach Iran und Saudi-Arabien dargelegt. Konkret im Hinblick auf Saudi-Arabien: Wie groß ist denn die Sorge, dass die angesprochene Kooperation im kulturellen Bereich, aber auch diese Reise unter dem Strich dann doch immerhin als Hinnahme von Menschenrechtsverletzungen bewertet werden könnten?

Schäfer: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass nach all den klaren Äußerungen vonseiten der Bundesregierung am 2. Januar, in den Tagen nach der Hinrichtung von 47 Personen auf einmal, und nach anderen klaren Aussagen aus Berlin, die Botschaft in Saudi-Arabien nicht angekommen wäre, dass wir im Gleichklang mit unseren Partnern im Westen ein anderes Verständnis von der Todesstrafe und von den Menschenrechten haben. Ich bin mir nicht nur sicher, sondern ich weiß sogar, dass diese Botschaft in der saudischen Führung angekommen ist.

Ich kann nur noch einmal wiederholen und bekräftigen, dass es die feste Überzeugung des Außenministers ist, eben nicht gesinnungsethisch zu handeln, sondern verantwortungsethisch. Das bedeutet für ihn in diesem Fall, dass er auch unter schwierigen Umständen, auch bei innen- und außenpolitischem Gegenwind, auch wenn das Widersprüche mit sich bringt, fest davon überzeugt ist, dass es das Richtige ist, auch hier und jetzt diese Gelegenheit für den Dialog mit der saudischen Führung, aber auch - vielleicht noch wichtiger - mit der saudischen Zivilgesellschaft zu nutzen, um aus diesem Anlass eigene Positionen zu übermitteln, das Gespräch zu führen und das mit der Hoffnung zu verbinden, dass man mindestens ein Teil von dem, was man selber für richtig befindet und von dem man zutiefst überzeugt ist, dann auch beim Gegenüber unterbringen kann. Das ist bei Janadriyah, in Teheran und in Riad genau so, wie ich das gesagt habe.

Frage: Zur Ankündigung Seehofers, bis Ende Februar die Klage gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung einzureichen: Wie groß sind die Befürchtungen der Kanzlerin und was kann sie tun, um das zu verhindern - wenn es denn so weit kommen sollte?

StS Seibert: Sie spielen auf einen Brief der bayerischen Staatsregierung an die Bundeskanzlerin an. Wir haben hier letzte Woche schon gesagt, dass es nicht üblich ist, dass die Bundeskanzlerin in der Öffentlichkeit und über die Öffentlichkeit über ihren Briefwechsel kommuniziert, und das werden wir in diesem Fall auch nicht tun.

Zusatz: Es gab aber auch öffentliche Äußerungen von Herrn Seehofer, zum Beispiel im ZDF in "Berlin direkt".

StS Seibert: Sie wissen, was die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ist - eine Politik, von der die Bundesregierung überzeugt ist, dass sie auch im Einklang mit nationalem und internationalen Recht steht; eine Politik, die jetzt sehr stark daran arbeitet, die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, spürbar und nachhaltig zu reduzieren. Zwei Säulen dieser Politik sind ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen und vor allem auch die Bekämpfung der Fluchtursachen. Das ist das, worauf sich die Bundesregierung derzeit konzentriert.

Frage: An das BMAS: Die Ministerin hat davon gesprochen, dass sie Integrationsunwilligen die Leistung kürzen will. Mich würde einmal interessieren: Was heißt denn für das Arbeitsministerium "sich nicht integrieren wollen"?

Daldrup: Vielen Dank für die Frage. Die Meldungen gehen zurück auf einen Gastbeitrag der Ministerin heute in der "FAZ"; dort hat sie sich ausführlich zu diesem Thema geäußert. Es geht nicht nur um den einen Punkt, sondern es geht darum, ein Gesamtkonzept zur Integrationsförderung zu erarbeiten, das klare Regeln für Rechte und Pflichte - also beides: Rechte und Pflichten - für alle durchsetzt, und es geht darum, Maßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls zu konkretisieren sowie gegebenenfalls auch zusätzliche Maßnahmen zur Förderung der Integration umzusetzen. Den Details will ich hier jetzt aber nicht vorgreifen, weil die Ministerin ja, wie Sie lesen konnten, angekündigt hat, dass wir dazu in Kürze etwas vorlegen wollen beziehungsweise das innerhalb der Bundesregierung abstimmen wollen.

Zusatzfrage: Wissen Sie denn schon, wie Sie Integrationsunwilligkeit messen oder feststellen wollen? Gibt es da wissenschaftliche Tests?

Daldrup: Nein, es geht ganz konkret zum Beispiel darum - das ist in dem Text ja auch ausgeführt -, was geschieht, jemand einen Sprachkurs angeboten bekommt und den nicht wahrnimmt.

Frage: Mich würde zu diesem Punkt der Zeitplan interessieren. Wann soll da ein entsprechendes Gesetz beschlossen werden, gibt es da schon konkretere Pläne?

Zweitens zu den inhaltlichen Punkten, die Frau Nahles da macht: Was ist denn von diesen Punkten schon geltende Rechtslage, was ist schon möglich und was nicht? Ganz konkret: Sind die Leistungskürzungen nicht schon jetzt möglich, genauso wie der Rückgriff auf das Vermögen von Flüchtlingen? Was ist insofern neu an diesem Konzept?

Daldrup: Wie gesagt, ich möchte mich jetzt zu den Details der einzelnen Maßnahmen, die da gegebenenfalls vorgesehen sind, nicht äußern. Es geht ja nicht nur darum, neue Maßnahmen aufzusetzen, sondern es geht auch darum, sich die Maßnahmen, die es bereits gibt, anzuschauen, sie zu überprüfen und sie gegebenenfalls zu konkretisieren. Das muss innerhalb der Bundesregierung besprochen und abgestimmt werden. Dazu hat die Ministerin gesagt, dass sie das im Haus, sprich im Bundesarbeitsministerium, in Auftrag gegeben hat und dass die Abstimmung in der Bundesregierung beginnen soll.

Zu Ihren Fragen zu der geltenden Rechtslage: Es ist in der Tat so, dass die Frage der Vermögensanrechnung bereits heute im Asylbewerberleistungsgesetz beziehungsweise im SGB XII geregelt ist. Asylbewerberleistungen sind Leistungen, die im Grundsatz - wie die Sozialhilfe - nachrangig gewährt werden. Das findet sich in § 7 des Asylbewerberleistungsgesetzes wieder. Die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes liegt aber in den Händen der Länder, deswegen kann ich hier zur konkreten Einzelfallausgestaltung keine Stellung nehmen. Die Anrechnung von Vermögen gibt es aber bereits.

Zusatzfrage: Ohne jetzt ins Detail zu gehen: Wird dieser Rückgriff auf das Vermögen nach Ihrer Kenntnis schon angewandt, wird das schon konkret - von wem auch immer - genutzt, oder ist das bisher erst eine theoretische Möglichkeit.

Daldrup: Wie gerade ausgeführt: Die Ausführung des Asylbewerber¬leistungsgesetzes ist Sache der Länder. Wie mit der Umsetzung der genannten Regeln im Einzelnen verfahren wird, kann ich von hier aus nicht bewerten und auch nicht darstellen; da müsste ich Sie bitten, sich an die Länder zu wenden.

Frage: An das Innenministerium: Die griechische Regierung hat angekündigt, dass sie die Einrichtung der Hotspots beschleunigen will. Gibt es dafür eigentlich eine Deadline?

Dimroth: Vielen Dank für Ihre Frage - die Sie allerdings zuständigkeitshalber an die Europäische Kommission richten müssten, denn dort sind die entsprechenden Beschlüsse gefasst worden, die unter anderem auch das Thema Hotspots umfassen. Insofern bitte ich um Rücksicht, dass ich jetzt nicht über Zuständigkeiten referieren kann, die auf der europäischen Ebene liegen.

Ganz grundsätzlich ist die Einrichtung dieser Zentren in Griechenland aus unserer Sicht, wie Sie wissen, ein wichtiger Baustein, um schon zu einem möglichst frühen Zeitpunkt - nämlich beim Grenzübertritt nach Griechenland - ein Mehr an Ordnung im Verfahren zu gewährleisten. Ich kann Ihnen auch sagen, dass der Bundesinnenminister am Freitag nach Athen reisen wird, um dort auch mit Vertretern der griechischen Regierung unter anderem genau dieses Thema aufzugreifen.

Frage: Noch einmal zurück zum Bundesarbeitsministerium. Frau Daldrup, ich habe es immer noch nicht genau verstanden: Was planen Sie denn in Ihrem Hause, um wie viel und was genau soll denn da gekürzt werden, wenn man beispielsweise an einem Sprachkurs und anderen Integrationsmaßnahmen nicht teilnimmt? Kann man sagen: Die Leistungen werden um einen Prozentsatz X gekürzt, wenn man nicht zum Sprachkurs geht - für den man ja teilweise auch bezahlen muss?

Zweitens. Warum kommt dieser Vorstoß Ihrer Ministerin jetzt? Hat das nur mit dem Wahlkampf in einigen Bundesländern zu tun, oder was ist die Überlegung dahinter?

Daldrup: Um mit Ihrer letzten Frage zu beginnen: Nein, das hat nichts mit Wahlkampf zu tun, sondern es ist Aufgabe und Verantwortung der Bundesregierung, sich mit der Flüchtlingsfrage und der Integration derer, die zu uns kommen, zu beschäftigen und sinnvolle, gute, richtige Maßnahmen umzusetzen. Das ist ein laufender Prozess. Wir halten da alles unter Beobachtung - was funktioniert, was funktioniert nicht? - und steuern gegebenenfalls nach, um für die Vielzahl der Menschen, die da jetzt zu uns kommen, eine entsprechende Integration gewährleisten zu können. Das geht auch zurück auf einen Vorschlag, den die Ministerin bereits im Dezember hier in der Bundespressekonferenz mit vorgestellt hat. Jetzt geht es in die Konkretisierung, und es geht eben insbesondere darum, Integration zu fördern und klare Rechte und Pflichten für alle aufzustellen. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich hier jetzt zu einzelnen Aspekten und Maßnahmen, die darin enthalten sein sollen, noch nicht Stellung nehmen kann, weil die Ministerin angekündigt hat, dass wir erst in Kürze etwas vorlegen werden.

Zusatzfrage: Besteht denn eine Gleichbehandlung zwischen Leistungsbeziehern, die keine Flüchtlinge, keine Asylbewerber sind, und den Flüchtlingen? Denn es gibt ja schon einen ganzen Katalog, mit dem man Leistungen kürzen kann, wenn bestimmte Pflichten nicht erfüllt werden.

Daldrup: Es gibt die Regeln des SGB XII - die gelten unabhängig vom Pass für alle, die Teilnehmer der Maßnahmen im Rechtskreis des SGB II sind. Das ist also unabhängig davon, ob es sich um einen Flüchtling oder um einen Deutschen handelt. Darüber hinaus gibt es das Asylbewerberleistungsgesetz; dazu habe ich eben ja auch ausgeführt. Da gibt es gleich geschaltete Regelungen.

Frage: Eine Frage an das BMI: Die Standards für den Schutz von Frauen und Kindern im Asylpaket 2 sind wohl nicht so hoch wie ursprünglich angedacht - zumindest können die Länder nicht gezwungen werden, abschließbare Toiletten etc. einzuführen. Können Sie dazu etwas sagen? Warum ist das Asylpaket 2 an der Stelle nicht so scharf wie ursprünglich gedacht?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. - Es gibt dazu, wie Sie wissen, eine Einigung zwischen den Parteivorsitzenden. Es gab einen davor liegenden längeren Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung, der erfolgreich beendet ist, sodass wir guter Dinge sind, am Mittwoch mit diesem Gesetzentwurf ins Kabinett gehen zu können. Insofern bitte ich um Rücksicht, dass ich jetzt nicht rückblickend einzelne Verhandlungsprozesse oder -stadien für Sie aufdrösele. Es gibt einen Beschluss, einen Kompromiss, der die Ihnen bekannten Bausteine enthält. Insofern sind wir jedenfalls sehr zufrieden, dass wir am Mittwoch mit diesem Gesetzentwurf, der abgestimmt ist, ins Kabinett können.

Herb: Ich würde das gerne ergänzen, was die Schutzmaßnahmen von Frauen und Kindern gerade auch in den Flüchtlingsunterkünften angeht. Was im Asylpaket 2 ja enthalten ist - und das ist sehr wichtig -, ist das erweiterte Führungszeugnis, das jetzt jene Personen, die in den Unterkünften für die Beaufsichtigung, Betreuung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen tätig sind, vorlegen müssen.

Es ist so - und das wollte ich noch einmal deutlich machen -, dass die Ministerin bereits im Dezember ein Schutzkonzept vorgestellt hat, das aus drei Säulen besteht. Das möchte ich gerne noch einmal darstellen.

Das Erste ist, dass es jetzt ein KfW-Förderprogram mit einem Volumen von 200 Millionen Euro gibt, das das BMFSFJ gemeinsam mit der KfW gestartet hat. Dabei geht es darum, dass die Kommunen direkt Kredite beantragen können, um ebenjenen Ausbau in den Flüchtlingsunterkünften durchzuführen.

Das Zweite ist, dass es seitens der Bundesregierung eine Kooperation mit UNICEF gibt. Dazu gab es jetzt die Gespräche; das wird im Februar wohl losgehen. UNICEF wird - in Kooperation mit den freien Wohlfahrtsverbänden, die ja die Flüchtlingsunterkünfte hier in Deutschland betreuen, und weiteren Partnern - mit einzelnen Mitarbeitern in die Flüchtlingsunterkünfte gehen, sich das dort anschauen und dann auch das Personal dort schulen, und zwar mit Blick auf die Fragestellung: Wie kann dort der Schutz der Kinder und auch der Frauen besser gewährleistet werden? Dabei geht es zum Beispiel auch darum - das ist jetzt nur ein kleines Beispiel, das muss nicht direkt mit Baumaßnahmen verbunden sein -, dass die Flure richtig ausgeleuchtet sind usw. Aber da hat UNICEF auch aus anderen Ländern schon Erfahrungen; die kommen also nach Deutschland und werden dann in den Flüchtlingsunterkünften tätig. Es geht auch darum, dass dort "child-friendly spaces" eingerichtet werden. Das macht UNICEF also vor Ort - wie gesagt in Kooperation mit der Bundesregierung.

Das Dritte ist - das zielt vor allen Dingen auf den Schutz von Frauen -: Es gibt in Deutschland bereits Folteropferzentren, die auch für Traumabewältigung und so etwas zuständig sind; diese gibt es in jedem Bundesland. Für diese Zentren werden jetzt weitere Mittel zur Verfügung gestellt, damit dort mehr Personal eingesetzt werden kann, sodass sich gerade Frauen, die solche Erfahrungen gemacht haben, dorthin wenden können und gewährleistet ist, dass ihnen geholfen werden kann. Es werden auch weitere Informationsmaterialen usw. zur Verfügung gestellt; es soll zum Beispiel auch ein Hilfetelefon geben, an das sich Frauen wenden können, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind.

Es ist auch geplant - da kann ich jetzt aber nicht noch weiter ins Detail gehen -, dass Ministerin Schwesig und auch die Staatsministerin Özoguz weiter an solchen Projekten arbeiten. Das heißt also, es ist nicht so, dass wir dort keine Schutzmaßnahmen ergriffen hätten.

Frage: Frau Herb, findet Ihr Ministerium denn akzeptabel, dass es weiterhin keine Mindeststandards wie zum Beispiel abschließbare Toiletten und getrennte Duschen in den Flüchtlingsunterkünften gibt? Ist das weiterhin akzeptabel in Deutschland?

Herr Dimroth, warum wurde das einfach nicht ins Gesetz gepackt?

Herb: In den Bundesländern gibt es bereits Bemühungen dazu. Die Bundesministerin hat im letzten Jahr mit Herrn Rörig an die Bundesländer geschrieben und darauf hingewiesen. Nach meiner Kenntnis - ich kann Ihnen jetzt nicht die Details nennen - sind die Länder sehr sensibilisiert und setzen solche Sachen vor Ort um.

Dimroth: Dem, was ich eben gesagt habe, und dem, was die Kollegin Herb gerade ausgeführt hat, habe ich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Sie haben gerade Herrn Rörig angesprochen. Herr Seibert, der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung spricht von einer "grob fahrlässigen" Lösung und davon, dass es immer mehr sexuelle Übergriffe an Kindern in Flüchtlingsunterkünften gibt. Warum bemüht sich die Bundesregierung nicht um einen besseren - oder überhaupt um einen - Schutz von Kindern in Flüchtlingsunterkünften? Das ist ja in diesem Asylpaket wieder einmal nicht der Fall.

StS Seibert: Ihre Behauptung stimmt nicht. Das, was Frau Herb gerade ausführlich vorgetragen hat, sind ja lauter Argumente dagegen. Das sind lauter Argumente dafür, dass uns der Schutz von Frauen und Kindern in den Flüchtlingsunterkünften wichtig ist, dass es eine Sensibilität dafür gibt, nicht nur in der Bundesregierung, sondern auch bei den Ländern. Wir haben Kooperationspartner wie UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Insofern sehe ich keinen Grund für Ihre Behauptung.

Frage: Nur eine kurze ergänzende Frage: Wir lesen heute in Zeitungen Hinweise auf eine Untersuchung des IW. Da ist von 50 Milliarden Euro Kosten für Flüchtlinge die Rede, davon 23 Milliarden, glaube ich, im laufenden Jahr. Sind das Zahlen, die nach Einschätzung der Bundesregierung zumindest plausibel sind? Oder wie beurteilt die Bundesregierung solche Fragen?

StS Seibert: Ich kann solche Zahlen ad hoc gar nicht beurteilen, wenn ich ehrlich bin. Ich weiß nicht, ob Ministeriumsvertreter das können.

Vorsitzender Mayntz: Können sie? - Kopfschütteln.

Frage: Eine andere Frage an Herrn Dimroth: Der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende hat sich am Wochenende dergestalt ausgelassen, dass die AfD nicht in Talkshows gehöre, sondern in den Verfassungsschutzbericht. Da würde mich interessieren: Wie steht es grundsätzlich derzeit um die Beobachtung durch den Verfassungsschutz? Welche Parteien betrifft sie? Welche Kriterien gibt es da, welche Hürden? Reicht es aus, wenn maßgebliche Mitglieder dieser Partei sagen, man solle über Waffengewalt an den Grenzen nachdenken?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage.

Zunächst einmal zu den öffentlichen Äußerungen von Vertretern von Parteien am Wochenende: Das wird von mir, wie Sie wissen, weder kommentiert noch interpretiert.

Sie hatten aber auch nach dem grundsätzlichen Vorgehen gefragt. Da kann ich Sie darauf verweisen, dass eine förmliche Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz selbstverständlich - weil sie eine grundrechtsrelevante Maßnahme ist - nur auf Grundlage der dafür einschlägigen rechtlichen Vorschriften möglich ist. Das ist in diesem Fall das Bundesverfassungsschutzgesetz. Es setzt voraus, dass Erkenntnisse darüber vorliegen, dass sich eine Organisation gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wendet. Soweit dieses Kriterium nicht erfüllt ist, kann ein Beobachtungsvorgang vom Bundesamt nicht begonnen werden.

Das Bundesamt prüft selbstverständlich fortlaufend, ob Institutionen und - soweit es Anhaltspunkte dafür gibt - auch Parteien dieses Kriterium erfüllen und ob extremistische Einflüsse auf Parteien, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden, existieren. Soweit das der Fall wäre, würde das Bundesamt selbstverständlich in eigener Verantwortung auf Grundlage der gerade geschilderten rechtlichen Rahmenbedingungen einen Beobachtungsvorgang beginnen.

Zusatzfrage: Ist das Bundesamt dankbar für solche Einlassungen, für Hinweise, wohin man einmal schauen sollte, oder war dieser Fall eine dem Wahlkampf geschuldete Zuspitzung?

Dimroth: Wie gesagt, nehme ich zu der Äußerung, die Sie zitiert haben, aus ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus keine Stellung. Es gilt das, was ich gesagt habe: Es gibt eine gesetzliche Vorgabe, einen gesetzlichen Rahmen, auf dessen Grundlage das Bundesamt tätig werden kann - aber eben nur, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Ich habe auch ausgeführt, dass es das tun wird, wenn ebendiese Kriterien erfüllt sind.

Frage: Herr Seibert, macht sich die Bundesregierung die Forderung des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, zu eigen? Oder wie ist da die Position?

StS Seibert: Es ist gerade dargestellt worden, was das Prozedere ist, um zu einer solchen Beobachtung zu kommen. Da hat - jedenfalls nach meiner Überzeugung - die Bundesregierung als solche keine Empfehlungen zu geben. Im Übrigen werde ich mich - wie grundsätzlich - zu parteipolitischen Aussagen - also wie sie jetzt in diesem Fall am Wochenende von Vertretern der AfD kamen - nicht äußern; zumal sie sich, ehrlich gesagt, ohnehin disqualifizieren.

Frage: Dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen ist natürlich der Hinweis darauf, dass die Rechtslage unter bestimmten Umständen einen Schusswaffengebrauch an der Grenze ermöglicht. Herr Dimroth, mich würde interessieren, wie das Bundesministerium des Innern aktuell die Rechtslage interpretiert, unter welcher Maßgabe die Bundespolizisten also ihren Dienst tun.

In diesem Zusammenhang: Im vergangenen Jahr ist mehrfach von Bundespolizisten angemahnt worden, über eine andere Einstufung des sogenannten illegalen Grenzübertritts nachzudenken. Sind irgendwelche Überlegungen angestellt worden, da vielleicht Änderungen vorzunehmen?

Dimroth: Ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob ich den ersten Teil Ihrer Frage richtig verstanden habe. Ich versuche, es zusammenfassen; wenn ich Sie nicht richtig verstanden habe, bin ich für einen Hinweis dankbar.

Sie fragen mich jetzt nach einer abstrakten Darstellung der Rechtslage nach dem Bundespolizeigesetz und dem Gesetz über den unmittelbaren Zwang, die ich, wie Sie wissen, ganz grundsätzlich weder bereit noch in der Lage bin zu liefern. Wenn Sie nach einer Anweisung oder Ähnlichem an die Bundespolizisten fragen: Dessen bedarf es nicht. Es gibt auch hier einen ganz klaren rechtlichen Rahmen, der in diesem Zusammenhang keiner weiteren Interpretation bedarf. Das lässt sich alles sehr gut nachlesen, weil diese Gesetze, wie üblich, für jedermann einsehbar sind. Das wissen Sie sehr gut. Sie wissen vermutlich, dass das Gesetz über den unmittelbaren Zwang sehr unterschiedliche Stufen vorsieht. Aber selbstverständlich - das kann ich hier in dieser Deutlichkeit sagen - wird kein Bundespolizist Schusswaffen gegen Menschen einsetzen, die hier in Deutschland um Schutz nachsuchen, und selbstverständlich - auch das kann ich sagen - ist der gezielte Einsatz von Schutzwaffen gegen Menschen, um einen Grenzübertritt zu verhindern, rechtswidrig.

Vorsitzender Mayntz: Jetzt der Kollege zu diesem Thema.

Frage: Zum Thema Flüchtlinge.

Vorsitzender Mayntz: Wir müssen jetzt einmal irgendwie gucken, dass wir mit den Themen durchkommen. Ich habe hier noch ungefähr acht Anmeldungen für neue Themen. Ich weiß nicht, ob die Flüchtlingsthematik nicht schon relativ erschöpfend zur Sprache gekommen ist. - Nein? Dann bitte, fragen Sie!

Frage: Herr Seibert, Herr Altmaier hat am Wochenende gesagt, dass man mit der Türkei darüber rede, straffällig gewordene Flüchtlinge aus Drittstaaten aufzunehmen. Flüchtlinge, die zum Beispiel aus Nordafrika kommen und von ihren Heimatländern nicht zurückgenommen werden, will man in die Türkei schicken. Ist das ein ernsthafter Gedanke der Bundesregierung?

StS Seibert: Grundsätzlich gilt: Wenn jemand unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Schutz und Aufenthalt in Deutschland hat, dann ist sicherzustellen, dass diese Person zügig ausreist oder rückgeführt wird.

Zusatzfrage: Egal wohin?

StS Seibert: Darf ich zu Ende ausführen? - Das ist die grundsätzliche Rechtslage. Die Bundesregierung verfolgt eine Reihe von Maßnahmen, die eine tatsächliche Umsetzung dieser Ausreise sicherstellen. Eine solche Maßnahme sind Rückübernahmeabkommen mit Staaten, durch die eine rückkehrpflichtige Person eingereist ist. Solche Abkommen kann die Bundesrepublik Deutschland schließen. Solche Abkommen kann auch die EU mit ausgewählten Staaten schließen.

Das, worauf sich Minister Altmaier in seinem Interview bezogen hat, ist Teil des EU-Türkei-Aktionsplans. In diesem Rahmen und im Rahmen des Visaliberalisierungsprozesses ist eine Rücknahme von Drittstaatlern in die Türkei, also in das Land, aus dem sie in die EU eingereist sind, vereinbart, und es ist vereinbart, dass diese Rücknahme schon in diesem Sommer - früher, als ursprünglich in Aussicht gestellt - in Kraft gesetzt werden könnte. Darauf hat sich Minister Altmaier bezogen.

Zusatzfrage: Woher weiß man denn, ob die zum Beispiel nordafrikanischen Flüchtlinge wirklich durch die Türkei gereist sind? Muss man denen das nachweisen? Wie wollen Sie das machen?

StS Seibert: Es geht um eine Rücknahme von Drittstaatlern in ein Land, aus dem sie in die Europäische Union eingereist sind. Dafür gibt es oft Belege.

Frage: Ich habe dazu eine Lernfrage und eine Sachfrage.

Mich interessiert grundsätzlich: Wer führt eigentlich in der Bundesregierung Verhandlungen mit Drittstaaten über eine Rücknahme? Das Außenministerium, wie ich immer dachte? Der Kanzleramtschef? Oder die Kanzlerin persönlich?

Aktuell melden die Agenturen, dass Innenminister de Maizière ein Startguthaben als Bonus für ausreisewillige Flüchtlinge vorschlägt. Herr Dimroth, wie ist das genau gemeint?

Dimroth: Die Agenturmeldungen, auf die Sie rekurrieren, kenne ich nicht. Deswegen fällt es mir schwer, dazu etwas zu sagen. Grundsätzlich gibt es aber bereits jetzt Rückkehrförderung. Es gibt Programme, um Menschen, die bereit sind, freiwillig auszureisen, bei ihrer Rückkehr zu fördern. Insofern vermute ich, dass das in diesen Kontext fällt. Das wäre - jedenfalls grundsätzlich - nichts Neues, sondern die geltende Rechtslage.

Zusatzfrage: Es gibt also keine neuen Planungen oder Ideen?

Dimroth: Wie gesagt: Ich kenne die Agenturmeldungen nicht. Der Minister ist derzeit auf Dienstreise. Deswegen bitte ich um Nachsicht dafür, dass ich das, was Sie jetzt zitieren, noch nicht kenne. Aber ganz grundsätzlich gibt es das jedenfalls.

Das ist ein wichtiges und aus unserer Sicht sehr sinnvolles Instrument, um die Umsetzung des von Herrn Seibert eben beschriebenen Grundsatzes zu unterstützen, dass diejenigen, die hier unter keinem Gesichtspunkt Anspruch auf Schutz und Aufenthalt haben, Deutschland wieder verlassen müssen. Wenn das freiwillig geht, ist das sicher ein wichtiger Beitrag zur Erreichung dieses Ziels.

Gleichzeitig erleichtern diese Instrumente die Rückreise oder auch einen Neuanfang im Herkunftsstaat. Das ist ebenso sinnvoll und wünschenswert.

StS Seibert: Rückübernahmeabkommen können, wie ich gerade versucht habe zu erklären, eine Sache Europas sein. Ein Beispiel ist der EU-Türkei-Aktionsplan. In diesem Fall werden die Verhandlungen natürlich durch die EU-Kommission geführt. Vizepräsident Timmermans war dazu mehrere Male in der Türkei und hat Gespräche geführt.

Es ist aber auch immer möglich, dass ein Mitgliedstaat wie Deutschland, das sehr stark von der Situation betroffen ist, flankierende Gespräche führt.

Frage: Herr Seibert, auf welcher gesetzlich-moralischen Grundlage basiert der Vorschlag, Leute, die Sie hier gar nicht haben wollen, in die Türkei zu transferieren?

Die Aussage von Frau Petry - der Vorsitzenden einer politischen Partei - ist ein Politikum ersten Ranges. Sie nagt an den Grundlagen des Grundgesetzes und des deutschen Rechtsstaates. Wäre die Bundesregierung als wichtigste politische Instanz in diesem Land nicht dazu verpflichtet, dazu Stellung zu beziehen? Wäre sie nicht auch als Exekutivorgan verpflichtet, Maßnahmen dazu zu treffen?

StS Seibert: Zu dieser Aussage habe ich hier nicht mehr beizutragen. Ich habe gesagt, dass sie sich ohnehin selbst disqualifiziert. Es ist ganz offensichtlich, dass das eine parteipolitische Aussage ist. Zu solchen Aussagen nehme ich hier grundsätzlich nicht Stellung. Am Wochenende ist aber, glaube ich, ausreichend über diese Meinung, über diese Positionierung gesprochen worden, auch entsprechend kritisch.

Auf welcher Grundlage beruht die Maßnahme, von der wir hier sprachen? - Auf Grundlage des EU-Türkei-Rückübernahmeabkommens.

Frage: Herr Seibert, Frau Merkel hat gestern in Neubrandenburg gesagt, viele der Flüchtlinge, die jetzt hierhin kommen, hätten auf Dauer - über drei Jahre hinaus - keine Chance, hier zu bleiben; sie müssten dann also wieder nach Hause gehen. Sie hat auf die Situation nach dem Bosnienkrieg in den 90er-Jahren verwiesen. Ist das tatsächlich auf die Syrer gemünzt? Haben die nur einen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention oder eine Chance auf Asyl? Wer war bei dieser Aussage der Kanzlerin gestern konkret gemeint?

StS Seibert: Die Kanzlerin hat als Parteivorsitzende auf einer Parteiveranstaltung gesprochen. Auch dazu nehme ich üblicherweise nicht Stellung. Ich kann Ihnen aber als Sprecher der Bundesregierung die unveränderte Haltung der Bundeskanzlerin und der gesamten Bundesregierung darlegen.

Wir sind überzeugt, dass Deutschland sich dafür einsetzen muss, dass die Ursachen der Flucht bekämpft - idealerweise: beseitigt - werden. Alle Erfahrung lehrt doch - nehmen Sie zum Beispiel die Flüchtlinge aus den Jugoslawienkriegen in den 90er-Jahren -: Menschen wollen nach Hause, sobald sie dort sichere und friedliche Lebensbedingungen vorfinden. So war es damals, und so wird es voraussichtlich auch bei vielen syrischen und irakischen Flüchtlinge, die jetzt in unserem Lande Schutz suchen, sein. Das hört man von den Flüchtlingen selbst; es gab auch eine erste Umfrage.

Wenn wir - nicht wir Deutsche allein, sondern als Teil der Weltgemeinschaft - es schaffen, Frieden in Syrien herbeizuführen, wenn es gelingt, den Terror des IS zurückzudrängen, dann werden Flüchtlinge eine Perspektive sehen, in ihre Heimat zurückzukehren. Darum engagiert sich Deutschland mit aller Kraft zum Beispiel im Dialogprozess für Syriens Zukunft - zum Beispiel ist die Bundeskanzlerin deshalb diese Woche Mitgastgeberin der Syrien-Geberkonferenz in London -, darum engagiert sich die Bundeswehr im Kampf gegen den IS: um Fluchtursachen zu beseitigen und um den Menschen eine Rückkehr und ein menschenwürdiges Leben in der Heimat zu ermöglichen.

Was die Kanzlerin da angesprochen hat, ist übrigens überhaupt nichts Neues. Sie hat auch früher schon - Anfang Oktober bei Anne Will - auf diesen Zusammenhang zwischen dem Kampf gegen Fluchtursachen, der Rückkehr der Flüchtlinge und den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention hingewiesen.

Nach diesen Bestimmungen haben die Flüchtlinge zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Nach diesen drei Jahren folgt eine Überprüfung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Flüchtlingsstatus weiter gegeben sind.

Das ist die geltende Rechtslage, und das ist die unveränderte Haltung der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Sehen Sie nicht, dass es möglicherweise die Integrationsbereitschaft dieser Menschen betrifft, wenn ihnen eigentlich jetzt schon gesagt wird, dass sie in relativ absehbarer Zeit wieder in ihre Heimat zurückgehen sollten und müssen?

StS Seibert: Zunächst einmal müssen Bedingungen in den Heimatländern geschaffen werden, die eine Rückkehr ermöglichen. Daran arbeiten wir, wie auch viele andere in der Welt. Das, was ich Ihnen gerade dargelegt habe - die Notwendigkeit, Fluchtursachen zu bekämpfen -, steht in überhaupt keinem Widerspruch zur Integrationsnotwendigkeit hier im Lande. Denjenigen, die Flüchtlingsstatus haben, werden zahlreiche Integrationsangebote gemacht. Wir wollen auch, dass sie sie annehmen. Wir wollen, dass sie ihre Zeit, ihre Jahre hier sinnvoll - sinnvoll für das Land und sinnvoll für sich selber - nutzen.

Frage: Zur Dienstreise von Herrn de Maizière. Er ist jetzt gerade in Afghanistan, wo er immer wieder davon spricht, dass er gar nicht verstehen könne, dass die Leute nach Deutschland fliehen. Die Bundeswehr sei ja da, Entwicklungshilfe werde geleistet. - Sagt er auch den Menschen vor Ort, dass er nicht verstehen kann, dass sie ein besseres Leben in Europa suchen? Und besucht er auch eine der unsicheren Regionen, von denen auch die Bundesregierung immer spricht?

Dimroth: Tatsächlich befindet sich der Bundesinnenminister gerade auf einer Dienstreise in Afghanistan, um mit Vertretern der afghanischen Regierung verschiedene Dinge zu besprechen. Da geht es natürlich insbesondere auch um die weiterhin bestehende Zusammenarbeit bei der polizeilichen Ausbildung, die wir sehr nachhaltig unterstützen. Da geht es aber auch um das Migrationsgeschehen.

Wie Sie wissen, gibt es dazu einen Beschluss der Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern, der letztlich genau das beschreibt, was auch der Bundesinnenminister mehrfach dazu gesagt hat. Afghanistan weist selbstverständlich ein regional sehr unterschiedliches Sicherheitsniveau auf. Ebenso selbstverständlich muss es aber sein, dass jedenfalls in sichere Regionen auch Rückführungen von Menschen stattfinden können müssen. Dieser Beschluss bittet darum, dass das BMI Gespräche mit Vertretern der afghanischen Regierung darüber führt, ob und wie so etwas zu gestalten wäre. Genau dieser Punkt ist unter anderem Gegenstand der Gespräche, die Herr de Maizière gerade vor Ort führt.

Was die weitere Reiseplanung anbetrifft, bitte ich um Rücksicht, dass ich Ihnen schon aus Sicherheitsgründen die Orte, die Herr de Maizière während dieser Dienstreise besuchen wird, nicht nennen kann.

Zusatzfrage: Aber er guckt sich nicht nur die schönsten Orte an?

Dimroth: Wie ich es eben gesagt habe. Ich bitte um Verständnis, dass man aus Sicherheitsgründen leider nicht öffentlich machen kann, welche Orte der Minister vor Ort besuchen wird.

Sie hatten auch noch gefragt - das hatte ich im ersten Teil meiner Antwort unterschlagen -, ob der Punkt, dass jedenfalls ganz grundsätzlich Rückführungen in die sicheren Regionen Afghanistans möglich sein sollen, Gegenstand der Gespräche vor Ort sein wird. Selbstverständlich wird auch das Gegenstand sein.

Frage: Ganz konkret und aktuell zu der Reise von Herrn de Maizière. Ist Ihnen bekannt, dass es in Afghanistan einen relativ schlimmen Anschlag gegeben haben soll? Wissen Sie, ob der Minister in seiner Reise in irgendeiner Weise davon beeinträchtigt ist, ob zum Beispiel Änderungen vorgenommen werden mussten?

Dimroth: Der Vorfall von heute Morgen ist jedenfalls agenturmäßig bekannt, auch der Delegation vor Ort. Ich kann Ihnen sagen, dass bisher jedenfalls keine unmittelbare Beeinflussung der Dienstreise durch diese Vorfälle stattgefunden hat und dass bisher davon ausgegangen werden kann, dass die Dienstreise, wie geplant, fortgesetzt und zu Ende geführt werden kann.

Frage: Ich möchte gern zur Reise des bayerischen Ministerpräsidenten nach Moskau am kommenden Mittwoch fragen. Horst Seehofer hat im Vorfeld dieser Reise mehr oder weniger direkt die Sanktionen gegen Russland infrage gestellt. Meine Frage geht zunächst an Herrn Seibert, den Regierungssprecher. Wie beurteilt die Bundesregierung die Reise und die Äußerungen? An das Außenministerium habe ich die Frage, wie gut das abgestimmt war. - Danke schön.

StS Seibert: Die Bundesregierung ist über die Reisepläne des bayerischen Ministerpräsidenten unterrichtet. Sie steht in enger Abstimmung mit der bayerischen Staatskanzlei im Zusammenhang mit dieser Reise. Die Bundeskanzlerin selber hat mit Ministerpräsident Seehofer vorher auch noch einmal telefoniert.

Schäfer: Ich kann nur ergänzen, Herr Seibert, dass all das auch zutrifft, wenn Sie das Wort Merkel durch das Wort Steinmeier ersetzen. Herr Seehofer hat auch mit dem Außenminister telefoniert. Beide haben vor einigen Tagen gemeinsam die Lage in Russland erörtert. Herr Steinmeier hat in dem Gespräch Gelegenheit bekommen, die Politik der Bundesregierung Russland gegenüber mit Blick auf die Ukraine-Krise zu erläutern, auch andere Fragen. Ich nehme an - das weiß ich aber nicht genau -, dass auch die Frage der Sanktionen dabei zur Sprache gekommen ist. Es gibt - anders als ich es über das Wochenende in der einen oder anderen Medienpublikation gelesen habe - überhaupt keine Probleme oder Berührungsängste vonseiten der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage an Herrn Schäfer. Ist das Nebenaußenpolitik, Herr Schäfer?

Schäfer: Die Bundesländer sind - jedenfalls nach meinen verfassungsrechtlichen Studien als Student der Rechtswissenschaften - für Wirtschaftsförderung und für Kulturpolitik zuständig und können in diesem Rahmen bestimmt eine ganze Menge nach außen tun. Wenn eine Reise eines bayerischen Ministerpräsidenten in der Sache gut ist und die Sache voranbringt, ist das doch ganz wunderbar.

Frage: Informiert zu sein, heißt ja nicht, das gut zu finden. Deshalb will ich zum einen zur Bewertung nachfragen.

Zum anderen: Wenn man so viel telefoniert hat, nimmt Herr Seehofer denn etwas an Botschaft von Herrn Steinmeier oder von der Kanzlerin nach Moskau mit?

Ganz konkret zur gegenwärtigen Lage der Beziehungen gefragt: Hat man vonseiten der Bundesregierung auch mit Blick auf den Fall "Lisa" den Eindruck, dass man sich einer gewissen Kampagne von russischer Seite gegen Deutschland oder gegen die Bundesregierung gegenübersieht?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat, wie Sie wissen, vielfältige regelmäßige Kontakte mit dem russischen Staatspräsidenten. Insofern wird in diesem Fall jedenfalls kein Botschafter benötigt. Die Bundeskanzlerin und der bayerische Ministerpräsident haben über die ganze Breite der deutschen Russlandpolitik und natürlich auch über unserer Bemühungen, mithilfe des Minsk-Prozesses eine friedliche Lösung für den Ukraine-Konflikt herbeizuführen, gesprochen.

Noch einmal: In dieser Reise des Ministerpräsidenten liegt nichts Außergewöhnliches. Es ist ganz normal, dass Ministerpräsidenten auch im Ausland für die Interessen ihrer Bundesländer werben. Im Übrigen ist Bayern, wie wir alle gelernt haben, Partnerregion von Moskau. Schon das ist ein wichtiger Anknüpfungspunkt.

Schäfer: Absolut. Ich kann dem nur beipflichten und vielleicht auf Ihre weitere Frage ergänzen, dass der Fall, der unter dem Stichwort "Lisa" läuft, jetzt zum Glück aufgeklärt ist. All das, was Herr Seibert und ich und vielleicht auch andere an dieser Stelle und anderswo über unser Vertrauen und das Vertrauen der Bundesregierung in die Aufklärung durch die Berliner Justiz und Polizei gesagt haben, hat sich bestätigt gefunden. Glücklicherweise ist das Thema über das Wochenende zur Ruhe gekommen. Man kann hoffen und muss annehmen, dass es damit auch erledigt ist.

Sie haben den Medien vielleicht entnommen, dass Herr Steinmeier am Freitag mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow gesprochen hat. Dabei ging es - auch das wird Sie nicht überraschen - auch um dieses Thema. Dass es danach von beiden Seiten aus der Politik keine öffentlichen Einlassungen mehr zu diesem Thema gegeben hat, ist aus unserer Sicht ein sehr gutes Zeichen.

Was für Motive und Absichten oder Pläne hinter gewissen Formulierungen stehen mögen, das ist für uns, denke ich, schwer zu beurteilen. Diese Frage müssten Sie an diejenigen richten, die solche Pläne hegten. Wir hegen solche Pläne jedenfalls nicht.

Ich wiederhole noch einmal, was ich hier bereits vergangene Woche gesagt habe. Wir glauben fest an die aufgeklärte Mündigkeit der Bürger in einem demokratischen Rechtsstaat, die sehr wohl zu unterscheiden wissen, was Kampagne ist und was nicht, wo es um die Wahrheit und wo es um anderes geht.

Frage: Ich habe eine Frage zum Cyberangriff auf den Bundestag. Ich möchte Herrn Seibert fragen: Können Sie den Bericht dementieren oder bestätigen, in dem ein hochrangiger Sicherheitsbeamter mit dem Satz zitiert wird, dass dieser Cyberangriff klar einem russischen militärischen Nachrichtendienst zugeordnet wird?

StS Seibert: Ich kann zu diesem ziemlich anonymen Zitat nichts sagen. Im Übrigen muss ich darauf verweisen, dass der Deutsche Bundestag natürlich ein ganz eigenes Verfassungsorgan ist und ich als Sprecher der Bundesregierung gar nicht befugt bin, für oder über ihn zu sprechen.

Zusatzfrage: Vielleicht hat Herr Dimroth Erkenntnisse dazu?

Dimroth: Ich befürchte, Sie müssen Ihre Nachfrage an den namentlich nicht näher genannten hohen Sicherheitsbeamten stellen. Mehr als das, was Herr Seibert gesagt hat, habe ich dazu auch nicht beizutragen.

Frage: Eine kurze Frage zum TTIP-Leseraum, vielleicht an das Wirtschaftsministerium. Die USA drohen angeblich, die Lesegenehmigung zu widerrufen, wenn irgendetwas daraus veröffentlich wird. Wissen Sie davon? Wenn ja, was sagen Sie dazu?

Braams: Vielen Dank für die Frage. Die Bedingungen, unter denen der TTIP-Leseraum vergangene Woche geöffnet wurde, wurden zwischen EU-Seite und US-Seite ausgehandelt. In diesem Rahmen wurden die Bedingungen gemacht und auch die Äußerung zu einem Bestandteil gemacht, dass Maßnahmen getroffen werden, damit die Vertraulichkeit sichergestellt ist. Über weitere Schritte, was im hypothetischen Fall eines Verstoßes möglich wäre, kann ich jetzt nicht spekulieren. Das wäre auch wieder Verhandlungsgegenstand zwischen der EU und der US-Seite.

Frage: Frau Braams, werden die Notizen, die sich die Bundestagsabgeordneten machen, kontrolliert? Denn darin könnten ja Geheimnisse stehen.

Braams: Auch hier muss ich Sie weiterverweisen. Wir haben, wie gesagt, den TTIP-Leseraum vergangene Woche eröffnet. Die Regularien und Einzelheiten, welche Nutzungsbedingungen gelten, sind durch den Bundestag veröffentlich worden. Wenn Sie es ganz genau wissen wollen, finden Sie es auf der Internetseite des Bundestages.

Notizen können gemacht werden. Während der Einsichtnahme ist ein sicherheitsüberprüfter Beamter des Wirtschaftsministeriums anwesend. Das kann ich dazu sagen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, Ihr Amt, Ihr BPA unterstützt europapolitische Projekte von Organisationen der Zivilgesellschaft durch Zuwendungen. Sie wollen unter anderem Projekte über TTIP fördern. Mich interessiert, ob es immer Pro-TTIP-Projekte sein müssen, oder ob man auch kritische Projekte fördern lassen kann.

StS Seibert: Es müssen im Sinne unseres Auftrags immer Projekte pro Information über TTIP sein.

Zusatz: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

StS Seibert: Wir informieren im Rahmen unseres Auftrags über die Politik der Bundesregierung, im Falle TTIP darüber, warum die Bundesregierung es für wichtig hält, dieses Abkommen abzuschließen.

Frage: Herr Seibert, mir geht es um ein anderes Thema, und zwar um das Thema Elektroautos. Bis jetzt hieß es nicht ganz offiziell, dass die Kanzlerin morgen Vertreter der Autoindustrie zu diesem Thema empfängt. Ist das nun so? Wird es ein solches Treffen geben? Welchen Charakter hat ein solches Gespräch? Wie positioniert sich Frau Merkel zu den Einlassungen von Herrn Gabriel und Herrn Seehofer, die ja Kaufprämien für Elektroautos befürworten? Gibt es dazu mittlerweile eine eigene Meinung?

StS Seibert: Morgen gibt es ein erstes Beratungs- und Informationsgespräch mit Vertretern der Automobilindustrie. Das ist kein Abend, an dem konkrete Beschlüsse gefasst werden. Insofern sollten Sie als Journalisten morgen keine Ergebnisse erwarten.

Zusatzfrage: Bleibt Herr Schäuble bei seiner Ablehnung einer solchen Kaufprämie?

Weißgerber: Der Minister hat sich im Interview mit der "Stuttgarter Zeitung" vergangene Woche klar dazu geäußert. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich habe eine Lernfrage. Wo ist die Bundesratsinitiative - ich meine, es ging an das Finanzministerium -, nämlich der Gesetzentwurf zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität, eigentlich abgeblieben? Ich meine, die Kanzlerin hatte im Sommer gesagt, es sollte möglichst dieses Jahr verabschiedet werden. Ich weiß gar nicht, welches der letzte Stand ist. Können Sie mir das sagen?

Zweite Frage: Ich denke, wir haben es hier schon einmal ventiliert, aber ich habe es nicht wiedergefunden. Können sie mir sagen, was der Unterschied zwischen einer steuerlichen Förderung der Elektromobilität und der Abwrackprämie ist? Warum gab es damals eine Abwrackprämie, aber gibt es jetzt keine steuerliche Förderung? - Danke.

Weißgerber: Der Gesetzentwurf, den Sie meinen, kam vom Bundesrat. Es ist dann üblich, dass es eine Stellungnahme der Bundesregierung dazu gibt. Diese ist ergangen. Das Bundeskabinett hat sie beschlossen. Dann geht das üblicherweise zum Bundestag. Dort ist es im Finanzausschuss oder - ich bin mir nicht ganz sicher - im Verkehrsausschuss.

Zu Ihrer zweiten Frage. Die Abwrackprämie fand zur Zeit der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Das Bruttoinlandsprodukt ist damals um über 5 % eingebrochen. Das war eine ganz andere Situation. Im Prinzip war das, wenn Sie so wollen, Konjunkturpolitik. Eine vergleichbare Lage sehen wir aktuell nicht.

Frage: An Herrn Henjes. Es ist der 1. Februar. Sie hatten uns angekündigt, dass die deutschen Tornados bei der Anti-ISIS-Koalition ab dem 1. Februar nachts fliegen können. Können Sie das jetzt bestätigen?

Henjes: Hinsichtlich der Frage der Flugfähigkeit der Tornados wissen Sie - es wurde in dieser Runde bereits mehrfach angesprochen -, dass wir daran arbeiten. Im Übrigen kann ich nur sagen, dass es auch eine Frage der Auftragslage bezüglich der Koalition ist. Insofern kann ich Ihnen sagen, dass die Tornados, die sich in Incirlik befinden und dort ihren Auftrag mit der Koalition im Rahmen unseres Einsatzes machen, voll einsatzfähig sind.

Zusatz: Sind sie jetzt nachgerüstet? Sie hatten ja angekündigt, dass sie bis zum 1. Februar nachgerüstet werden, um dann für den Fall der Fälle, dass sie nachts fliegen müssen, flugbereit zu sein.

Henjes: Die Tornados sind einsatzfähig.

Zusatz: Ich habe es nicht verstanden. Ich wollte wissen, ob sie es nachgerüstet haben, nicht, ob sie einsatzfähig sind.

Henjes: Die Tornados sind einsatzfähig im Sinne des Einsatzes im Rahmen der Koalition, in dem Einsatz, den wir dort machen.

Zuruf: Auch nachts?

Henjes: Die Tornados fliegen ihre Einsätze im Rahmen des Auftrages.

Zusatz: Ja. Wenn der nachts passiert, sind sie dann jetzt ab dem 1. Februar einsatzfähig?

Henjes: Die Einsatzfähigkeit richtet sich nach dem Auftrag und dem Rahmen des Mandats. In diesem Sinne sind die Tornados einsatzfähig. Über die Frage der möglichen Einsatzfähigkeit im Rahmen eines Einsatzes nachts, kann ich Ihnen zurzeit noch nichts sagen.

Vorsitzender Mayntz: Vielleicht müssen wir den Dialog an dieser Stelle nicht endlos fortsetzen, sonst kommen vielleicht auch wir hier in die Notwendigkeit zur Nachtsichtfähigkeit hinein. Wenn Sie in der Lage sind, uns mitzuteilen, ob die Nachrüstungen im Cockpit - das war ja die Frage von dem Kollegen -, um nicht nur die Nachtflugfähigkeit, sondern auch die Nachtsichtfähigkeit herzustellen, inzwischen geschehen sind, wären wir für eine Mitteilung dankbar.

Montag, 1. Februar 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 1. Februar 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/02/2016-02-01-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2016

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