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PRESSEKONFERENZ/1428: Regierungspressekonferenz vom 29. März 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 29. März 2017
Regierungspressekonferenz vom 29. März 2017

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters, Zweiter Engagementbericht, Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Hightech-Strategie), umgehende Verhaftung und Ausweisung von deutschen Staatsangehörigen kurdischer Herkunft nach Einreise in die Türkei, Entzug des Passes durch türkische Botschaften und Konsulate in der Bundesrepublik Deutschland, Fall des in der Türkei festgehaltenen deutschen Soziologen kurdischer Herkunft Sharo Garip, Fall Deniz Yücels und weiterer fünf in der Türkei inhaftierter Personen mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit, Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen in New York, Diskussion über einen möglichen Boykott der Fußball-WM in Russland, Reise eines linken Kreistagsabgeordneten und anderer deutscher Staatsangehörige ohne Einreiseerlaubnis auf die Krim, Brexit, Konferenz "Entwicklung Sicherheit und Frieden" in Afrika, Medienberichte über die Tätigkeit des türkischen Nachrichtendienstes MIT in Deutschland, Stopp der geplanten Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange, Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten, Maßnahmen gegen Steuerumgehungspraktiken, Ausfuhr von Brennelementen an das belgische Kernkraftwerk Tihange 2

Sprecher: SRS'in Demmer, Schäfer (AA), Dimroth (BMI), Alemany (BMWi), Weißgerber (BMF), Fichtner (BMUB)


Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Demmer: Herzlich willkommen. Das Kabinett hat heute dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters zugestimmt. Die Bundesregierung will mit der Einführung dieses Registers Korruption und Wirtschaftskriminalität eindämmen. Unternehmen, denen schwere Rechtsverstöße zur Last fallen, dürfen nicht von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen profitieren. Bislang ist es für die Vergabestellen schwer, potenzielle Auftragnehmer auf solche Verstöße hin zu überprüfen und gegebenenfalls vom Vergabeverfahren auszuschließen. Im Wettbewerbsregister sollen künftig bundesweit alle Unternehmen erfasst werden, denen bestimmte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten rechtskräftig zuzurechnen sind. Vor Erteilung des Zuschlags sind öffentliche Auftraggeber dann ab Erreichen bestimmter Wertgrenzen dazu verpflichtet, elektronisch abzufragen, ob das Bewerberunternehmen in die Datenbank eingetragen ist.

Als weiterer Punkt stand der Zweite Engagementbericht auf der Tagesordnung. Er setzt sich zusammen aus dem Bericht einer Sachverständigenkommission und der Stellungnahme der Bundesregierung hierzu. Schwerpunkt des Berichts ist das Thema "Demografischer Wandel und bürgerschaftliches Engagement: Der Beitrag des Engagements zur lokalen Entwicklung".

Der Sachverständigenbericht arbeitet die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements für eine moderne Gesellschaft heraus. Danach ist das bürgerschaftliche Engagement unerlässlich für individuelle Teilhabe, gesellschaftliche Integration, Wohlstand, kulturelles Leben sowie stabile demokratische Strukturen und damit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt. In seinem Schwerpunktteil nimmt der Bericht den demografischen Wandel in den Blick mit all den Herausforderungen, die er für die Kommunen mit sich bringt. Vor diesem Hintergrund wird der Frage nachgegangen, wie bürgerschaftliches Engagement zur Stärkung des Zusammenlebens vor Ort beitragen kann und was notwendig ist, damit sich die in der Bevölkerung bestehende Bereitschaft für ein solches Engagement überhaupt besser entfalten kann. Die Sachverständigenkommission hat Vorschläge und Empfehlungen hierfür entwickelt, die sich an alle Akteure im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements richten.

In ihrer Stellungnahme geht die Bundesregierung auf die zentralen an die Bundesebene gerichteten Vorschläge und Empfehlungen ein. Eine ganze Reihe der Kommissionsempfehlungen werden schon heute in Projekten und Programmen der Bundesregierung realisiert. Die Stellungnahme bietet daher einen umfassenden Überblick über die politischen Maßnahmen, die von den Bundesministerien in verschiedenen Politikfeldern gefördert werden.

Dann gab es heute den Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Hightech-Strategie Fortschritt durch Forschung und Innovation. Damit zieht die Bundesregierung über das Erreichte Bilanz und antwortet gleichzeitig auf das Jahresgutachten 2017 der Expertenkommission Forschung und Innovation. Seit 2006 wurde die Hightech-Strategie als Forschungs- und Innovationsstrategie für Deutschland gleich über drei Wahlperioden weiterentwickelt. Damit gelang es der Bundesregierung, eine kohärente und verlässliche Forschungs- und Innovationspolitik zu etablieren.

Die Strategie bündelt forschungs- und innovationspolitische Aktivitäten. Sie spricht alle am Innovationsgeschehen beteiligten Akteure in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft an und setzt dafür auch gemeinsame Ziele. Die Hightech-Strategie hat in den vergangenen zehn Jahren maßgeblich dazu beigetragen, die Position Deutschlands im globalen Wettbewerb zu verbessern und ein Umfeld zu schaffen, das die Umsetzung von Ideen in marktfähige Produkte und Dienstleistungen befördert. Gemeinsam mit der Wirtschaft konnte so 2015 das europaweit für 2020 angestrebte Drei-Prozent-Ziel in Deutschland erstmals erreicht werden: Drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt fließen in Forschung und Entwicklung. Über 600 Menschen arbeiten bei uns in der Forschung. Kleine und mittlere Unternehmen steigern ihre Forschungsausgaben erheblich. Deutschland gehört seit einigen Jahren zur Gruppe der Innovationsführer. Sechs der zehn innovativsten Unternehmen Europas kommen aus Deutschland.

Vors. Welty: Ich möchte vorschlagen, Fragen an das Auswärtige Amt vorzuziehen, bevor wir auf das Kabinett eingehen. Herrn Schäfers Zeitbudget ist heute wegen der Ereignisse in Brüssel und London begrenzt.

Frage: Herr Schäfer, ich habe zwei Fragen zum Komplex Türkei. Dem ZDF liegen Informationen vor, nach denen etliche Kurden, die in die Türkei reisen wollen, nur um Familienbesuche zu machen, die also gar nicht aus politischen Gründen in die Türkei wollen und dann eigentlich auch wieder zurück wollen, sofort in Haft genommen und am nächsten Tag nach Deutschland zurückgeschickt werden mit der Begründung, sie seien eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

Kennen Sie diese Fälle? Wie beurteilen Sie das? Können Sie etwas dagegen tun?

Die zweite Frage: Dem ZDF sind außerdem Fälle von Gülen-Anhängern bekannt, die in deutschen türkischen Konsulaten aus ihrer Staatsbürgerschaft entlassen werden wollen, denen das aber nicht gelingt. Stattdessen wird ihnen der Pass entzogen. Das passiert wohl auch in immer mehr Fällen.

Dazu dieselben Fragen: Kennen Sie das? Können Sie das beurteilen?

Schäfer: Ich darf zu Ihrer ersten Frage vielleicht eine Rückfrage stellen. Sie sprechen von Kurden. Sie meinen wahrscheinlich deutsche Staatsangehörige, oder?

Zusatz: Richtig.

Schäfer: Uns sind einige solcher Fälle bekannt. Wir haben dieses Thema auch schon mit der türkischen Seite aufgenommen und werden das weiter tun. Solche Dinge sind in der aktuell aufgeheizten Situation und angesichts der vielen Streitfragen, die es zwischen Deutschland und der Türkei gibt, natürlich schwierig zu besprechen. Das ändert nichts daran, dass diese deutschen Staatsangehörigen selbstverständlich einen Anspruch darauf haben, dass sie von uns konsularisch und auch diplomatisch und damit politisch unterstützt werden. Wir haben das Thema auf dem Schirm und kümmern uns darum - ohne dass ich hier und jetzt zusagen könnte, dass wir dafür eine Lösung finden.

Das Problem haben wir in einem anderen Kontext - im Übrigen nicht nur mit der Türkei - natürlich ganz grundsätzlich und irgendwie immer. Wenn ein deutscher Staatsangehöriger in ein anderes Land reist, dann akzeptiert er damit, dass er sich in das Hoheitsgebiet dieses Landes begibt. Wenn ihm dort strafrechtliche Vorwürfe gemacht werden, die vorher nicht bekannt sind, dann muss er mit Folgen rechnen, die er vorher nicht ohne Weiteres einschätzen kann und die auch wir als Regierung, die sich um deutsche Staatsangehörige kümmert, nicht wirklich vorher einschätzen können. Wir haben also ein grundsätzliches Problem. Aber hier haben wir in der Tat eine Massierung von Fällen. Ich denke, uns im Auswärtigen Amt sind jedenfalls mehrere Dutzend bekannt, um die wir uns selbstverständlich kümmern wollen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Mir liegen zum jetzigen Zeitpunkt - - - Ich schaue hinüber zu Johannes Dimroth. Ich weiß nicht, ob ihm Informationen über so etwas vorliegen. Das wäre mir neu. Das heißt aber nicht, dass es das nicht gibt oder dass es im Auswärtigen Amt nicht bekannt ist. Ich müsste mich dazu schlicht schlau machen. Ich bin dazu nicht sprechfähig.

Zusatz: Herr Dimroth schüttelt den Kopf.

Dimroth: Das haben Sie richtig gedeutet. Ich habe auch keine Sachverhaltskenntnis zu den von Ihnen angesprochenen Informationen.

Frage: Herr Schäfer, zu den vielen Fällen gehört auch Sharo Garip - der Name ist Ihnen vermutlich gut bekannt -, ein deutscher Soziologe, ursprünglich, meine ich, aus Bielefeld, der 2013 in die Türkei einreiste, um dort an einer Universität zu arbeiten. 2016 hat er einen Friedensaufruf unterzeichnet. Das Ergebnis war, dass er erstens seinen Job verlor und zweitens seit einem Jahr nicht aus der Türkei ausreisen darf - ein deutscher Staatsangehöriger. Er selber bedauert, dass auch seitens der Bundesregierung offenbar nichts getan werden kann, um ihn herauszubekommen. Wie ist da der Sachstand?

Schäfer: Da ist es ganz genauso. In einer Atmosphäre zwischen Ankara und Berlin, in der es bedauerlicherweise hoch hergeht und in der viele Sensibilitäten, Empfindlichkeiten und Verletzungen erfolgt sind, ist es extrem schwierig, solche Fälle zu besprechen. Das ändert überhaupt nichts daran, dass uns der Fall natürlich bekannt ist - er ist ja öffentlich bekannt - und dass wir alles tun, was wir können, auch ohne dass der Betroffene oder die Öffentlichkeit das vielleicht erfahren, um eine gute Lösung hinzubekommen. Dass es auf Dauer nicht vernünftig, schon gar nicht verhältnismäßig ist und auch nicht angehen kann, dass jemand, der einen deutschen Pass - in diesem Falle nur einen deutschen Pass - hat, auf Dauer seiner Möglichkeit beraubt wird, seinen Aufenthalt zu bestimmen, ist ganz offensichtlich. Uns ist das persönliche Schicksal einschließlich des Arbeitsplatzverlustes, wie Sie es beschrieben haben, durchaus bekannt.

Da gilt wie bei vielen anderen Einzelfällen, die wir zurzeit haben: Natürlich kümmern wir uns darum, und natürlich bemühen wir uns darum, vernünftige Lösungen zu finden. Der Schlüssel - leider ist und bleibt das so - liegt bei dem Land, in dem diese Geschehnisse vorkommen. Das ist die Türkei, und das ist in diesem Fall die türkische Justiz.

Frage: Gibt es etwas Neues im Fall Deniz Yücels und der anderen fünf deutsch-türkischen Inhaftierten, Herr Schäfer? Wenn nein, warum nicht?

Schäfer: Sie können jetzt, im Grunde genommen, das abspielen, was Sie vorgestern schon aufgenommen haben. Es gibt auch jetzt, zwei Tage nach Ihrer letzten Frage, nichts Neues. Das ist noch ärgerlicher geworden, als es vorgestern schon war. Auch da gilt mindestens genauso wie für den Fall, den der Kollege angesprochen hat: Das haben wir ganz hoch auf der Agenda. Das werden wir auch nicht vergessen. Das wird weiterhin ein ganz wichtiger Punkt in den deutsch-türkischen Beziehungen sein.

Das ist auch allen Beteiligten in Ankara bewusst. Trotzdem bekommen wir in dieser hochschwierigen und auch hoch komplizierten Lage leider nicht die Umsetzung der Zusagen, die wir längst erhalten haben.

Zusatzfrage: Haben Sie diese Woche bezüglich der sechs Fälle etwas unternommen?

Auch mit Blick auf das vorherige Thema: Ist jetzt nicht der Zeitpunkt, zum Beispiel den türkischen Botschafter einzubestellen? Wenn die türkische Regierung Zusagen macht, und es Sie irgendwann immer mehr und mehr ärgert und Sie kein Feedback bekommen, müsste man ja vielleicht mal den Botschafter einbestellen - auch bei dem anderen Fall.

Schäfer: Dass wir mit Vertretern der hiesigen Botschaft über diese Themen sprechen, ist völlig richtig. Das wäre so etwas wie eine Einbestellung, oder? Dass das in Ankara durch unsere Kollegen an der Botschaft geschieht, ist auch selbstverständlich. Das passiert regelmäßig und ständig.

Das braucht auch nicht von Ihnen nachgefragt zu werden, weil uns die Dringlichkeit dieser Einzelfälle sehr wohl bewusst ist. Wir sind natürlich weiter daran und behalten uns natürlich auch vor, an den Punkten, an denen wir glauben, dass es angemessen ist, diese Punkte mit höherrangigen Vertretern der türkischen Regierung aufzunehmen.

Frage: Herr Schäfer, in New York finden aktuell Verhandlungen für ein Verbot von Atomwaffen statt. 130 der 193 UN-Mitgliedsstaaten haben sich dafür ausgesprochen. Deutschland nimmt nicht teil. Warum nicht?

Schäfer: Ehrlich gesagt, wundert es mich, dass diese Frage nicht schon am Montag gekommen ist. Denn die Verhandlungen haben am Montag begonnen. Aber ich beantworte die Frage auch jetzt gern, auch wenn ich mich wiederhole. Wir haben über diese VN-Verhandlungen über das Verbot oder die Ächtung von Atomwaffen an dieser Stelle schon sehr häufig gesprochen. Ihr Kollege hat mich, denke ich, schon mindestens fünf Mal zu diesem Thema befragt. Aber ich wiederhole das gern und versuche, die Argumente zusammenzufassen.

Verhandlungen über ein solches Verbot, die gerade nicht die Staaten umfassen und teilnehmen lassen, die Atomwaffen besitzen - legal nach den Regeln des Nichtverbreitungsvertrages oder auch sonst -, machen aus Sicht der Bundesregierung keinen rechten Sinn. Alle fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die nach den Regeln des Nichtverbreitungsvertrages aus den 60er-Jahren ja Atomwaffenstaaten sind, wollen diese Verhandlungen nicht führen. Wir teilen jedenfalls insoweit die Einschätzung auch dieser Staaten, weil wir der Meinung sind, dass eine Ächtung ohne Beteiligung derjenigen, die die Atomwaffen in den Händen haben, letztlich eher gesinnungsethische Motive hat, jedenfalls keine pragmatische Lösung bringt.

Wir, diese Bundesregierung und auch ihre Vorgänger, stehen fest zum Ziel von Global Zero, das heißt, zum vollständigen Verzicht auf Atomwaffen. Wir sind uns darin mit ganz vielen unserer Partner in der Europäischen Union, sogar im Nato-Bündnis und darüber hinaus einig. Aber wir glauben nicht, dass es eine gute Idee ist, die guten und vernünftigen Regeln des Nichtverbreitungsvertrages, die seit Jahrzehnten existieren, auszuhebeln, indem man eine bloße Ächtung verkündet, die sowieso nicht umgesetzt werden wird. Das Nichtverbreitungsregime enthält zahlreiche Normen der Verifikation, aber auch des politischen Drucks auf diejenigen Staaten, die Atomwaffen in Händen halten, ihre Arsenale zurückzufahren.

Wir denken, dass der Dialog, das Gespräch und die Verhandlungen mit Staaten, die Atomwaffen haben, der einzig richtige Weg sind, voranzugehen, und das ist genau nicht der Weg, den die an diesen Verhandlungen teilnehmenden Staaten eingeschlagen haben.

Zusatzfrage: Alle großen Entwicklungen brauchen immer Vorreiter. Wäre es nicht trotz allem wirklich eine sehr gute Gelegenheit, sich mit einem Großteil der internationalen Gemeinschaft an einen Tisch zu setzen und dadurch ein friedenspolitisches Zeichen zu setzen?

Schäfer: Ich habe vorhin schon gesagt, dass man wollen kann, so etwas im Sinne von Hans Jonas gesinnungsethisch zu postulieren. Wir wissen vorher, dass es nicht die gewünschten Ergebnisse bringen kann, und zwar wegen der Art und Weise, wie das angelegt ist, wegen des Teilnehmerfeldes und wegen des Umstandes, dass gerade diejenigen Staaten, die aufgerufen sind, auch nach den Regeln des Nichtverbreitungsvertrags völkerrechtlich verpflichtet sind, ihr Atomwaffenarsenal zurückzufahren, an diesen Verhandlungen nicht teilnehmen.

Im Übrigen wirken wir seit Jahren - und auch das gilt nicht nur für diese Bundesregierung - darauf hin, dass mindestens die beiden größten Atomwaffenstaaten dieses Planeten - die Vereinigten Staaten von Amerika und die Russische Föderation - miteinander und dann auch im Kreise der anderen Atomwaffenstaaten ihre Arsenale abbauen. Das zeigt ja durchaus Erfolge. Es gibt das START-Abkommen; es gibt das New START-Abkommen zwischen Washington und Moskau, die sehr nachhaltige und auch drastische Reduzierung des strategischen Atomwaffenarsenals beider Länder vorsehen.

Wir hoffen sehr, dass beide Regierungen zu ihren völkerrechtlichen politischen Verpflichtungen stehen, das auch umzusetzen. Man hört in der Öffentlichkeit immer wieder hier und dort, dass das wackelt. Wir werden alles tun, was wir in unseren Gesprächen mit den Atomwaffenstaaten tun können - allen voran mit Washington und auch mit Moskau -, dass die Abrüstungsverträge, die es gab, gibt und die es jetzt umzusetzen und einzuhalten gilt, auch weiter in Kraft bleiben.

Da Sie gerade fragen, erlauben Sie mir, ein paar Worte zu einem für Europa und für Europas Geschichte und Sicherheit ganz entscheidenden nuklearen Abrüstungsvertrag zu sagen:

Der INF-Vertrag, der nicht nur für Europa, sondern weltweit die Aufstellung von Mittelstreckenraketen nuklearer Natur verbietet, hat Europa seit 1987 sichererer gemacht. Die Vorgeschichte mit dem Nato-Doppelbeschluss und vielen anderen Dingen in Ost und West kennen alle, die meines Alters sind. Auch diesbezüglich gibt es immer wieder hier und da Andeutungen und Anhaltspunkte dafür, dass die eine oder andere Seite gehalten wäre, diesen Vertrag nicht einzuhalten. Auch dabei wird die Bundesregierung mit allem Nachdruck darauf hinwirken, dass dieser für die Sicherheit Europas so wichtige Vertrag eben nicht aufgekündigt wird und weiter seine Gültigkeit behält. Das ist aus unserer Sicht pragmatische, praxisorientierte, aber auch effektive Abrüstungspolitik im nuklearen Bereich.

Frage : Herr Schäfer, es gab am Donnerstagabend eine Bundestagsdebatte dazu. Dort haben sich auch Koalitionsvertreter, zum Beispiel eine SPDlerin, geäußert, die gesagt hat, dass sie sich vorstellen kann, dass die Bundesregierung in der zweiten oder dritten Verhandlungsrunde zu diesen Atomverbotsverhandlungen teilnehmen könnte. Kann sich die Bundesregierung auch vorstellen, dass man erst einmal die erste Verhandlungsrunde abwartet und dann vielleicht bei der zweiten und dritten einsteigt?

Eine Zusatzfrage: Welche offiziellen wie inoffiziellen Atommächte sind der Bundesregierung bekannt?

Schäfer: Zu Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum möchte ich mich ungern äußern.

Was die Haltung der Bundesregierung ist, habe ich Ihnen dargestellt. Wenn sich an unserer Einschätzung über den Verlauf, den Teilnehmerkreis und mögliche Ergebnisse von solchen Verhandlungen etwas ändern sollte, ist alles möglich. Das scheint mir sehr unwahrscheinlich zu sein. Deshalb halte ich es für die wahrscheinlichste Variante, dass das genauso bleibt, wie es jetzt ist, nämlich dass Deutschland, genau wie viele andere Staaten, an diesen Verhandlungen nicht teilnehmen wird.

Zu Ihrer zweiten Frage, welche Staaten das sind: Wir sind keine Enzyklopädie. Es ist im Nichtverbreitungsvertrag einfach nachzulesen, welche Staaten zu den Atomwaffenstaaten gehören. Welchen Staaten man unterstellt, dass sie Atomwaffen besitzen, wissen Sie genauso gut, wie ich es weiß.

Zusatzfrage : Zählen für Sie Pakistan, Indien und Israel zu den Atommächten?

Eine zweite Frage: Wie viele - -

Vors. Welty: Entschuldigung, aber nur eine Zusatzfrage bitte!

Zusatzfrage: Herr Schäfer, wie viele US-Atombomben gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland?

Vors. Welty: Das waren jetzt doch zwei Fragen. Die Zusatzfrage zu der vorherigen Frage war die Frage nach Israel, Pakistan und Indien.

Zusatz : Frau Vorsitzende, es geht um meine Frage. Die Frage war - -

Vors. Welty: Ja, und es geht um die Fragen, die ich zulasse. Eine Zusatzfrage, okay?

Zusatzfrage : Wie viele US-Atombomben gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland, Herr Schäfer?

Schäfer: Ich glaube, es war die richtige Entscheidung, dass Sie sich für diese Zusatzfrage entschieden haben. Die andere hätte ich nämlich sowieso nicht beantwortet.

Zuruf : Ich weiß!

Schäfer: Diese beantworte ich aber auch nicht, weil das Informationen sind, die nicht in die Öffentlichkeit gehören.

Frage : Herr Schäfer, es gibt eine Diskussion in Deutschland, an der sich auch der Russland-Beauftragte, der in Ihrem Haus angesiedelt ist, beteiligt. Das ist eine Diskussion über einen möglichen Boykott der Fußball-WM in Russland. Was halten Sie beziehungsweise Ihr Minister oder die Bundesregierung von dieser Diskussion und von einem möglichen Boykott als Antwort auf die Repressionswelle in Russland?

Schäfer: Dass Sie insbesondere mit dem letzten Halbsatz das Thema Russland und die Demonstrationen vom Wochenende ansprechen, freut mich, weil mir das die Gelegenheit gibt, noch einmal ausdrücklich für die Bundesregierung und für das Auswärtige Amt zu sagen, dass das Recht auf freie Demonstration ein wichtiger Teil jeder demokratischen Gesellschaft ist. Es muss deshalb möglich sein, solche Demonstrationen auch dort abzuhalten, wo die Organisatoren solcher Demonstrationen das tun wollen, und zwar nicht gerade da, wo es eben gerade überhaupt keine öffentliche Aufmerksamkeit dafür gibt.

Wir können verstehen, dass es Zweifel daran gibt, ob die im Zuge und im Verlauf der am Wochenende erfolgten Protestaktionen, Demonstrationen und Festnahmen verhängten Strafen tatsächlich verhältnismäßig sind. Wir werden natürlich sehr aufmerksam beobachten, wie das Recht auf Demonstrationsfreiheit und freie Meinungsäußerung in Russland angewendet wird. Maßstab ist für uns dabei natürlich die russische Verfassung, die solche Rechte vorsieht, aber natürlich auch die einschlägigen Normen unter dem Dach und der Ägide des Europarats, der OSZE und der Vereinten Nationen, denen die Russische Föderation zum Teil seit langen Jahren angehört. Deshalb können Sie versichert sein, dass wir alles sehr aufmerksam verfolgen, was in Russland passiert ist und weiter passieren wird.

Zum Thema Fußball: Es ist, so glauben wir, gute Praxis, dass man, so weit das auch nur irgend möglich ist, den Sport und die Politik voneinander trennt. Der Fußball und gerade die Fußball-Weltmeisterschaft ist vielleicht neben den Olympischen Spielen das größte sportliche Ereignis der Welt. Gerade weil der öffentliche Fokus auf ein solches Ereignis nicht nur auf den elf oder zwölf Fußballplätzen und Stadien in der Russischen Föderation im kommenden Jahr gerichtet sein wird - vielleicht auch schon während des Konföderationen-Cups im Sommer, sondern auch auf die Situation im ganzen Land -, ist es aus unserer Sicht gut, dass die Medien eben nicht nur den Sport betrachten. Sondern wenn ein Land wie die Russische Föderation Gastgeber eines solchen großen sportlichen Ereignisses ist, das die ganze Welt in seinen Bann zieht, dann bedeutet das auch, dass viele Journalisten im Land sein werden, die eben nicht nur dem Ball hinterherschauen, sondern auch den politischen, sozialen, wirtschaftlichen und anderen Verhältnissen.

Das ist etwas, was wir in Sotschi bei den Olympischen Spielen, die in der Russischen Föderation stattgefunden haben, erlebt haben; das haben wir bei den Olympischen Spielen Peking erlebt und letztlich bei jedem großen Sportereignis, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ein bestimmtes Land lenkt. Aus unserer Sicht ist das gut und richtig so und gibt der Russischen Föderation, die ja ganz bestimmt ein guter Gastgeber sein möchte, die Gelegenheit, sich so gut und so erfolgreich zu präsentieren, wie sie das möchte.

Zusatz: Ich verstehe das als eine Absage an einen Boykottaufruf.

Schäfer: Um ehrlich zu sein: Die Debatte, von der Sie sprechen, ist an mir total vorbeigegangen. Ich lese hier und da in einer Zeitung mit großen Buchstaben ein Interview vor großen sportlichen Ereignissen, dass so etwas gefordert wird. Eine breite Debatte in Berlin, in der deutschen Politik, kann ich dazu beim besten Willen nicht erkennen.

Frage: Zum Thema Ukraine/Krim eine Frage. Zurzeit befindet sich auf der Halbinsel ohne Erlaubnis der ukrainischen Behörden eine Gruppe von Euro-Deputaten. Unter ihnen ist ein Deutscher, nämlich Andreas Maurer, ein Politiker der Linken.

Schäfer: Ist das dieser Herr aus Osnabrück?

Zusatzfrage: Ja, und auch eine Gruppe von Deutschen, die keine Politiker sind. Offiziell heißt das Ziel der Reise: Förderung der Jugendaustauschprojekte. Meine Frage ist: Haben Sie das zur Kenntnis genommen? Wie reagiert das Auswärtige Amt in diesen Fällen darauf?

Gibt es gemeinsame Projekte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der annektierten Halbinsel?

Schäfer: Nein. Unsere Position ist politisch wie völkerrechtlich glasklar: Für uns ist die Krim ein Teil der Ukraine. Wir wenden uns und richten uns mit all dem, was wir mit, um oder für die Krim tun, an die aus unserer Sicht völkerrechtlich und politisch korrekten Behörden - und das sind die der Ukraine.

Es gibt entsprechende Vereinbarungen in der Europäischen Union, die völlig unbestritten sind. Wenn es zutreffen sollte, was Sie sagen, dass deutsche Staatsangehörige sich tatsächlich auf ukrainischem Hoheitsgebiet aufhalten, ohne von den ukrainischen Behörden dafür eine Erlaubnis erhalten zu haben, ist das etwas, was im Zweifel gegen das Völkerrecht verstößt. Dafür müssen dann diese, wenn es denn deutsche Staatsangehörige sind - aber jeder andere auch -, ihre tatsächliche politische Verantwortung übernehmen.

Klar ist, dass wir weder zuvor befragt worden wären noch jemals einer solchen Maßnahme, einer solchen Reise angesichts der klaren völkerrechtlichen Lage hätten zustimmen können.

Frage : Ist angesichts der Unterzeichnung des britischen Austrittsantrags durch die Premierministerin gestern Abend das Thema Brexit heute im Kabinett aufgekommen? Hat möglicherweise das Außenministerium einen Sachstandsbericht gegeben? Gibt es eine Einschätzung der Bedeutung dieses Schrittes?

SRS'in Demmer: Der Kabinettsausschuss zum Thema Brexit tagt erst nächste Woche, denn noch ist der Brief gar nicht angekommen.

Tatsächlich haben Sie völlig recht: Zur Stunde wird Großbritannien den Austrittswunsch aus der EU notifizieren. Die Premierministerin hat gestern noch mit der Bundeskanzlerin telefoniert und sie über diesen Umstand informiert. Damit wird die vertraglich festgelegte Zwei-Jahres-Frist jetzt in Gang gesetzt, nach deren Ablauf die Mitgliedschaft endet.

Mit dem britischen Schreiben werden wir mehr Klarheit darüber bekommen, wie sich die britische Seite den Weg vorstellt. Auf dieser Grundlage werden dann die 27 anderen Mitgliedstaaten und die europäischen Institution ihre Interessen und Ziele definieren. In den kommenden Wochen werden darüber die Verhandlungsleitlinien beraten, die dann bei einem Sondertreffen des Europäischen Rates beschlossen werden sollen.

Die Bundesregierung ist auf diesen Prozess gut vorbereitet und wird sich bei allen aufkommenden Fragen positionieren können. Es gibt, wie gesagt, den Kabinettsausschuss, der darüber berät und den ressortübergreifenden Arbeitsstab, der im AA koordiniert wird. Wir sollten aber insgesamt darüber nicht vergessen, dass das Vereinigte Königreich natürlich ein Partner bleibt: ein Partner in der Nato, ein Partner als Land in Europa. Es gilt dabei weiterhin, gemeinsam viele Herausforderungen zu bewältigen.

Zusatzfrage : Ich habe noch eine Lernfrage. Wenn auf dem Sondergipfel über das Verhandlungsmandat entschieden wird, wird dann nur über das Verhandlungsmandat für die Scheidungsverhandlungen entschieden oder gleich auch über das Mandat über die Neugestaltung der Beziehungen der EU zu Großbritannien?

Schäfer: Es ist, glaube ich, nicht so einfach, den Verhandlungen über die sogenannten Leitlinien vorwegzugreifen. Aber natürlich geht es formal um die Umsetzung von Artikel 50, den die Briten heute offensichtlich zu ziehen beabsichtigen oder schon gezogen haben, und das bedeutet die Verhandlungen des Austritts. Dass gleichzeitig beide Seiten - auf der einen Seite die 27 und Großbritannien auf der anderen Seite - ein Interesse daran haben, in diesem Zusammenhang auch die zukünftigen Beziehungen miteinander zu regeln, ist offensichtlich. Aber ich glaube, man muss mit dem einen anfangen, ohne dass man das andere regeln kann.

Es gibt so unzählig viele Dinge, die im Rahmen dieses Scheidungsverfahrens geklärt sein wollen, und die in den Raum gestellten 60, 70, 50, 40 Milliarden Euro sind, wenn Sie so wollen, das kleinere Problem dabei. Es gibt so unzählig viele Fragen, die geklärt sein müssen, um Unsicherheit auf beiden Seiten des Ärmelkanals zu vermeiden, denn Unsicherheit ist Gift für die Menschen, die EU-Bürger, die Deutschen, die in Großbritannien leben und nicht wissen, wie ihr zukünftiger Status aussehen kann, genauso wie es umgekehrt für britische Staatsangehörige in der Europäischen Union ist und es vielleicht noch mehr Gift für die gegenseitigen wirtschaftlichen Handels- und Investitionsbeziehungen ist. Es gibt, glaube ich, einen Stapel von Papier an Themen, an Stoffen, an Regelungsbedarf, über den jetzt in den nächsten Monaten verhandelt werden muss. Manchmal fragt man sich, ob in London wirklich überall begriffen worden ist, was das für Folgen insbesondere für die britische Wirtschaft hat, wenn all diese Fragen angegangen werden müssen oder wenn sie entschieden werden müssen. Wenn sie nämlich nicht entschieden werden, entsteht Unsicherheit, und das ist für alle Beteiligten ganz furchtbar.

Ansonsten kann ich Ihnen nur sagen: In hoffentlich einer halben Stunde wird sich Herr Gabriel für die Bundesregierung als federführender Minister an die Öffentlichkeit wenden und auf den britischen Austrittsantrag förmlich reagieren.

Wenn ich die Gelegenheit des Mikrofons nutzen darf: Ich möchte ausdrücklich beim Thema Krim darauf hinweisen, dass es auf der Website des Auswärtigen Amtes unter den Reise- und Sicherheitshinweisen natürlich eine Reisewarnung - ich sage ausdrücklich: eine Reisewarnung - für Reisen auf die Krim wegen der klaren völkerrechtlichen Lage gibt. Eine Reisewarnung heißt: Wir warnen deutsche Staatsangehörige davor, auf die Krim zu reisen. Wir raten ihnen davon dringend ab.

Frage : Frau Demmer, was sind im Moment die Prioritäten der Bundesregierung?

Herr Schäfer, Sie sagten, dass es vor allen Dingen darum geht, das Thema Unsicherheit zu beantworten. Wenn man auf dem Rat noch nicht Entscheidungen über das Anschlussregime treffen will, muss man nicht trotzdem eine Perspektive über das Jahr 2019 hinaus geben und vielleicht schon mit Übergangslösungen einen gewissen Rahmen stecken?

SRS'in Demmer: Ich kann zu Prioritäten nichts sagen, denn der Brief ist noch gar nicht da. Wir müssen uns erst einmal den Brief anschauen, und dann werden wir uns dazu verhalten.

Grundsätzlich gilt: Wir sind gut vorbereitet. Wir können auf alles reagieren. Aber bis dahin bitte ich Sie noch ein bisschen um Geduld.

Schäfer: Der Zeitplan ist verdammt eng, und das wissen alle Beteiligten, das wissen auch die Briten. Wir sind gut beraten gewesen - und sind stolz auf die klare, einmütige, einstimmige Haltung der EU-27 -, klare Kante gezeigt zu haben, keine Vorverhandlungen zuzulassen. Jetzt geht es los. Ich kann sagen, dass die größte und wichtigste Priorität bei all dem, was jetzt ansteht, ist, das europäische Einigungswerk zu wahren. Der Binnenmarkt und all das, was wir erreicht haben, verdient es, mit Kraft verteidigt zu werden. Das wird auch das Leitmotiv in den Verhandlungen sein.

SRS'in Demmer: Dieser Priorität kann ich mich natürlich voll und ganz anschließen.

Frage: Herr Schäfer, bedauern Sie es, dass das Auswärtige Amt bei der Konferenz "Entwicklung Sicherheit und Frieden" in Afrika als Auswärtiges Amt nicht dabei ist? Dort sind ja nur Frau von der Leyen und Herr Müller vertreten.

Schäfer: Afrika ist ein Thema, das zum Glück durch deutsche Initiative in den letzten Jahren sehr viel mehr in den Fokus der internationalen Diplomatie geraten ist. Das hat auch damit zu tun, dass die deutsche G20-Präsidentschaft das Thema Afrika nicht erst in diesem Jahr - aber in diesem Jahr ganz besonders - in seinen Fokus genommen hat. Das ist in jeder Hinsicht ein ressortübergreifendes Thema. Nur mit den Mitteln des Auswärtigen Amtes und der Diplomatie in Afrika Gutes tun zu wollen, geht überhaupt nicht. Deshalb begrüßen wir jede Initiative jedes Ressorts, dabei gemeinsam anzupacken, um die Themen, die für unsere Beziehungen zu Afrika wichtig sind, die vielleicht auch für Afrika wichtig sind, anzugehen. Dabei ist es doch gut, dass das Verteidigungsministerium und seine Chefin und das BMZ und sein Leiter sich dieses Themas genauso engagiert annehmen wie wir.

Frage (zum Brexit): Herr Schäfer, gegebenenfalls Frau Demmer, begrüßt die Bundesregierung die schottischen Bemühungen um eine Unabhängigkeit? Ist man eventuell froh, dass zumindest ein Teil von Großbritannien in der EU bleiben möchte?

Schäfer: Wir verfolgen die Entwicklungen innerhalb des Vereinigten Königreiches sehr aufmerksam. Sie haben unzweifelhaft ernste Folgen auf den Verhandlungsprozess, vielleicht auch - das muss man sehen - auf die britische Verhandlungsposition.

Ansonsten gilt das, was etwa der deutsche Außenminister gestern gesagt hat, was wir aber auch immer wieder schon betont haben: Wie sich das Vereinigte Königreich aufstellt, wie seine Bestandteile mit den Beschlüssen und Entscheidungen der britischen Regierung umgehen, wie sie mit dem Brexit umgehen, ist ausschließlich eine Angelegenheit, die das Vereinigte Königreich angeht. Wir erwarten, genau wie bei anderen Fragen von Sezessionen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dass das alles im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung geschieht und einem, wie sich das in Europa gehört, fairen und offenen politischen Umgang miteinander. Ansonsten haben wir dazu keine Meinung zu äußern.

Zusatzfrage : Lernfrage: Wenn die Schotten sich für eine Unabhängigkeit entscheiden sollten, bleiben sie damit automatisch in der EU oder müssen sie dann einen Eintritt wieder neu beantragen oder fliegen sie raus, wenn der Brexit vorher passiert und dann müssen sie wieder rein?

Schäfer: Das ist unter der britischen Krone alles komplizierter als bei uns. Wir haben ein Grundgesetz, das man wenigstens nachlesen und interpretieren kann. Es gibt keine geschriebene Verfassung des Vereinigten Königreiches. Es gibt aber wohl, wenn ich das richtig verstehe, die Regel, dass ein Unabhängigkeitsreferendum wie in Schottland nur mit Zustimmung der britischen Regierung erfolgen kann. Das hat es ja bereits einmal mit negativem Votum gegeben. Ob und wann in einer so schwierigen Situation wie der Verhandlung des Austritts aus der Europäischen Union eine britische Regierung einem solchen Begehren des schottischen Parlaments oder der schottischen Regierung nachgeben könnte, entzieht sich total unserer Kenntnis. Das wissen wir nicht. Dazu würden wir aber auch, ehrlich gesagt, keine Meinung äußern und auch äußern wollen. Sondern das ist Teil des politischen Prozesses im Vereinigten Königreich vielleicht zwischen Schotten und Engländern, vielleicht auch noch zwischen anderen. Das muss man jetzt in Geduld und als Beobachter abwarten.

Frage : Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Frau Alemany, es geht um das Wettbewerbsregister. Ich habe verstanden, dass deutsche Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, wenn gegen sie bestimmte Straftaten oder Bußgeldbescheide verhängt wurden.

Wie ist der Begriff "Unternehmen" definiert? Konkretes Beispiel: Bei der Lkw-Sparte von Daimler-Benz hätte es Wettbewerbsverstöße wegen Preisabsprachen gegeben. Ist dann nur die Wettbewerbssparte dieses Unternehmens gesperrt oder der gesamte Konzern?

Zweitens. Wie wird sichergestellt, dass dieses Gesetz nicht dadurch unterlaufen wird, dass sich Unternehmen auflösen und unter einem anderen Namen neu gegründet werden, wenn zum Beispiel eine Sperre von fünf Jahren gegen sie im Wettbewerbsregister verhängt wurde?

Alemany: Danke für die Frage. Vielleicht kann ich noch einmal ein bisschen ausführen, worum es uns mit dem Wettbewerbs- oder auch Korruptionsregister geht. Wir sind der Ansicht, dass sich ehrliche Arbeit lohnen muss. Unternehmen, die sich zum Beispiel der Bestechung, der Steuerhinterziehung, auch der Geldwäsche, der Schwarzarbeit, Verstößen gegen Mindestlohnregelungen etc. schuldig gemacht haben, dürfen nicht auch noch von öffentlichen Aufträgen und damit ja indirekt von Steuermitteln profitieren. Wir wollen die schwarzen Schafe von der öffentlichen Vergabe ausschließen und damit die ehrlichen Unternehmen, die sich an Recht und Gesetze halten, schützen.

Das materielle Recht wird da nicht geändert. Es ist jetzt schon so, dass öffentliche Aufträge nicht an solche Unternehmen gehen dürfen. Bislang ist es aber so, dass einige Bundesländer einzelne Wettbewerbs- oder Korruptionsregister über Bußgelder und Straftaten führen, die in diesen jeweiligen Bundesländern passiert sind, aber nicht bundeseinheitlich.

Dieses neue Wettbewerbsregister, das wir jetzt ab 2019 einführen werden und das bei uns im Kartellamt geführt wird, wird erstmalig bundesweit alle Verstöße und rechtskräftigen Verurteilungen von Unternehmen aus diesen Sparten, die ich vorhin nannte, führen. Somit kann sich dort jeder öffentliche Auftraggeber, also jede Kommune, die zum Beispiel einen Auftrag im Wert von 30 Euro vergeben möchte, elektronisch erkundigen. Ab Auftragswerten von 30 Euro muss er sich sogar erkundigen, ob sich das Unternehmen, das den Zuschlag bekommen soll, auch an Recht und Gesetz gehalten hat. Wir erwarten dadurch zum einen einen Bürokratieabbau und auch eine Verschnellerung und Vereinfachung hinsichtlich der bisherigen Anforderungen.

Zu Ihrer Frage, wie es mit rechtskräftigen Verurteilungen ist: Wie ich sagte, wurde das materielle Recht hier nicht geändert. Das heißt, das, was vorher strafbar war, bleibt auch strafbar. Rechtskräftige Verurteilungen oder bestandskräftige Bußgeldentscheidungen werden von den entsprechenden staatlichen Behörden oder Staatsanwaltschaften gemeldet, und dann kann, wie gesagt, die Kommune nachschauen: Trifft das auf mein Unternehmen, dem ich den Auftrag gerne geben würde, zu oder nicht? - Voraussetzung für die Eintragung ist, dass die Straftat einem Unternehmen richtig zugeordnet werden kann. Das ist jetzt ein juristischer Begriff. Das machen eben die staatlichen Verfolgungsbehörden, nicht wir. Würde das zum Beispiel einem Vorstandsvorsitzenden oder jemanden aus der Konzernspitze zugeordnet, dann wäre der gesamte Konzern gesperrt. Würde es zum Beispiel nur ein Tochterunternehmen betreffen und würde es von den staatlichen Ermittlungsbehörden juristisch und rechtskräftig auch nur dieser Tochter zugeordnet, dann wäre auch nur diese Tochter gesperrt und damit im Register.

Zusatzfrage : Was ist mit der zweiten Frage, die ich hatte, Stichwort "Unterlaufen des Verbots"? Im Gesetz steht ja drin, ein Unternehmen könne wieder von der Liste heruntergenommen werden, wenn es sich zum Beispiel selbst reinigt - das habe ich verstanden -, indem es Maßnahmen ergreift, die dazu führen, dass so etwas nicht wieder passiert. Aber es gibt auch Unternehmen, die sich solche Arbeit sparen und die einfach vom Erdboden verschwinden. Dann ist auf dem Papier die Rohr- und Tiefbau GmbH gesperrt, aber die Tief- und Rohrbau GmbH fünf Monate später wieder gegründet und kann wieder öffentliche Aufträge entgegennehmen. Wie wollen Sie das verhindern?

Alemany: Es stimmt: Die Eintragung werde je nach Verstoß nach drei bis fünf Jahren wieder gelöscht. Würde sich ein Unternehmen über Compliance-Regelungen usw. selbst reinigen, kann es vorher eine Löschung geben.

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie es bei einer Auflösung eines Unternehmens ist. Das müsste ich Ihnen nachreichen.

Frage : Frau Alemany, auch hinsichtlich der Details, wie man denn in das Korruptionsregister aufgenommen werden kann beziehungsweise dieses zweifelhafte Vergnügen hat: Gibt es da eine untere Schwelle, was beispielsweise Steuerschulden oder bestandskräftige Bußgelder in dieser Hinsicht betrifft? Was ist beispielsweise mit Firmen, die gegen Kfz-technische Vorschriften verstoßen haben? Ich denke da beispielsweise an Firmen, die Diesel-Autos auf die Straße geschickt haben, die den Vorschriften nicht entsprechen. Das betrifft ja nicht nur Volkswagen.

Alemany: Zu einzelnen Konzernen kann ich natürlich nichts sagen, zumal es da noch keine rechtskräftigen Verurteilungen gibt.

Es gibt eine Mindestschwelle. Wir haben dazu auch einen ausführlichen Informationskatalog auf unserer Homepage stehen. Es muss ein Bußgeld in Höhe von mindestens 200 Euro sein.

Speziell zu Konzernen - zu Elektro- oder Autokonzernen - kann ich, wie gesagt, nichts sagen. Wenn es eine rechtskräftige Verurteilung wegen der genannten Straftaten geben sollte, dann würde so ein Konzern auch in das Register kommen.

Frage : Was ist denn mit ausländischen Firmen? Die Liste wird ja von Staatsanwaltschaften und anderen Behörden in Deutschland gespeist. Aber ich habe nichts davon gelesen, dass ausländische Staatsanwaltschaften und vergleichbare Behörden diese Liste auch speisen. Kommen ausländische Firmen darin überhaupt irgendwo mit Regeln vor?

Alemany: Ja, ausländische Unternehmen können auch von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn sie Straftaten begangen haben. Für den Nachweis, dass keine Ausschlussgründe vorliegen, müssen die das dann auch durch Auszüge aus deren einschlägigen Registern - zum Beispiel dem Strafregister oder einer gleichwertigen Urkunde aus dem Land - nachweisen. Zur Meldung allerdings können wir natürlich nur deutsche Behörden verpflichten, keine ausländischen.

Frage: Herr Weißgerber, laut dem "Handelsblatt" wären selbst Zinsstundungen für Griechenland für Deutschland kostspielig. Aber der IWF hat eine andere Meinung. Was sagen Sie dazu?

Weißgerber: Zuerst einmal berichten das "Handelsblatt" und auch die "WELT" heute ja über ein angebliches oder wie auch immer internes Papier des BMF. Dazu nehmen wir ja bekanntlich keine Stellung.

Ich kann Ihnen nur noch einmal allgemein sagen, wie die Sachlage ist und wie sich die Zusammenhänge darstellen. Sie wissen ja: Es läuft die zweite Programmüberprüfung für das dritte Programm. Beim Treffen der Eurogruppe im Februar gab es eine allgemeine Verständigung mit Griechenland und mit den Institutionen auf Grundlage der geltenden Vereinbarungen. Dazu gehört wesentlich das Statement der Eurogruppe aus dem Mai 2016; das kennen Sie. Danach ist es erforderlich, dass Griechenland einen Primärüberschuss in Höhe von 3,5 Prozent erbringt. Das ist wichtig, um eben die Schuldentragfähigkeit des Landes zu sichern. Dafür sind konkrete Reformen notwendig. Das sieht auch der IWF so. Wir haben in dieser Frage ja einen gemeinsamen Ansatz zwischen den Institutionen und der Eurogruppe erzielt.

Warum ist das wichtig? - Sie kennen den Zusammenhang zwischen Primärüberschuss, Schuldentragfähigkeit und Reformen. Wenn es jetzt also einen geringeren Primärüberschuss gibt oder Reformen unterbleiben, also nicht durchgeführt werden, dann hat das eben Auswirkungen auf den mittelfristigen Bruttofinanzbedarf. Das heißt, man muss dann in der Zukunft einen höheren Finanzbedarf einplanen. Dieser Zusammenhang ist bekannt; der ist ja jedes Mal und bei allen Schuldentragfähigkeitsberechnungen ein Thema. Wenn man jetzt weniger Reformen macht, dann wird der Finanzbedarf in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eben ansteigen.

Was eben wichtig ist, ist: Wenn man Reformen jetzt eben nicht macht, dann kann man die nicht einfach durch Schuldenerleichterungen ersetzen. Man kann nicht einfach Schuldenerleichterungen, die scheinbar kostenfrei daherkommen, an diese Stelle setzen, sondern man muss diese Reformen eben machen. Ansonsten hätte das eben Auswirkungen auf Deutschland, auf die Partner und all die, die jetzt eben Gläubiger von Griechenland sind.

Frage : Sie haben ja jetzt weder bestätigt noch dementiert, dass es ein solches Papier aus Ihrem Hause gibt. Aber das Instrument der Zinsstundung war ja, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, immer eines, das die Bundesregierung durchaus positiv in Erwägung gezogen hat, sollten Schuldenerleichterungen nötig werden. Gilt das nach wie vor?

Zum Zweiten - Sie werden ja auch durchaus von den Institutionen in Brüssel über den Fortgang der Gespräche über die zweite Prüfrunde informiert - würde ich gerne wissen: Ist Ihnen heute etwas davon zu Ohren gekommen, dass man bei den großen Themen - Rentenreform und Arbeitsmarktreform - quasi über den Berg und einer Einigung nahe ist?

Weißgerber: Zur ersten Frage: Fragen nach Schuldenerleichterungen stellen sich im Rahmen dieses dritten Hilfspakets jetzt sowieso nicht, sondern - das haben wir an dieser Stelle schon sehr häufig gesagt - darüber sprechen wir nach dem Abschluss der Verhandlungen. Wir halten an diesem Primärüberschuss in Höhe von 3,5 Prozent fest. Das ist mit dem IWF bis zum Abschluss des Programms so vereinbart.

Was eben wichtig ist, ist immer dieser rechnerische Zusammenhang. Diese 3,5 Prozent müssen eben mit Reformmaßnahmen unterlegt werden. Wenn man die nicht erbringt und eben glaubt, man könnte das durch Schuldenerleichterungen ersetzen, dann ist das zu kurz gegriffen. Man muss diese Reformmaßnahmen eben erbringen. Das ist eben ein Zusammenhang, der sich rein mathematisch ergibt, wenn man die Schuldentragfähigkeit eben langfristig erhalten will.

Zur zweiten Frage: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Die Verhandlungen laufen zwischen den Institutionen und Griechenland. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich das von hier aus nicht kommentieren oder darüber keine Auskunft geben kann.

Frage : Herr Weißgerber, es ist ja schon überraschend, wenn das Bundesfinanzministerium die ganze Zeit sagt, über verschiedene Instrumente werde erst zum Schluss diskutiert, letztendlich zum Ende des Programms, und wenn das Finanzministerium jetzt schon in einem internen Papier bezüglich einzelner möglicher weiterer Schuldenerleichterungsschritte analysiert hat, welche gehen und welche nicht gehen.

Weißgerber: Ich muss immer wieder damit einleiten, dass wir ja zu diesen Papieren, die angeblich vorhanden sein sollen, nichts sagen. Ich kann immer nur auf den mathematischen, rechnerischen Zusammenhang hinweisen. Es gilt also die Vereinbarung der 3,5 Prozent, und es ist eben nicht möglich zu sagen "Dann machen wir eben irgendetwas anderes wie Schuldenerleichterungen anstelle dieser 3,5 Prozent". Man muss vielmehr sehen: Das hat langfristige Auswirkungen auf mögliche Zinsen und auf Stundungen von Krediten, und die muss man eben im Blick haben. Deswegen sagen wir immer wieder: Die 3,5 Prozent stehen, und die müssen mit Reformen unterlegt werden, die die griechische Regierung jetzt auf den Weg bringen muss. Das ist auch alles, worum es immer nur geht. Das sind keine Szenarien für irgendwelche Schuldenerleichterungen usw.

Frage: Herr Weißgerber, Sie sprechen von diesem 3,5-Prozent-Primärüberschuss bis zum Abschluss des Programms, das heißt also, bis 2018. Meine Frage ist: Was passiert danach? Ob Sie nun das dementieren, was in diesem Papier steht, oder nicht - aber es scheint wohl zu stimmen -, es geht um 120 Milliarden Euro an Zinsen, die anstehen, letztendlich ohne Zinseszins, und zwar nur für die Europäische Union. Dazu kommen noch - ich weiß nicht, wie viel das ist - die Zinsen des IWF. Ich meine, das sind Summen - ob es nun um einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent oder von 6 Prozent für die nächsten 50 Jahre geht -, die einfach nicht zusammenkommen. Da werden Sie sich doch irgendwelche Überlegungen gemacht haben.

Weißgerber: Sie wissen: Wir sind jetzt im dritten Programm. Es gibt jetzt eben drei Griechenland-Programme. Jedes dieser Hilfsprogramme hat unterschiedliche Konditionen. Jedes dieser Hilfsprogramme muss man sich extra darauf anschauen, was die Zinsauflagen sind. Sie wissen, dass es zum Beispiel im zweiten Griechenland-Programm bereits jetzt umfangreiche Zinsnachlässe beziehungsweise Stundungen gibt, eben für die Zeit bis nach 2024.

Sie können sich natürlich rechnerisch überlegen - das ist mathematisch gar nicht so kompliziert -, wann welche Zinszahlungen anfallen. Es gibt eben den Zusammenhang zwischen Primärüberschuss, Schuldenstandsquote und daraus abzuleitenden Zinszahlungen. Das können Sie eben alles ausrechnen. Das ist auch, wie gesagt, nicht schwierig. Aber das heißt überhaupt nicht, dass wir jetzt darüber reden, was nach 2018 passieren wird, sondern das hängt eben weiterhin davon ab, wie der Fortgang dieser zweiten Programmüberprüfung abläuft, wie die nächsten Schritte sind. Dann werden wir weitersehen.

Zusatzfrage: Heißt das also, der Vorschlag, diese 3,5 Prozent auf zehn Jahre festzusetzen - bis 2028 oder was weiß ich -, kommt auch gar nicht aus Ihrem Haus?

Weißgerber: Sie wissen - ich habe es ja vorhin schon gesagt -, dass wir mit dem IWF eine Verständigung bis zum Abschluss des laufenden Programms haben. Das sind diese 3,5 Prozent. Darüber reden wir jetzt erst einmal.

Frage: Aus Ihrem Haus kam ja schon Ende Dezember die Warnung, dass ein finanzieller Mehrbedarf in Höhe von mehr als 100 Milliarden Euro besteht. So neu ist das jetzt also auch nicht. Warum wurde das jetzt noch immer aufgelistet, zumal es ja, wie Sie selbst sagten, im Februar die Einigung mit dem IWF gab, dass man jetzt erst einmal an diesen 3,5 Prozent festhält und über Schuldenerleichterungen erst im Sommer 2018 reden wird?

Was mich wundert, sind, an die Frage von dem Kollegen anknüpfend, Zinsstundungen. Ich dachte immer, es ist eher von weiteren Zinserleichterungen - falls die bei diesen niedrigen Zinsen überhaupt noch möglich sind - und Kreditlaufzeitverlängerungen die Rede. Aber wäre eine Zinsstundung nicht eine unerlaubte Hilfe unter den Euro-Ländern? Warum diskutiert man also überhaupt über so ein Instrument, das ja eigentlich ohnehin nicht erlaubt wäre?

Weißgerber: Ich kann jetzt erst einmal formal darauf antworten: Nicht wir haben ja ein Papier veröffentlicht, sondern es waren zwei Tageszeitungen, die heute ein angebliches Papier aus dem BMF veröffentlicht haben. Es steht mir also gar nicht zu, den Zeitpunkt dieser Veröffentlichung überhaupt zu kommentieren, und deswegen ist es aus unserer Sicht auch nicht einfach, hier jetzt etwas zum Zeitpunkt zu sagen.

Die Zinszahlungen sind, wie gesagt, bekannt. Ich muss es noch einmal sagen: Das ist alles Mathematik in Bezug darauf, wie man ein gegebenes Niveau einer Schuldenquote über die Jahre hinweg tragfähig halten kann. Das kann man eben über verschiedene Stellschrauben machen, über das Primärdefizit, über Zinszahlungen usw. Mit diesen Größen kann man sich eben beschäftigen oder auch nicht. Ich glaube aber, jetzt ist alles zu dem Thema gesagt!

Frage : Ich habe das Problem, dass mir mit jeder Antwort alles immer nur noch unklarer wird. Das ist eigentlich nicht das, was bezweckt ist.

Sie haben ja als Bundesregierung und als Eurogruppe avisiert, nach 2018 zu reden. Sie haben ja über die Instrumente, über die Sie reden wollen oder auch nicht reden wollen, auch schon etwas gesagt. Sie haben zum Beispiel immer klargemacht: Ein Haircut scheidet für uns als eine Möglichkeit, falls Schuldenerleichterungen nötig sind, aus. Daher verstehe ich nicht so recht, warum ich keine Antwort darauf bekomme, ob das Instrument von Stundungen oder einer Form der Zinserleichterung noch möglich oder für die Bundesregierung noch relevant ist oder nicht.

Dann würde ich mich gerne von Ihnen noch einmal kurz über diesen Betrag von 100 Milliarden Euro informieren lassen, der offenbar von Ihrem Ministerium schon einmal genannt worden ist. Was bezeichnete dieser Betrag, der wohl auf Ihren Staatssekretär zurückgeht, in Verbindung mit Zinsrisiken oder Finanzrisiken für Griechenland ganz konkret?

Weißgerber: Vielleicht gehe ich noch einmal eine Stufe zurück: Wir haben ein laufendes Programm. Wir haben eine zweite Programmüberprüfung. Die läuft. Wir gehen davon aus, dass sie zu einem erfolgreichen Abschluss kommen wird. Nur das ist der Stand, über den ich hier eigentlich Auskunft geben kann.

Alles andere sind reine Spekulationen, die Sie jetzt auf Basis von zwei Zeitungsartikeln anstellen. Dem, was ich bereits gesagt habe, um das einzuordnen, habe ich jetzt auch nichts weiter hinzuzufügen. Erst muss das Programm erfolgreich abgeschlossen werden, und dann werden wir weitersehen. Zu allen anderen Punkten habe ich an dieser Stelle jetzt nichts zu sagen.

Zusatzfrage : Diese 100 Milliarden Euro, die schon einmal von Ihnen genannt worden sind, wollen Sie mir auch nicht erklären?

Weißgerber: An dieser Stelle jetzt nicht, nein.

Frage: Ich habe noch eine Frage zum Bericht zur Hightech-Strategie; das war ja eigentlich noch ein Kabinettsthema. Frau Demmer hatte ja die beeindruckenden Erfolge herausgestellt, die diese Strategie gezeigt hatte. Herr Fischer, sind diese Erfolge trotz oder wegen der prekären Beschäftigungsbedingungen, die an vielen - oder an allen, kann man sagen - Hochschulen und Forschungseinrichtungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs herrschen, erzielt worden?

Fischer: Ich glaube, zu den Erfolgsfaktoren wurde schon Hinlängliches ausgeführt. In der Pressemitteilung ist dazu ja auch einiges nachzulesen. Es wurde ja gerade deutlich gemacht, dass halt zusätzliche Arbeitsplätze gerade auch im Forschungsbereich durch die Hightech Strategie der Bundesregierung initiiert und auf den Weg gebracht werden konnten.

Zum anderen Thema, das Sie angesprochen und damit verbunden haben: Ihnen ist auch bekannt, was die Bundesregierung unternimmt und unternommen hat, um dem zu begegnen.

Zusatzfrage: Dass diese Arbeitsplätze mehrheitlich befristet sind, ändert nichts am Erfolg dieser Hightech-Strategie?

Fischer: Ich glaube, ich habe jetzt dargelegt, dass der Zusammenhang, den Sie aufzeigen, differenziert zu beantworten ist.

Zusatz: Differenziert?

Fischer: Ja, wie ich es getan habe.

Frage : Ich muss noch einmal auf das MIT-Thema vom Anfang zurückkommen. Da gab es jetzt eine Meldung darüber beziehungsweise eine Information an mich, dass zwei Bundestagsabgeordnete auf dieser Liste stehen. Können Sie das bestätigen, Frau Demmer?

SRS'in Demmer: Mir ist die Meldung jetzt nicht bekannt. Ich kann dazu nichts sagen.

Zusatzfrage : Können Sie uns das eventuell nachreichen?

SRS'in Demmer: Klar.

Frage: Herr Dimroth, gehen Sie denn davon aus, dass der türkische Geheimdienst lediglich an der PKK und der Gülen-Bewegung interessiert ist, oder davon, dass er auch Informationen in Deutschland über Personen sammelt, die generell politisch aktiv und auch regierungskritisch gegenüber der Erdogan-Regierung sind?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass ich zu konkreten Sachverhalten, die die nachrichtendienstliche Tätigkeit hier in Deutschland betrifft, keine Ausführungen machen kann, weil darüber aus guten Gründen ausschließlich in den dazu bestellten und berufenen parlamentarischen Kontrollgremien berichtet wird.

Ganz allgemein kann ich Ihnen aber zunächst einmal sagen, dass im Verfahren, wenn über nachrichtendienstliche Kontakte Listen von Personen oder mit Informationen weitergegeben werden - verbunden mit dem Vorwurf, dass sich die Betreffenden, die dort aufgelistet werden, in Deutschland oder auch international sozusagen strafbar oder anderweitig strafrechtlich relevant verhalten haben -, ganz grundsätzlich immer in drei Richtungen geschaut wird. Das eine ist die Frage: Ist an diesen Vorwürfen etwas dran? Ergibt sich daraus ein Anhaltspunkt für strafbare Handlungen in Deutschland oder eben auch nach internationalem Recht, die eine entsprechende Ermittlung nach sich ziehen müssen? Die zweite Frage ist: Ergeben sich möglicherweise allein aus der Tatsache, dass solche Listen existieren beziehungsweise weitergegeben wurden, Gefährdungssachverhalte für die Betroffenen, die in diesen Listen aufgelistet werden? Die dritte Frage ist: Ergeben sich möglicherweise aus der Tatsache, dass solche Listen erstellt wurden, Anknüpfungspunkte zu möglichen nachrichtendienstlichen Tätigkeiten in Deutschland, die dann wiederum ihrerseits entsprechende Ermittlungen zur Folge hätten? - Dieses grundsätzliche Verfahren gilt selbstverständlich, wie gesagt, immer, wenn solche Sachverhalte in Rede stehen.

Zu dem konkreten Sachverhalt, ohne sozusagen die von mir eben selbst beschriebene Regel zu brechen, haben sich ja jetzt auch schon einige Kabinettsmitglieder geäußert, unter anderem auch der Bundesinnenminister, der gestern sehr deutlich gemacht hat, dass, sollten diese Vorwürfe - das möchte ich hier auch noch einmal sehr deutlich machen: wir reden hier über Vorwürfe, noch nicht über das Ende bestehender Ermittlungsbemühungen und Aufklärungsbemühungen - Substanz haben, wir dann auch über strafrechtlich relevantes Verhalten sprächen. Der Generalbundesanwalt hat ja gestern auch verkündet, dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Die unter anderem für die Spionageabwehr zuständigen Behörden und damit auch das Bundesamt für Verfassungsschutz schauen sich sehr genau an, ob es nach der dortigen Erkenntnislage entsprechende Tatsachen gibt, die diese Vorwürfe möglicherweise erhärten.

Eine allgemeine Einschätzung darüber, wie sie von Ihnen erbeten wurde, kann ich Ihnen hier nicht anbieten. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass selbstverständlich die zu Spionageabwehr berufenen Stellen sehr aufmerksam solche und andere Sachverhalte verfolgen, um in alle Richtungen zu ermitteln und sehr sensibel in alle Richtungen zu schauen, ob sich Anfangsverdächte beziehungsweise Anknüpfungspunkte ergeben, aus denen möglicherweise die Notwendigkeit erwächst, weitere Informationen zusammenzuführen, um dann ein belastbares Bild davon zu erhalten, ob es sich tatsächlich um möglicherweise vorwerfbare Spionagesachverhalte in Deutschland handelt oder eben auch nicht.

Frage : Ich wollte noch kurz das Finanzministerium fragen: Die EU-Kommission hat heute endgültig die geplante Fusion der Börsen in Frankfurt und London mit Vorbehalten gestoppt. Wie beurteilt das Finanzministerium diesen Vorgang mit Blick auf die Stärke des Finanzplatzes Deutschland?

Weißgerber: Erst einmal haben wir diese Entscheidung der Kommission zur Kenntnis genommen. Ich muss Ihnen aber sagen: Wir haben uns zu diesem Vorhaben in der Vergangenheit nicht geäußert, da es sich um eine unternehmerische Entscheidung handelt, und daher können wir auch die nun getroffene Entscheidung der EU-Kommission nicht kommentieren.

Zum Finanzplatz Frankfurt: Sie wissen, dass wir generell jegliche Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt unterstützen und ihn nach wie vor für einen attraktiven Standort für Finanzinstitute halten. Das ist aber in keinem Kontext zueinander zu sehen.

Frage : Frau Demmer, nur ganz kurz zum Anruf von Herrn Trump am Montagabend: Wie lange dauerte der Anruf, und um welche anderen Themen außer den Glückwünschen zur Saarlandwahl ging es da?

Hat Frau Merkel Herrn Trump erklärt, dass sie im Saarland gar nicht zur Wahl gestanden hat?

SRS'in Demmer: Wie Sie wissen, berichten wir aus vertraulichen Gesprächen nichts. Ich kann nur bestätigen, dass es dieses Telefongespräch gegeben hat.

Zusatzfrage : Wie lang das Gespräch gedauert hat und ob es noch andere Themen gab, wollen Sie nicht verraten?

SRS'in Demmer: Da muss ich Sie leider enttäuschen. Aus vertraulichen Gesprächen berichten wir hier nicht.

Alemany: Ich habe noch eine Ergänzung zu der Frage von vorhin zum Korruptionsregister und den Bußgeldhöhen beziehungsweise den Geldstrafen, da mir meine Mitarbeiter die entsprechenden Informationen nachgeliefert haben. Es ist so: Wenn sich Unternehmen auflösen, dann gelten die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts, die jetzt auch schon gelten und nachzulesen sind, sprich, es muss im Einzelfall überprüft werden. Wenn es aber beispielsweise so ist, dass ein Geschäftsführer verurteilt ist und deswegen in dem Register steht, dann würde er auch bei der Gründung eines neuen Unternehmens im Einzelfall in dem Register geführt werden können.

Zu den Tagessätzen möchte ich noch nachliefern: Eine Aufnahme in das Register findet bei Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen oder Geldbußen von mehr als 2500 Euro statt.

Frage: Herr Weißgerber, welche Steueroasen innerhalb der EU kennt das Bundesfinanzministerium?

Weißgerber: Diese Frage hatten wir ja schon am Montag. Ich kann dazu wiederholen, dass Steuerrecht eine nationale Angelegenheit ist und wir aus Deutschland heraus nicht in der Position sind, das Steuerrecht von anderen Staaten zu kommentieren. Wir ergreifen aber natürlich Maßnahmen auf nationaler Ebene, auf europäischer Ebene und auf internationaler Ebene, um mögliche Steuerumgehungspraktiken von Unternehmen und Privatpersonen zu verhindern. Dafür haben wir bereits eine ganze Menge getan, und da laufen auch weitere Initiativen.

Man muss aber immer wieder zur Kenntnis nehmen: Steuerrecht ist national, es ist in der Hoheit der Staaten; auch wir haben unser nationales Steuerrecht. Wenn Sie in der EU im Steuerrecht eine Harmonisierung vornehmen wollen, dann geht das nur einstimmig, das heißt, dann müssen alle bis jetzt 28 Mitgliedstaaten zustimmen. Wir haben eine Harmonisierung im Umsatzsteuerrecht; da gibt es Mindeststeuersätze, zum Beispiel 15 Prozent für die Mehrwertsteuer. Im Ertragssteuerrecht beziehungsweise im Unternehmenssteuerrecht gibt es so etwas nicht.

Das heißt, wenn man über Mindestbesteuerung reden will, dann braucht man einen breitestmöglichen Konsens. Das ist ein mühsames Verfahren, ein mühsames Unterfangen, aber Deutschland ergreift diesbezüglich regelmäßig die Initiative in den europäischen Arbeitsgruppen. Wir setzen uns für eine Mindestbesteuerung ein, wir unterstützen die Initiative der EU-Kommission für eine gemeinsame Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage, wir haben im nationalen Recht die Möglichkeit, auf bestimmte Steuerumgehungspraktiken zu reagieren - Stichworte sind hier die Zinsschranke und die Lizenzschranke - und wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass Steuerumgehung in - nennen Sie es ruhig Steueroasen - möglichst unterbunden wird.

Zusatzfrage: Das war interessant, aber gleichzeitig eine eher weiträumige Umfahrung der Frage beziehungsweise einer Antwort auf die Frage. Ihr Ministerium und auch ihr Minister haben in der Vergangenheit ja durchaus von Steueroasen - "tax havens" - gesprochen, wenn sie weiter weg lagen - Kaimaninseln oder sonst wo -; deswegen möchte ich ein bisschen präzisiert die schlichte Frage stellen: Erfüllen Luxemburg, Irland oder die Kanalinseln das, was man gemeinhin unter "Steueroasen" versteht?

Weißgerber: Sie wissen vielleicht, dass es einen Prozess sowohl auf EU-Ebene als auch auf europäischer Ebene gibt, und zwar zur Anfertigung einer sogenannten schwarzen Liste. Auf diese schwarze Liste kommen eben Staaten, die bestimmte Kriterien erfüllen und die man dann wahrscheinlich allgemeinverständlich als Steueroasen bezeichnen könnte. Die Arbeiten an dieser schwarzen Liste laufen, insofern macht es keinen Sinn, wenn Deutschland allein irgendwelche Staaten benennt; wenn, dann müssen wir das in der EU oder im Rahmen der OECD zusammen machen.

Die OECD - so viel kann ich sagen - arbeitet gerade an der Erstellung einer schwarzen Liste, die bis Juli, also bis zum G20-Gipfel in Hamburg, vorgestellt werden soll.

Der Stand auf EU-Ebene ist, dass man sich jetzt in den europäischen Arbeitsgremien auf Kriterien geeinigt hat. Das ist schon einmal ein weiter Schritt. Da hat Deutschland zum Beispiel durchgesetzt, dass auch Staaten, die eine Nullbesteuerung haben, auf diese Liste kommen. Die EU hat jetzt insgesamt 92 Staaten angeschrieben und wird mit denen ins Gespräch gehen. Bis zum Ende des Jahres soll eine gemeinsame Liste der EU-Staaten vorliegen, die dann beschlossen wird. Wenn wir diese Liste haben, werden wir hier auch die Frage beantworten, was wir ganz offiziell als Steueroase bezeichnen - vorher machen wir das aber nicht.

Zusatzfrage: Verstehe ich es also richtig, dass Sie im Moment eine Steueroase nicht eine Steueroase nennen möchten, weil dadurch das Verfahren, dass in Europa Steueroasen als Steueroasen benannt werden können, erschwert würde?

Weißgerber: Es würde gar keinen Sinn machen, wenn wir hier jetzt allein Staaten herausgreifen, da wir uns eben auf ein gemeinsames Verfahren in der EU und in der OECD verständigt haben.

Frage: Herr Fichtner, bislang galt die Ansicht, dass der belgische Atomreaktor Tihange 2 alles andere als sicher ist. Gleichzeitig genehmigt die Bundesregierung die Lieferung von Brennstäben an ebendiesen Atomreaktor. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?

Fichtner: Vielen Dank für die Frage. Die Ministerin kann gut verstehen, dass sich die Menschen in der Region an diesem Widerspruch zwischen unserem Einsatz für die Abschaltung des belgischen Reaktors, den Sie gerade genannt haben, und der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen von Brennstoff nach Belgien stören. Dieser Widerspruch stört die Ministerin auch, um ehrlich zu sein, aber ihr sind da die Hände gebunden. Unsere Beamten sind bei diesen Genehmigungen an Recht und Gesetz gebunden. Es handelt sich nicht um Ermessensentscheidungen. Solche Genehmigungen müssen erteilt werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, und das tun sie im Fall von Tihange und Doel ganz eindeutig. Verboten werden könnten solche Ausfuhren nur dann, wenn es um die missbräuchliche Verwendung von Kernbrennstoffen ginge. Das hat also nichts damit zu tun, wie man zu dem Betrieb von solchen Reaktoren steht, sondern es geht um die Verwendung als Waffen oder zu terroristischen Zwecken, es geht um Proliferation. Das ist der einzige Grund, auf dessen Grundlage man solche Ausfuhrgenehmigungen versagen kann. Insofern ist es tatsächlich seltsam, dass wir aus dem politischen Raum dazu aufgefordert werden, einen solchen Rechtsbruch zu begehen, denn es gäbe einfach keine Rechtsgrundlage dafür, diese Ausfuhren zu verbieten.

Zusatzfrage: Nordrhein-Westfalen hat sich jetzt, soweit ich weiß, einer Städteklage angeschlossen, um tatsächlich Tihange 2 schließen zu lassen. Das bedeutet doch letztendlich, dass die Sicherheit der Menschen tatsächlich gefährdet ist. Ist das kein ausschlaggebender Grund, um zumindest die Lieferung von Brennstäben zu untersagen?

SRS'in Demmer: Vielleicht kann ich mich da kurz einschalten: Die Bundesregierung ist im Austausch mit Belgien zu Sicherheitsfragen das Kernkraftwerk betreffend. Das deutsch-belgische Nuklearabkommen, das Ende letzten Jahres beschlossen wurde, sieht eine regelmäßig tagende gemeinsame Kommission vor, und diese wird eine verlässliche Basis für eine offene und kritische Diskussion zu allen Fragen der nuklearen Sicherheit bieten.

Fichtner: Diese Bundesregierung tut tatsächlich mehr als jede andere zuvor für die Sicherheit der Menschen in den Grenzregionen. Die Ministerin hat die belgische Regierung mehrfach gebeten, die befundbehafteten Anlagen zumindest solange vom Netz zu nehmen, bis die offenen Sicherheitsfragen geklärt sind. Wir tun alles, was im internationalen Miteinander getan werden kann, um die Situation zu verbessern. Frau Demmer hat gerade das deutsch-belgische Nuklearabkommen und die deutsch-belgische Nuklearkommission, die sich zu diesen Fragen in Zukunft austauschen wird, angesprochen. Da passiert also tatsächlich einiges.

Zusatzfrage: Ist es denn richtig, dass bereits Brennstäbe nach Tihange 2 geliefert wurden?

Fichtner: Das können Sie auf der Seite des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung nachlesen, die das immer im Nachhinein veröffentlicht - das ist ja berichtet worden, genau. Wie gesagt, das Atomrecht lässt da keinen Spielraum und das entspricht auch dem Europarecht. Das ist also tatsächlich nichts, was politisch entschieden werden kann, sondern das sind einfach die Spielräume, die wir haben. Alles, was wir auf politischer Ebene in Gesprächen mit den Belgiern tun können, tun wir.

Mittwoch, 29. März 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 29. März 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/03/2017-03-29-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2017

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