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PRESSEKONFERENZ/1346: Kanzlerin Merkel und der spanische Ministerpräsident Rajoy, 18.11.2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt - Freitag, 18. November 2016
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Kollegen Mariano Rajoy zu seinem Antrittsbesuch nach seiner Wiederwahl ganz herzlich in Berlin begrüßen. Wir haben das Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama und unseren Kollegen aus Frankreich, Italien und Großbritannien noch für den anschließenden Antrittsbesuch genutzt.

Wir haben insbesondere auch über unsere bilateralen Beziehungen und über die Situation in Spanien sehr intensiv gesprochen. Ich freue mich, dass Spanien wieder eine Regierung hat; denn Spanien ist ein wichtiger Partner, nicht nur für Deutschland, sondern auch in der Europäischen Union. Die deutsch-spanischen Beziehungen sind gut und vertrauensvoll.

Wir feiern nächstes Jahr ein Jubiläum: Vor 100 Jahren, 1917, wurde die deutsche Außenhandelskammer in Spanien eröffnet. Auch das ist sicherlich eine Gelegenheit, an unsere sehr intensiven Handelsbeziehungen zu erinnern.

Unsere Volkswirtschaften sind sehr eng miteinander verflochten. Deutschland ist Handelspartner Nummer zwei für Spanien, bei den Importen die Nummer eins. Deutschland hat mit über 1.000 Unternehmen in Spanien eine hohe Präsenz. Gerade auch in der Automobilindustrie haben wir eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten. Spanien ist immer wieder Drehscheibe für deutsche Unternehmen nach Lateinamerika. Das heißt, wir haben ein sehr großes Interesse daran, dass die Entwicklung in Spanien erfolgreich ist. Der Ministerpräsident selbst kann das gleich noch viel besser darstellen.

Wir freuen uns sehr darüber, dass nach sehr schwierigen Jahren in den letzten Jahren und gerade in diesem Jahr wieder viele neue Arbeitsplätze entstanden sind und dass das Wirtschaftswachstum wieder angesprungen ist. Es gibt sicherlich noch viele Probleme, die zu lösen sind. Aber ich glaube, man kann sagen: Spanien ist auf einem Weg, der aufwärts zeigt. Das freut uns von Herzen.

Spanien feiert in diesem Jahr noch ein Jubiläum, nämlich seine 30-jährige Zugehörigkeit zur Europäischen Union. So haben wir natürlich auch über die Kooperation innerhalb der Europäischen Union sehr klar gesprochen.

Wir wollen neben der Frage der Austrittsverhandlungen von Großbritannien vor allen Dingen einen Schwerpunkt auf die Zukunft der Europäischen Union setzen, das heißt, gerade auch die Digitale Agenda nach vorne bringen. Spanien hat auch in der innenpolitischen Arbeit die gleiche Schwerpunktsetzung. Wir haben uns darüber ausgetauscht. Spanien ist Vorreiter, was die Breitbandübertragung anbelangt. Wir wissen, dass wir das 5G-Netz ausrollen und einen digitalen Binnenmarkt schaffen müssen. Ich glaube, hier können wir sehr eng miteinander zusammenarbeiten.

Wir haben dann über Migrationsfragen gesprochen. Spanien hat sehr viel Erfahrung aus der Zeit von vor zehn oder elf Jahren, gerade auch in der Kooperation mit afrikanischen Ländern. Deshalb haben wir uns sehr intensiv darüber ausgetauscht; denn wir beide setzen darauf, dass wir Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Ländern entwickeln und alles daransetzen müssen, in Libyen möglichst schnell eine stabile Regierung zu bekommen. Über diese Fragen haben wir uns in unserem bilateralen Gespräch ausgetauscht, aber auch vorher in dem Gespräch mit den anderen Kollegen und Barack Obama, genauso natürlich wie über die Situation in Syrien und im Irak sowie über den Kampf gegen den IS. Das brauchten wir in unserem bilateralen Gespräch nicht so zu vertiefen, weil wir das vorher schon sehr breit diskutiert haben.

Wir haben ein hohes Maß an Übereinstimmung in unseren Ambitionen, in unseren Vorstellungen und eine starke Verpflichtung beider Länder, sich einzubringen, dass die wirtschaftliche Entwicklung, die Schaffung von Arbeitsplätzen, aber auch die Kontrolle im Bereich der Migration Prioritäten sind, an denen wir gemeinsam arbeiten werden.

Noch einmal herzlich willkommen und schön, dass du heute da bist!

MP Rajoy: Ihnen allen einen schönen guten Tag! Erlauben Sie mir, am Anfang erst einmal ganz herzlich Frau Bundeskanzlerin Merkel zu danken. Wir haben, wie sie gerade schon gesagt hat, bei einem Mittagessen unsere hervorragenden Beziehungen wieder aufgenommen nach einer langen Zeit, in der die spanische Regierung nicht voll funktionsfähig, nicht amtierend war. Das war ein sehr fruchtbares, ein sehr schönes Treffen, bei dem wir unsere hervorragenden Beziehungen auf den neuesten Stand gebracht haben.

Ich bin sehr froh darüber, hier in Berlin bei meiner Freundin Angela Merkel zu sein, die ich zu der Initiative beglückwünsche, dieses Treffen mit den fünf großen Partnern und Verbündeten Spaniens veranstaltet zu haben. Wir alle haben bekräftigt, wie prioritär die transatlantischen Beziehungen sind.

Wir haben heute Morgen vor allem drei wichtige Themen behandelt, nämlich den Kampf gegen den IS, die Situation in der Ukraine und, wie es die Kanzlerin schon gesagt hat, die Flüchtlings- und Migrationskrise.

Hinsichtlich Syrien haben wir unsere tiefe Besorgnis angesichts der humanitären Krise, vor allem in Aleppo, geäußert. Deswegen haben wir auf die Notwendigkeit einer dauerhaften Waffenruhe mit uneingeschränktem humanitären Zugang hingewiesen und auch darauf, die Verhandlungen für eine Lösung unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen wiederaufzunehmen.

Wir haben auch über den Irak gesprochen, über die Fortschritte bei der Offensive in Mossul. Wir müssen uns hier auf die Zeit nach dem Konflikt vorbereiten, die Stabilisierung und den späteren Wiederaufbau, der eine sichere Rückkehr auch der inneren Vertriebenen gewährleistet.

Auch Libyen war Gegenstand unserer Gespräche. Wir haben viel Übereinstimmung darin gehabt, dass es nötig ist, die Regierung der Nationalen Einheit und die Bemühungen des UN-Sonderbeauftragten zu stärken.

Unaufschiebbar ist die Frage der Ukraine. Wir haben die unrechtmäßige Annektierung der Krim erneut verurteilt, die Notwendigkeit der Einhaltung der Minsker Vereinbarung unterstrichen und betont, dass eine wirkliche Waffenruhe bestehen muss, damit Wahlen in den Gebieten Donezk und Lugansk stattfinden können.

Einige Konflikte - das wissen Sie alle - sind die Ursache der Flüchtlingskrise, die in der letzten Zeit so viele Sorgen und schlaflose Nächte bereitet hat. Die Bundeskanzlerin hat mich gebeten, zu Beginn ein kurzes Statement dazu abzugeben, eine kurze Rede zu diesem Thema zu halten. Ich habe gesagt, dass es sowohl politische als auch wirtschaftliche Ursachen für die Flucht von Menschen geben kann. Ich habe die spanischen Erfahrungen mit den Ländern in Westafrika in den vergangenen Jahren aufgezeigt.

Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir eine Einigung erzielen und Vereinbarungen mit diesen Ländern treffen können, dass wir auch legale Wege zur Einwanderung schaffen und dass wir diese Länder bei der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen unterstützen, sodass niemand mehr sein Leben aufs Spiel setzen muss, wenn er auf der Suche nach einer besseren Zukunft aus dem Land geht.

Ich möchte der Bundeskanzlerin zum Ende noch einmal herzlich danken. Wir haben in den vergangenen Jahren viel gemeinsam durchgemacht und erlebt. Wir haben uns immer, ohne jede Frage, für Europa eingesetzt. Auch haben wir immer von der großen Freundschaft Deutschlands mit Spanien profitiert.

Jetzt stehen wir wieder vor wichtigen Herausforderungen. Über einige haben wir heute Morgen gesprochen. Auch die Bundeskanzlerin hat sie erwähnt.

Wahrscheinlich hat Spanien mittlerweile das Schlimmste überstanden. Wir haben fünf Jahre lang ein negatives Wachstum gehabt und 10 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts verloren. Aber ich kann Ihnen sagen: Im nächsten Jahr werden wir diese 10 Prozent nach drei Jahren kontinuierlichen Wachstums von jeweils über 3 Prozent wettgemacht haben. Das ist der Pfad, den wir uns für die Zukunft vorstellen.

Vielen Dank, Angela, für deine Freundschaft. Die Spanier und die Deutschen sind sich wirklich freundschaftlich verbunden. Unsere beiden Regierungen werden weiterhin entschlossen daran arbeiten, um das europäische Projekt nach vorne zu bringen. Wir werden eine besondere Priorität auf die wirklichen Probleme der Bürger legen. Natürlich werden wir weiterhin für unsere Werte wie Toleranz, Solidarität und die Ideale, die Europa zu einem Bezugspunkt für Frieden und Fortschritt in der ganzen Welt gemacht haben, eintreten.

Frage: Guten Tag! Ich habe zunächst eine Frage an die Bundeskanzlerin: Sie waren ja besonders daran interessiert, dass der spanische Ministerpräsident an dem heutigen Treffen teilnimmt. Denken Sie angesichts der schwierigen Situation in Europa - man weiß ja nicht, was in Italien oder in Frankreich passieren kann -, dass Mariano Rajoy in Zukunft Ihr wichtigster Bündnispartner sein kann, zum Beispiel wenn es darum geht, die Herausforderungen im Bereich des Populismus anzugehen, der jetzt mit Trump startet?

Eine zweite Frage an den spanischen Ministerpräsidenten: Hatten Sie die Chance, mit der deutschen Bundeskanzlerin ganz konkret über die wirtschaftliche Situation in Spanien zu sprechen? Haben Sie der Kanzlerin gesagt, wann Sie Ihren Haushalt vorlegen werden und wie sie die Situation hinsichtlich der Einhaltung der Defizitziele der Europäischen Union einschätzen? Beabsichtigen Sie, die Steuern zu erhöhen, um diese Ziele zu erreichen?

BK'in Merkel: Spanien ist für Deutschland immer ein wichtiger Partner, aber ich will hier jetzt keine Hierarchieliste aufbauen; das wäre, glaube ich, nicht hilfreich. Heute waren ja auch noch andere Kollegen da, aber die Tatsache, dass Spanien heute am Tisch saß, zeigt die Wichtigkeit Spaniens bei der Diskussion internationaler Fragen. Das war heute möglich, weil Spanien wieder eine Regierung hat, weil Mariano Rajoy wieder als Ministerpräsident gewählt ist, und das erfüllt mich mit Freude.

MP Rajoy: Wir haben kurz über die wirtschaftliche Situation in Deutschland, aber natürlich auch in Spanien gesprochen. Was Spanien betrifft, habe ich der Bundeskanzlerin gesagt, dass wir, wie ich schon sagte, drei Jahre des kontinuierlichen Wirtschaftswachstums hinter uns haben und vor allem auch sehr viele Arbeitsplätze schaffen konnten. Ich habe ihr auch die großen Ziele dieser Legislaturperiode erklärt, nämlich dass wieder 20 Millionen Spanier in Arbeit kommen sollen; das wäre eine sehr wichtige und positive Nachricht, und es gibt viele Menschen, die arbeiten wollen und die das hoffentlich bald auch können, wenn wir diese 20 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Damit wären natürlich auch ein höheres Steueraufkommen, mehr Sorge für die Leute, die es brauchen, und bessere öffentliche Versorgung und Dienstleistungen verbunden.

Was den Haushalt für 2017 betrifft, so habe ich erzählt, dass wir daran arbeiten. Wir werden aber erst einmal im Kongress die Ausgabenobergrenze vorlegen, und da wird es dann auch um die Frage gehen: Was können die autonomen Gemeinschaften, wie viel Geld stehe ihnen also zur Verfügung? Später werden wir dann den Haushalt vorlegen.

Wir haben in der Sache, die Sie angesprochen haben, noch keine endgültige Entscheidung getroffen; wir müssen auch noch mit den anderen politischen Kräften sprechen. Aber natürlich werden wir in diesem Jahr das Defizitziel von 4,6 Prozent erreichen, und für das nächste Jahr ist uns ein Ziel von 3,1 Prozent gesetzt, und das wollen wir einhalten; das werden wir tun, und ich denke, wir können das auch. Wir haben das Defizit schon von 9,3 Prozent, die wir zu Beginn unserer Regierungszeit vorfanden, auf etwa 4 Prozent senken können, und es ist unsere Verpflichtung gegenüber der Europäischen Union, dass wir heute wieder wachsen - dank der Reformen und dank der Defizitreduktion, die wir erreichen konnten, tun wir das auch, und zwar mehr als jeder andere Staat in Europa - und auch mehr Arbeitsplätze schaffen.

Frage: Herr Ministerpräsident, es gibt in Deutschland Forderungen, dass man bei der europäischen Sicherheitsunion sehr viel enger zusammenarbeitet und die Weichen hin zu einer europäischen Armee stellt. Würde auch Spanien diesen Weg bis zu einer gemeinsamen Armee mitgehen?

Frau Bundeskanzlerin, können Sie sagen, ob in dem Sechsergespräch über Sanktionen Grundgesetz Russland auch im Zusammenhang mit Syrien gesprochen wurde, nicht nur im Zusammenhang mit der Ukraine?

MP Rajoy: Wir sind dafür, die Zusammenarbeit aller Länder der Europäischen Union im Bereich der Verteidigung zu verstärken. Das ist aber absolut kompatibel mit unserer Zugehörigkeit zur Nato. In der Nato sind wir ja auch haushaltspolitische Verpflichtungen eingegangen - es ist nicht allzu lange her, dass der Gipfel in Cardiff stattfand -, und wir wollen diese Verpflichtungen auch einhalten. Ich denke, die Sicherheit ist ein ganz wichtiges Bedürfnis aller Bürger Europas, und das Leben und die Rechte der Menschen in Europa zu schützen, ist das Wichtigste, was wir tun können. Deswegen wollen wir die Zusammenarbeit stärken und mit Blick auf eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik vorangehen, und gleichzeitig wollen wir natürlich auch an der Nato festhalten.

BK'in Merkel: Wir haben sehr ausführlich über Syrien gesprochen und vor allen Dingen gesagt, dass sich die humanitäre Situation in Aleppo verbessern soll.

Konkret über Sanktionen gegen Russland in dem Zusammenhang haben wir heute nicht gesprochen, wohl aber über die Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine. Hier haben der amerikanische Präsident und wir alle gesagt, dass wir zum Normandie-Format und zu einer engen Kooperation mit den Vereinigten Staaten von Amerika stehen. Wir wollen schauen, dass wir im Minsk-Prozess Fortschritte machen. Bis jetzt sind die Fortschritte allerdings unsichtbar. Das muss ich leider so sagen. Im Gegenteil, die Sicherheitssituation hat sich in den letzten Wochen nicht verbessert. Trotzdem werden wir weiterarbeiten und zum gegebenen Zeitpunkt entscheiden, wie wir weiter verfahren. Aber so, wie es im Augenblick aussieht, ist nicht genug Fortschritt im Minsk-Prozess zu sehen.

Frage: Zwei eher nationale Fragen an Ministerpräsident Rajoy:

Ich möchte wissen, ob das Problem mit dem ehemaligen Innenminister Fernández jetzt für Sie eine Schwierigkeit im Parlament darstellt und ob es auch in Zukunft in der Legislaturperiode wieder zu solchen Blockaden kommen kann.

Gestern fand die feierliche Eröffnung des Parlaments statt. Die Abgeordneten von Podemos und von nationalistischen Formationen haben dem Staatschef keinen Applaus gezollt. Ist das für Sie eine Schwierigkeit?

MP Rajoy: Zur ersten Frage: Ich bin natürlich wie jeder dafür, dass man Abkommen und Einigungen einhält. Wenn man eine Verständigung erzielt, soll man sich auch daran halten. Die Dinge sind so, wie sie sind. Ich möchte jetzt eigentlich in die Zukunft sehen und schauen, ob wir es nicht schaffen werden, viele Fragen, die jetzt wirklich dringend sind, im Parlament zu klären, zum Beispiel die Haushaltsfrage - was ich gerade gesagt habe - oder auch die Einrichtung eines Ausschusses für das Rentensystem. Dies ist ein ganz wichtiges Thema, das die Spanier heute und morgen sehr stark betreffen wird. Aber wenn man eine Einigung erzielt hat, soll man sich, denke ich, daran halten. Ich bin jetzt da, wo ich sein muss, nämlich in der Zukunft.

Was das angeht, was einige der Abgeordneten gestern getan haben oder, wie Sie sagten, nicht getan haben, so würde ich einfach darauf schauen, was die große Mehrheit der Menschen, die dort waren, getan hat, bei einer sehr wichtigen Feier, nämlich der feierlichen Eröffnung dieser Legislaturperiode, die den Spaniern wirklich zugutekommen soll. Das ist das Wichtige. Den anderen Fragen gebe ich nicht so viel Wichtigkeit. Ich denke, die meisten von uns agieren in der Regel ganz vernünftig.

Frage: Herr Ministerpräsident, jedes Land, das heute am Tisch saß, hat ja sein ganz eigenes spezifisches Problem. Die Bundeskanzlerin wird international als "Fels in der Brandburg" in Bezug auf die Verteidigung westlicher Werte bezeichnet. Inwiefern hängt für Sie die Stabilität Europas von Deutschland und von Frau Merkel ab?

Frau Bundeskanzlerin, wie sehen Sie diesbezüglich Ihre Verantwortung - kurzfristig oder langfristig?

Eine Frage an Sie beide mit Blick auf die Debatte im Rahmen des Sechser-Gipfels zu den Migrationspartnerschaften: Haben Sie konkret darüber gesprochen, wie Deutschland bei der Verteilung der Flüchtlinge entlastet werden könnte? Oder wird Deutschland nächstes Jahr wieder alleine die größte Last tragen?

MP Rajoy: Ich weiß nicht, ob ich Deutschland als "Fels" bezeichnen möchte. Aber die Stabilität ist wirklich sehr wichtig für ganz Europa. Deutschland hat in Europa das höchste BIP. Es ist das bevölkerungsstärkste Land, das Land mit dem höchsten Einkommen und der größte Exporteur. Es ist ein wichtiges Land. Deswegen ist es für mich ganz wichtig, dass die Dinge in Deutschland gut laufen. Das ist, Gott sei Dank, zurzeit auch so.

Natürlich möchte ich auch, dass es einen Kern von wichtigen Ländern gibt, wo eben alles gut läuft. Ich denke, eines der wichtigsten Probleme, die Europa in den letzten Monaten zu bewältigen hatte, war dieses Aufblühen von sogenannten politischen Kräften sui generis, die viele Probleme, viele Schwierigkeiten geschaffen und vor allem immer wieder schlechte Nachrichten für die Bürger heraufbeschworen haben. Wir hoffen, dass das in Zukunft nicht mehr so passieren wird.

Ich hoffe auf das kommende Jahr. Das wird sicherlich wahltechnisch gesehen in Europa sehr schwierig und heikel werden. Manchmal kritisiert man Europa und kritisiert die großen politischen Mächte, die den Bau Europas vorangetrieben haben, also die Konservativen, die Sozialdemokraten, die Liberalen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Europa in Bezug auf das weltweite BIP einen Anteil von 25 Prozent hat und die Region der Welt mit dem höchsten Niveau ist, was Demokratie, Freiheit und Achtung der Menschenrechte angeht. Was die Ausgaben in den Bereichen Bildung und öffentliche Gesundheit angeht, gibt es mehr Geld als überall sonst auf der Welt aus. Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Der beste Ort der Welt, was eigentlich alles anbelangt, ist der, wo wir, nämlich Sie und ich, leben.

BK'in Merkel: Ich habe gestern gesagt, dass es sehr viele Politiker und sehr viele Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa gibt, die die liberale und offene Demokratie unterstützen. Spanien tut das als Land. Spanien ist Europa gegenüber immer positiv eingestellt; das darf man für sehr viele Menschen sagen, die dort leben, aber eben auch für die Regierung und für Mariano Rajoy ganz persönlich. Deshalb sind wir in diesen Fragen Verbündete. Ein Mensch alleine kann niemals alles lösen, sondern wir sind nur gemeinsam stark. Das haben wir heute Vormittag bei dem Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten auch gezeigt. Dabei will ich das tun, was meine Aufgabe als deutsche Bundeskanzlerin ist, nämlich einerseits meinen Dienst für die Menschen in Deutschland tun. Aber das schließt für mich ein, auch für den Zusammenhalt und den Erfolg Europas zu arbeiten.

Zuruf: Haben Sie über die Verteilung der Flüchtlinge gesprochen?

BK'in Merkel: Nein. Das war nicht der Tisch, an dem wir über die Verteilung von Flüchtlingen sprechen konnten. Wir haben mit dem amerikanischen Präsidenten über die außenpolitischen Herausforderungen gesprochen, über die Migrationspartnerschaften, die Frage der Regierung in Libyen, über die Frage, was man tun kann, um die Einheitsregierung zu stärken, wie man den Westen und den Osten Libyens zusammenbringen kann, welche Rolle Ägypten dabei spielt und welche Rolle andere Staaten - zum Beispiel die Golfstaaten - dabei spielen. Die innere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas war nicht das Thema, das wir mit dem amerikanischen Präsidenten besprechen, sondern das müssen wir untereinander besprechen.

MP Rajoy: Ich wollte noch sagen, dass ich die Bundeskanzlerin für das erste Quartal des kommenden Jahres zu einem bilateralen Treffen nach Spanien eingeladen habe.

Freitag, 18. November 2016

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem spanischen
Ministerpräsidenten Mariano Rajoy am 18.11.2016 in Berlin
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/11/2016-11-18-pk-merkel-ryjoy.html;jsessionid=1CDD546D29F26161C256D5BB5CA1C80C.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2016

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