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PRESSEKONFERENZ/1560: Regierungspressekonferenz vom 10. November 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz - Freitag, 10. November 2017
Regierungspressekonferenz vom 10. November 2017


Themen: Personalie, Lage im Libanon, Lage im Jemen, Termin der Bundeskanzlerin (Teilnahme an der UN-Weltklimakonferenz 2017), Abstimmung über eine weitere Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat im zuständigen EU-Ausschuss, Erinnerungsgeschenk der Oberlin-Werkstätten an die Bundeskanzlerin, Mobilitätspaket der Europäischen Kommission, Brexit, Datenschutz im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg, "Paradise Papers", Familiennachzug, Korruptionsvorwürfe gegen Airbus-Chef Thomas Enders, mögliche Öffnung des chinesischen Finanzsektors für ausländische Unternehmen, Kosten des G20-Gipfels

Sprecher: StS Seibert, Plate (BMI), Adebahr (AA), Baron (BMWi), Fichtner (BMUB), Urban (BMEL), Kolberg (BMF), Plate (BMI)

Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Plate: Da heute meine letzte Regierungspressekonferenz ist, möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich von Ihnen zu verabschieden und für die Zusammenarbeit zu bedanken. Ich werde ab dem kommenden Mittwoch eine neue Aufgabe in der Migrationsabteilung des Bundesinnenministeriums übernehmen.

Ob Sie es mir glauben oder nicht: Ich bin immer gerne hierhergekommen. Es war für das BMI und dadurch letztlich auch für mich eine sehr spannende und intensive Zeit; das wissen, glaube ich, alle. Ich habe es immer als Privileg und auch als Ehre empfunden, hier für das Bundesinnenministerium sprechen zu dürfen. Das hatte nicht zuletzt auch mit den dort handelnden Personen zu tun, die sich zum Teil bis zur Selbstaufgabe für die Lösung fast unlösbarer Probleme eingesetzt haben.

Ein paar wenige Dinge sind mir zum Abschied noch wichtig. Gutes Regieren findet in den Medien kaum einen Niederschlag, verglichen mit den Aspekten, die tatsächlich oder vermeintlich Kritik verdienen. Das hat mich manches Mal nachdenklich gemacht. Wichtiger ist für mich aber noch Folgendes: Eine Regierung bekommt von den Wählern Macht auf Zeit geliehen, und ich bin daher auch persönlich zutiefst davon überzeugt, dass sich eine Regierung öffentlich erklären und kontrollieren lassen muss. Pressesprecher und Journalisten sind gerade unter diesem Gesichtspunkt keine Partner - aber sie sind erst recht keine Gegner. Wir brauchen Sie und Sie brauchen uns, jeder für seine Aufgabe. Diese Überzeugung hat mich in meiner Zeit hier getragen, und ich denke, dieses Format gilt es in diesem Sinne zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Vielen Dank!

Vorsitzende Welty: Wir haben zu danken und wünschen für die Zukunft alles Gute!

Plate: Danke schön!

Adebahr: Ich würde gern einige Worte zum Libanon sagen: Das Rücktrittsgesuch des libanesischen Premierministers Saad Hariri vom 4. November erfüllt die Bundesregierung mit großer Sorge. Es kommt zu einer Zeit, in der der Libanon das Land erst kürzlich aus einer Krise herausgefunden hat und noch immer und weiterhin vor immensen Herausforderungen steht. Deshalb ist es aus unserer Sicht entscheidend, dass die Stabilität des Libanon und auch die Fortschritte, die in den vergangenen Monaten dort erreicht wurden - gerade unter Führung von Premierminister Hariri -, jetzt nicht in Gefahr geraten. Diese Botschaften hat Außenminister Gabriel gestern auch in einem Telefonat seinem Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Adel al-Dschubeir, überbracht.

Wir begrüßen die bisher besonnene Art und Weise, in der der Präsident des Libanon, Michel Aoun, und auch andere Akteure der libanesischen Führung auf die jüngsten Entwicklungen reagiert haben, ganz ausdrücklich, und möchten sagen, dass im Interesse des ganzen Landes jetzt alle Parteien im Libanon den Weg von Stabilität und Verständigung in den verfassungsgemäßen Bahnen des Landes fortsetzen sollten. In diesem Sinne steht Deutschland weiterhin an der Seite des Landes, seiner Einheit, seiner territorialen Integrität und seiner staatlichen Institutionen.

Frage : Könnten Sie kurz erläutern, warum Herr Gabriel seine Botschaft zur Stabilität im Libanon ausgerechnet in einer Kommunikation mit Saudi-Arabien ausgeführt hat?

Adebahr: Dass ist im Rahmen einer Kommunikation, die er mit allen Außenministern - auch mit allen Außenministern der Region - führt. Wir sind auch mit dem Libanon und mit den dortigen Akteuren in einem engen Austausch und Gespräch. Das ist sozusagen eine allgemeine Botschaft, die auch an die Region und natürlich auch an einen großen Akteur in der Region, nämlich an Saudi-Arabien, gerichtet ist.

Zusatzfrage : Welche Rolle spielt Saudi-Arabien aus Sicht der Bundesregierung im Libanon?

Adebahr: Saudi-Arabien ist ein großer Nachbar des Libanon. Saad Hariri hat seinen Rücktritt auch in Riad erklärt. Insofern ist es aufgrund der historischen Tiefe und der Nachbarschaft dieser beiden Länder ganz natürlich, dass dort enge Beziehungen bestehen. Deshalb rufen wir eben alle Parteien und alle Nachbarstaaten des Libanon in der gesamten Umgebung dazu auf, auf Stabilität und Frieden des Libanon hinzuwirken.

StS Seibert: Wenn ich ganz kurz noch etwas hinzufügen darf: Das, was Frau Adebahr über Saudi-Arabien gerade gesagt hat, ist ja vollkommen richtig, und es trotzdem, wenn man über den Libanon spricht, auch notwendig, über die Rolle des Iran zu sprechen. Der Iran übt über die schiitische Hisbollah-Miliz Einfluss auf die libanesische Regierung und im Übrigen des Weiteren auf den syrischen Bürgerkrieg aus. Die Politik der iranischen Regierung und ihre Unterstützung des syrischen Regimes und der Hisbollah werden von uns, von der Bundesregierung, eben auch mit großer Sorge gesehen. Es ist genauso bekannt - und da kommen wir zu Saudi-Arabien zurück -, dass Saudi-Arabien in Libanon über weitreichenden politischen Einfluss verfügt und diesen Einfluss auch nutzt, um den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Deswegen ist unser Appell natürlich an beide Länder, Saudi-Arabien wie Iran, die politische Stabilität im Libanon nicht zu schwächen.

Frage : Wenn der Bundesaußenminister mit seinem saudischen Kollegen gesprochen hat: Hat er auch das Themenfeld Jemen angesprochen? Das ist ja im Moment ein ebenso großer - wenn nicht humanitär noch schlimmerer - Krisenherd. Hat er da möglicherweise irgendwelche Signale von seinem saudischen Kollegen gehört, die da Hoffnung machen könnten?

Adebahr: Der Außenminister hat die Lage im Jemen angesprochen und besonders die schwer notleidende Bevölkerung dort erwähnt. Er hat im Gespräch mit dem Außenminister Saudi-Arabiens auch darauf hingewirkt und gefordert, dass die Öffnung der Zugangswege nach Jemen und die Versorgung der Menschen dort sichergestellt werden müssen. Das ist eine Forderung, die aus unserer Sicht im Moment, gerade vor dem Hintergrund der Appelle der Vereinten Nationen und auch vor dem Hintergrund der dramatischen humanitären Lage im Jemen, Priorität hat, und das ist eine Botschaft, die wir überbringen und die auch der Außenminister in seinem Gespräch überbracht hat.

Die Kapazität des gestern bereits wiedereröffneten Hafens von Aden ist ja ein erster Schritt in Richtung Wiedereröffnung des Zugangs zum Jemen. Das reicht aus unserer Sicht aber bei weitem nicht aus, um die dringend benötigte Einfuhr von Hilfsgütern zu decken, zumal auch die zerstörte Infrastruktur und die Kampfhandlungen im Moment noch verhindern, dass auf dem Landweg von Süden, von Aden nach Norden, Hilfsgüter transportiert werden können. Insofern ist das ein erster Schritt vonseiten Saudi-Arabiens, den wir auch sehen, aber wir möchten weiter darauf hinwirken, dass humanitäre Helfer ungehinderten Zugang bekommen, denn es bedarf einer Verbesserung der Lage der dort notleidenden Bevölkerung. Dafür ist eben Zugang eine essenzielle Voraussetzung.

Zusatzfrage : Darf ich noch einmal fragen: Gab es irgendwelche Signale, die der Minister von seinem saudischen Kollegen erhalten hat, dass es nicht bei diesem einen Schritt in Aden bleibt, sondern dass da möglicherweise doch Weiteres zu erwarten ist?

Adebahr: Ich kann zu den weiteren Inhalten dieses vertraulichen Gespräches nichts konkret weiter ausführen; ich möchte aber doch sagen, dass wir eben sehen, dass der Schritt der Öffnung von Aden aus unserer Sicht - und da war vielleicht auch eine gewisse Hoffnung seitens des Außenministers zu spüren, dass es nicht dabei bleibt - ein erster Schritt in die richtige Richtung ist.

StS Seibert: Genau wie die Kollegin gerade gesagt hat, unterstützen wir die Vereinten Nationen absolut in ihrer Forderung; der Zugang von humanitärer Hilfe in den Jemen muss gewährleistet sein. Diese humanitäre Hilfe muss aber natürlich auch finanziert werden, und da möchte ich nur noch hinzufügen, dass die Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr schon knapp 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat und dass wir derzeit eine weitere Erhöhung dieser Mittel prüfen.

Adebahr: Damit ist Deutschland nach den USA und Großbritannien bereits jetzt das drittgrößte Geberland für Jemen, und wir arbeiten daran, unsere Hilfe da auszubauen und auf einem so hohen Niveau zu erhalten.

Frage : Frau Adebahr, hat Herr Gabriel denn darauf gedrängt, dass die von Deutschland gelieferten Patrouillenboote, die, glaube ich, noch von Herrn Gabriel als Wirtschaftsminister genehmigt wurden, nicht für eine humanitäre Blockade des Jemen genutzt werden?

Adebahr: Wie gesagt: Das, was ich Ihnen über das vertrauliche Gespräch sagen kann, habe ich Ihnen gesagt. Die Themen des Gespräches waren auf jeden Fall die humanitäre Situation im Jemen und im Libanon.

Zusatzfrage : Wenn ich nachfragen darf - das hat einen direkten Bezug zur humanitären Lage und zur Blockade im Libanon -: Weiß die Bundesregierung, ob diese Patrouillenboote von Saudi-Arabien dazu genutzt werden?

Adebahr: Ich könnte jetzt beziehungsweise das Wirtschaftsministerium könnte jetzt allgemeine Ausführungen zur Restriktivität der bundesdeutschen Exportpolitik im Bereich der Rüstungsgüter machen. Was ich zu dem Telefonat sagen wollte, habe ich gesagt.

Zusatzfrage : Aber ich habe ja nach der Nutzung dieser Patrouillenboote gefragt. Weiß die Bundesregierung, ob die derzeit von Saudi-Arabien für die Blockade eingesetzt werden? Falls die Bundesregierung das nicht weiß: Warum nicht?

Adebahr: Wir gehen davon aus, dass gelieferte Güter zu dem Zweck genutzt werden, zu dem sie geliefert werden. Vielleicht will das BMWi dazu noch einmal die allgemeine Ausführung machen. Spezifischere Ausführungen kann ich dazu im Moment von dieser Stelle aus nicht machen.

Baron: Ich kann nicht viel ergänzen. Ich kann nur allgemein darauf hinweisen, dass Rüstungsexportentscheidungen nach einem sehr klaren Regime als Entscheidungen der gesamten Bundesregierung getroffen werden, eben auf Basis der politischen Grundsätze aus dem Jahr, der EU-Grundsätze aus dem Jahr 2008 sowie natürlich der rechtlichen Maßstäbe des Kriegswaffenkontrollgesetzes und Außenwirtschaftsgesetzes. Sie wissen ja, dass jede Einzelfallprüfung da sehr genau und sehr umfassend erfolgt und dabei gerade auch außen- und sicherheitspolitische Erwägungen Einfluss haben.

Frage: Erste Frage: Hat die Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse darüber, ob Gerüchte, denen zufolge Herr Hariri in Saudi-Arabien gegen seinen Willen festgehalten werde, pure Spekulationen sind, oder ob es Indizien gibt, die dafür sprechen?

Zweite Frage: Emmanuel Macron hat gesagt, Frankreich habe eine Rolle als Friedensstifter. Ist das, was er dort tut beziehungsweise tun wird, mit der Bundesregierung gesprochen worden, abgesprochen worden, zur Kenntnis gegeben worden?

Adebahr: Zur Ihrer ersten Frage: Wir haben keine Hinweise darauf, dass Herr Hariri in Riad festgehalten wird - oder welche Formulierung der Medienberichte Sie da auch immer nehmen wollen. Wir gehen daher davon aus und erwarten, dass er selbst darüber entscheidet, wohin er geht.

StS Seibert: Ich kann Ihnen keine Angaben darüber machen; ich kann Ihnen nicht sagen, in welcher Intensität - und üblicherweise ist es ja eine hohe Intensität - in der Absprache zwischen Deutschland und Frankreich auf allen Arbeitsebenen darüber gesprochen wurde. Ich kann das im Moment nicht sagen.

Frage: Ich möchte auch noch einmal auf die Patrouillenboote zurückkommen. Wenn Sie sagen "Wir gehen davon aus", dann würde ich doch gern wissen: Gibt es aktiv Bemühungen zu erfahren, ob die Patrouillenboote, die angeblich den restriktiven Standards unserer Rüstungsexportpolitik entsprechen, nicht in diesem militärischen Konflikt eingesetzt werden? Wenn es solche Bemühungen gäbe, dann müssten die ja irgendwann zu Ergebnissen führen.

Adebahr: Wir sind, auch über unsere Botschaft, in einem ständigen Gespräch mit unseren Partnern in Saudi-Arabien. Was diese konkrete Frage angeht, müsste ich Ihnen die Antwort nachreichen.

Zusatzfrage: Das wäre wunderbar. - Ich habe noch eine Frage. Die vorherige Frage war nur eine Anschlussfrage, jetzt kommt meine eigentliche Frage: Sie haben gesagt, dass Sie an Saudi-Arabien appellieren, die humanitären Zugänge zu ermöglichen. Ich würde gerne einmal Ihre völkerrechtliche Bewertung hören. Wie beurteilen Sie es völkerrechtlich, wenn angesichts der Prognosen, dass es möglicherweise in Folge einer humanitären Katastrophe Hunderttausende von Toten geben könnte, eine Blockade nicht umfassend gelockert wird?

Adebahr: Wir fordern diesen Zugang erst einmal vor dem Hintergrund, dass wir sehen, dass für die humanitäre Gemeinschaft diese Blockade eine große Herausforderung ist und dass wir möchten, dass den Menschen dort geholfen wird und es ihnen besser geht. Eine völkerrechtliche Bewertung der humanitären Katastrophe vorzunehmen, fällt mir jetzt schwer.

Zuruf: Nein, nein, ich meine eine Blockade. Ist eine Blockade, die eine humanitäre Katastrophe zur Folge hätte - die drohende Blockade ist ja sehr genau beschrieben worden -, unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Was sind die Kategorien, nach denen man das völkerrechtlich bewerten kann?

Adebahr: Ich kann dazu hier im Moment keine völkerrechtliche Bewertung abgeben. Klar ist aber, dass wir von allen Konfliktparteien in diesem Konflikt auch die Einhaltung des humanitären Völkerrechts verlangen. Im Laufe dieses Konflikts gab es ja zahlreiche Berichte von Verletzungen des humanitären Völkerrechts. Wir drängen darauf, dass diese zügig und unabhängig aufgeklärt werden.

Aus unserer Sicht - das ist schon länger unsere Position - kann dies am besten eine internationale Untersuchungskommission tun, für die wir uns wiederholt eingesetzt haben. Es ist deshalb gut, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Ende September die Einrichtung einer internationalen Expertengruppe zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des internationalen Rechts im Jemen im Konsens beschlossen hat. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen ist nun gerade dabei, diese Expertengruppe zusammenzustellen. Wir hoffen, dass sie möglichst bald ihre Arbeit aufnehmen kann. Die Bundesregierung würde auch bereitstehen, diese Expertengruppe zu unterstützen. Das ist das richtige Forum, um sich mit all diesen Fragen zu befassen.

Vorsitzende Welty: Wenn es keine weiteren Fragen mehr zu diesem Komplex gibt, dann, Herr Seibert, bitte die Termine der Kanzlerin.

StS Seibert: Das ist schnell gemacht. Ich kann Sie auf den nächsten Mittwoch, 15. November, hinweisen. Sie wissen, dass in Bonn die COP 23, die Weltklimakonferenz, in diesem Jahr auf Einladung der Republik Fidschi und der Vereinten Nationen läuft. Deutschland unterstützt Fidschi bei seiner Gastgeberrolle. Das Ganze findet in Bonn statt. Die Bundeskanzlerin wird am kommenden Mittwoch um 16 Uhr am sogenannten High-Level Segment dieser Weltklimakonferenz teilnehmen und wird vor dem Plenum der COP 23 sprechen.

Frage : Ich würde gerne Herrn Seibert fragen, ob er weiß, wie viele unabgestimmte Briefe die Bundesregierung in den letzten Tagen verschickt hat. Es gab inzwischen mindestens zwei. Ein Brief wurde in der letzten BPK angesprochen.

StS Seibert: Sie geben sich ja gerade selbst eine Antwort. Ich habe dazu für Sie keine Antwort, weil ich hier keine Statistiken führe.

Zusatzfrage : Hat denn die Bundeskanzlerin vor, irgendein Machtwort zu sprechen, um so einen chaotischen Briefverkehr innerhalb der Bundesregierung zu unterbinden?

StS Seibert: Das sind jetzt erst einmal alles Wertungen, denen ich mich nicht anschließe. Das vielleicht auch zur Aufklärung der Zuschauer hier im Saal, die das jetzt etwas kryptisch finden. Es geht um Glyphosat, was ja der Hintergrund Ihrer Frage ist. Dabei, denke ich, sollten wir uns an das halten, was gestern faktisch in Brüssel im Ausschuss geschehen ist; das ist ja das Entscheidende. Der Vorschlag der Europäischen Kommission, Glyphosat für weitere fünf Jahre zu genehmigen, hat nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit gefunden. Es gab weder eine ausreichende Mehrheit dafür noch dagegen. Deutschland, die Bundesregierung, hat sich bei dieser Abstimmung enthalten. Jetzt liegt das weitere Verfahren in der Hand der Europäischen Kommission. Sie kann jetzt den Berufungsausschuss mit dieser Angelegenheit befassen. Klar ist: Die geltende Genehmigung für Glyphosat läuft am 15. Dezember aus.

Zusatz : Es ging nicht nur um die Sache, sondern auch - ich sage es einmal so - um die Atmosphäre innerhalb der geschäftsführenden Bundesregierung.

StS Seibert: Um diese brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Uns geht es eigentlich immer um die Sache. Das finde ich hier auch richtig.

Frage: Eine Sachanschlussfrage: Da, wie der Kollege Jordans zu Recht sagt, am 15. Dezember die Genehmigung ausläuft, bedeutet das - vielleicht eine Frage an BMUB oder BMEL -, dass Glyphosat nach diesem Datum nicht mehr eingesetzt werden dürfte, wenn es bis dahin keine Verlängerungsregelung gäbe?

Fichtner: Das wird das BMEL als federführendes Ministerium beantworten.

Urban: Das tue ich sehr gerne. - Die Situation sieht wie folgt aus: Der aktuelle Verordnungsentwurf der Kommission sieht diese Übergangssituation noch nicht vor. Ein denkbares Modell wäre zum Beispiel eine anschließende zwölfmonatige Abverkaufsfrist und daran anschließend sechs Monate für das Aufbrauchen der Restbestände. Das steht im Moment als Gedankenmodell im Raum.

Zusatzfrage: Wer müsste über diese Art von Fristmodell mit welcher Mehrheit entscheiden? Ist das auch zustimmungspflichtig oder kann das aus fachlicher Zuständigkeit frei entschieden werden?

Urban: Zunächst einmal gilt es festzustellen, dass die Zulassungsverfahren auf der europäischen Ebene liegen und dementsprechend auch die Verordnungsentwürfe der Europäischen Kommission erst einmal ausschlaggebend dafür sind, ob ein Wirkstoff zugelassen ist und ob dem folgend Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff eine Genehmigung finden. Die Situation ist im Moment so, dass es abzuwarten gilt, ob die EU-Kommission einen Vorschlag im Hinblick auf die Übergangslösungen machen wird. Alternativ wäre eine Variante im Wege des Risikomanagements, beispielsweise durch unser BVL, wo man eine nationale Verordnung erlassen könnte.

Frage: Herr Seibert, vor zwei Tagen hat die Kanzlerin ein etwas absurdes Geschenk bekommen, nämlich einen Handfeger. Deutschland fragt sich jetzt: Wo ist dieser Handfeger jetzt gerade? Wofür wird die Kanzlerin ihn einsetzen?

StS Seibert: Der ist gar nicht absurd. Das ist ein ausgesprochen feines Stück. Dieser Handfeger oder Besen ist zurzeit noch im Büro der Bundeskanzlerin.

Es ist ja so, dass Geschenke, die die Bundeskanzlerin bekommt, entweder in ihren Amtsräumen oder an einer anderen Stelle im Bundeskanzleramt aufbewahrt werden. Wenn Sie dort schon einmal waren, wissen Sie, dass dort eingangs dafür vorgesehene Vitrinen stehen. Geschenke, die dort keinen Platz finden, werden im Bundeskanzleramt gelagert. Manchmal gibt es auch öffentlich zugängliche Ausstellungen. Dokumentiert werden die Geschenke auch.

Frage : Ich wollte zu einem anderen Brüsseler Thema kommen, nämlich zu den CO2-Emissionen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen. Herr Seibert, haben Sie den Entwurf jetzt schon prüfen können? Gibt es dazu eine Meinung?

StS Seibert: Wie Sie sagen, hat die Europäische Kommission vor zwei Tagen ihren Vorschlag vorgelegt. Das ist ein umfangreiches Paket für eine sauberere Mobilität mit einer Vielzahl von Themen für klimaschonenden Verkehr, darunter auch - das ist ja nur ein Teil davon - die CO2-Grenzwerte. Wir werden diesen sehr umfassenden Vorschlag nun auch sehr eingehend prüfen und beraten. Auf der Grundlage dieser Prüfungen und Beratungen wird dann eine Position erarbeitet.

Ich muss Sie um Verständnis dafür bitten, dass wir schon aufgrund der Breite des Pakets jetzt zu Einzelheiten noch keine Bewertung abgeben können. Aber es bleibt bei der Haltung, die ich hier auch am Mittwoch vertreten habe: Wir sind ganz sicher, dass eine wirksame Regelung für CO2-Grenzwerte bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen notwendig ist, weil wir nur so eine ausreichende Reduzierung der Treibhausgase im Verkehr erreichen können. Nur so können wir dann auch unsere Klimaziele - ob in Deutschland oder auf europäischer Ebene - erfüllen. Der Verkehr ist ein wichtiger Faktor in Bezug auf die Gesamtemissionen und muss deswegen auch in den Blick genommen werden. CO2-Grenzwerte sind genau ein Weg dahin.

Frage : Ich würde gerne das Thema Brexit ansprechen. Mich würde ein aktueller Befund der Bundesregierung zum Stand der Dinge - es läuft ja im Moment die sechste Verhandlungsrunde in Brüssel - interessieren, insbesondere ob man noch die Hoffnung hegt, in diesem Jahr in das zweite Verhandlungsstadium zu kommen.

Zweitens würde mich eine Frage interessieren - wahrscheinlich ist das Bundesfinanzministerium der Ansprechpartner -, weil wir heute von einer EU-Parlamentsstudie über zusätzliche Kosten, die auf Deutschland in Folge des Brexit zukommen könnten, lesen. Ich glaube, es sind vier Milliarden Euro. Hat dieser Betrag, der ja unter vielen Annahmen, dass sich Rahmenbedingungen nicht ändern, zustande kommt, für das Ministerium irgendeinen praktischen Nutzwert? Ist das zumindest eine Daumenpeilung für das, was auf Deutschland als finanzielle Folge des Brexit für den Haushalt zukommen könnte?

StS Seibert: Ich fange nur kurz an: Wir sind gestern und heute tatsächlich in der sechsten Verhandlungsrunde. Der Verhandlungsführer auf der Seite der EU27, Michel Barnier, wird sich um 12.30 Uhr, also in 35 Minuten, dazu vor der Presse in Deutschland äußern. Ich hielte es nicht für richtig, als Regierungssprecher dem jetzt etwas vorwegzunehmen.

Kolberg: Mit dem Brexit verliert die EU den drittgrößten Nettozahler. Das hat zur Folge, dass sich die Finanzierungsanteile der verbleibenden Mitgliedstaaten am EU-Haushalt erhöhen werden. Wie hoch die jährlichen tatsächlichen Beitragszahlungen für Deutschland ausfallen werden, hängt von der Höhe des mehrjährigen Finanzrahmens ab, der die Ausgabenobergrenze für jedes Jahr festlegt. Die Verhandlungen für den Finanzrahmen nach 2020 beginnen nächstes Jahr. Teil dieser Verhandlungen wird auch die Finanzierungsseite des EU-Haushalts, das sogenannte Eigenmittelsystem, sein. Darin wird die Lastenverteilung der Mitgliedstaaten untereinander geregelt.

Für den aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen bis 2020 wird keine Finanzierungslücke erwartet, da davon ausgegangen wird, dass Großbritannien seine eingegangenen Verpflichtungen im EU-Haushalt in vollem Umfang erfüllen wird.

Zusatzfrage : Ist die jetzt genannte Größenordnung von knapp vier Milliarden Euro in irgendeiner Weise, mit allem Vorbehalt und auch grob gerechnet, zumindest ein Hinweis auf die Dimension dessen, was auf Deutschland langfristig zukommen könnte?

Kolberg: Ich habe Ihnen eben gesagt, dass wir keine Finanzierungslücke für den siebenjährigen MFR bis 2020 erwarten. In Bezug auf alles, was danach kommt, würde ich hier keine Spekulationen anstellen.

Frage: Nun können Einnahmeausfälle, die rein logisch in der Folgezeit aber doch durch den Wegfall eines Mitgliedes zu erwarten sind, dadurch kompensiert werden, dass man neue Einnahmen generiert, zum Beispiel durch Steuern. Arbeitet das Bundesfinanzministerium an solchen längerfristigen Kompensations- oder Lösungsmöglichkeiten?

Kolberg: Ich habe ja eben gesagt, dass es keine Finanzierungslücke in der kurzen Frist gibt. Noch einmal: Über die lange Frist würde ich mich jetzt hier nicht zu Spekulationen hinreißen lassen.

Zusatzfrage: Sie können also auch nicht sagen, ob man sich im Hinblick darauf, dass die lange Frist doch irgendwann eintreten wird, jetzt schon darüber Gedanken macht?

Kolberg: Ich habe meinen Punkt gesagt: Für die kurze Frist gibt es keine Finanzierungslücke. Alles, was danach kommt, werde ich hier dann mitteilen, wenn es so weit ist.

Frage : Herr Seibert, ich will es dann doch noch einmal versuchen: Wäre es, unabhängig davon, wie derzeit die Verhandlungen mit Großbritannien laufen, denn wünschenswert, wenn noch in diesem Jahr die nächste Phase eingeleitet werden würde?

StS Seibert: Es ist natürlich nicht unabhängig von dem Verlauf der Verhandlungen; das ist das, was man ja immer wieder sagen muss. Die Bundeskanzlerin hat gesagt: Wir sind an konstruktiven Verhandlungen interessiert. Ich erinnere mich, dass sie in ihrer Pressekonferenz beim letzten Europäischen Rat - es waren ja viele Kollegen da - gesagt hat: "Wir wünschen uns, dass wir im Dezember so weit sind, dass die Phase 2 beginnen kann." Aber das hängt selbstverständlich davon ab, inwieweit Großbritannien den Fortschritt jetzt insoweit ermöglicht, dass wir sagen können: In den Kernthemen der Phase 1 ist dieser Fortschritt ausreichend. - Das heißt, es liegt tatsächlich auch weiterhin in Großbritanniens Hand, diesen Zustand herzustellen, der es dann möglich sein lässt, dass sich der Europäische Rat für den Übergang zur Phase 2 entscheidet. Aber die Kanzlerin hat sich dazu geäußert, und das ist jetzt keine neue Position der Bundesregierung, die ich Ihnen melden kann.

Frage: Ich habe noch einmal eine Frage zum Thema Datenschutz. Weil ich in der letzten Zeit sehr viele Fragen an Herrn Plate gestellt habe, auch bilateral, würde ich hier gerne auch noch einmal meinen persönlichen Dank und Respekt ausdrücken. Das war viel Arbeit, die ich mir gemacht habe, und die Sorgfalt, mit der Sie die Fragen beantwortet haben, fand ich gerade in diesem G20-Themenumfeld schon sehr bemerkenswert. Vielen Dank also dafür!

Die Frage lautet aber noch einmal sehr konkret: Ich habe gestern auf mein Auskunftsersuchen hin den Bescheid des Bundeskriminalamtes bekommen. Darin standen zu meiner Überraschung 13 Daten über Kontrollscans während des G20-Gipfels. Aus diesen 13 Daten lässt sich ein relativ genaues Bewegungsprofil darüber erstellen, wann ich wo war, und es war zudem ein falsches Bewegungsprofil, weil darin siebenmal "Zutritt verweigert" stand. Das betraf immer den Bereich, in dem ich war, wenn ich zu Pressekonferenzen gegangen bin. Herr Seibert wird bestätigen, dass ich keineswegs den Zutritt verweigert bekommen habe, sondern durchaus Fragen gestellt habe. Deshalb stelle ich die Frage: Ist es bei allen Journalisten passiert, dass diese Bewegungsprofile durch diese Form des Kontrollscans erfasst wurden? Wie kann es zu dieser Auskunft "Zutritt verweigert" kommen, wenn das der Bereich war, den ich und sicherlich viele andere Journalisten genutzt haben, um dann tatsächlich in die Pressekonferenzen zu kommen?

Plate: Zunächst vielen Dank für die Frage und auch für die freundlichen Worte!

Jetzt konkret zu dem, was Sie gefragt haben: Sie haben uns ja dazu gestern schon eine Anfrage geschickt. Die ist noch nicht beantwortet. Das hängt damit zusammen, dass die Recherche und die Aufarbeitung dessen, wie es genau dazu gekommen ist, noch nicht abgeschlossen werden konnten. Ich habe direkt vor der Regierungspressekonferenz noch einmal beim BKA nachgefragt, ob man mir schon mehr dazu sagen könne. Ich habe dabei Informationen erhalten, die ich noch nicht für so belastbar halte, dass ich sie Ihnen jetzt "unter eins" nennen kann, aber ich kann Ihnen gleich gerne "unter drei" erste Hinweise darauf geben, was es damit auf sich haben könnte. Ich habe mir das angeschaut. Sie hatten diese Passage des Bescheides ja auch selbst über Twitter öffentlich gemacht, und damit hatten Sie sozusagen auf den Schutz des Datenschutzrechts verzichte. Deswegen können wir darüber reden. Dies vielleicht nur als Hinweis an alle, weil ich ja sonst nicht über Einzelfälle spreche.

Das ist kein Bewegungsprofil im technischen Sinne. Aber ich verstehe schon, was Sie meinen, wenn hinsichtlich verschiedener Kontrollstellen einmal "Einlass" und einmal "nicht Einlass" steht und dann ein zeitlicher Verlauf dazu abgebildet wird. Ich verstehe, dass Sie das sozusagen untechnisch als Bewegungsprofil bezeichnen. Ich will aber sagen: Ein Bewegungsprofil ist das natürlich trotzdem nicht.

Nichtsdestotrotz kann ich erstens bestätigen, dass das so, wie Sie es veröffentlicht haben, in der Tat auch in dem Bescheid steht. Zweitens halte auch ich das bei erster kursorischer Durchsicht von den Abläufen her für nicht plausibel, sodass man davon ausgehen muss, dass das nicht durchweg richtig zu sein scheint. Wie schon gesagt: Zu den Details dessen, woran das genau liegt, kann ich belastbar noch nichts sagen, jedenfalls nicht "unter eins".

Zu der weiteren Frage, ob es so etwas auch bei anderen Journalisten gegeben hat: Sie wissen ja, dass ungefähr 5000 Journalisten akkreditiert waren. Ich traue mir keine seriöse Aussage darüber zu, ob das vielleicht noch bei irgendjemandem sonst vorgekommen ist. Ich habe aber bisher einen solchen Fall in meiner Tätigkeit jedenfalls noch nicht zur Kenntnis nehmen können. Ob das bedeutet, dass es einen weiteren Fall ähnlicher Art nicht gibt, kann ich, wie schon gesagt, leider nicht belastbar sagen, aber da sind wir dran.

Frage : Die "Paradise Papers" wurden hier ja schon am Montag thematisiert. Da hatten Sie, Herr Seibert, glaube ich, gesagt, dass man sich die gründlich anschauen wolle. Ich wollte fragen, ob man das inzwischen getan hat und, falls nicht, wann man perspektivisch damit rechnen könnte, auch im Hinblick auf mögliche Konsequenzen für den Umgang mit Steueroasen wie der Isle of Man.

StS Seibert: Nun sind - das wissen Sie ja - die "Paradise Papers" ein ungeheures Konvolut von Akten, das über Vorkommnisse in unzähligen Ländern Auskunft gibt. Das heißt, man wird sich das wahrscheinlich nie alles angeschaut haben. Nicht umsonst haben Journalisten - dafür kann man sie ja nur loben - Monate und Monate mit der Sichtung der Daten verbracht. Wir werden uns das also natürlich anschauen.

Ich kann Ihnen heute noch keinen neuen Stand nennen. Ich weiß nicht, ob sich das Finanzministerium dazu anders äußern kann. Aber ich möchte noch einmal das wiederholen, was wir hier ja am Montag sehr ausführlich dargelegt haben, nämlich dass die Arbeit und der Einsatz der Bundesregierung gegen Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und all die damit zusammenhängenden Vorwürfe seit Jahren intensiv sind und dass sie auf europäischer Ebene und auch auf G20-Ebene wichtige Fortschritte erbracht haben. Wir werden in dieser Arbeit mit aller Vehemenz weitermachen. Natürlich geben die jetzt dokumentierten Fälle aus den "Paradise Papers" auch neuen Anlass dazu, zu handeln, aber das Handeln beginnt nicht jetzt, sondern das Handeln hat vor Jahren begonnen und hat in den letzten Jahren tatsächlich auch sichtbare und spürbare Verbesserungen gebracht.

Kolberg: Dem kann ich mich nur anschließen. Finanzminister Altmaier hat bei seiner Pressekonferenz in Brüssel beim Finanzministertreffen am Dienstag auch betont, dass die Arbeiten auf diesem Feld weitergehen, dass die Konsequenzen, die jetzt aus den neuen Informationen gezogen werden, geprüft werden und dass er mit seinen Kollegen im Gespräch ist. Im Dezember möchte man die sogenannte schwarze Liste im Kreise der Finanzminister verabschieden, um gegen solche Offshore-Zentren vorzugehen. Die Bemühungen auf diesem Feld gehen also weiter.

Frage : Ich hätte gerne an seinem letzten Tag auch noch einmal eine Frage oder, besser gesagt, sogar zwei Fragen an Herrn Plate. Es geht aber um sein zukünftiges Lieblingsthema, die Migration. Es gibt ja im Moment sehr unterschiedliche Aussagen zur Situation der griechischen Flüchtlinge, die im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Deutschland kommen könnten. Können Sie bestätigen, dass es derzeit eine faktische Grenze in Höhe von 70 Fällen pro Monat gibt?

Plate: Nein, das kann ich nicht. Diese konkrete Frage war ja auch schon - ich weiß gar nicht, wie oft - in der Regierungspressekonferenz besprochen worden. Es gibt eine solche faktische Grenze nicht. Das, was ich jetzt sage, steht sozusagen im absoluten Einklang mit den Äußerungen, die ich, Herr Dimroth oder auch andere hier in diesem Raum auch schon getätigt haben. Das sieht man ja auch schon anhand der tatsächlichen Zahlen der Dublin-Überstellungen, die erstens innerhalb der letzten Monate aus verschiedenen Gründen sehr stark geschwankt haben und die zweitens in dem niedrigsten Monat, den es gab, bei immer noch mehr als 80 und in dem höchsten bei deutlich mehr als 200 gelegen haben. So war es jetzt auch im vergangenen Monat, dem Oktober. Diese Zahl 70 als echte Begrenzung gibt es also nicht.

Richtig ist, dass das Schwanken der Zahlen mit schwankenden Kapazitäten zu tun hat, auch auf griechischer Seite. Es gibt einen erheblichen Koordinierungsaufwand, sowohl zwischen Griechenland und Deutschland als auch innerhalb Deutschlands bezüglich der Länder. Die Personen, die kommen sollen, müssen ja irgendwo hin, etwas salopp ausgedrückt; denn der Bund selbst hat, wie Sie wissen, ja kein eigenes Territorium, sondern das betrifft die Länder. Deswegen braucht man immer einen gewissen organisatorischen Vorlauf. Deswegen war der Auslöser für deutsch-griechische Absprachen hinsichtlich einer sozusagen größeren Stabilität und Vorhersehbarkeit der Zahlen, dass in einem Monat relativ überraschend sehr viele Menschen auf einmal gekommen waren und der Bedarf festgestellt worden war, im Voraus etwas mehr Verlässlichkeit zu haben.

Ich möchte vielleicht zur Einordnung noch einmal sagen: Allein im Jahr 2017 hat Deutschland neben den 2176 erfolgten Überstellungen aus Griechenland im Rahmen der Dublin-III-Verordnung auch noch zusätzlich 4552 Personen - das ist der Stand vom 7. November - aufgrund der Relocation-Beschlüsse freiwillig aufgenommen. Von den nach der Dublin-Verordnung insgesamt erfolgten Überstellungen nach Deutschland aus allen Mitgliedstaaten entfiel fast die Hälfte auf Griechenland. Das heißt, es werden schon jetzt aus Griechenland deutlich überproportional viele Dublin-Überstellungen tatsächlich durchgeführt, verglichen mit anderen Ländern, die auch Ersuchen an uns richten. Man muss natürlich schauen, damit es vertretbar bleibt, dass man jetzt auch nicht alle bestehenden Kapazitäten nur für die in Griechenland befindlichen Personen einsetzt. Zudem ist es so, dass wir natürlich schauen müssen, dass Deutschland die Zuständigkeit nach der Dublin-Verordnung ohnehin auch in vielen, vielen Fällen übernimmt, in denen eigentlich andere Mitgliedstaaten die Verpflichtung dazu hätten und ihr aus verschiedenen Gründen nicht ganz nachkommen. Auch das bindet Kapazitäten.

Zu der konkreten Frage, warum viele von denen, die eine Zusage zur Einreise erhalten haben, aber faktisch noch nicht eingereist sind oder eingereist zu sein scheinen, will ich auch sagen: Man kann nicht ganz sicher nachhalten, ob eine ganze Reihe dieser Personen nicht doch auch entweder auf anderem Wege gekommen sind - das heißt, nach dem "relocation scheme" - oder auf eigene Faust gekommen sind, etwas salopp ausgedrückt, oder sich in andere Mitgliedstaaten weiter begeben haben. Das lässt sich datenmäßig nicht zu 100 Prozent mit der griechischen Seite klären. Aber wir sind weiterhin bestrebt, dort Familienzusammenführungen in erheblicher Zahl zu betreiben. Wenn Sie sich die Zahlen der letzten Monate anschauen, die hier auch schon einmal genannt worden sind, dann stellen Sie fest, dass die auch eher ansteigend als abnehmend sind.

Zusatzfrage : Gern noch ein Zusatz, der ein bisschen die Zukunft betrifft. Die Verhandlungen auf EU-Ebene laufen ja auf ein Dublin IV-Abkommen hinaus. Sehen Sie denn, dass sich in diesen Punkten der Familienzusammenführung etwas verändern könnte?

Ich müsste kurz noch einmal ausholen. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das deutsche Aufenthaltsrecht ein bisschen anders als die harte Form von Dublin III. Also bei uns dürfen ja Familienzusammenführungsanträge nur gestellt werden, wenn der Asylantrag der Person A in diesem Land schon fertig ist. Dann bekommt man quasi automatisch eine Aufenthaltserlaubnis, was in anderen EU-Staaten so nicht der Fall ist. Nun soll Dublin IV ja auch eine Vereinheitlichung sein, also mit weniger nationalem Spielraum. Sehen Sie da zukünftig Veränderungen in der gängigen Praxis auf Deutschland zukommen?

Plate: Ich wünschte, ich würde über die prognostischen Fähigkeiten verfügen, um diese Frage belastbar zu beantworten. Sie wissen vielleicht, dass gerade das, was Sie als Dublin IV bezeichnen - was ich aber ganz gern als das größere Projekt der Verhandlung zu einem GEAS, also einem echten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, sehe -, zu den komplexesten und auch umstrittensten europäischen Rechtsetzungsprojekte zwischen den Mitgliedstaaten gehört, von denen jedenfalls ich weiß.

Wie das dort so schön heißt: Es gibt zwar einige Punkte, in denen man schon weit gekommen ist. Aber es ist alles geeinigt, wenn alles geeinigt ist - wie das so schön heißt. Insofern kann man sich auch bei Einzelpunkten, bei denen man schon relativ weit zu sein scheint, jetzt nicht belastbar darauf verlassen, dass sie am Ende auch so bleiben. Deswegen befürchte ich, dass Sie mit mir sozusagen das Nichtwissen darüber, wie es ausgeht, und die Neugier teilen müssen. Ansonsten müsste ich mich zu weit aus dem Bereich der Seriosität hinausbegeben.

Frage : Mit der Bitte um eine möglichst knappe und klare Antwort eine Frage, die ich hier schon einmal zum Thema Airbus gestellt habe - Hintergrund ist ein Interview des französischen Finanzministers heute in einer deutschen Zeitung, in der er sich auch dazu äußert -: Hat der Airbus-Chef Enders noch das Vertrauen der Bundesregierung als einer der Aktionäre des Airbus-Konzerns?

StS Seibert: Ich habe darauf keine andere Antwort als neulich. Er ist bis ins Jahr 2019 bestellt. Wir und die anderen Partner sehen derzeit keinen Anlass, über die Zeit nach Ablauf seines Vertrages nachzudenken oder Gespräche zu führen.

Zusatzfrage : Sie möchten die Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten?

StS Seibert: Ich möchte sie so beantworten, wie wir sie hier schon mehrfach beantwortet haben. Ich glaube, dass das auch eine klare Aussage ist.

Frage : Ich habe noch ein weiteres Thema, und zwar würde ich gern das Wirtschaftsministerium fragen: Aus China hören wir, dass es da zu einer größeren Deregulierung kommen soll, die es zum Beispiel auch ausländischen Unternehmen erlauben soll, Mehrheiten an chinesischen Unternehmen zu erwerben. Ich kann mich erinnern, dass das bei allen Delegationsreisen nach China von der Kanzlerin und anderen Politikern immer eine große Sache war. Welche Information hat denn das Bundeswirtschaftsministerium zu den konkreten Umsetzungen solcher Ankündigungen? Wie bewertet das Ministerium diese Ankündigungen? Ist das jetzt ein großer Schritt, der den Bedenken gerade der deutschen Wirtschaft und auch anderer ausländischer Investoren Rechnung trägt? Oder ist das möglicherweise eher ein minorer Schritt?

Baron: Ich kann leider nicht viel dazu sagen. Ich habe mich heute Morgen auch noch einmal bei den Kollegen erkundigt. Wir haben diese Meldung zur Kenntnis genommen, haben aber leider noch keine offiziellen Bestätigungen, auch von den Kollegen aus der Botschaft. Insofern sind es eben jetzt Pressemeldungen. Aber ich kann jetzt nicht über Bestätigungen berichten. Klar ist natürlich, dass wir uns immer für faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen eingesetzt haben und natürlich auch der Finanzsektor da eine große Rolle spielt. Aber ohne dass wir jetzt eine genaue Bestätigung haben, möchte ich das nicht näher bewerten.

Frage : Herr Seibert, ich hätte gern gewusst, ob mittlerweile die Kosten für den G20-Gipfel feststehen. Wenn nein, warum nicht? Also warum dauert das so lange?

StS Seibert: Wir hatten ja immer gesagt: Erstens einmal ist der G20-Gipfel ja nur Teil des G20-Prozesses, und der G20-Prozess geht ja weit über Juli hinaus. Wir sind sogar noch Präsidentschaft. Deswegen ist es sinnvoll, die Gesamtkosten relativ bald im neuen Jahr vorzulegen. Da hat sich nichts geändert.

Zusatzfrage : Ist die Stadt, das Land Hamburg, an den Bund mit der Bitte herangetreten, weiteres Geld nachzuschießen?

StS Seibert: Darüber kann ich Ihnen nichts berichten. Ich nehme zur Kenntnis, was der erste Bürgermeister der Hansestadt gestern dazu in der Öffentlichkeit beziehungsweise in der parlamentarischen Öffentlichkeit gesagt hat.

Freitag, 10. November 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 10. November 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/11/2017-11-10-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2017

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