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PRESSEKONFERENZ/1471: Regierungspressekonferenz vom 7. Juni 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 7. Juni 2017
Regierungspressekonferenz vom 7. Juni 2017

Themen: Kabinettssitzung (Eckpunkte zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas, 13. Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, 4. Bericht zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, Abzug der Bundeswehr aus Incirlik), Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Katar vonseiten Saudi-Arabiens und anderer Staaten der Arabischen Liga und des Golf-Kooperationsrats, Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kernbrennstoffsteuer, Leitlinien der Bundesregierung für die Krisenprävention, Führungsverhalten und Dienstaufsicht am Bundeswehrstandort Pfullendorf, Wahl in Großbritannien, Rückrufaktionen für Pkw mit unerklärbar hohen Stickoxidwerten

Sprecher: StS Seibert, Nannt (BMVg), Schäfer (AA), Korff (BMI), Weißgerber (BMF), Jornitz (BMWi), Kübler (BMUB), Friedrich (BMVI)


Vorsitzender Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Der erste Tagesordnungspunkt, mit dem sich das Kabinett befasst hat, waren Eckpunkte zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas - Herausforderungen und Optionen, die der Bundesminister für besondere Aufgaben, also Minister Altmaier, dem Kabinett vorgelegt und die das Kabinett verabschiedet hat. Das ist ein Eckpunktepapier mit 16 Maßnahmen, mit denen wir die Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika stärken und fördern wollen. Es ist das Ergebnis einer Arbeit in der Staatssekretärsrunde unter Leitung des Bundeskanzleramtes. Wir können damit die verschiedenen Instrumente, die es auf Bundesebene zu diesem Thema gibt, besser auf die Gegebenheiten in Afrika ausrichten und auch besser miteinander verzahnen. Das sind Maßnahmen, die auch mögliche Beiträge der Bundesregierung zum Schwerpunkt Afrika unserer deutschen G20-Präsidentschaft darstellen. Sie sollen auch dazu beitragen, den Migrationsdruck in Afrika zu mildern.

Wie dieses Eckpunktepapier umgesetzt wird, soll wiederum eine Staatssekretärsrunde koordinieren und nachverfolgen. Im Wesentlichen sind es Maßnahmen rund um drei Schwerpunkte: erstens Verbesserung der Finanzstrukturen und der Finanzierung, zweitens Intensivierung der Außenwirtschaftsförderung und drittens Stärkung der Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Bei den Ländern, die einen G20-Compact mit Afrika abschließen und hierfür Reformen umsetzen, wird der Selbstbehalt für Hermes-Bürgschaften von 10 Prozent auf 5 Prozent abgesenkt. Das ist ein Signal für bessere Finanzierungsbedingungen in Afrika.

Dieses Eckpunktepapier wird - falls es Sie interessiert, das hoffe ich natürlich - heute auf der Internetseite www.bundesregierung.de veröffentlicht.

Dann hat sich das Kabinett mit dem 13. Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung befasst. Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung - das alles schädigt in erheblichem Maße unsere Volkswirtschaft und führt zu gravierenden Beitragsausfällen in der Sozialversicherung zulasten der Gemeinschaft. Es führt auch zu Wettbewerbsnachteilen für diejenigen Unternehmen, die sich gesetzestreu verhalten. Aus all diesen Gründen hat die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung für die Bundesregierung eine hohe Priorität. Wir wollen vor allem auch den fairen Wettbewerb ermöglichen.

Heute geht es nun um den 13. Bericht zu diesem Thema. Er umfasst den Zeitraum von 2013 bis 2016. Seit 2015 schauen wir bei diesem Bericht auch auf die Nichteinhaltung von Mindestlohnverpflichtungen. Der Bericht macht deutlich, dass die Bundesregierung die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung in diesem Zeitraum intensiviert hat, gerade weil sich die Erscheinungsformen dieser Phänomene natürlich ständig verändern. Auf diesen Entwicklungsprozess haben die Behörden reagiert. Da gilt es die fachliche und organisatorische Neuausrichtung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll, der sogenannten FKS, den Ausbau der Verwaltungszusammenarbeit und der Befugnisse der Behörden, die verstärkte Bekämpfung von organisierten Formen von Schwarzarbeit, die Einrichtung der Generalzolldirektion und die Einrichtung einer gemeinsamen Europäischen Plattform zur Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit zu nennen.

Seit fünf Jahren gibt es in Deutschland ein Anerkennungsgesetz. Dabei geht es um die Anerkennung beruflicher Abschlüsse und Qualifikationen, die im Ausland erlangt worden sind. Heute wurde dem Kabinett ein Bericht über dieses Gesetz, seine Wirkung in der Praxis und seine Inanspruchnahme durch die Menschen vorgelegt. Ganz klar wird daraus: Die berufliche Anerkennung ist für Zuwanderer ein Jobmotor. Bei den Gesundheitsberufen - sie machen einen großen Teil der Fälle aus - trägt das Anerkennungsverfahren dazu bei, unseren Fachkräftebedarf an Ärzten und in der Krankenpflege zu decken. Von denen, die einen Anerkennungsbescheid für ihre im Ausland erworbene berufliche Qualifikation bekommen haben, sind 88 Prozent erwerbstätig. Vor dem positiven Bescheid waren es 30 Prozent weniger. Diejenigen, die eine Berufsanerkennung bekommen haben, verdienen dann auch mehr. Die Monatseinkommen steigen nach der Anerkennung um durchschnittlich 40 Prozent oder um 1000 Euro. Das ist ein wichtiges Fazit des im Kabinett beschlossenen Berichts, den Bundesministerin Wanka Ihnen auf einer Pressekonferenz schon nähergebracht hat.

Ich will nur noch ganz kurz einige wichtige Zahlen nennen. Über 63 Zugewanderte haben zwischen 2012 und Ende 2015 die berufliche Anerkennung ihrer Abschlüsse beantragt. Drei Vierteln sind ihre ausländischen Berufsabschlüsse als gleichwertig mit einem deutschen Referenzberuf anerkannt worden. Das Interesse vor allem der Flüchtlinge hat 2016 noch einmal deutlich zugenommen: Rund 20 Geflüchtete haben sich zwischen Juni 2015 und Ende 2016 von den Experten des Netzwerkes "Integration durch Qualifizierung" beraten lassen.

Dann kamen wir zum Thema Incirlik. Nach dem Besuch des Außenministers in der Türkei hat sich das Kabinett heute noch einmal ausführlich mit der Situation um den Zugang von Abgeordneten auf die Luftwaffenbasis in Incirlik befasst. Es ist klar: Der Dialog mit der türkischen Regierung muss aufrechterhalten bleiben. Die Gespräche mit den Vertretern der türkischen Regierung sind derzeit aber sehr schwierig. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Türkei an ihrer Position zu Abgeordnetenbesuchen in Incirlik festhält. Dieser Zustand ist, wie wir auch hier schon mehrfach betont haben, für eine Parlamentsarmee und damit auch für die Bundesregierung nicht hinnehmbar. Darüber herrschte völlige Einmütigkeit im Kabinett.

Das Kabinett hat die mündlichen Berichte der Verteidigungsministerin und des Außenministers dazu zur Kenntnis genommen. Die Verteidigungsministerin hat dem Kabinett dann Pläne für den Abzug von Incirlik nach Jordanien vorgelegt. Die Weisungen und die Pläne für die Verlegung der etwa 200 Soldatinnen und Soldaten werden jetzt konkretisiert, und mit der Umsetzung wird begonnen.

Bei der Verlegung der Aufklärungstornados und des Tankflugzeugs wird es eine Unterbrechung unseres Beitrags zur Anti-IS-Koalition geben. Das koordinieren wir eng mit unseren Partnern und informieren dann über unsere Zeitlinien.

Frage : Herr Seibert, vielleicht auch Herr Nannt oder Herr Schäfer, wie weit wird das mit eventuellen Beschlüssen des Bundestages verzahnt?

Ich verstehe es jetzt so, dass mit der Erklärung der Ministerin die Planungen und die tatsächlichen konkreten Arbeiten unverzüglich, also ab sofort beginnen.

StS Seibert: Es gibt keine Notwendigkeit für einen formalen Beschluss oder gar eine Neumandatierung. Denn das bestehende Mandat trifft hinsichtlich des Stationierungsortes keine Aussage, sondern es trifft nur eine Aussage hinsichtlich des Einsatzraumes der Mission. Der Bundestag wird über die Situation und die anstehende Verlegung über die Ausschüsse informiert werden. Ob darüber hinaus noch eine weitere Befassung stattfindet, liegt in der Verantwortung des Bundestages und gegebenenfalls in der Verantwortung der Fraktionen im Bundestag.

Zusatzfrage : Könnten AA oder BMVg sagen, wie es jetzt konkret weitergeht?

Nannt: Dann schildere ich einmal die weitere Verfahrensweise aus Sicht des BMVg. Ab jetzt werden verschiedene Telefonate mit unseren Partnern geführt. Wir sind noch in den Abstimmungen, angefangen mit der Ministerin, die sich heute und morgen mit den Koalitionspartnern im Kampf gegen den IS abstimmt und auch noch einmal mit ihrem türkischen Amtskollegen und mit Jordanien spricht.

Die Verlegeplanung beginnen wir ab sofort. Das heißt, wir werden relativ zügig ein Vorkommando nach Jordanien schicken. Wir werden die Zeitplanung jetzt konkretisieren. Dabei geht es auch darum, dass wir zum Beispiel Verträge für den Bereich der Logistik machen und dass wir noch einmal eine Abstimmung darüber machen, wie die Versorgung der Soldaten vor Ort läuft. Auch in Jordanien sind wir in einem Camp untergebracht. Wir sind dort mit den USA und weiteren Bündnispartnern zusammen, sodass wir dort nicht allein auf uns gestellt sind. Dazu laufen jetzt die ganzen Absprachen.

Die Weisungen für die Umsetzung der konkreten Maßnahmen für die Verlegeplanung gehen heute noch hinaus. Weil wir mit den Aufklärungsflugzeugen und auch den Tankflugzeugen eine wertvolle Ressource für den Kampf gegen den IS im Rahmen der Koalition liefern, stimmen wir uns natürlich vorher mit unseren Partnern darüber ab, wann ein günstiges Zeitfenster ist, um die Kräfte dann sehr schnell und zeitgerecht herauszulösen. Diese Abstimmungen laufen heute und morgen. Ansonsten sind die Planungen, wie gesagt, ab jetzt sofort nach der politischen Entscheidung im Gange.

Schäfer: Für das Auswärtige Amt und den Außenminister möchte ich dazu sagen: Es ist nicht gut, dass es so gekommen ist, wie es jetzt gekommen ist. Der Besuch von Herrn Gabriel vorgestern hat uns die Gewissheit gebracht, dass wir unter den Bedingungen, die für uns wichtig sind, nicht mehr in der Türkei willkommen sind. Aber es ist gut, dass wir jetzt Klarheit haben und dass wir jetzt auf der Grundlage dessen, was heute im Kabinett besprochen wurde, agieren können. Das passiert natürlich in enger Abstimmung zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Auswärtigen Amt. Bei all den logistischen Fragen ist es klar, dass das Verteidigungsministerium das alles in bewährter Weise managt.

Wir haben ein Interesse daran, dass das so schnell geht wie nur irgend möglich. Herr Nannt hat darauf hingewiesen, dass wir eine gewisse Zeit ausfallen und dass das die Handlungsfähigkeit und auch die Effizienz der Anti-ISIS-Koalition erheblich beeinträchtigt. Deshalb muss es uns darum gehen, diese Verlegung so schnell wie möglich hinzubekommen, damit wir so schnell wie möglich einsatzbereit und handlungsfähig sind. Das wird Hand in Hand zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und uns geschehen. Es gibt dabei ja auch einige Fragen rechtlicher und vielleicht auch politischer Natur. Das wird, wie gesagt, in bewährter Weise - es ist ja nicht der erste Auslandseinsatz der Bundeswehr, auch nicht in der Region, wir sind im Libanon, wir sind auch anderswo - zwischen den beiden Häusern abgestimmt.

Wir hoffen, dass wir gute Ergebnisse bekommen. Die Reaktion und die Gastfreundschaft der jordanischen Seite sind vorbildlich. Deshalb denken wir, dass das alles sehr gut, sehr schnell und sehr vertrauensvoll gehen kann.

Zusatzfrage : An Herrn Nannt: Die Ministerin hat in ihrem Statement heute Vormittag von einer gestaffelten Verlegung gesprochen. Was muss man sich darunter vorstellen? Kann es bedeuten, dass Teile noch in Incirlik bleiben und auch von dort aus fliegen, während ein anderer Teil schon verlegt wird?

Nannt: Hier gibt es einen großen Unterschied zu anderen, neuen Einsätzen, die wir sonst haben und bei denen wir die Verlegung komplett aus Deutschland machen. Hier machen wir eine Verlegung aus einem laufenden Einsatz heraus. Das heißt, es wird nicht so sein, dass wir plötzlich alle Fähigkeiten einstellen und das nach Jordanien verlegen, sondern es wird staffelweise vor sich gehen. Das heißt, die Tankflugzeuge werden relativ schnell einsatzbereit sein mit einem Zeitfenster von etwa zwei bis drei Wochen. Für die Aufklärungsflüge wird es zwei bis drei Monate dauern.

Wie diese Staffelung dann läuft, ist, wie gesagt, auch ganz klar abhängig von den Gesprächen mit der Koalition, wie es passt. Aber unser Ziel ist es, die Pause, die Unterbrechung, die aus operativen Gesichtspunkten einfach notwendig ist, möglichst kurz zu halten. Diese Planung setzen wir jetzt konkret um und werden das dann stufenweise auch so machen. Wir werden nicht morgen plötzlich sagen: "Wir erbringen dort keine Leistungen mehr für die Koalition, und irgendwann geht es weiter", sondern wir werden es so machen, dass wir die Unterbrechung möglichst gering halten. Deswegen staffelweise.

Frage: Herr Nannt, können denn die Güter, die jetzt aus Incirlik verlegt werden müssen, direkt nach Jordanien geflogen werden, oder müssen sie erst nach Deutschland, zum Beispiel aus zollrechtlichen Gründen?

Können Sie etwas zur Sicherheitslage in Jordanien sagen? Ich spiele auf die Äußerungen des Wehrbeauftragten an. Müssen in Jordanien andere Maßnahmen ergriffen werden als in der Türkei?

Nannt: Es ist jetzt Aufgabe unserer Logistiker, das detailliert auszuplanen. Unser Punkt ist, dass wir natürlich gern möglichst direkt verlegen. Die zollrechtlichen Punkte habe ich jetzt nicht bei der Hand. Die Absicht ist, das unverzüglich zu machen, um natürlich auch die Zeitersparnisse zu haben. Wir sind jetzt dabei, auch das zu eruieren. Es kann sein, dass wir das auf dem Seewege tun oder auf dem Luftwege. Insofern muss man erst genau prüfen, welches die günstigsten Voraussetzungen sind, um diese Verlegung durchzuführen.

Zum Punkt Sicherheit: Der Einsatz im Kampf gegen den IS ist ein gefährlicher Einsatz, auch jetzt. Der Kampf gegen den IS wird ein gefährlicher Einsatz sein, ob aus der Türkei, aus Incirlik heraus oder aus Jordanien. Das ist unverändert.

Sie sprechen die Lage in Jordanien an. Wir sind dort nicht auf uns allein gestellt, sondern wir haben dort eine jordanische Liegenschaft, einen Flugplatz, von der aus wir agieren können. Wir haben dort unsere Partner. Sie wissen, dass auch die Amerikaner immer einen unheimlich hohen Sicherheitsstandard haben, wenn sie im Ausland operieren. In diesen Abstimmungen sind wir. Ich finde es falsch, zu sagen: Das eine ist gefährlicher, und das andere ist weniger gefährlich. - Der Einsatz ist - auch aus Soldatensicht gesprochen - gefährlich. Wir werden alles daransetzen, dass die Rahmenbedingungen so weit stimmen, dass wir den bestmöglichen Schutz unserer Soldaten dort vor Ort haben. Das gilt in Jordanien, und das gilt in der Türkei wie in jedem Einsatz.

Frage : Ich habe zwei Fragen dazu, die erste an Sie, Herr Seibert, noch einmal zur Einbindung des Bundestages: Wenn Sie sagen, dass es letztendlich Sache des Parlaments selber ist, das zu entscheiden, ist es denn dann aus Sicht der Bundesregierung, gerade weil Sie in den letzten Wochen und Monaten immer wieder betont haben, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist, nicht wünschenswert, dass sich der Bundestag etwa in Form einer Entschließung oder auf ähnliche Weise selber in diesen Prozess einbindet?

Eine zweite Frage an das Verteidigungsministerium: Haben Sie eine grobe Schätzung, was diese Verlegung an Kosten verursacht? Ist das im Rahmen des laufenden Etats zu leisten?

StS Seibert: Ich habe hier keine Erwartungen an den Bundestag auszusprechen. Aber für die Bundesregierung ist völlig klar, dass sie den Bundestag über jeden einzelnen Schritt informieren wird. So hat es die Bundesverteidigungsministerin vor Kurzem auch angekündigt. Sie wird auch sofort nach dem Kabinettsbericht kommende Woche dem Bundestag berichten. Ich denke, das ist richtig.

Wie sich der Bundestag dann in seiner eigenen Verantwortung als eigenes Verfassungsorgan zu der Sache verhält, ob er, wie man ja lesen konnte, auf einen Entschließungsantrag hinarbeiten will, ist tatsächlich parlamentarische Angelegenheit. Ein neues Mandat ist nicht notwendig, das ist unsere klare Einschätzung. Wir sind uns darüber einig und gehen davon aus, dass es diese Einigkeit auch in weiten Teilen des Deutschen Bundestages gibt.

Nannt: Zur Dimension der Verlegung: Es sind ungefähr 200 Container. Darin ist viel technisches Gerät, darin sind Ersatzteile, der Gefechtsstand, Bürocontainer, die wir auch verlegen. Wie die Kosten sein werden, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht abschätzen, weil die Frage auch ist - das habe ich dem vorigen Fragesteller gerade gesagt -, welche Transportmittel man nimmt und wie wir das staffeln. Das kann ich also jetzt noch gar nicht bemessen. Ich sehe jetzt nicht, dass daraus irgendwelche Forderungen entstehen, wie Sie es jetzt ansprechen, sondern es ist jetzt letztlich unsere Aufgabe, das zu machen. Dafür haben wir das politische Mandat, und das werden wir jetzt so umsetzen.

Zusatzfrage : Nur zur Klärung: Wenn Sie von irgendwelchen Forderungen sprechen, heißt das, dass Sie keinen Nachschlag zu Ihrem Haushalt vonseiten des Finanzministers oder von wem auch immer brauchen?

Nannt: Nein, es wäre auch unredlich, jetzt einen Nachschlag für eine Verlegung zu fordern. Man muss auch sehen, wie hoch der Verteidigungshaushalt ist und welche Kosten real durch die Verlegung entstehen.

Frage : Herr Nannt, eine technische Frage zum Tankflugzeug, das dort fliegt: Welche Flugzeuge werden überwiegend in der Luft betankt? Sind das die Tornados oder zum Beispiel auch die Flugzeuge der Amerikaner? Wenn das Tankflugzeug weg ist, wer ersetzt die deutschen Fähigkeiten, auch die Fähigkeiten der Tornados? Das ist die erste Frage.

Herr Schäfer, sehen Sie durch die ganze Geschichte eine Belastung der Beziehungen der Nato mit der Türkei?

Nannt: Beide Fähigkeiten, die wir dort stellen, sowohl die Tankflugzeuge als auch die Aufklärungsflugzeuge, sind wichtige Fähigkeiten für die Koalition. Dennoch sind wir nicht allein. Es ist eben nicht so, dass das das einzige Tankflugzeug wäre oder dass das die einzigen sechs Aufklärungsflugzeuge wären. Das ist genau der Punkt, den ich gerade schon angesprochen habe, dass wir uns jetzt - heute und morgen - noch einmal innerhalb der Koalition gegen den IS dazu abstimmen, wie wir diese Verlegung planen. Das heißt: ein günstiges Zeitfenster, eine möglichst kurze operative Pause, weil es eben wichtige Fähigkeiten sind. Das heißt aber nicht, dass durch die Verlegung plötzlich der Einsatz gefährdet wäre, ganz im Gegenteil. Wir haben viele Fähigkeiten, aber wir müssen uns sauber abstimmen. Diese Fähigkeiten werden wir in Jordanien wieder relativ schnell bereitstellen. Das ist unsere Aufgabe. Ich selber bin Operateur. Das setzen wir jetzt um. Wir werden erst mit den Partnern abstimmen, wann gute Lücken sind und wann gute Möglichkeiten sind. Dann wird das gemacht.

Was die Betankung angeht, so ist das nicht das Betankungsflugzeug unserer Tornados, sondern die Betankung findet natürlich für die Koalition insgesamt statt. Aber es ist eines von mehreren Tankflugzeugen, die dort insgesamt bereitgestellt werden.

Schäfer: Ich denke, Sie haben die Stellungnahme der Nato zu den deutsch-türkischen Beziehungen im Zusammenhang mit Incirlik zur Kenntnis genommen, dass die Nato es bedauert, dass es so gekommen ist. Immerhin haben wir eine Situation, in der der Nato-Beitrag zur Anti-ISIS-Koalition mit den AWACS, auf denen ja viele deutsche Soldatinnen und Soldaten sind, von der Türkei auch im Hinblick auf das Besuchsrecht nicht in Zweifel gezogen ist. Das heißt, die Türken haben aus innenpolitischen Gründen eine Haltung gewählt, die uns gezwungen hat, so zu agieren, wie es heute im Kabinett entschieden worden ist, aber sie sind nicht darüber hinausgegangen, sondern, wenn Sie so sagen wollen, mit gebremstem Schaum vorgegangen.

Das ist immer noch bedauerlich für uns, weil es das erforderlich macht, was Herr Nannt und wir Ihnen gerade erklärt haben und weil es bedauerlicherweise unweigerlich eine Pause in unserem Einsatz mit sich bringt. Ich hoffe, dass es uns allen gelingt - das gilt auch für die Nato -, den Fallout und die Folgen dieser sehr unangenehmen Entwicklungen möglichst gering zu halten. Dass der deutsche Außenminister vorgestern in Abstimmung mit der Bundeskanzlerin für die Bundesregierung in Ankara gewesen ist und dort ausdrücklich die Hand ausgestreckt hat, um auch angesichts von Incirlik und dieser schwierigen Lage zu versuchen, das mit der Türkei an den vielen Punkten, an denen wir gut zusammenarbeiten wollen, wieder hinzubekommen, haben Sie gesehen. Das gilt natürlich auch nach der heutigen Entscheidung.

Zusatzfrage : Eine ganz kurze Nachfrage: Was wäre der Worst Case? Sie sagten, die türkische Regierung habe die Sache - so habe ich Sie verstanden - mit angezogener Handbremse - - -

Schäfer: Wir haben auf der Grundlage des Mandats, über das wir hier sprechen und das bis Ende Dezember 2017 gilt, deutsche Soldatinnen und Soldaten an zwei Standorten, nämlich in Incirlik und in Konya. Für beide gilt die klare Vorgabe einer Besuchsmöglichkeit. Bei Konya gibt es jetzt die türkische Haltung, dass so etwas geschehen kann. Das wird in absehbarer Zeit sicherlich auch geschehen oder jedenfalls getestet werden. Für Incirlik haben wir die klare Absage. Deshalb musste das geschehen, was heute, wenn Sie so wollen, auch förmlich passiert ist.

Frage: Eine Frage hat Herr Schäfer sozusagen vorausschauend schon zu drei Vierteln beantwortet. Konya ist wegen der Besuchserlaubnis, die im Mai erteilt wurde, derzeit keinerlei Thema für die Bundesregierung. So werte ich das.

Zweite Frage: Gehen Sie, da die Türkei Incirlik auch innenpolitisch begründet hat, davon aus, dass es in der Reaktion irgendwelche Auswirkungen auf die Fälle von Yücel, Tolu und von anderen inhaftierten Journalisten geben kann? Anders gefragt: Gibt es gerade in diesen beiden Fällen irgendwelche Neuigkeiten, von denen Sie uns berichten können?

Schäfer: Vielleicht noch ein Wort zu Konya und zu Incirlik: Dass wir uns um unsere Soldatinnen und Soldaten im Ausland intensiv kümmern mit all den Facetten, die das mit sich bringt - Fürsorge, Besuchsrecht etc. - gilt für Incirlik und für Konya. Es gilt auch für den Libanon und all die anderen gefährlichen Orte - Afghanistan, Mali -, an denen deutsche Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sind. Deshalb haben wir natürlich auch immer im Blick, was in Konya passiert und ob das alles so ist, wie wir es uns wünschen.

Vorgestern hat der Außenminister natürlich auch die - so muss man aus unserer Sicht schon sagen - Menschenrechtsfälle Tolu, Yücel etc. angesprochen und sowohl dem Staatspräsidenten als auch dem Außenminister sehr klar gemacht, was unsere Haltung dazu ist und was unsere Erwartungen sind. Er hat insbesondere gesagt, dass er sich wünscht, dass es sehr bald im Falle Yücel eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg gibt. Der Fall ist dort seit Monaten anhängig. Das Gericht hat uns wissen lassen, dass es beabsichtige, jedenfalls ein beschleunigtes Verfahren einer Entscheidungsfindung in diesem Fall anzuwenden. Was das angesichts eines relativ großen Staus von Bearbeitungen des Gerichtshofes genau bedeutet, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls haben wir die Hoffnung, dass es zügig zu einem Urteil kommt und dass es vor allen Dingen zu einem Urteil kommt, das die Türken nicht nur akzeptieren und respektieren, sondern auch unverzüglich umsetzen. Auch diese Erwartung hat der deutsche Außenminister für die Bundesregierung dem türkischen Staatspräsidenten und dem türkischen Außenminister ganz deutlich gemacht.

Auch darüber hinaus und jenseits dieses hoffentlich bald eintreffenden Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hat er noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig für uns diese Fälle deutscher Staatsangehöriger in türkischen Haftanstalten sind, wie wichtig es ist, dass es anständige Haftbedingungen gibt und dass die Verfahren, die deutsche Staatsangehörige zum Gegenstand haben, zügig, rechtsstaatlich und fair geführt werden, einschließlich der Frage des Freiheitsentzuges, also der regelmäßigen Überprüfung, ob wirklich eine Untersuchungshaft in all diesen Fällen ständig angemessen ist, weil aus unserer Sicht eben keine Haftgründe dafür vorliegen. Klarer als der Außenminister das auch im direkten Gespräch gemacht hat, kann man das, denke ich, nicht machen. Unsere Haltung muss ich hier auf Ihre Fragen ja dreimal die Woche vortragen.

Zusatzfrage: Aber bleibt es nach wie vor dabei, dass der Status der ist, dass vonseiten der Türkei keine generelle konsularische Betreuung oder so etwas zur Diskussion steht, sondern dass es immer nur auf Einzelfallantrag und Bescheid hin geht?

Schäfer: Na ja, die Antwort liegt ein bisschen in der Mitte. Ich denke, die Türken bestreiten gar nicht mehr, dass es ein Besuchsrecht und einen Besuchsanspruch bei Frau Tolu gibt. Nur ist es gleichwohl so, dass die Verfahren, die uns die Türken mit auf den Weg geben, immer mehrwöchige Prozeduren auf türkischer Seite vom Zeitpunkt der Beantragung eines konkreten Besuchstermins bis zu dessen Genehmigung erforderlich machen. Das macht uns, ehrlich gesagt, etwas Schwierigkeiten. Aber wir versuchen, damit umzugehen, weil wir darauf angewiesen sind, dass die türkische Seite dabei mit uns kooperiert. Wir finden auch im türkischen Außenministerium Ansprechpartner, die für unsere Wünsche und Anliegen empfänglich sind, insbesondere für das geltende Völkerrecht. Deshalb werden wir weiter dranbleiben und nicht nachlassen.

Richtig ist aber, dass wir, so wie es hier und heute steht, bei Deniz Yücel - das hatte ich Ihnen bereits vor einigen Wochen gesagt - einen anstehenden Besuch unseres Botschafters haben, aber darüber hinaus keine Zusage für weitere Besuche.

Frage: Die deutsche Luftwaffenbasis soll also geschlossen werden. Herr Schäfer, Sie sagten, Deutschland beziehungsweise die Deutschen seien in der Türkei aktuell nicht mehr willkommen. Trotzdem ist gleichzeitig aber eine Ausweitung der Zollunion mit der Türkei im Gespräch. Für viele scheint das erst einmal ambivalent zu sein.

Können Sie das aufklären? Was verspricht sich die Bundesregierung von diesem, wenn man so will, doppelten Vorgehen?

Schäfer: Erlauben Sie mir zunächst einmal, dass ich das, was ich gesagt habe, klarstelle. Ich meine, ich habe es klar gesagt, aber ich sage es für alle Fälle noch einmal: Wir sind unter den Bedingungen, die für uns, aus unseren verfassungsrechtlichen und politischen Erwägungen heraus - eine Parlamentsarmee, die Bundeswehrsoldaten ins Ausland schickt -, unter den Bedingungen, die für uns entscheidend sind, tatsächlich nicht mehr in Incirlik willkommen. Deshalb die heutige Entscheidung.

Darüber hinaus ist es so - auch das habe ich an dieser Stelle schon sehr häufig zu sagen versucht -: All das, was rechtsstaatliche Verfahren angeht, die Justiz angeht, den Umgang mit deutschen Staatsangehörigen angeht, die in der Türkei Gegenstand von Ermittlungsverfahren sind oder sich in Haft befinden, sind Dinge, die sich aus unserer Sicht ganz sicher nicht für irgendwelche Deals eignen, bei denen man das eine mit dem anderen aufrechnen würde.

Dass es andererseits so ist, dass partnerschaftliche Wünsche von türkischer Seite bei uns im Lichte einer Gesamtbewertung der Lage beantwortet und bewertet werden, liegt auf der Hand. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass weiterhin eine hohe Zahl deutscher Staatsangehöriger aus unserer Sicht in rechtsstaatswidriger Weise in türkischen Gefängnissen sitzt, während wir darüber hinaus so tun, als wenn alles ganz normal wäre. Insofern ist es natürlich so, dass wir bei allem, was es an türkischen Petita gegenüber der Europäischen Union oder im deutsch-türkischen Verhältnis gibt, auch immer einen Blick darauf haben, wie der Gesamtstand unserer Beziehungen ist und dass das natürlich einfließt - ohne dass es - das will ich noch einmal ausdrücklich sagen - irgendwelche asymmetrischen Deals oder gar schmutzige Geschäfte geben könnte oder würde, bei denen man das eine mit dem anderen vermengen würde.

StS Seibert: Ich darf vielleicht noch einmal einen Satz der Bundeskanzlerin aus ihrer letzten Regierungserklärung zu diesem Thema in Erinnerung rufen. Sie hat gesagt: "Eine [...] Abwendung der Türkei von Europa, aber auch - und das sage ich mit Bedacht - Europas von der Türkei wäre weder im deutschen noch im europäischen Interesse. Es ist also Klugheit ebenso wie Klarheit gefragt." Ich denke, in Sachen Incirlik war das Bundeskabinett heute sehr klar. Aber wir werden auch klug sein.

Zusatzfrage: Außenminister Gabriel sprach auch von der Gefahr, die Türkei unter Umständen ansonsten an Russland zu verlieren. Worauf genau bezog er sich dabei? Durch welche Maßnahmen soll dieser Gefahr begegnet werden? Können Sie das etwas konkretisieren?

Schäfer: Ich glaube, die von Herrn Seibert gerade zitierten Sätze der Bundeskanzlerin sagen auf andere Art und Weise etwas ganz Ähnliches. Angesichts einer in Gefahr geratenen Sicherheitslage Europas, von der wir 25 Jahre - ein Vierteljahrhundert - lang geglaubt haben, es sei alles ganz einfach, der Friede bei uns sei nach dem Fall der Mauer, dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen und europäischen Wiedervereinigung ewig, müssen wir - manche reiben sich verwundert die Augen - feststellen, dass die Sicherheit und die Stabilität Europas eben nicht so in Stein gemeißelt ist, wie viele von uns es eine Generation lang geglaubt haben. Dazu gehört es auch, bewährte Bündnispartner - das ist die Türkei sicher - im Nordatlantischen Bündnis an Bord zu halten, weil die Stabilität und die Sicherheit nicht nur der Türkei, sondern darüber hinaus auch der ganzen Region im Südosten Europas für unsere Sicherheit und für unsere Stabilität von ganz übergeordneter Bedeutung sind. Deshalb haben wir jegliches Interesse daran, so gut es geht und soweit es geht, mit unserem Partner Türkei auch in Sicherheits- und außenpolitischen Fragen gut und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, um zum Beispiel gemeinsam darum zu kämpfen, die existenzielle Bedrohung, die es für uns alle durch den "Islamischen Staat" gibt, ein für alle Mal zu beseitigen. Da sind wir auf gutem Wege.

Das gibt mir den Anlass, Ihnen auch zu sagen, dass wir uns darüber freuen, dass jetzt hoffentlich tatsächlich die letzte Etappe der Überwindung der von ISIS ausgehenden Gefahren - jedenfalls aus Rakka in Syrien - begonnen hat. Erste von uns sowie von der Anti-ISIS-Koalition unterstützte Einheiten haben Vororte von Rakka erreicht. Es gibt dort auch bereits Kämpfe, sodass wir ähnlich wie in Mossul im Irak - ja auch einer der "strongholds" des IS - innerhalb absehbarer Zeit doch wirklich begründet hoffen können, vielleicht sozusagen das letzte Nest und sozusagen den letzten großen territorialen, städtischen Komplex, der noch von dem "Islamischen Staat" beherrscht wird, wieder befreien zu können. Auch dazu bedarf es einer guten Kooperation innerhalb der Anti-ISIS-Koalition und auch zwischen Deutschland und der Türkei.

Frage: Ich habe zwei kurze Fragen, vielleicht auch mit der Hoffnung auf kurze Antworten. Erste Frage: Wird man nach der ja jetzt etwas holprigen Erfahrung mit der Türkei auch mit Jordanien im Vorhinein vertraglich klären, dass Besuche von Abgeordneten und anderen Besuchern, also auch von Journalisten, auf der Basis in Jordanien grundsätzlich erlaubt sind? Das wäre ja vielleicht ganz angebracht, um einen zweiten Limbo zu vermeiden.

Die zweite Frage bezieht sich auch auf die Verträge. Soweit ich weiß, gilt ja in Jordanien die Scharia. Wird man mit Jordanien einen Vertrag machen, wie es ihn ähnlich auch in Afghanistan und anderen Ländern gibt, der den deutschen Soldaten Immunität vor dem lokalen Gesetz einräumt?

Schäfer: Danke für Ihre Fragen. Einige davon haben wir an dieser Stelle schon vor einigen Wochen, weil wir uns ja nicht erst jetzt mit diesem Fall und der Frage einer Verlegung nach Jordanien beschäftigt haben, beantwortet. Ich habe gesagt, dass wir gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium jetzt daran arbeiten werden, ein möglichst hohes Schutzniveau für unsere deutschen Soldatinnen und Soldaten in Jordanien hinzubekommen. Das ist deshalb nicht ganz so einfach, weil Jordanien eben kein Mitglied der Nato ist und deshalb eben das Nato-Truppenstatut, das all diese Regelungen zu unserer Zufriedenheit enthielte, für Jordanien nicht ohne Weiteres gilt.

Die Verteidigungsministerin hat - Herr Nannt, korrigieren Sie mich, wenn ich etwas Falsches sage - gerade noch einmal bekräftigt, was sie bereits vorher gesagt hat, nämlich dass sie mit dem König gesprochen und entsprechende Zusicherungen bekommen hat, dass das alles so sein wird, wie das für uns erforderlich ist. Das werden wir jetzt natürlich nacharbeiten.

Wir haben gute Erfahrungen und jahrzehntelange vertrauensvolle Beziehungen mit dem Königreich Jordanien, mit dem König selbst, mit dem Außenminister, mit dem Premierminister und sozusagen mit dem ganzen Staat. Deshalb glaube ich, Sie können ganz beruhigt sein, dass wir das auf eine Weise hinbekommen, die ein Schutzniveau unserer Soldatinnen und Soldaten sicherstellt, das aller Ehren wert ist.

Dass Sie auch Besuchsrechte für Journalisten einfordern, ehrt Sie, und das finde ich auch verständlich. Für uns geht es jetzt in erster Linie erst einmal darum, dass Abgeordnete dorthin können. Wenn dann auch Journalisten dorthin kämen, dann wäre das ganz wunderbar. Das ist uns wichtig, aber vielleicht zurzeit nicht das Allerwichtigste.

Zusatzfrage: Da ja jetzt beide Fragen nicht beantwortet worden sind, frage ich noch einmal konkret: Wird Deutschland auf Immunität der Soldaten vor dem lokalen Gesetz drängen, ja oder nein? Gibt es Verhandlungen über eine grundsätzliche Zusage von Abgeordnetenbesuchen? Man kann doch beide Fragen mit Ja oder Nein beantworten!

Schäfer: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die jordanische Seite angesichts des öffentlich ausgetragenen Konflikts um das Besuchsrecht von deutschen Parlamentariern irgendeinen Zweifel daran haben kann, dass das für uns eine Voraussetzung dafür ist, nach Jordanien zu verlegen. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich kann Ihnen allerdings nicht von konkreten Verhandlungen berichten, die es womöglich gegeben hat, von denen ich aber nichts weiß, in denen diese Frage schon zur Sprache gekommen wäre oder gar geklärt worden wäre.

Was die Geltung der Scharia angeht, so bin ich jetzt und hier über den Anwendungsbereich der Scharia gegenüber Ausländern generell nicht ganz im Bilde. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass ich da zunächst erst einmal Rücksprache halten muss. Ich stehe selbstverständlich hinsichtlich solcher Fragen auch Rede und Antwort.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage zu der staffelweisen Verlegung. Heißt das, dass während dieser zwei, drei Monate, die das dauern soll, die deutschen Fähigkeiten nie komplett ausfallen, oder wie muss man sich das vorstellen? Sind das also zwei Fliegen? Inwieweit schwächt das bei aller Absprache mit den Partnern dann doch die Effizienz dieses Anti-ISIS-Einsatzes?

Nannt: Vielleicht zu der staffelweisen Verlegung: Das geschieht staffelweise, weil wir den Zeitraum möglichst kurz halten wollen. Es wird also zu einer operativen Unterbrechung kommen; das können wir gar nicht verhindern. Hintergrund ist, dass wir dort in Incirlik eine Auswertstation haben, die wir auch in Jordanien nutzen werden. Das heißt, die werden wir abbauen. Die werden wir auch nach Jordanien verlegen. Die Flugzeuge selbst sind jetzt nicht das Problem, aber die Bilder, die die Flugzeuge liefern, müssen auch ausgewertet werden können, sie müssen genutzt werden können. Das ist der Punkt, um den es dabei geht.

Aber es wird eben nicht so sein, dass wir jetzt morgen den Knopf ausschalten werden, sagen werden "Jetzt machen wir quasi Pause", und dann geht es irgendwann weiter, sondern unser Ziel ist es natürlich, diesen Zeitraum möglichst kurz zu halten. Genau deshalb machen wir das eben staffelweise oder verzugsweise. Aber es wird bei den Tornados eine Unterbrechung von zwei bis drei Monaten und bei den Tankflugzeugen eine Unterbrechung von zwei bis drei Wochen geben; das ist so. Das ist für uns immer ein logistisches Thema, wahrscheinlich gar nicht so sehr ein Thema für Sie. Für Sie ist wahrscheinlich eher das Zeitfenster - zwei bis drei Wochen, zwei bis drei Monate - das Thema. Für uns, die Bundeswehr, ist es logistisch gesehen wieder so, dass wir das einfach staffelweise machen werden, um die Unterbrechung möglichst kurz zu halten.

StS Seibert: Ich habe noch eines nachzutragen, was ich auch vorhin schon hätte tun sollen. Es geht um die Situation rund um Katar. Die Bundesregierung hat die Entscheidung Saudi-Arabiens und anderer Staaten der Arabischen Liga und des Golf-Kooperationsrats, die diplomatischen Beziehungen zu Katar abzubrechen und das Land auf dem Land-, dem See- und dem Luftweg zu isolieren, mit Sorge zur Kenntnis genommen. Wir rufen alle Beteiligten dazu auf, zum Dialog zurückzukehren und die diplomatischen Spannungen wieder abzubauen. Die Konflikte in der Region, ob es nun um Syrien, den Irak oder Jemen geht, sind nur auf dem Verhandlungsweg zu lösen. Die weiter gehende Isolation eines einzelnen Landes halten wir dabei nicht für zielführend.

Frage : Mich würde interessieren, wie viele deutsche Staatsbürger sich im Moment in Katar aufhalten. Gibt es darüber irgendwelche Informationen?

Nun ist Katar - das ist die zweite Frage - ja ein großer Investor in Deutschland, der bei renommierten DAX-Unternehmen engagiert ist. Hegt man die Befürchtung, dass sich an dieser wirtschaftlichen Rolle Katars etwas ändern wird, dass dieser Konflikt auch auf die wirtschaftliche Seite in Deutschland und die Rolle von Katar als Investor ausstrahlen wird?

StS Seibert: Ich kann vielleicht nur kurz etwas zu den zweiten Teil Ihrer Frage sagen. Ich habe ja jetzt auch klargemacht: Wir verfolgen die Entwicklung auf der Arabischen Halbinsel sehr genau. Ob die Spannungen zwischen Katar und seinen Nachbarstaaten Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben werden, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar.

Schäfer: Die Zahl deutscher Staatsangehöriger muss ich Ihnen zurzeit schuldig bleiben. Ich gehe davon aus, dass es dort mindestens eine dreistellige Zahl von Deutschen gibt.

Sie können sich sicher denken, dass in dem Moment, in dem es zu dieser jedenfalls in ihrer Vehemenz doch etwas überraschenden Ankündigungen einer Koalition von Golf-Monarchien und arabischen Staaten gekommen ist, unsere Botschaft in Doha sofort sozusagen in den Krisenmodus übergegangen ist. Wir haben noch keine rechte Vorstellung davon, in welcher Weise Saudi-Arabien - das ist ja das einzige Nachbarland Katars auf dem Landweg - die Blockade oder das Schließen der Grenzen tatsächlich umsetzt. Es gibt ja wohl zahlreiche Versorgungsgüter, die über diese Landgrenze nach Doha und nach Katar gelangen. Welche Folgen das für die Versorgungslage haben wird, ist aus unserer Sicht kurzfristig nicht absehbar.

Aber dass die Botschaft in Kontakt mit den deutschen Staatsangehörigen steht, die sich in Katar aufhalten, und sich natürlich auch auf der Grundlage bereits bestehender Planungen Gedanken darüber macht, was gegebenenfalls bei einer weiteren Eskalation der Lage getan werden muss, kann ich Ihnen bestätigen.

Frage: Es gibt Berichte, denen zufolge die Krise durch Hackerangriffe ausgelöst worden sein könnte, die dann Falschmeldungen in Bezug auf die Unterstützung des IS durch Katar lanciert hätten. Hat irgendein Ministerium Erkenntnisse darüber?

Zweitens, an das BMI in seiner Rolle als Sportministerium: Inwiefern beschäftigt Sie die Frage einer möglichen Absage oder Nicht-Teilnahme Deutschlands an der Fußball-WM?

Schäfer: Was ich vielleicht tun kann, ist, dass ich Ihnen sage, dass der deutsche Außenminister gerade eben seinen saudischen Amtskollegen zu Gast hatte. Ich war bei diesem Gespräch vor der Regierungspressekonferenz dabei. Bei diesem Gespräch hat der saudische Kollege von Herrn Gabriel in keiner Weise Bezug auf mögliche Hackerangriffe oder öffentliche Äußerungen des Emirs oder anderer Vertreter des Emirats Katar genommen, sondern hat deutlich gemacht, dass es - wie auch öffentlich bekannt ist - um Fragen der Terrorismusbekämpfung geht und dass es andere Meinungsverschiedenheiten im Umgang mit regionalen Fragen gibt, unter anderem die Hamas, das Verhältnis zum Iran und einige andere Fragen betreffend.

Korff: Zuerst einmal zu der Frage nach der WM: Wie Sie wissen, sind die Austragungsorte eine verbandspolitische Frage. Darüber entscheidet die FIFA, deren Mitglied der DFB ist. Die haben sozusagen in diesem Rahmen darüber zu entscheiden. Wir haben das zur Kenntnis genommen, aber im Moment ist das sozusagen nicht zu kommentieren.

Zu den Hackerangriffen haben wir bislang keine Erkenntnisse.

Frage : Herr Schäfer, ich wollte Sie fragen, wie Sie die Rolle der Vereinigten Staaten in dieser Situation bewerten. Präsident Trump hat sich mit seinen Aussagen ja eindeutig auf die Seite der Saudis gestellt. Sehen Sie das als einen stabilisierenden Einfluss an?

Schäfer: Jetzt müssten Sie mir genau sagen - Sie nehmen wahrscheinlich auf Tweets des amerikanischen Präsidenten Bezug -, was denn aus Ihrer Sicht die Haltung der amerikanischen Regierung ist, mit der Sie mich konfrontieren. Ich sehe mehrere. Ich sehe klare Äußerungen des amerikanischen Verteidigungsministers, der natürlich wie das Pentagon auf die 10 amerikanischen Soldaten blickt, die seit vielen Jahrzehnten in Katar stationiert sind. Im Sicherheitsbereich und im Verteidigungsbereich gibt es ganz bestimmt auch intensive Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Emirat Katar.

Ich habe heute Morgen Äußerungen meiner amerikanischen Kollegen im State Department gelesen, und zwar nach Äußerungen des amerikanischen Außenministers, der gestern in einer Pressekonferenz zum Thema Katar befragt wurde und sich in ähnlicher Weise - ich würde sagen, in inhaltlich übereinstimmender Weise - eingelassen hat, wie es gestern der Außenminister gegenüber einer deutschen Tageszeitung getan hat und wie es Herr Seibert gerade für die Bundesregierung getan hat. Darin kann ich jetzt keine großen Unterschiede erkennen.

Unterschiede kann ich in der Tat in einigen 140-zeichigen Äußerungen des amerikanischen Präsidenten erkennen. Aber was jetzt tatsächlich die Haltung der Vereinigten Staaten von Amerika ist - vor allen Dingen, welchen Einfluss die Reise des amerikanischen Präsidenten auf diese für uns überraschende und auch in ihrer Härte und Vehemenz doch überraschende Reaktion einer Koalition von Golf-Monarchien hatte -, vermag ich nicht gut zu sagen. Jedenfalls verstehe ich das so, dass die amerikanische Regierung ein großes Interesse daran hat, die Wogen zu glätten, den Dialog zu befördern und Lösungen zu finden, im Rahmen derer die Golf-Monarchien dann wieder in friedlicher und eher sprachlicher Weise miteinander umgehen.

Zusatzfrage : Wenn Sie also auch von den Tweets verwirrt sind, wie ich es interpretiere, jedenfalls im Vergleich zu den Äußerungen anderer Regierungsmitglieder, bemüht sich die Bundesregierung dann um aktive Klärung der amerikanischen Position?

Schäfer: Es gibt und hat bereits auch in dieser Frage auf Arbeitsebene zwischen unserer Botschaft in Washington und den zuständigen Mitarbeiter des Außenministeriums sowie des amerikanischen Sicherheitsrates, des National Security Council, natürlich schon Kontakte gegeben. Wir tauschen da unsere Bewertungen aus, sicherlich auch unsere Ideen dazu, wie man einen Beitrag dazu leisten kann, dass das nicht weiter eskaliert.

Frage: Herr Seibert, habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass die Haltung der Bundesregierung eine Forderung ist, diese Blockade aufzugeben, wenn Sie sagen, die Blockadepolitik sei nicht zielführend, sondern man solle wieder miteinander sprechen?

Herr Schäfer, ist diese Haltung, wenn sie denn die Haltung der Bundesregierung ist, also dass man hofft, dass diese Blockade aufgegeben wird, heute auch in dem Gespräch Herrn Dschubeir nahegebracht worden? Saudi-Arabien leitet ja sozusagen den Blockadeblock.

StS Seibert: Es ist jedenfalls die klare Auffassung der Bundesregierung, dass die Isolation eines Landes in diesem Fall nicht zielführend ist. Das ist der klare Aufruf an alle Beteiligten, zum Dialog zurückzukehren.

Schäfer: Der saudische Außenminister hat seinem deutschen Amtskollegen gleich am Anfang des Gesprächs gesagt, dass er die gestrigen Äußerungen des Außenministers mit Interesse zur Kenntnis genommen hat und sie auch nachvollziehen kann. Natürlich ist ein großer Teil des Gesprächs - ja, der größte Teil - gerade eben der Umgang mit dieser Krise gewesen, und der saudische Außenminister hat natürlich auch das von seinem deutschen Außenministerkollegen gehört, was öffentlich kommuniziert worden ist. Er war sehr zuversichtlich, dass es gelingen kann, bereits in kurzer Zeit vernünftige Lösungen zu finden. Es sind ja nicht nur die Amerikaner, die angedeutet haben, dass sie zu vermitteln versuchen, sondern es gibt auch andere, etwa den Emir von Kuwait und vielleicht auch andere, die sich bemühen, Gesprächskontakte herzustellen - vielleicht auch indirekte, vielleicht auf verschlungenen Wegen -, die dazu beitragen, vielleicht den Druck und auch die Eskalationsgefahr aus dem Konflikt zu nehmen.

Grundsätzlich ist es so, dass wir wie vom ersten Tag der Anti-ISIS-Koalition an sowie davor von all unseren Partnern erwarten - von allen Partnern! -, dass sie nicht Terrorismus finanzieren und dass islamistischer Terrorismus als eine Gefahr für uns alle perzipiert und wahrgenommen wird - in Worten und in Taten -, die gemeinsames Handeln erforderlich macht. Das ist jedenfalls die Haltung dieser Regierung und ihrer Vorgängerregierungen vom ersten Tag des Syrien-Konflikts an. Dazu gibt es in dieser Frage unzählige Erklärungen, zu denen sich dann immer auch die am Tisch sitzenden Golf-Monarchien einschließlich Katar und Saudi-Arabien bekannt haben.

Zusatzfrage: Wer war zuversichtlich, dass sich eine schnelle Lösung findet, der Gast?

Schäfer: Der saudische Außenminister. Wir sind - das hat Herr Seibert gesagt, und das hat der Außenminister natürlich auch gesagt - in Sorge über das, was da passiert, und zwar aus guten Gründen. Die Region kennt genügend Konflikte, nicht nur auf der Arabischen Halbinsel - Nahost, Jemen, Libyen, Syrien -, und ich fange jetzt gar nicht an, noch Weiteres aufzuzählen. All diese Konflikte und Krisen brauchen eine möglichst gemeinsame und geschlossene Haltung der internationalen Gemeinschaft, um sie einer Lösung zuzuführen.

Frage: Zu diesem Themenkomplex habe ich eine etwas übergeordnete Frage. Saudi-Arabien wirft Katar ja Terrorhilfe vor. Ich hatte schon einmal darauf Bezug genommen. Es gilt jedoch auch als offenes Geheimnis, dass Saudi-Arabien selbst ja weltweit zu den größten Sponsoren des extremistischen Islamismus beziehungsweise zumindest der Ideologie zählt, der sich IS und Al-Qaida bedienen. Wie bewertet die Bundesregierung denn diese Vorwürfe?

StS Seibert: Was Sie ein offenes Geheimnis nennen, überlasse ich Ihrer Bewertung, der ich mich nicht anschließe. Saudi-Arabien - das haben wir hier oft gesagt - ist Opfer islamistischen Terrorismus geworden, Opfer von blutigen und mörderischen IS-Anschlägen. Saudi-Arabien ist stark im Kampf gegen den Terror engagiert. Wir wünschen uns auch eine aktive saudische Rolle bei der Beilegung der Konflikte in der Region - der Kollege hat sie aufgezählt - und im Kampf gegen religiöse Radikalisierung. Das hat die Bundeskanzlerin Ende April bei ihrem Besuch in Dschidda thematisiert und ganz klar gesagt. Sie hat im Übrigen auch, was den Jemen-Konflikt betrifft, für eine diplomatische Lösung im Rahmen der Vereinten Nationen geworben.

Zusatzfrage: Die Anschläge des IS in Saudi-Arabien richteten sich ja meistens gegen die schiitische Minderheit in Saudi-Arabien. Noch im Jahr 2015 hat Sigmar Gabriel dazu gesagt: "Aus Saudi-Arabien werden überall in der Welt wahhabitische Moscheen finanziert. Aus diesen Gemeinden kommen in Deutschland viele islamistische Gefährder." Das hat der gesagt. Thomas Oppermann hat dazu gesagt, dass der Wahhabismus unter anderem die komplette Ideologie für die Terrormiliz IS mit sich bringe und dadurch - - -

Vorsitzender Szent-Iványi: Können wir zur Frage kommen?

Zusatz: Ja.

Vorsitzender Szent-Iványi: Bitte!

Zusatzfrage: Ich sage das nur, um das zu untermauern, damit es nicht immer heißt, ich würde hier irgendwelche Dinge kolportieren, die so nicht stimmen. - Bewerten Sie diese Aussagen sozusagen als Verschwörungstheorien, oder wie darf man das dann sehen?

Schäfer: Es ist nicht unsere Aufgabe, hier religiöse Vorstellungen, religiöse Weltanschauungen oder religiöse Philosophien zu beurteilen; dafür kann ich nur um Ihr Verständnis bitten.

Herr Seibert hat es gesagt, und ich bekräftige es noch einmal: Saudi-Arabien ist Opfer des "Islamischen Staats" und, soweit wir das beurteilen können, nicht Sponsor des "Islamischen Staats". Es gibt viele Belege dafür, wie ernst Saudi-Arabien den Kampf gegen den "Islamischen Staat" nimmt, und auch das ist heute Gegenstand der Gespräche und eines gemeinsamen Bekenntnisses des deutschen und des saudischen Außenministers im Kampf gegen den "Islamischen Staat", Al-Qaida und andere Formen des islamistischen, extremistischen Terrorismus gewesen.

Frage : Zum einen, da wir ja keine Diplomaten sind, Herr Schäfer: Wenn Sie sagen, der saudische Außenminister habe das mit Interesse zur Kenntnis genommen, was heißt das dann auf gut Deutsch? Ich habe eine Vorstellung davon, aber vielleicht können Sie das erläutern.

Die eigentliche Frage: Zu den Ländern, die Sanktionen gegen Katar angekündigt haben, gehört seit gestern Abend auch Jordanien. Wenn ich da eine Brücke zu dem Thema schlage, das wir vorher hatten, was bedeutet dann das Vorgehen einzelner Länder gegen Katar für die Zusammenarbeit dieser Länder mit Deutschland?

Schäfer: Vielleicht fange ich mit Ihrer letzten Frage an: Alle beteiligten Staaten - auch diejenigen, die jetzt untereinander diplomatische Beziehungen abgebrochen haben - sind, soweit ich das beurteilen kann - vielleicht sind es nicht alle, aber jedenfalls die meisten -, wichtige und aktive Mitglieder der Anti-ISIS-Koalition. So, wie die Türkei und Deutschland im Kampf gegen den "Islamischen Staat" zusammenstehen und zusammenstehen sollten, gilt das auch für andere Staaten dieser inzwischen fast 70-köpfigen Koalition, die miteinander vielleicht hier und da bilaterale Probleme hat, aber die doch eines einen sollte, nämlich die Bereitschaft zu einem entschlossenen Kampf gegen den "Islamischen Staat". Wenn ein Teil der Streitkräfte - etwa die Amerikaner -, die gegen den "Islamischen Staat" vorgehen, in Katar stationiert ist, wenn es in Katar Koordinierungseinrichtungen gibt, in denen die Anti-ISIS-Koalition ihren militärischen Einsatz plant, und wenn es gleichzeitig Verwerfungen zwischen den Golf-Monarchien oder vielleicht insgesamt im arabischen Raum gibt, dann ist das sozusagen sicherlich nicht einfach. Aber wir hoffen sehr, dass alle Beteiligten einschließlich Saudi-Arabien und Katar dabei nicht aus dem Blick verlieren, dass es in der Anti-ISIS-Koalition um einen entschlossenen, gemeinsamen Kampf gegen einen gemeinsamen Feind geht. Da müssen wir jetzt in den nächsten Tagen sehr sorgfältig beobachten, wie sich die Lage weiterentwickelt - damit komme ich dann auch gleich zu Ihrer ersten Frage - und welche Auswirkungen das auf die Zusammenarbeit innerhalb der Anti-ISIS-Koalition hat. Zurzeit können wir da noch keine Beeinträchtigungen feststellen.

Zu Ihrer ersten Frage: Der saudische Kollege von Herrn Gabriel war zuversichtlich, dass es in weniger als absehbarer Zeit für alle Seiten gute Lösungen geben wird.

Frage : Ich würde gerne vom Finanzministerium wissen, wie viel Sie (in Sachen Kernbrennstoffsteuer) jetzt eigentlich an die Unternehmen zurückzahlen müssen. Zu diesen 6,2 Milliarden Euro kommen ja jetzt noch Zinsen hinzu. Was ist also der Betrag? Wird der noch in diesem Haushaltsjahr, also umgehend, überwiesen? Bringt der am Ende die geplante schwarze Null für 2017 in Gefahr?

Weißgerber: Vielen Dank für die Frage. Wir haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kernbrennstoffsteuer heute zur Kenntnis genommen.

Ich möchte noch zwei Bemerkungen vorwegschicken, bevor ich Ihre Frage beantworte: Wir hatten schon erwartet, dass sich das Bundesverfassungsgericht unserer Interpretation anschließt, dass die Kernbrennstoffsteuer verfassungsgemäß ist. Wir sind auch erstaunt, dass das Bundesverfassungsgericht ohne mündliche Verhandlung zu seiner Entscheidung gekommen ist. Wir hätten gerne die Chance genutzt, unsere Argumente dort auch vorzutragen und in einen Austausch einzutreten. Es gab andere Gerichtsurteile - etwa vom Bundesfinanzhof oder auch vom Europäischen Gerichtshof -, die unsere Rechtsauffassung bestätigt haben. Ich möchte auch noch daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht auch im Kontext der Ökosteuer damals entschieden hat, dass der Gesetzgeber eben einen weiten Spielraum bei der Steuererhebung hat.

Natürlich wird die Bundesregierung dieses Urteil umsetzen. Das bedeutet, die gezahlten Steuern in Höhe von rund 6,3 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen werden zurückerstattet. Wir werden dies aus dem laufenden Haushalt stemmen, und zwar ohne Neuverschuldung. Die schwarze Null steht auch weiterhin. Ein Nachtragshaushalt - auch das kann ich hier schon sagen - ist nicht notwendig. Sie wissen: Wir haben eine positive Haushaltsentwicklung. Wir haben sehr gute Steuereinnahmen; ich erinnere an die Steuerschätzung, die kürzlich vorgelegt wurde. Wir haben gute Beschäftigungszahlen und eine gute wirtschaftliche Entwicklung, und auch eine Reihe von Ausgabepositionen entwickelt sich eben besser als erwartet. Insofern gehen wir davon aus, dass wir das nach jetzigem Stand stemmen können.

Zur haushaltstechnischen Umsetzung dieses Beschlusses würden wir gerne noch in eine Abstimmung mit dem Haushaltsausschuss des Bundestags eintreten. Deswegen würde ich jetzt an dieser Stelle nicht so viel dazu sagen wollen.

Zu den Zinsen nach denen Sie gefragt haben: Die genaue Höhe der Zinsen ist noch nicht bezifferbar. Sie steht also noch nicht offiziell fest. Es ist aber so, wie es bei Erstattungs- oder Rückzahlungszinsen eben ist, dass es pro Monat um 0,5 Prozent geht. Pro Jahr sind das also 6 Prozent Zinsen, wobei man hier sagen muss: Ab 2014 sind die Bescheide für vorläufig erklärt worden, und für diesen Zeitraum fallen dann eben keine weiteren Prozesszinsen an. - So weit erst einmal meine aktive Erklärung.

Zusatzfrage : Darf ich einmal nachfragen, wenn Sie diese Zahlen schon haben? Sie haben dann im Ministerium sicherlich auch einmal durchgerechnet, was da seit 2011 letztlich an Zinsen zusammenkommt.

Weißgerber: Ich kann Ihnen, wie gesagt, jetzt noch nicht die genaue Zahl nennen.

Zuruf : Nein, ich will sie ja auch nicht genau, nur als Daumenpeilung.

Weißgerber: Es werden natürlich mehr als 6,3 Milliarden Euro sein. Ich möchte jetzt keine Zahl in die Welt setzen, die wir später korrigieren müssen, wenn wir sie ganz exakt ausgerechnet haben; das ist der ganze Grund.

Frage: Direkt dazu nachgefragt: Wenn ich mich richtig erinnere, gab es damals eine große Debatte darüber, dass die Brennelementesteuer als Betriebsausgabe abgesetzt werden kann und dadurch die Körperschaftssteuer geringer ausfällt, weswegen die Länder damals erst einmal dagegen waren und Anteile daran gefordert haben. Wie wirkt sich das denn nun aus? Wird das auch alles rückabgewickelt, oder müssen die Unternehmen jetzt die Rückerstattung als Einnahme versteuern und darauf wieder Körperschaftssteuer zahlen? Ist es also wirklich diese Summe, oder geht davon jetzt noch ein Viertel ab?

Weißgerber: Zu diesem Aspekt habe ich heute noch nichts vernommen, den höre ich gerade von Ihnen zum ersten Mal. Das sind natürlich technische Fragen, die wir in diesem Kontext klären müssen. Da es sich hier aber um die Kernbrennstoffsteuer handelt, würde ich davon ausgehen, dass frühere Steuerbescheide zur Körperschaftssteuer nicht noch einmal aufgemacht werden. Aber das möchte ich an dieser Stelle nicht definitiv sagen.

Zusatzfrage: Können Sie das klären?

Weißgerber: Ich würde das klären und dann nachreichen, ja.

Frage : Herr Weißgerber oder auch Herr Seibert, plant die Bundesregierung denn eine Nachfolgeregelung? Die Atomkraftwerke, die noch am Netz sind, laufen ja noch ein paar Jahre. Insofern wäre es vor dem Hintergrund der bisherigen Begründung für das Gesetz ja durchaus angebracht oder zumindest denkbar, dass man eine neue Regelung für eine verfassungsfeste Besteuerung von Kernbrennstoffen findet.

Weißgerber: Vorweg erst einmal: Die Kernbrennstoffsteuer war ja ohnehin bis Ende 2016 befristet und ist dann ausgelaufen. Aktuell wird sie also gar nicht mehr erhoben, es geht also ohnehin um eine Geschichte der vergangenen Jahre. Wenn man das Urteil liest, wird man feststellen: Das Hauptargument des Bundesverfassungsgerichts ist ja, dass der Bund hier angeblich keine Gesetzgebungskompetenz hat, weil es sich nicht um eine Verbrauchssteuer handelt. Dann ist eben die Frage: Was ist eine Verbrauchssteuer? ... (akustisch unverständlich) Steuer überwälzen auf den Verbraucher. Wenn Sie jetzt also vorschlagen, eine verfassungsgemäße Steuer zu erheben, dann müsste das eben eine Steuer sein, die beim Endverbraucher, also sozusagen beim Stromkunden anknüpft. Sie hätten dann also eine Steuer, die zusätzlich zur Stromsteuer erhoben würde; dann wäre es eine Verbrauchssteuer in dem Sinne, wie es das Bundesverfassungsgericht hier fordert. Dazu sind mir aber keinerlei Pläne bekannt. Da gibt es also keine Pläne für eine neue Steuer, nein.

Frage: Herr Seibert, das Thema Energiewende und Atomausstieg sind ja Themen, die die Bundeskanzlerin in ihrer zweiten und dritten Amtszeit durchaus auch zur Chefsache gemacht hat. Wie bewertet die Bundeskanzlerin die heutige Entscheidung?

Zweitens. Es war ja immer von Mitteln in Höhe von ungefähr 15 Milliarden Euro die Rede, die für Entlastungen zur Verfügung stehen. Was bedeutet es jetzt, dass 6 Milliarden Euro fehlen? Wer soll die restlichen 9 Milliarden Euro dann noch bekommen?

StS Seibert: Ich denke, dass Herr Weißgerber das Wesentliche dazu schon beantwortet hat. Wir respektieren natürlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wir werden das Urteil jetzt sehr gründlich lesen, sorgfältig auswerten, und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Weißgerber: Vielleicht noch eine Ergänzung zu dem Thema Steuersenkung: Das ist jetzt ja eine einmalige Belastung des Bundeshaushalts, die dann eben im Jahr 2017 zum Tragen kommt. Die Debatten über Steuersenkungen oder auch die von Ihnen genannten 15 Milliarden Euro betreffen ja die Zeit ab 2018. Insofern kann man so eine Rechnung, wie Sie Sie gerade aufgestellt haben, nicht aufstellen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, wurde die Bundeskanzlerin denn von der Entscheidung überrascht, oder war das schon irgendwie als Möglichkeit eingepreist?

StS Seibert: Na ja, wenn man vor Gericht ist, gibt es immer mindestens zwei mögliche Ausgänge. Wir haben das heute zur Kenntnis genommen. Wir werden das sehr gründlich analysieren und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Frage: Ich möchte auch zu einer möglichen Nachfolgeregelung fragen - die vom Finanzministerium anscheinend nicht geplant ist -: Eine andere Möglichkeit, wie der Bund das Geld trotzdem bekommen könnte, gäbe es ja bei der Vereinbarung mit den Atomkonzernen über die Einmalzahlung für das Freikaufen aus der Endlagerverantwortung. Da ist zwar das Gesetz verabschiedet worden, aber die Verordnung, in der die genauen Summen festgelegt werden, liegt im Moment meines Erachtens noch beim Finanzministerium zur endgültigen Finalisierung. Von der Kommission war ja damals unter anderem gefordert worden, dass diese Summe nur dann hineingeschrieben werden soll, wenn alle Klagen fallengelassen werden - was ja nicht passiert ist. Gibt es irgendwelche Überlegungen bei Ihnen im Hause, an dieser Summe, die als Gegenleistung für die Endlagerübernahme vereinbart wurde, im Lichte der neuen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen, die sich jetzt durch dieses Urteil ja ganz anders darstellt, noch einmal etwas zu ändern?

Weißgerber: Dazu würde ich jetzt an meinen Kollegen vom
Wirtschaftsministerium abgeben, weil - -

Zusatz: Aber Sie haben die Federführung.

Weißgerber: Nein, die Federführung ist tatsächlich beim Wirtschaftsministerium, auch für diesen Fonds und diese Stiftung.

Jornitz: Ich kann dazu sagen: Die Frage der Kernbrennstoffsteuer hat keine Auswirkungen auf den Entsorgungsfonds, und auch nicht auf die Verordnung oder den öffentlich-rechtlichen Vertrag. Das Entsorgungsfondsgesetz wurde ja mit breiter Mehrheit in Bundestag und Bundesrat entschieden. Es gilt und es bildet den Rahmen.

Frage: An das BMUB: Herr Kübler, Ihr Haus ist ja sozusagen auch das Ministerium für Rückbau. Wird die von Herrn Kreutzfeldt schon erwähnte bessere Leistungsfähigkeit der EVUs irgendwelche Auswirkungen auf den konkreten Prozess des Rückbaus haben, den Sie ja auch monitoren und begleiten?

Kübler: Danke für die Frage. - Davon gehe ich nicht aus. Das Entsorgungsfondsgesetz ist beschlossen. Die Summe steht fest. Der Plan, wie es mit der Entsorgung weitergeht, ist vorgeschrieben. Wir gehen davon aus, dass dieses Gerichtsurteil keinerlei Auswirkungen hat.

Frage : Es wird ja Kritik laut, die da lautet: Warum hat die Bundesregierung in den Verhandlungen mit den Stromkonzernen nicht darauf gedrängt und nicht durchgesetzt, dass alle seitens der Konzerne anhängigen Klagen beendet werden? Ist das in Bezug auf diese Klage überhaupt versucht worden, oder was ist da der Stand der Dinge? Wie ist das also gelaufen?

Jornitz: Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Vertrags wurde auch über einige Klagerücknahmen gesprochen. Diese war aber nicht Gegenstand, soweit ich weiß.

Zusatzfrage : Warum nicht? Hat die Bundesregierung das nicht versucht?

Jornitz: Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir uns darauf nicht haben verständigen können.

Frage: Herr Schäfer, ich habe eine Frage zum Thema Leitlinien Krisenprävention: Warum sind die bis heute im Kabinett noch nicht verabschiedet worden? Das sollte ja eigentlich im ersten Quartal 2017 geschehen.

Schäfer: Wir sind da in Gesprächen mit anderen beteiligen Ressorts, auch mit dem Bundeskanzleramt, und sind zuversichtlich, dass wir da sehr schnell und sicherlich noch in dieser Legislaturperiode eine gute Lösung hinbekommen.

Zusatzfrage: Und an welchen Punkten hakt es?

Schäfer: Ich glaube, es ist guter Brauch, interministerielle Abstimmungsprozesse nicht in der Öffentlichkeit auszutragen, und an den würde ich mich hier gerne halten.

Frage: Herr Nannt, könnten Sie vielleicht noch einmal erklären, warum Ihr Haus respektive Ihr Ministerin so einen Alarm bezüglich der Ereignisse in der Kaserne Pfullendorf geschlagen hat, obwohl auch Ihnen im Haus längst entlastende Fakten vorlagen?

Nannt: Vielleicht noch einmal zur Erinnerung: Die Zweifel an einer wirksamen inneren Führung am Standort Pfullendorf umfassen mehrere Vorkommnisse, die sich zum Teil auch über Wochen, Monate und Jahre erstreckt haben. Es geht zum einen um entwürdigende Aufnahmerituale, es geht aber auch insgesamt um ein frauenfeindliches Klima, es geht um entwürdigende Ausbildungspraktiken, es geht um Mobbing, es geht um die Art der Führung. Wie gesagt, da gibt es ganz verschiedene Komplexe, ganz verschiedene Dinge, zu denen Beschwerden oder Eingaben geschrieben wurden, über die sich also auch Soldatinnen und Soldaten beschwert haben.

Es ist so, dass wir zu dem Thema entwürdigende Aufnahmerituale damals gleich an die Staatsanwaltschaft Hechingen abgegeben haben, weil wir gesagt haben: Das hat strafrechtliche Relevanz. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft, die jetzt seit Mitte Mai vorliegt, bestätigt, dass die anderen Vorfälle - die wir auch nie an die Staatsanwaltschaft abgegeben haben - eben keine strafrechtliche Relevanz haben. So muss man diese Einstellungsverfügung auch lesen. Es gibt hier also - das jetzt einmal als Vorwort - zwei verschiedene Dimensionen, die wir auch nicht mischen dürfen: Das eine ist strafrechtlich relevantes Verhalten, das andere ist die truppendienstliche Bewertung unangemessenen Führungsverhaltens. Das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Das heißt, wenn ich mich im Bereich der Führung oder im Bereich der Kommunikation vielleicht falsch verhalte, dann bin ich noch lange nicht im strafrelevanten Bereich. Das heißt also, man hat hier eine ganz andere Dimension. Den Unterschied zwischen diesen beiden Dimensionen hatten wir auch schon am 24. Mai, also ungefähr vor zwei Wochen, ausführlich hier in der Regierungspressekonferenz diskutiert. Ich zitiere einmal aus der Einstellungsverfügung:

"Ob die in Pfullendorf in der Vergangenheit praktizierten Ausbildungsmethoden sachgerecht oder pietätslos waren, haben die Strafverfolgungsbehörden nicht zu beurteilen."

Das heißt, es geht hier um eine andere Dimension.

Wir haben damals dann aufgrund des Antrags der Staatsanwaltschaft Hechingen unsere Unterlagen zur Verfügung gestellt, und anhand dieser über 100 Dateien hat dort eine Prüfung stattgefunden. Die Staatsanwaltschaft Hechingen hat also nicht ermittelt, sondern hat ein Prüfverfahren durchgeführt. Das ist aber alles die strafrechtliche Dimension.

Eine andere Dimension ist die Frage: Was nehmen wir hin und was ist gute Führung, wie ist der Umgang untereinander? Da haben wir eine ganz hohe Anforderung an unser Personal. Dazu möchte ich vielleicht auch noch sagen - weil ich teilweise immer noch etwas anderes lese -: In dem Zwischenbericht, den wir im Verteidigungsausschuss am 13. Februar gegeben haben, geht es eben nicht um die strafrechtliche juristische Dimension; vielmehr geht es hier um die Aufarbeitung der Verstöße gegen die Grundsätze der inneren Führung. Wenn man da einmal hineinguckt - ich habe aufgrund der Berichterstattung natürlich auch noch einmal den Bericht gelesen -, kann man lesen - das zeigt auch die Überschrift -: Es geht hier um bekannt gewordene Verstöße gegen die innere Führung. Das ist die Dimension, die man verstehen muss.

Dazu möchte ich vielleicht noch zwei Dinge zitieren, die in dem Bericht stehen. Erstens:

"Über die rein juristische Dimension hinaus stellt die Bundeswehr besondere qualitative Anforderungen an das Führungs- und Ausbildungspersonal im Hinblick auf zeitgemäße Menschenführung und konsequente Dienstaufsicht."

Zweitens:

"Im [Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf] sind gravierende Defizite in Führung, Ausbildung, Erziehung sowie Dienstaufsicht festzustellen."

Bei dem ganzen Komplex war es ja auch so, dass selbst der Generalinspekteur dort vor Ort war. Der Beauftragte für Erziehung und Ausbildung hat einen ausführlichen Bericht erstellt und darin auch noch einmal festgestellt, dass die Vorwürfe berechtigt sind. Aber das ist eben die Dimension, die ich gerade angesprochen habe. Wir müssen jetzt auch aufpassen, dass wir Dinge nicht verharmlosen. Es zeigt sich eben auch, dass es richtig war, genau hinzuschauen. Wir haben jetzt auch gewisse Maßnahmen ergriffen: Wir haben ein neues Referat im Verteidigungsministerium geschaffen. Wir haben ein Meldewesen etabliert, um diese ganzen Dinge zu erfassen. Wir haben eine Ansprechstelle geschaffen. Wir haben jetzt das Thema "innere Führung heute", wo wir quasi in den nächsten zwei Jahren in die Truppe hineingehen und wirklich noch einmal von unten nach oben das Thema aufrollen und schauen: Wo sind Defizite, woran liegen diese Defizite, wo müssen wir handeln?

Was das Meldeaufkommen betrifft, ist es einfach so, dass wir wahrscheinlich auch aufgrund einer wesentlich höheren Sensibilität in der Truppe feststellen, dass es im Vergleich 2016 zu 2017 jetzt schon mehr Meldungen im Bereich von Verstößen von Vorgesetzten gegenüber Untergebenen, Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung und auch Verstößen mit rechtsextremem und fremdenfeindlichem Hintergrund gibt. Dennoch - und dieser Punkt ist mir ganz wichtig - sprechen wir hier von Fällen - - Die Masse der Soldaten macht einen ausgezeichneten Dienst und leistet auch klasse Arbeit - zum Beispiel auch, wenn es um Incirlik geht, wenn man solche Dinge jetzt verlegt und das organisiert -, aber darum geht es gar nicht. Aber wenn wir Defizite feststellen - und das kann ich Ihnen auch aus meiner Zeit als Kommandeur sagen -, wenn Defizite da sind, dann müssen wir handeln. Wenn es so ist wie zum Beispiel in Pfullendorf, wo eine Tanzstange steht und BHs an einer Wand hängen und wo zum Beispiel Fotos mit einer entwürdigenden Darstellung entstehen - die ich auch selbst gesehen habe -, dann würde ich, wenn ich dort Vorgesetzter wäre, sagen: Da läuft irgendetwas nicht richtig. Das hat aber keine strafrechtliche Dimension.

Frage: Herr Nannt, Sie haben das mit der strafrechtlichen Dimension jetzt noch einmal erklärt. Ich würde aber gern noch einmal einen Satz aus Ihrer eigenen Ermittlungsakte der Bundeswehr zitieren, die ja seit Ende Januar im Ministerium vorliegt. Da ist ausdrücklich nicht von strafrechtlichen Fragen die Rede, sondern da heißt es: Die ermittelten Tatsachen reichen in der Mehrheit der Vorfälle nicht aus, Dienstvergehen nachzuweisen. Das heißt, da geht es genau um die innere Führung, die Sie gerade angesprochen haben. Gilt dieser Bericht von Ende Januar sozusagen als endgültiges Ermittlungsergebnis, was die Ausbildungspraktiken in Pfullendorf angeht, oder haben Sie im Nachhinein Zweifel gewonnen, dass dieser Bericht zu den richtigen Ergebnissen gekommen ist?

Nannt: Das ist vielleicht ein ganz wichtiger Punkt, den Sie noch einmal einbringen. Damals sind ja umfassende Ermittlungen gelaufen. Auch Sie haben das ja mitverfolgt: Zuerst laufen strafrechtliche Ermittlungen, und erst, wenn die abgeschlossen sind, können dienstrechtliche Ermittlungen laufen. Das heißt, auch die dienstrechtlichen Ermittlungen in Pfullendorf sind zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen; die Ermittlungen laufen also auch weiterhin. Auch damals war es so - ich glaube, das war im März; nageln Sie mich jetzt nicht auf ein Datum fest -, dass das Kommando Heer gesagt hat "So, wie bislang die Untersuchungen gelaufen sind, wird das von uns nicht akzeptiert", und man ist noch einmal hineingegangen. Wir vergessen das alles, weil das teilweise schon Wochen oder Monate her ist; aber das ist ja ein Vorgang, der einige Zeit in Anspruch genommen hat. Genau das war der Punkt. Man hat gesagt: So, wie das bislang aufgearbeitet worden ist, teilen wir das nicht. Das war damals auch der Punkt, an dem das Ministerium noch einmal mit dem Kommando Heer gesprochen hat, und dementsprechend ist man dem auch nachgegangen. Deswegen lau fen ja auch noch dienstrechtliche Ermittlungen; das ist also insgesamt noch nicht abgeschlossen.

Eines möchte ich auch noch anmerken: Das eine sind Strafrecht und Dienstrecht - was Sie mit Dienstvergehen meinten -, und das andere ist die Frage: Was dulden wir im Umgang miteinander? Auch wenn vielleicht nicht immer ein Dienstvergehen begangen wird - wo es also zu einem Bescheid kommt und man dadurch dann auch irgendwas veranlasst -, stellt sich trotzdem die Frage: Ist das gute Führung und ist das angemessen? Nicht jedes unangemessene Verhalten führt zwangsläufig dazu, dass ich auch gleich ein Dienstvergehen nachweise und dazu Dinge veranlasse. Es ist also eigentlich fast schon eine dritte Dimension, die wir ansprechen, und das Thema gute Führung - wie gehen wir angemessen miteinander um, welche Anforderungen haben wir an unser Personal? - ist aus meiner Sicht eben das entscheidende. Da müssen wir hohe Kriterien stellen, weil wir ja auch in Einsätze gehen, und die erfüllen wir.

Zusatzfrage: Um das noch einmal ganz klar zu machen: Das heißt, für das Ministerium oder für die Ministerin ist der Bericht von Ende Januar nicht abschließend und sie akzeptiert ihn nicht? Sie haben gerade ja gesagt: Wir teilen das nicht.

Nannt: Nein, das ist ja so gelaufen: Es gab damals im Februar einen Zwischenbericht - das war ja auch der Zwischenbericht, der am 13. Februar an den Verteidigungsausschuss gemacht wurde -, und der damalige Stand der Ermittlungen wurde der Staatsanwaltschaft Hechingen auf Anforderung zur Verfügung gestellt. Das heißt, es war kein Bericht des Verteidigungsministeriums, der an die Staatsanwaltschaft Hechingen gegangen ist - so habe ich es teilweise in der Berichterstattung gelesen -, sondern es waren eigentlich Rohdaten, die an die Staatsanwaltschaft gegangen sind; das waren über 100 Dateien, in denen der derzeitige Stand der Ermittlungen dargestellt wurde.

Frage : Noch einmal zu diesen Rohdaten und den durchaus nachvollziehbaren Differenzen zwischen strafrechtlichen und disziplinarischen Ermittlungen: Die Staatsanwaltschaft geht ja in ihrer Einstellungsverfügung ausdrücklich auf die internen Ermittlungen der Bundeswehr ein und kommt dann unter anderem zu dem Ergebnis:

"Die gelehrten Ausbildungsinhalte waren nicht nachweislich sexuell motiviert und dienten nicht der Herabwürdigung einzelner - insbesondere weiblicher - Lehrgangsteilnehmer ..."

Das heißt doch, die materiellen Vorwürfe, die im Raum stehen, sind nicht nur von der Staatsanwaltschaft, sondern offensichtlich auch bundeswehrintern nicht bestätigt worden?

Nannt: Deswegen haben wir ja auch gerade die drei Dimensionen angesprochen. Wenn Sie zitieren, müssten Sie eigentlich auch weitere Passagen aus der Einstellungsverfügung zitieren.

Zusatz : Gerne, aber das wäre ein bisschen viel.

Nannt: Wir brauchen das jetzt nicht vorzunehmen, aber - -

Zusatz : Aber ich habe das ja alles geschrieben, Sie können die weiteren Passagen ja bei mir nachlesen.

Nannt: Ich lese Sie doch.

Zusatz : Gut.

Nannt: Die ganzen Passagen, alles, was die Einstellungsverfügung wiedergibt, ist eine rein strafrechtliche Gesichtsweise. Wie gesagt, es sind keine eigenen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Hechingen gelaufen, sondern nur eine Prüfung, und den Stand, der dort widergespiegelt ist, kommentiere ich jetzt nicht im Einzelnen. Fakt ist aber - und das habe ich Ihnen gerade deutlich gemacht -: Gute Führung ist eine ganz andere Dimension, und sowohl der Beauftragte für Erziehung und Ausbildung als auch der Generalinspekteur waren dort vor Ort. Es ist insgesamt eine Dimension, bei der ich sage - ich habe Ihnen die Bilder beziehungsweise die Darstellungen gerade ja als Beispiel genannt -: Das kann so nicht richtig sein. Genau das ist ja der Punkt, der uns auch mit Blick auf Pfullendorf dazu hinführt, zu sagen: So, wie es gelaufen ist, geht es nicht; wir brauchen dort einen Neuanfang. Dieser Neuanfang läuft; wir begleiten ihn auch mit dem Zentrum Innere Führung. Wir gehen dort auch rein, um letztendlich auch vor Ort festzustellen: Was waren jetzt genau die Punkte? Das ist das, was entscheidend ist.

Zusatzfrage : Das klingt jetzt fast so, als ob Sie damit sagen wollten, die Fakten, die die Staatsanwaltschaft als Ergebnis der Bundeswehrermittlungen in ihrer Verfügung referiert, seien nicht zutreffend?

Nannt: Nein, da haben Sie mich missverstanden. Ich sage nur: Es gibt keinen Widerspruch zwischen dem, was wir an den Verteidigungsausschuss gegeben haben, und das, was jetzt in der Verfügung der Staatsanwaltschaft Hechingen steht. Das ist der Punkt.

Frage: Zur anstehenden Wahl in Großbritannien: Welche Relevanz hat es für Sie, welche Partei dort zukünftig die Regierung stellen wird, beziehungsweise wie bewerten Sie die Zusammenarbeit und das persönliche Verhältnis der Kanzlerin zu Theresa May?

StS Seibert: Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich diese Frage so beantworte, wie ich Fragen zu Wahlen in befreundeten Ländern immer beantworte: Das ist eine Entscheidung der britischen Wählerinnen und Wähler. Morgen wird sie gefällt. Ich nehme dazu keine Stellung.

Frage: An das BMVI zu freiwilligen Rückrufaktionen für 630 Pkw. Erste Frage: Bei wie vielen Wagen ist das denn bereits geschehen? Zweite Frage: Wie zufrieden ist das BMVI mit dem Verlauf? Werden zum Beispiel Änderungen angestrebt?

Friedrich: Vielen Dank für die Frage. Grundsätzlich würde ich noch einmal darauf eingehen wollen, was Sie jetzt gerade ansprechen: Es geht ja um die freiwilligen Rückrufaktionen. Betroffen davon sind die Fahrzeuge der sogenannten Gruppe 2, die im Bericht der Untersuchungskommission festgelegt worden sind. Die Hersteller, deren Fahrzeuge betroffen sind, haben auf Aufforderung der Untersuchungskommission des BMVI geeignete Optimierungen angestoßen. Diese Hersteller nehmen eben eine freiwillige Rückrufaktion im Rahmen von Serviceaktionen vor. Über 600 Fahrzeuge - das haben Sie richtig angesprochen - sind davon betroffen. Das Kraftfahrt-Bundesamt überprüft vor der Umrüstung selbstverständlich die verbesserten Konzepte auf ihre Wirksamkeit. Freigaben durch das KBA erfolgen immer nur dann, wenn es keine Zweifel an der Zulässigkeit der optimierten Konzepte hat. Die ersten Freigaben wurden für Porsche, Mercedes, Opel und VW erteilt. Das können Sie auch noch einmal bei uns auf der Webseite nachlesen; da gibt es auch noch ein paar Details dazu.

Zu Ihrer Frage, wie viele Fahrzeuge bereits umgerüstet worden sind, kann ich Ihnen sagen, dass Sie sich am besten direkt an die Unternehmen, an die Hersteller selber wenden, deren Serviceaktionen bereits vom KBA freigegeben worden sind.

Zu Ihrer Frage, ob wir zufrieden damit sind beziehungsweise welche Veränderungen wir möglicherweise anstreben, was das Thema freiwillige Serviceaktionen angeht, kann ich Ihnen mitteilen, dass die Serviceaktionen planmäßig verlaufen und dass Änderungen nicht geplant sind.

Zusatzfrage: Das heißt, weder BMVI noch KBA wissen im Moment, wie viele von den 630 Wagen bereits umgerüstet werden beziehungsweise wie lange das noch dauern wird?

Friedrich: Die Konzepte sind, wie ich gerade gesagt habe, mit dem KBA abgestimmt; das KBA hat diese freigegeben. Letztendlich liegen die Serviceaktionen aber in der Hand der Hersteller. Das heißt, ich kann Ihnen jetzt von dieser Stelle aus nicht genau sagen, wie viele einzelne Pkw da bereits durch die Werkstatt gegangen sind.

Mittwoch, 7. Juni 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 7. Juni 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/06/2017-06-07-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2017

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