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PRESSEKONFERENZ/1377: Regierungspressekonferenz vom 16. Januar 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 16. Januar 2017
Regierungspressekonferenz vom 16. Januar 2017

Themen: Flugzeugabsturz in Kirgisistan, Antrittsbesuch des italienischen Ministerpräsidenten, deutsch-italienische Wirtschaftskonferenz, Hinrichtung von drei Menschen in Bahrain, Interviewäußerungen von Donald Trump, Aufarbeitung der Hintergründe des Attentats auf dem Breitscheidplatz, Polizeieinsatz in der Silvesternacht in Köln, Vorwürfe hinsichtlich einer Manipulation der Abgasreinigung von Lastkraftwagen, Forderung von Bundesminister Dobrindt nach einem Rückruf von Fiat-Fahrzeugen, Forderung des bayerischen Finanzministers nach Steuerentlastungen für mittlere und niedrige Einkommen, Interviewäußerungen des Vorsitzenden der polnischen Partei PiS

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Baron (BMWi), Flosdorff (BMVg), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Dimroth (BMI), Baer-Henney (BMJV), Hille (BMVI)


Vorsitzender Szent-Ivanyi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Ich möchte Ihnen zunächst sagen, dass die Bundesregierung mit großer Bestürzung von dem Flugzeugabsturz in Kirgisistan erfahren hat. Dieses Unglück erhält ja dadurch besondere Tragik, dass der Absturz über bewohntem Gebiet erfolgt ist und auch unter den dortigen Bewohnern, vor allem auch den Kindern, viele Opfer zu beklagen sind. Das Beileid der Bundesregierung gilt den Familien und den Angehörigen der Todesopfer. Wir wünschen den Verletzten rasche Genesung.

Ich wollte Sie dann auf einen Termin in dieser Woche hinweisen, und zwar am Mittwoch. An diesem Mittwoch wird die Bundeskanzlerin den italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni zu seinem Antrittsbesuch hier in Berlin begrüßen, und zwar um 12 Uhr mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt. Es folgt ein Arbeitsmittagessen, und dem wiederum folgt dann gegen 13.15 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung.

Anschließend werden beide in das Bundeswirtschaftsministeriums fahren, wo die deutsch-italienische Wirtschaftskonferenz stattfinden wird. Dessen diesjähriges Motto ist "Potenziale des digitalen Wandels für Unternehmen nutzen - in unsere Zukunft investieren". Die Bundeskanzlerin wie auch Ministerpräsident Gentiloni werden dort eine Rede halten. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird selbstverständlich teilnehmen, ebenso sein italienischer Amtskollege Carlo Calenda.

Schäfer: Nun hat auch die Regierung in Bahrain offiziell bestätigt, dass es zur Hinrichtung von drei Menschen in Bahrain gekommen ist, die wegen eines Anschlags auf Polizisten im März 2014 zum Tode verurteilt worden waren. Seit 2010 war die Todesstrafe in Bahrain nicht mehr vollstreckt worden.

Ich möchte dazu für die Bundesregierung klar sagen: Die Todesstrafe ist eine unmenschliche Form der Bestrafung, die wir unter allen Umständen ablehnen. Deutschland setzt sich gemeinsam mit seinen Partnern in der EU und darüber hinaus für die Abschaffung und die Ächtung der Todesstrafe ein, und zwar weltweit.

Beunruhigend sind im konkreten Fall in Bahrain auch Berichte über mögliche Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren der Verurteilten. Die Bundesregierung ersucht Seine Majestät Hamad bin Isa Al Khalifa dringend, von weiteren Hinrichtungen abzusehen und die Menschenrechte in Bahrain zu schützen.

Frage : Herr Schäfer, mich würde schon interessieren, in welcher Form Sie bei den Bahrainern denn jetzt gegen dieses Vorgehen protestiert haben. Ist der Botschafter einbestellt worden, oder wie muss ich mir das vorstellen?

Schäfer: Nein, die Nachricht vom Wochenende ist so frisch, dass jetzt alle notwendigen und aus unserer Sicht für angemessen gehaltenen Gespräche und Maßnahmen geführt und ergriffen werden. Dazu habe ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nichts zu sagen. Aber Sie können sich denken, wenn hier so etwas für die Bundesregierung gesagt wird, dass es auch in den direkten Kontakten mit unseren Partnern in Bahrain dazu entsprechende Aussagen geben wird.

Frage: Herr Seibert, ich habe angenommen, sie hätten aktiv etwas zu Herrn Trump und der "Bild"-Zeitung zu sagen, aber insofern frage ich Sie jetzt passiv: Hat die Bundesregierung oder haben Sie etwas Neues aus dem Interview erfahren, oder hat das Ihr Urteil, das bisher schon gefallen war, nur bestätigt? Betrachtet die Bundesregierung beziehungsweise die Kanzlerin die USA unter einem Präsidenten Trump noch als uneingeschränkte Führungsmacht des Westens, oder übernimmt diese Rolle jetzt Angela Merkel?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat dieses Interview mit Interesse gelesen. Der gewählte Präsident hat darin noch einmal deutlich seine Sicht dargelegt. Die Position der Bundeskanzlerin - etwa zur Flüchtlingspolitik, zur Europäischen Union, zur transatlantischen Partnerschaft - ist ebenfalls bekannt. Nun warten wir, wie es sich gehört, die Amtseinführung des Präsidenten Trump ab, und werden dann mit der neuen Regierung eng zusammenarbeiten.

Zusatzfrage: Neues war also nicht dabei, schlussfolgere ich daraus.

Zum Zweiten: Es steht noch die Antwort auf die Frage aus, ob Sie, also die Bundesregierung, sich vorstellen können, dass dieser Herr Trump noch die Führungsmacht des Westens ist oder ob sich Frau Merkel darauf vorbereitet, diese Rolle jetzt zu übernehmen.

StS Seibert: Über das hinaus, was ich gesagt habe, möchte ich mich zu diesem Interview nicht äußern und habe auch keine Veranlassung dazu. Über den Gedanken, die Bundeskanzlerin sei nun die Führungsperson des Westens, der ja schon vor einiger Zeit geäußert wurde, hat sie selbst einmal gesagt, dass das absurd sei.

Frage : Ich würde gerne im Speziellen wissen, wie sich die Bundesregierung denn zu den Drohungen oder Äußerungen des Herrn Trump im Hinblick auf deutsche Automobilhersteller verhält, die ja auch Aufschlüsse über seine Position zum Handel insgesamt geben. Muss sich die Bundesregierung jetzt möglicherweise schon auf irgendwelche Gegenreaktionen vorbereiten beziehungsweise was wäre als Gegenreaktion nötig?

Vom Wirtschaftsministerium hätte ich ganz gerne einfach nur Folgendes gewusst: Kann ein Land einfach so mir nichts, dir nichts Importzölle verfügen, wie es gerade will, oder gibt es da irgendwelche Eingrenzungen in WTO-Regeln oder anderen Regeln?

StS Seibert: Ich muss das wiederholen: Ich werde jetzt nicht Einzelaspekte des Interviews aufgreifen. Ich habe mich grundsätzlich dazu geäußert. Die Positionen der Bundesregierung zu einer Vielzahl von Themen, die auch in dem Interview angesprochen werden, sind bekannt. Wir warten nun ab, bis die neue Regierung und der neue Präsident im Amt sein werden, und werden dann eine enge Zusammenarbeit mit ihnen anstreben.

Baron: Ich kann nicht viel ergänzen. Zunächst einmal kann ich mich den Ausführungen von Herrn Seibert nur anschließen. Der Bundeswirtschaftsminister hat sich heute geäußert. Er hat sich auf eine konkrete Frage hin geäußert; das ist ja inzwischen auch alles verfügbar und abrufbar. Aber natürlich hat er auch noch einmal deutlich gemacht, dass jetzt abzuwarten ist und dass es nichts bringt, zu spekulieren oder aufgeregt zu agieren. Vielmehr ist jetzt eben abzuwarten, dass die Regierung vereidigt ist und dann ein Regierungsprogramm vorliegt, das wir dann selbstverständlich auch prüfen werden. Generell ist es so, dass wir selbstverständlich gute und starke Wirtschaftsbeziehungen zu den USA haben und dass dies natürlich auch in Zukunft so bleiben soll.

Hinsichtlich der Frage nach der WTO gilt ganz generell: Deutschland und Europa sind offene Volkswirtschaften, und entsprechend treten wir auch dafür ein, dass auch andere Staaten offene Märkte und Volkswirtschaften sind. Ganz generell gelten für alle Schutzinstrumente - auch die handelspolitischen Schutzinstrumente - die Vorgaben der WTO. Die gelten für alle WTO-Mitglieder. Das sind eben die Maßstäbe der Nichtdiskriminierung, der Wettbewerbsgleichheit und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.

Frage: Ich wollte an dieser Stelle noch einmal nachhaken: Falls die USA, wie Trump angekündigt hat, Strafzölle einführten, was wäre die Reaktion aus Deutschland?

Baron: Wie gesagt: Darüber brauchen wir jetzt erst einmal nicht zu spekulieren. Es gibt derzeit keine dieser Zölle, sondern das sind Ankündigungen. Wir warten jetzt das Regierungsprogramm ab, und wenn es vorliegen wird, dann werden wir es genau prüfen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium. Donald Trump hat die Nato in dem Interview ja als obsolet bezeichnet, weil sie sich nicht um den Terrorismus gekümmert habe und viele Mitgliedstaaten auch nicht entsprechende Beiträge zahlten. Kann die Verteidigungsministerin diese Einschätzung nachvollziehen?

Herr Schäfer, Trump hat die Europäische Union ja auch als Mittel zum Zweck für Deutschland bezeichnet und prognostiziert, dass weitere Staaten austreten würden. Teilt der Außenminister diese Einschätzung?

Flosdorff: Um einmal den Anfang zu machen: Die Nato ist ein Bündnis, dessen Bedeutung in den vergangenen Jahren eher noch einmal gewachsen ist. Es hat ja auch in Warschau Beschlüsse gefasst, die in die Richtung zeigen, dass sich die Nato gegen den IS engagiert. Deutsche Soldaten sind daran ja auch im Rahmen von AWACS-Flügen beteiligt.

Um es noch einmal grundsätzlich zu sagen: Die Nato ist ein Bündnis aus 28 Staaten. Für Deutschland stand bereits vor der Wahl fest, dass wir uns im Bündnis stärker engagieren müssen. Deutschland hat wie 27 andere Staaten auch auf dem Gipfel von Warschau das Zwei-Prozent-Ziel bestätigt und bekräftigt, und damit ist auch klar, dass wir dieses Ziel schrittweise erreichen möchten. Das ist allerdings nicht nur eine Verpflichtung gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern das ist eine Verpflichtung, die wir auch gegenüber allen anderen Nato-Bündnispartnern haben. Deswegen unternimmt Deutschland auch Anstrengungen in diese Richtung. Deutschland steht zu seinen Verpflichtungen und zu seiner Verantwortung innerhalb der Nato.

In den letzten Jahren gab es da verstärkte Maßnahmen. Ich erinnere nur einmal daran, dass Deutschland zweimal die VJTF mit Norwegen und mit den Niederlanden übernommen hat, dass wir eine Führungsrolle in Litauen im Rahmen von "Enhanced Forward Presence" innehaben, dass Deutschland "Air Policing" im Baltikum durchführt, dass Deutschland das Multinationales Korps Nordost maßgeblich mitbestimmt oder halt im Mittelmeer mit den AWACS-Flugzeugen im Einsatz ist.

Deutschland ist auch zu seinen Nato-Verpflichtungen gestanden, als das bisher erste und einzige Mal der Bündnisfall ausgerufen wurde. Das geschah auf Bitten der Vereinigten Staaten nach 9/11. Auch da hat sich Deutschland im Bündnis verhalten und wird es auch weiterhin tun. Die Nato hat ihre hohe Bedeutung für Europa, für Deutschland und für unser aller Sicherheit.

Schäfer: Ich kann das vielleicht ergänzen, wenn Sie mir einen Satz zum Thema der Nato erlauben, weil Herr Steinmeier heute bei seinem voraussichtlich letzten Außenministerrat in Brüssel ist, gerade jetzt mit seinen noch 27 Amtskollegen zusammensitzt und dann auch sicherlich im Lichte der Äußerungen von Donald Trump über Europa mit seinen Kollegen sprechen wird. Aber zuvor hat er heute Morgen ein langes Gespräch mit dem Generalsekretär der Nato geführt. Er hat danach ja auch die Öffentlichkeit bei seinem Doorstep vor dem Außenrat wissen lassen, dass die Äußerungen von Herrn Trump in Brüssel für "Verwunderung und Aufregung" gesorgt haben. Für den Außenminister gilt genau das, was Herr Flosdorff gerade für die Verteidigungsministerin gesagt hat: Jedenfalls aus seiner Sicht ist die Nato nicht obsolet.

Auch was Ihre Frage zu Europa angeht, gilt für den Außenminister und, wie ich sicher bin, darüber hinaus auch für die Bundesregierung: Europa ist nie nur Mittel zum Zweck für irgendetwas gewesen, sondern Europa ist für uns eine Schicksalsgemeinschaft, die vielleicht in Zeiten wie heute, in denen Ordnungen zerfallen, wichtiger denn je ist. Wir wollen und wir müssen angesichts der Gefahren für unsere Ordnung, für unsere Stabilität, für unsere Freiheit, für unseren Wohlstand zusammenstehen, angesichts von Gefahren, die von innen wie auch von außen auf uns eindringen. Das ist eindeutig das Bekenntnis des deutschen Außenministers.

Frage : Das schließt daran an und hat noch einmal mit der Nato und der Äußerung zu tun, die Nato sei obsolet. Wenn der amerikanische Präsident das behauptet, Herr Flosdorff und Herr Schäfer, dann verändert das ja schlagartig die Sicherheitslage, weil es Zweifel an der Beistandsverpflichtung der USA gibt. Die Sicherheitslage ist ja zum Großteil auch von dem nuklearen Schutzschirm der Amerikaner abhängig. Gibt es, wenn Trump das wirklich infrage stellt, Überlegungen innerhalb der Bundesregierung beziehungsweise in Europa hinsichtlich einer eigenen nuklearen Aufrüstung?

Schäfer: Ich kenne solche Pläne nicht.

Im Übrigen glaube ich, dass es jetzt auch wenig Sinn macht - und ich will mich da ausdrücklich dem anschließen, was Herr Seibert gesagt hat -, jede Bemerkung in diesem Interview oder anderswo - per Twitter oder so - so auf die Goldwaage zu legen, dass wir dem sozusagen immer hinterherlaufen und sofort reagieren. Woran wir uns halten, sind diese, aber eben auch andere Äußerungen. Das Bild, das dabei entsteht, ist - vorsichtig gesprochen - widersprüchlich. Kandidaten für wichtige Ämter in der Außen- und Sicherheitspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika - der designierte Verteidigungsminister und auch der designierte Außenminister - haben über die Nato und auch über Europa völlig andere - ja geradezu konträre - Dinge gesagt als das, was wir heute in einem Interview nachlesen, und die haben das im amerikanischen Senat und unter Eid getan.

Das sind Dinge, an denen wir uns orientieren, aber wir haben an dieser Stelle nicht zum ersten Mal über diese Frage gesprochen und gesagt: Welches Bild von einer kohärenten amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik entstehen wird, ist uns jedenfalls noch nicht so ganz klar. Deshalb werden wir die in sich nicht kohärenten und in sich widersprüchlichen Äußerungen, die wir jenseits des Atlantiks vernehmen, jetzt sauber analysieren, und wir werden schauen, was nach dem Freitag, nach der tatsächlichen Amtsübernahme, dann tatsächlich die amerikanische Politik sein wird. Das jetzt alles schon als Fakt hinzustellen, ist etwas verfrüht.

Frage : Herr Schäfer, Sie sagten, Herr Steinmeier habe über eine Verwunderung und Aufregung in der Nato nach diesem "Bild"-Interview gesprochen. Was folgt denn daraus, welche Schritte will der Außenminister jetzt unternehmen oder welche Folgen sieht er für die Nato?

Schäfer: Daraus folgt zunächst einmal, dass diese Reaktion so ist, wie er sie heute Morgen in Gesprächen mit dem Generalsekretär der Nato wahrgenommen hat. Dann gilt das, was ich gerade eben gesagt habe: Jetzt werden wir uns einmal daran orientieren, was tatsächlich amerikanische Politik - amerikanische Außen- und amerikanische Sicherheitspolitik - ist, auch mit Blick auf die Nato. Am Freitag findet die Übernahme der Amtsgeschäfte durch Donald Trump und seine Administration statt. Ich bin mir sicher, dass die dann neuen Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika uns dann in Brüssel bei der Nato und sicherlich auch gegenüber der Europäischen Union sagen werden, was tatsächlich die Position der Vereinigten Staaten von Amerika ist. Bislang gibt es auch angesichts von öffentlichen Äußerungen, glaube ich, keinen konkreten Anlass, hier und heute Änderungen vorzunehmen. Wir warten jetzt vielmehr mit Ruhe und auch der notwendigen Geduld ab, was da passieren wird.

Frage: Herr Schäfer, Trump hat in dem Interview den Iran-Vertrag als, ich glaube, einen der dümmsten, die es überhaupt je gegeben hat, bezeichnet. Wie hoch ist das Risiko, dass dieses fragile Vertragswerk in sich zusammenbricht? Was wären die Konsequenzen, wenn es tatsächlich von den USA aufgekündigt wird? Geht das überhaupt? Wie ist Deutschland darauf vorbereitet?

Schäfer: Es ist interessant, dass Sie diese Frage heute stellen, denn heute ist der Jahrestag des Inkrafttretens des Abkommens mit den Iranern, das am 14. und am 15. Juli 2015 unterzeichnet worden war. Das ist also genau heute vor einem Jahr, am 16. Januar 2016, in Kraft getreten.

Ich möchte gar nicht auf das, was Donald Trump dazu im Wahlkampf und vielleicht auch jetzt in diesem Interview gesagt hat, eingehen. Ich möchte eigentlich nur sagen, dass aus Sicht der Bundesregierung die Vereinbarungen, die mit dem Iran getroffen worden sind, greifen, dass sie funktionieren, dass sich beide Seiten - auf der einen Seite die E3+3 und damit die gesamte internationale Staatengemeinschaft, auf der anderen Seite aber auch der Iran - an die Vereinbarungen gehalten haben.

Ich möchte den amerikanischen Noch-Außenminister John Kerry zitieren, der damals am Rande der Unterzeichnungszeremonie in Wien gesagt hat: Es ist uns gelungen, einen Krieg zu vermeiden - einen Krieg um das iranische Nuklearprogramm. Die Vereinbarungen, die getroffen worden sind, um sicherzustellen, dass der Iran auf absehbare Zeit eben sein nukleares Bewaffnungsprogramm nicht fortsetzen kann, sprechen für sich. Sie werden von der iranischen Seite eingehalten. Schon das ist aus Sicht der Bundesregierung ein Mehr an Sicherheit in einer total in Aufruhr geratenen Region. Gerade in den letzten Tagen und Wochen hat es immer wieder auf Arbeitsebene Treffen der einschlägigen Arbeitsgruppen gegeben, die von den Vereinbarungen von 2015 geschaffen worden sind. Auch da entsteht das Bild einer Situation, in der sich beide Seiten an die Vereinbarungen halten. Wir würden uns wünschen, wenn das auch in Zukunft weiter so wäre.

Ansonsten gilt das, was ich bereits vorher gesagt habe: Ich glaube, wir müssen jetzt einmal abwarten, was tatsächlich nach dem 20. Januar passiert.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, es sei mit dem Abkommen gelungen, einen Krieg zu vermeiden.

Schäfer: Ich habe gesagt, dass John Kerry das gesagt hat.

Zusatzfrage: Ja, ja, Sie haben ihn zitiert - zustimmend natürlich. Das bedeutet doch im Umkehrschluss: Wenn dieses Abkommen außer Kraft gesetzt wird oder aufgekündigt wird, dann steigt damit wieder die Kriegs- oder Konfliktgefahr. Sehe ich das richtig?

Schäfer: Ich glaube, nach den mathematischen Gesetzmäßigkeiten der Logik bedeutet es das nicht. Politisch mag man das so sehen, aber das ist jetzt wirklich absolute, reine Spekulation. Während wir hier miteinander sprechen, gelten die Vereinbarungen. Sie wirken auch; das habe ich gerade zu schildern versucht. Wir haben jedes Interesse daran, darauf hinzuarbeiten, dass diese Vereinbarungen, die aus unserer Sicht die richtigen sind, auch weiter in Kraft bleiben. Seien Sie versichert, dass wir diesen Geschichtspunkt - wie auch andere der Punkte, über die wir jetzt miteinander sprechen - in der geeigneten Weise jetzt bereits mit der neuen Administration, die jetzt ins Amt kommt, aufgenommen haben und das auch weiter tun werden - und zwar auf all den Ebenen und auf den Gesprächskanälen, die uns dafür zur Verfügung stehen.

Frage: Herr Seibert, gleich am Anfang des "Bild"-Interviews stellt Donald Trump indirekt einen Zusammenhang zwischen Merkels Flüchtlingspolitik und dem Berliner Anschlag her. Erstens: Nehmen Sie das auch so wahr, Herr Seibert?

Zweitens: Welche Gefahr geht davon aus Ihrer Sicht davon aus, wenn der künftige US-Präsident so einen Zusammenhang herstellt?

StS Seibert: Ich fürchte, ich werde dem, was ich zu diesem Interview schon gesagt habe, jetzt nichts Weiteres hinzufügen. Die Bundeskanzlerin hat es mit Interesse gelesen. Es ist eine deutlich Darlegung der Positionen des neuen amerikanischen Präsidenten. Aber die Positionen der Bundeskanzlerin zu vielen dieser Themen sind ja ebenso klar bekannt.

Frage : Herr Seibert, auch wenn Sie sich selber dazu eigentlich nicht einlassen wollen, haben sich ja doch diverse andere Ministerien und Minister eingelassen. Kann ich davon ausgehen, dass die Bundeskanzlerin die Ansichten beziehungsweise Überlegungen der Ministerien und Minister bezüglich EU und Nato teilt?

StS Seibert: Sie können davon ausgehen, dass ich hier für die Bundeskanzlerin spreche.

Zusatz : Das war aber nicht die Frage.

StS Seibert: Sie kennen die Politik dieser Bundesregierung beispielsweise zur Nato, Sie kennen die Europapolitik dieser Bundesregierung, Sie kennen die Flüchtlingspolitik dieser Bundesregierung. Ein Interview ist doch jetzt kein Anlass, das alles hier noch einmal auszubuchstabieren. Deswegen bitte ich Sie, Ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. Ich werde dieses Interview nun nicht weiter diskutieren oder kommentieren.

Frage : Herr Staatssekretär, mit welchen Erkenntnissen über die künftige Administration und den neuen Präsidenten ist denn Herr Heusgen von seiner jüngsten Expedition nach Washington zurückgekehrt?

StS Seibert: Diese Erkenntnisse und Eindrücke hat er mit der Bundeskanzlerin und anderen Mitgliedern der Bundesregierung geteilt.

Frage: Herr Seibert, betrachtet die Bundeskanzlerin es nach abgeschlossener Lektüre der zwei Seiten in der "Bild"-Zeitung als Fortschritt, dass Herr Trump nicht mehr seinen Vorwurf aufgegriffen hat, die Kanzlerin sei geisteskrank?

Zweite Frage: Hat die Bundeskanzlerin Veranlassung, möglichst rasch persönlich mit Herrn Trump zu sprechen, oder genügt es, die offizielle diplomatische internationale Terminreihenfolge abzuarbeiten, sodass man sich schon irgendwann einmal im großen Rahmen über den Weg laufen wird - sprich, in Hamburg beim G20-Gipfel?

StS Seibert: Was ein Treffen oder eine Begegnung betrifft, kann ich Ihnen hier keine Planungen verkünden. Wir werden aber natürlich wie immer rechtzeitig informieren.

Darüber hinaus, fürchte ich, habe ich mich in meinen Aussagen zu dem Interview jetzt nicht zu wiederholen. Mehr habe ich Ihnen dazu heute nicht zu sagen.

Zusatzfrage: Ich werde jetzt nicht weiter nach der Geisteskrankheit fragen, aber mich würde interessieren: Hat die Bundeskanzlerin ein Interesse daran, möglichst früh mit Herrn Trump eins zu eins zusammenzutreffen? Wenn Sie sagen, dass sie das Interview gelesen habe und Sie nicht mehr dazu sagen, dann können wir uns die Veranstaltung hier doch sparen. Das bezieht sich jetzt auch nicht auf das Interview, sondern auf ganz normales Regierungshandeln. Hat die Bundeskanzlerin ein Interesse daran, möglichst bald mit Herrn Trump direkt zusammenzutreffen?

StS Seibert: Die Bundesregierung insgesamt - und natürlich auch die Bundeskanzlerin - hat ein Interesse an einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit auch mit der neuen amerikanischen Regierung, so wie es der deutsch-amerikanischen und der transatlantischen Partnerschaft entspricht. Als Bundeskanzlerin und auch als G20-Präsidentin dieses Jahres hat die Bundeskanzlerin mit dem neuen Präsidenten natürlich einiges zu besprechen. Wann das geschehen wird, darüber werde ich hier nicht mutmaßen.

Zusatzfrage: Aber in jedem Fall vor dem Juli-Termin in Hamburg?

StS Seibert: Ich habe hier keine Zeitplanungen zu verkünden.

Frage : Würde die Bundesregierung es eigentlich begrüßen, wenn die EU-Kommission - zum Beispiel die Handelskommissarin - nach diesem Interview und den Aussagen zur Weltwirtschaft und zur Handelspolitik das Gespräch mit Trump sucht, um das zu klären, was da an Drohungen ausgestoßen worden ist?

Frau von Tiesenhausen, als Frau May seinerzeit ankündigte, Großbritannien wolle die niedrigsten Unternehmenssteuern in der G20 haben, hat ihr Minister mit einer Warnung vor einem Steuerdumpingwettbewerb reagiert. Nachdem der US-Präsident diese Steuersenkungs-Karte nun auch immer intensiver spielt und wiederholt - auch in dem "Bild"-Interview -: Sind wir inzwischen quasi schon an der Tür zu diesem von Ihnen befürchteten Steuerdumpingwettbewerb, und wie verhält sich die Bundesregierung dazu?

StS Seibert: Ich kann zu Ihrer Frage nur sagen, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass auch die Institutionen der Europäischen Union nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten und seiner Regierung mit diesen eine enge Zusammenarbeit aufnehmen werden.

von Tiesenhausen-Cave: Auf Ihre Frage nach einem Steuerdumping jetzt kann ich Ihnen auch nur das sagen, was die Kollegen hier auch schon betonen: Im Moment haben wir es mit Ankündigungen in Interviews zu tun und nicht mit konkreter Politik. Sie kennen unsere Haltung zum Thema Steuerwettbewerb: Wir sind natürlich gegen ein "race to the bottom". Jeder Wettbewerb braucht einen Ordnungsrahmen; darüber besteht ja auch grundsätzlich Einigkeit in der Europäischen Union und auch in anderen internationalen Gremien, in denen die beiden Länder, die Sie jetzt gerade angesprochen haben, auch Mitglied sind. Ich erinnere an die G20: Da gibt es im Bereich Steuern ja bekannte Vereinbarungen im sogenannten BEPS-Prozess; das sind die Regeln, die man sich gegeben hat, um gegen Steuervermeidung großer internationaler Konzerne vorzugehen. Diese Prinzipien gelten natürlich weiterhin und sind auch für uns maßgeblich. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass in einer globalisierten Welt Regeln bestehen, wie man die Wirtschaft gestaltet, und daran ändern jetzt auch Interviews nichts.

Zusatzfrage : Nur zur Klärung: Ich dachte immer, in der G20 würden eigentlich keine verbindlichen Beschlüsse gefasst, sondern das ist ein informelles Gremium. Von daher kann es sich doch nur um Grundsätze handeln, die aber letztendlich in ihrer Bindungswirkung begrenzt sind?

von Tiesenhausen-Cave: In der G20 gibt es Vereinbarungen, die auch einen bindenden Charakter haben, und es gibt Zusagen von Regierungen, Unterschriften zu Prozessen; das ist im Steuerbereich alles schon recht weit gediehen und sehr ausführlich. Für die Bundesregierung ist das ein wichtiger Bestandteil, der ja auch in der nun von uns angetretenen G20-Präsidentschaft weiter eine große Rolle spielen wird.

Frage: Herr Seibert, was ist nach dem Interview mit Donald Trump Ihre Einschätzung bezüglich des Freihandelsabkommens TTIP? Es gab ja Ihrerseits immer noch die Hoffnung, dass man das eventuell wieder aufgreifen könnte. Hat sich an dieser Einschätzung etwas geändert?

StS Seibert: Aus Sicht der Bundesregierung hat sich nichts daran geändert, dass TTIP ein sehr wichtiges transatlantisches Projekt wäre und dass es im europäischen wie im deutschen Interesse - nach unserer Überzeugung auch im amerikanischen Interesse - wäre, die Verhandlungen dazu wieder aufzunehmen. Ob das geschieht, kann ich hier verständlicherweise nicht sagen. Wir werden abwarten müssen, wie sich die neue amerikanische Regierung dazu ganz offiziell verhält.

Frage: Herr Schäfer, wäre die Schaffung von Sicherheitszonen in Syrien nicht möglicherweise tatsächlich die bessere Alternative zu der ungesteuerten Masseneinwanderung gewesen, wie Donald Trump das im Interview erläutert hat? Wurde das wirklich geprüft, und warum wurde es gegebenenfalls verworfen?

Schäfer: Über das Thema Syrien und den Umgang mit Syrien ist in den letzten Jahren hier an dieser Stelle schon so häufig gefragt und geantwortet worden. Ich habe alleine sicherlich ein Dutzend Male zu dem Thema Flugverbotszone für die Bundesregierung Stellung genommen. Was jetzt genau eine Sicherheitszone sein soll, von der in dem Interview, über das wir jetzt sprechen, die Rede ist, entzieht sich jetzt meiner Kenntnis; das müsste man, glaube ich, ein bisschen erklären. Da ich das nicht weiß, ist es auch schwer, zu bewerten, was das eigentlich gewesen wäre. Im Übrigen ist das letztlich natürlich vergossene Milch, denn die Situation ist jetzt so, wie sie ist. Natürlich ist es legitim, dass jeder - wer auch immer - jetzt sagt, was man hätte besser machen können. Ich glaube, da haben auch Mitglieder der Bundesregierung - auch der Außenminister - ihre eigene Meinung; nur hilft das nichts. Wir müssen die Lage so nehmen, wie sie jetzt ist, und versuchen, aus dieser Lage das Beste zu machen, indem wir jetzt alle gemeinsam dafür sorgen, dass in Astana unter der Ägide der Vereinten Nationen ein politischer Prozess in Gang kommt, der den einigermaßen haltenden Waffenstillstand zur Grundlage hat und jetzt tatsächlich zu einer politischen Lösung für Syrien führt, die Gewalt, Morden und Brutalität zu einem Ende kommen lässt.

Vielleicht noch ein Wort zur Flugverbotszone - aber wie gesagt, das habe ich schon häufig gesagt -: Die Haltung der Bundesregierung zu einer Flugverbotszone - ausdrücklich nicht einer Sicherheitszone - war immer: Zu dem, was an militärischer Kraft investiert werden muss, um eine solche Flugverbotszone zu sichern, waren letztlich alle internationalen Partner in den letzten Jahren nie bereit, und deshalb ist es dazu auch nicht gekommen.

Frage: Noch eine Frage zur EU, Herr Schäfer: Trump hat in dem Interview auch erkennen lassen, dass ihm die EU wohl in allererster Linie als wirtschaftlicher Konkurrent zu den USA vorkommen, weswegen er über eine Erosion nicht undankbar wäre. Er geht davon aus, dass dem Brexit weitere ähnliche Manöver folgen werden. Was bewirken solche Äußerungen im Kreis der EU? Stärken sie die Kohäsion, also die Zusammenhaltskräfte, befeuern sie eher Fliehkräfte, oder sowohl als auch?

Schäfer: Die Ereignisse des vergangenen Jahres, insbesondere die Entscheidung des britischen Volkes, aus der Europäischen Union austreten zu wollen, haben natürlich uns alle hier in Berlin und auch in anderen europäischen Hauptstädten in Sorge versetzt. Die Aktivitäten, die seitdem von der Bundesregierung, von den europäischen Institutionen und von unseren 26 Partnern entfaltet worden sind - allen voran diejenigen der Bundeskanzlerin -, zielen dar auf ab, Europa zu stärken, Europa zusammenzuhalten und Europa für die Zukunft fit zu machen. Ein Interview ändert an diesen Vorstellungen und politischen Zielen überhaupt nichts.

Die Außenminister sind jetzt gerade in dem schönen neuen Ratsgebäude in Brüssel zusammengekommen, um auch über diese Frage, nämlich den Zusammenhalt Europas in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, zu sprechen. Ich glaube, jedenfalls der Außenminister braucht nicht Interviewäußerungen, um sein Bekenntnis zu - was habe ich eben gesagt? - Europa als Schicksalsgemeinschaft zu bekräftigen. Das hat er auch vorher schon ganz klar gehabt, und angesichts der Herausforderungen von innen und von außen, vor denen wir stehen, gilt das mehr denn je.

Vielleicht noch ein Satz: Der Binnenmarkt von - jetzt jedenfalls, wenn wir die Briten noch dazurechnen - über 500 Millionen wohlhabenden und kaufkräftigen Konsumenten ist eine große Stärke Europas, und dass die europäischen Gemeinschaften von Beginn an die Handelspolitik als ein strategisches gemeinsames Interesse verstanden haben - gemeinsam ist man stärker -, ist, wenn Sie so wollen, eines der besten Beispiele für den Erfolg der Zusammenarbeit Europas; denn es ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können, dass wir mit dem Binnenmarkt Europas den stärksten, größten, ja, man kann sagen, mächtigsten gemeinsamen Markt haben, den es auf diesem Erdball gibt.

Frage : An das Bundesinnenministerium: Was betrachten Sie denn als das bessere Instrument, um den ganzen Komplex des Berlin-Attentäters Amri und seine Hintergründe auszuleuchten: einen Untersuchungsausschuss oder einen Sonderermittler? Anders herum gefragt: Ist es für Sie eigentlich von der Effizienz her eine Option, jetzt beides einzurichten, um diesen Prozess - vielleicht phasenverschoben - qualitativ bis in die letzte Ecke auszuleuchten?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. - Es ist ja zunächst einmal so, dass der Innenminister gemeinsam mit dem Justizminister unter Einbindung der Sicherheitsbehörden des Bundes, des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, des Generalbundesanwaltes unter Beteiligung jedenfalls der hauptbetroffenen Länder Nordrhein-Westfalen und Berlin eine Chronologie zum Behördenhandeln im Fall Amri erarbeitet hat und diese jetzt auch Grundlage für die weitere anstehende Aufklärungsarbeit sein wird.

Der Bundesinnenminister selbst hat sich gestern, wie Sie vielleicht zur Kenntnis genommen haben, zu dem im Parlament diskutierten Vorschlag zur Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geäußert. Selbstverständlich ist das ein Instrument, das originär und abschließend dem Parlament zur Verfügung steht, um sein berechtigtes Aufklärungsinteresse geltend zu machen. Insofern bitte ich um Verständnis, dass ich hier regierungsseitig nicht weiter dazu Stellung nehme, ob ich ein solches Instrument für geboten halte oder nicht. Das ist abschließend in der Hoheit des Deutschen Bundestages zu entscheiden. Der Bundesinnenminister hat gestern für den Fall, dass es zu einem solchen Entschluss kommen sollte, sehr deutlich seine Mitarbeit und seine volle Transparenz angekündigt und sich sehr offen gegenüber der Einrichtung eines solchen Gremiums gezeigt, das wir dann gegebenenfalls mit aller Kraft und aller Transparenz unterstützen würden.

Insofern ist es - da bitte ich um Verständnis - jetzt nicht an uns, dem Bundestag, der sich in dieser Woche in verschiedenen Ausschüssen auch mit diesem Thema befassen wird, vorzugreifen. Dass die Regierung und insbesondere das Bundesinnenministerium, sollte es zu einem solchen Beschluss kommen, umfassend, transparent und effektiv mitarbeiten würde, ist jedenfalls mal klar.

Zusatzfrage : Ist Ihr Minister auch sehr offen gegenüber einem möglichen Sonderermittler, der an der Aufklärung mitwirken könnte?

Dimroth: Wie gesagt, muss man jetzt vielleicht erst einmal abwarten. Zunächst einmal ist es, wie gesagt, so, dass diese Chronologie erstellt wurde. Die wird jetzt sicherlich auch Gegenstand der parlamentarischen Aufarbeitung des Falls sein, die ja erst in dieser Woche mit ganzer Kraft beginnen kann, nachdem das Parlament in den letzten Wochen in der Parlamentspause war. Dann wird man sich sicherlich im Lichte dessen, wie das Parlament hier weiter vorzugehen gedenkt, auch dieser Frage zuwenden. Noch einmal: Regierungsseitig haben wir zunächst einmal die Erstellung dieser Chronologie durch die hauptbetroffenen Behörden beauftragt. Diese Chronologie liegt jetzt vor und wurde heute auch dem Parlament zur Verfügung gestellt.

Ich bin guter Dinge, dass wir jetzt im gemeinsamen Gespräch rasch auch Klarheit darüber erhalten werden, wie wir hier weiter vorgehen. Jedenfalls teilen wir uneingeschränkt das Interesse des Parlaments, die Fragestellungen und die Dinge, die möglicherweise auch nach Lektüre einer solchen Chronologie noch als aufklärungsbedürftig anzusehen sind, rasch und vollständig aufzuklären. Da ist das Instrument möglicherweise erst einmal nachrangig; vorrangig ist jedenfalls das Ziel der rückstandslosen Aufklärung.

Frage : Herr Dimroth, nachdem Sie uns gerade schon gesagt haben, was Sie uns alles nicht sagen können, weil das Parlament erst informiert werden muss respektive es sich vielleicht auch um Belange des Parlaments handelt, möchte ich einfach ganz offen fragen: Was können Sie uns denn von sich aus Neues zum Fall Amri mitteilen?

Dimroth: Neues zum Fall Amri kann ich Ihnen hier aktiv nicht mitteilen. Ich kann Ihnen aber mitteilen, dass wir planen, diese Chronologie, wenn sie dem Parlament zur Verfügung gestellt wird, auch zu veröffentlichen, um dann auch Ihnen und der Öffentlichkeit insgesamt Gelegenheit zu geben, sich das anzuschauen, um dann gegebenenfalls auch eigene Schlüsse daraus zu ziehen. Ich denke, ein Mehr an Transparenz kann ich Ihnen hier jetzt nicht bieten, und vorgreifen kann ich dem tatsächlich nicht - auch nicht mit einzelnen Details. Ich kann Ihnen aber ankündigen, dass das so geplant ist und dann auch geschehen wird.

Zusatzfrage : Wann etwa?

Dimroth: Ich gehe davon aus, dass das noch heute im Laufe des Tages geschieht.

Frage: Herr Dimroth, Herr Jäger hatte ja gesagt, alle Möglichkeiten des Rechtsstaats seien ausgeschöpft worden. Teilt der Minister nach allem, was bisher bekannt wurde, diese Einschätzung, oder wurde nicht alles Mögliche getan, um Herrn Amri zu fassen?

Dimroth: Ich hatte gerade ausgeführt, dass jetzt eine Chronologie vorliegt, die dann veröffentlicht wird. Das heißt, Sie werden dann alle Gelegenheit haben, sich eine Meinung auch zu der von Ihnen aufgeworfenen These zu bilden. Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt für den Bundesinnenminister nicht kommentiere, was für ein Bild sich einzelne Landesminister oder möglicherweise sonstige Dritte gemacht haben. Es entspricht auch sonst nicht dem üblichen Vorgehen, dass ich hier sozusagen von Berliner Seite aus das kommentiere, was Landesinnenminister zu diesem Fall gesagt haben.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir ein Interesse daran haben, in diesem Fall möglichst transparent zu kommunizieren, und deswegen unter Zuarbeit, unter Beteiligung vor allem der beiden hauptbetroffenen Bundesländer - darunter Nordrhein-Westfalen - eine Chronologie erstellt haben. Diese Chronologie ist jetzt dem Parlament zur Verfügung gestellt worden, damit dort auch entschieden werden kann, ob und inwieweit weiteres Aufklärungsinteresse gesehen wird und in welcher Form das abgearbeitet wird. Wir haben unsererseits unsere volle Mitarbeit versprochen und angekündigt. Ich denke, der nächste Schritt ist, dass sich im Parlament der Meinungsbildungsprozess weiter fortentwickelt, sodass dann auch Klarheit darüber besteht, welches Instrument genutzt wird, um diese gemeinsam in den Blick genommene vollständige Aufklärung dann auch zu betreiben.

Zusatzfrage: An das Justizministerium: Herr Maas hatte ja in der vergangenen Woche schon gesagt, dass es Behördenversagen gegeben habe. Können Sie uns mitteilen, was er konkret und genau gemeint hat? Das kam nämlich nicht so genau raus.

Baer-Henney: Mein Kollege hat sich dazu am Freitag schon geäußert. Dem habe ich jetzt auch nichts hinzuzufügen. Ich bitte auch noch einmal darum - unter Verweis auf das, was Herr Dimroth gerade auch gesagt hat -, dass jetzt vielleicht erst einmal die Chronologie abgewartet wird und Sie sich das dann erst einmal anschauen.

Zusatzfrage: Das verstehe ich nicht ganz. Der Minister wusste - und sagte das letzte Woche -, dass es Behördenversagen gegeben hat. Warum können Sie nicht ausführen, was er meint?

Baer-Henney: Ich habe dem, was ich gerade gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Schauen Sie sich die Chronologie an. Wie gesagt, mein Kollege hat sich dazu am Freitag schon ausführlich geäußert; auch das können Sie im Protokoll nachlesen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

Frage: Herr Dimroth, ist es dem Bundesinnenminister schon gelungen, sich einen vollständigen Überblick über die mögliche Verquickung des Herrn Amri in die V-Leute-Szene zu verschaffen?

Dimroth: Das ist jetzt in dieser Formulierung natürlich eine Frage, die etwas schwierig zu beantworten ist. Ich kann Ihnen hier jedenfalls sehr deutlich beantworten, dass Herr Amri weder V-Mann des Bundeskriminalamtes noch des Bundesamts für Verfassungsschutz war - und zwar zu keinem Zeitpunkt - noch dass eine der beiden genannten Institutionen jemals versucht hätte, ihn als solchen anzuwerben. Wenn das Ihre Frage umfasst, dann hat sich der Bundesinnenminister darüber sehr rasch ein eigenes Bild verschafft, das dem entspricht, was ich Ihnen hier gerade mitgeteilt habe.

Ob und inwieweit das sozusagen in Absolutheit für dritte Stellen gilt, kann ich Ihnen - da bitte ich um Verständnis - auch sonst nicht mitteilen; denn für dritte Stellen, beispielsweise Bundesländer oder Ähnliches, spricht grundsätzlich nicht der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Ich kann Ihnen sagen, dass sich der Minister sehr rasch ein Bild über unseren Zuständigkeitsbereich gemacht hat, und dieses Bild entspricht eins zu eins dem, was ich Ihnen gerade mitgeteilt habe.

Zusatzfrage: Ich hatte mir meine Frage schon überlegt. Um es zu präzisieren: Ich wollte wissen - ohne dass Sie mit eine inhaltliche Auskunft erteilen -, ob sich der Bundesinnenminister schon erfolgreich daran gemacht hat, zu erfahren, in welcher Form Herr Amri in die landespolitische V-Leute-Szenerie verquickt war. Mir genügt ein Ja oder ein Nein.

Dimroth: Selbstverständlich dürfen Sie davon ausgehen, dass das Bundesministerium des Innern mit Hochdruck - und zwar nicht erst seit gestern - dabei ist, diesen Sachverhalt in all seinen Facetten aufzuklären, und dazu gehören selbstverständlich auch von Ihnen angesprochene Frageteile. Es bleibt aber dabei, dass selbstverständlich wir darüber nicht Auskunft geben können; denn ich habe beispielsweise keine Einsicht in die Akten von Stellen, die nicht im Geschäftsbereich des BMI sind. Das ist ja sozusagen eine Selbstverständlichkeit. Genauso eine Selbstverständlichkeit ist es aber auch, dass alle in Rede stehenden Fragestellungen unsere Aufmerksamkeit haben und wir versuchen, diesen nachzugehen und das - auch für uns selbst - so weit wie möglich aufzuklären.

Frage: Mich interessiert der Polizeieinsatz in der Kölner Silvesternacht. Wir haben ja inzwischen alle gelernt, dass dort - anders als zunächst vermutet - nur sehr wenige Nordafrikaner festgestellt wurden. Sie haben damals erklärt, das werde das BMI hinsichtlich der Bundespolizei alles sehr genau untersuchen, und haben auch Berichte bestätigt, wonach Hunderte von aggressiven Leuten unterwegs zum Hauptbahnhof Köln gewesen seien. Der erste Teil meiner Frage ist: Hat es nach Ihren Recherchen diese großen Gruppen nicht gegeben oder hat es sie gegeben?

Zweitens, wenn es sie nicht gegeben haben sollte: Müsste man dann nicht ehrlicherweise sagen, dass das, was am Kölner Hauptbahnhof von der Landespolizei gemacht wurde, "ethnic profiling" war, nämlich dass man Leute eben nicht aufgrund eines bestimmten Verhaltens oder eines Verdachts, sondern aufgrund ihres Aussehens abfängt?

Dimroth: Was die rechtliche Beurteilung dessen anbetrifft, was in der Verantwortung der Polizei von Nordrhein-Westfalen vonstattengegangen ist, bitte ich um Verständnis, auch wenn ich Sie immer wieder damit langweilen muss: Ich kann da leider nur auf die föderale Grundordnung hinweisen. Dafür kann ich nicht sprechen, weil das im Verantwortungsbereich des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen liegt und nicht einen Einsatz im Zuständigkeitsbereich des BMI betrifft.

Zur anderen Frage: Das war ja im Prinzip nicht mehr offen, sondern das, was ich hier vorgetragen habe, war ja die Berichtslage dessen, was die Bundespolizei erlebt hat, und das war tatsächlich, dass in Zügen auf dem Weg nach Köln eben größere Gruppen von Menschen waren, die durch ihr Verhalten eine gewisse Grundaggressivität zum Ausdruck gebracht haben. Das war auch nichts, das aus unserer Sicht noch aufklärungsbedürftig war.

Offen war die Frage, ob man sich im Bereich der Bundespolizei - das war ja zunächst einmal sozusagen der Grundtenor, der Vorwurf im Rahmen der Bundespressekonferenz am 2. Januar, wenn ich mich richtig erinnere - möglicherweise dem Vorwurf des sogenannten "racial profiling" oder "ethnic profiling" ausgesetzt sieht. Das habe ich hier zurückgewiesen, und auch die weitere Berichterstattung hat keinen Anlass gegeben, von dieser Bewertung abzurücken.

Zusatzfrage: Dann muss ich aber noch einmal nachfragen: Wo sind denn jetzt diese hunderte von aggressiven Menschen geblieben? Am Kölner Hauptbahnhof wurden sie nämlich offenbar nicht abgefangen.

Dimroth: Gegebenenfalls müsste ich das noch einmal erfragen, wenn Sie jetzt genau wissen wollen, wann wer in welcher Form und an welcher Stelle aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei in den Zuständigkeitsbereich der Landespolizei übergeben worden ist; das nehme ich gerne noch einmal mit.

Ganz grundsätzlich ist es so, dass die Bundespolizei aus der Silvesternacht berichtet hat - das ist nach wie vor gültig -, dass sie eben bei der Zufahrt nach Köln - ob das jetzt den Hauptbahnhof oder möglicherweise auch Vorortbahnhöfe betrifft, weiß ich nicht - diese Gruppen entdeckt hat, sie dann auch zu einem guten Teil begleitet hat und dass dann ja eine Übergabe in die Zuständigkeitsbereiche der Landespolizei erfolgt ist. Was dort erfolgt ist und was dann möglicherweise dort auch an Kommunikation in Sachen Herkunftsländer geschehen ist, habe ich sozusagen auch in der Zeitung mitgelesen. Aber noch einmal: Jedenfalls dieser Teil der Geschichte spielt sich nicht im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei ab.

Aber wenn Sie diese Frage stellen, können wir vielleicht im Nachgang noch einmal miteinander sprechen, damit ich auch wirklich verstehe, was ihr Punkt ist und ob es da möglicherweise einen Widerspruch hinsichtlich der Kommunikation dessen gibt, was die Nordrhein-Westfalen jetzt sagen. Dann bin ich gerne bereit, das noch einmal mit Ihnen aufzuarbeiten.

Frage: Ich habe eine Frage in Bezug auf den Abgasskandal an das Bundesverkehrsministerium. Es geht diesmal nicht um VW, sondern um Lastkraftwagen. Deutsche Speditionsverbände äußern den Verdacht, dass rund 20 Prozent der Lkw auf deutschen Straßen - vor allem von Spediteuren aus Osteuropa - die Abgasreinigung manipulieren und die Zuführung von AdBlue abschalten. Ist das dem Bundesverkehrsministerium bekannt? Was unternimmt es dagegen?

Hille: Zu diesem Sachverhalt kann ich Ihnen hier und heute nicht viel Erhellendes sagen. Wir haben davon auch einmal gelesen, aber uns liegen dazu keine Erkenntnisse vor, die Ihnen irgendwie weiterhelfen könnten.

Zusatzfrage: Gar nichts? Der Verband sagt das nämlich eigentlich ziemlich deutlich, und zwar schon seit längerer Zeit.

Hille: Ich habe Ihnen gerade gesagt, was ich zu dem Thema zu sagen habe, und mehr kann ich im Moment von dieser Stelle aus nicht sagen. Ich nehme das aber mit und höre bei uns im Haus nach. Gegebenenfalls werden Sie etwas von uns bekommen.

Frage: Meine Frage betrifft einige Zitate von Bundesminister Dobrindt in der "BamS"; ich lese das kurz vor: "Die [Kommission] muss konsequenterweise dafür sorgen, dass für die Fiat-Fahrzeuge ein Rückruf organisiert wird." Meine Frage zu diesem Fall: Wann genau hat das Ministerium die EU-Kommission in diesem Fall eingeschaltet? In Bezug auf welches Modell wird der Rückruf gefordert? Wird das Ministerium oder das KBA irgendwelche Maßnahmen ergreifen, falls sich Fiat und die italienischen Behörden weigern, zu kooperieren?

Hille: Ich glaube, es ist ganz hilfreich, wenn ich Ihnen für die Antwort noch einmal schlaglichtartig kurz den gesamten Ablauf skizziere. Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat Minister Dobrindt direkt und unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Abgasmanipulationen bei VW im Herbst 2015 eine Untersuchungskommission eingesetzt. Die Untersuchungskommission hat bis Mai gearbeitet. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat umfangreiche Untersuchungen durchgeführt und dabei auch mehrere Fahrzeuge des Konzerns Fiat Chrysler getestet. Ein zweifelloses Ergebnis der Fachleute war, dass bei diesen Fahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen verwendet werden. Die Untersuchungskommission hätte das auch gerne mit Fiat besprochen. Fiat hat sich der Zusammenarbeit mit der Untersuchungskommission allerdings verweigert.

Ende August hat unser Haus dann dem italienischen Verkehrsministerium unsere Erkenntnisse mitgeteilt und ebenfalls die EU-Kommission konsultiert, die in solchen Fällen nämlich diejenige ist, die aktiv werden muss. Wir haben dann im Oktober noch einmal gegenüber der EU-Kommission in einem Schreiben an Frau Bie´nkowska nachgelegt. Die EU ist dann auch aktiv geworden und hat ein sogenanntes Mediationsverfahren in Gang gesetzt. Die erste Sitzung dazu hat am 4. November stattgefunden. Dabei hat die EU-Kommission eigene Untersuchungsergebnisse präsentiert, die die Untersuchungsergebnisse der deutschen Behörden bestätigen. Sie hat die italienischen Behörden zur Stellungnahme aufgefordert. Die nächste Sitzung dieses Mediationsverfahrens war für Ende Januar beziehungsweise Anfang Februar geplant. Die ist nun von italienischer Seite abgesagt worden. Das heißt, bis heute liegt von italienischer Seite keine Stellungnahme zu unseren Untersuchungsergebnissen und zu den Untersuchungsergebnissen der EU-Kommission vor.

Deshalb hat sich der Minister - Sie haben das auszugsweise zitiert - so geäußert, wie er es getan hat. Das Zitat ist allerdings noch länger, und das würde ich Ihnen für das Protokoll noch einmal komplett mit auf den Weg geben. Minister Dobrindt hat gesagt: "Die italienischen Behörden wissen seit mehreren Monaten von uns, dass Fiat nach Auffassung unserer Fachleute illegale Abschalteinrichtungen verwendet. Fiat hat sich bisher verweigert, an der Aufklärung mitzuwirken. Wir haben die EU-Kommission eingeschaltet. Diese muss konsequenterweise dafür sorgen, dass für die Fiat-Fahrzeuge ein Rückruf organisiert wird." Ich denke, damit sollten all Ihre Fragen beantwortet sein.

Zusatzfrage: Sie haben nicht gesagt, ob Sie sagen können, über welche Modelle zu sprechen ist, und ob weitere Maßnahmen von deutscher Seite unternommen werden könnten, falls sich die italienischen Behörden weiterhin weigern, zu kooperieren.

Hille: Alle Ergebnisse der Untersuchungskommission können Sie sowieso im Untersuchungsbericht der Untersuchungskommission nachlesen; der ist auf unserer Homepage verfügbar. Getestet worden sind die Fahrzeuge Fiat 500, Fiat Doblo und Jeep Renegade.

Adressat der Aussage des Ministers ist, wie Sie ja selbst verlesen haben, die EU-Kommission. Die EU-Kommission ist gefordert, gegenüber Italien die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und dafür zu sorgen, dass ein Rückruf organisiert wird, weil in solchen Fällen eben die EU-Kommission diejenige ist, die aktiv werden muss.

Zusatzfrage: Im "Spiegel" wird ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums damit zitiert, dass hinsichtlich dieses Falls im Bundesministerium Frust darüber herrsche, dass es keine Kooperation der italienischen Behörden gebe. Würden Sie das auch öffentlich irgendwie bestätigen?

Hille: Ich habe Ihnen ja gerade den zeitlichen Ablauf skizziert. Wenn nach mehreren Monaten keine Reaktion erfolgt und immer noch keine Stellungnahme vorliegt - nicht nur nicht auf unser Nachfragen hin, sondern auch nicht auf Anforderung der EU-Kommission -, dann macht einen das nicht glücklich.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Der bayerische Finanzminister Söder hat ja gefordert, die Bundesregierung möge noch vor der Wahl ein Steuerpaket verabschieden, das Steuerentlastungen für mittlere und niedrige Einkommen sowie Maßnahmen gegen Steuerdumping in Europa enthält. Gibt es dazu aus dem Bereich des Finanzministeriums beziehungsweise von Herrn Schäuble eine Meinung?

von Tiesenhausen-Cave: Ja, ich habe das auch gelesen. Das stand ja auch schon letzte Woche im Raum. Sie kennen unsere Haltung dazu. Diese Debatte ist ja auch durch den Überschuss des Haushalts 2016 entstanden, der letzte Woche bekannt gegeben wurde. Sie kennen unsere Haltung: Mit einem einmaligen Überschuss kann man nicht dauerhaft Steuersenkungen finanzieren; das ist nicht seriös. Im Übrigen besteht innerhalb der Spitzen von CDU und CSU ja auch Einigkeit darüber, dass dieses Geld in die Tilgung fließen soll. Es gibt diesen Vorschlag an den Deutschen Bundestag. Sollte es für die Änderung des Haushaltsgesetzes, die ja jetzt nötig wäre, um das umzusetzen, keine Mehrheit im Parlament geben, dann würde sozusagen als Rückfalloption der Status quo wieder gelten, und der Status quo im Haushaltsgesetz ist ja, dass Überschüsse in die Rücklage zu Bewältigung der Kosten für Asyl und Flüchtlinge eingezahlt werden. Das sind die beiden Optionen, die es gibt. Eine dritte gibt es nicht.

Frage: Herr Seibert, plant die Bundeskanzlerin demnächst eine Reise nach Warschau, um sich dort mit Herrn Kaczy´nski zu treffen, dem Chef der Regierungspartei, obwohl er keine staatlichen Funktionen innehat?

StS Seibert: Wie Sie wissen, geben wir öffentliche Termine und Reisen der Bundeskanzlerin jeweils am Freitag der Vorwoche bekannt, und so würden wir es auch in einem solchen Fall halten.

Zusatzfrage: Herr Kaczy´nski, der offenbar von diesem Besuch als einem Faktum ausgeht, sagte heute in einem Rundfunkinterview, Deutschland müsse sich entscheiden, ob es Polen kritisiere - "attackiere", wie er sich ausgedrückt hat - oder ob es gute Beziehungen zu Polen pflegen wolle. Teilen Sie die Meinung, dass Deutschland Polen übermäßig hart kritisiert? Schließt das eine das andere aus?

StS Seibert: Das Wichtigste für uns ist, dass wir dieses sehr gute und enge deutsch-polnische Verhältnis, das sich in den letzten Jahren herausgebildet hat und das nach unserer gemeinsamen Geschichte sicherlich keine Selbstverständlichkeit ist, bewahren und es nicht nur bewahren, sondern es am besten auch noch ausbauen. Das ist sozusagen die Überschrift über unserer Polen-Politik.

Gleichzeitig sind wir, Deutschland wie Polen, Mitglieder der Europäischen Union. Die Europäische Union ist eine Rechte-, eine Wertegemeinschaft; daran ist gelegentlich zu erinnern. Auch die Europäische Kommission hat ja einen Prozess des Dialogs mit der polnischen Regierung begonnen. Auch die Venedig-Kommission ist da im Einsatz. Wir haben hier auch in der jüngsten Vergangenheit gesagt, dass die Bundesregierung die Vorgänge im polnischen Parlament durchaus aufmerksam und auch mit Sorge zur Kenntnis genommen hat. Sie hat aber eben auch die Ankündigung der polnischen Regierung zur Kenntnis genommen, dass die bisherigen Regelungen zum Zugang für Medien im Sejm weiterhin gelten und nicht eingeschränkt werden sollen. Das entspricht natürlich genau unserer Überzeugung von der Pressefreiheit als einem zentralen demokratischen Wert. Die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge führt Gespräche mit der polnischen Regierung, wo es nötig sein mag. Unser Ansatz ist der, die Freundschaft zum polnischen Volk und die gute Nachbarschaft, die wir haben, zu bewahren und auszubauen.

Zusatzfrage: In dem Interview verglich Kaczynski die Berichte der deutschen Medien über Polen mit der Zeit der Weimarer Republik, in der, wie ich zitiere, "Polen unglaublich hart angegriffen wurde". Er macht die Bundeskanzlerin für diese Situation mitverantwortlich. Teilen Sie diese Meinung? Wäre Frau Merkel bereit, mit Kaczynski über die Polen-Berichterstattung deutscher Medien zu sprechen?

StS Seibert: Wir haben diese Pressekonferenz mit einem Interview begonnen, über das ich mich nicht sehr ausführlich geäußert habe, und ich glaube, wir beenden sie mit nicht sehr ausführlichen Äußerungen meinerseits zu einem anderen Interview. Ich wiederhole noch einmal: Die Fortsetzung der engen und erfolgreichen deutsch-polnischen Zusammenarbeit ist für die Bundesregierung ein Ziel von hoher Bedeutung. Das bedeutet natürlich auch einen engen Dialog mit der polnischen Regierung. Dazu gehört, dass wir miteinander reden, nicht übereinander. Wann immer wir mit der polnischen Seite agieren, ist uns natürlich die schmerzhafte Geschichte beider Länder sehr bekannt. Uns ist auch bekannt, dass wir Teil des europäischen Werteraums sind und dass die Pressefreiheit sowie die Freiheit der Berichterstattung ein wichtiger Teil dieser europäischen Werte sind.

Montag, 16. Januar 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 16. Januar 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/01/2017-01-16-regpk.html;jsessionid=8E322666AB15B63B82BFDAEE58F7BDC0.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2017

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