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PRESSEKONFERENZ/1585: Regierungspressekonferenz vom 29. Dezember 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 29. Dezember 2017
Regierungspressekonferenz vom 29. Dezember 2017

Themen: Gefangenenaustausch in der Ukraine, Arbeit der geschäftsführenden Bundesregierung, Kontrolle der europäischen Binnengrenzen, Asyl- und Flüchtlingspolitik, Arbeitslosenstatistik, Forderung nach Berufung eines Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei, Tötung einer Jugendlichen durch einen Asylsuchenden in Rheinland-Pfalz, Sicherheitslage in der anstehenden Silvesternacht, aus Deutschland entführter vietnamesischer Staatsangehöriger, Sicherheitslage in Afghanistan, Zahl der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten, Regierungsbildung in Österreich, Kredit für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin, Flugverbot der Fluggesellschaft Kuwait Airways für Israelis

Sprecher: SRS Streiter, Dr. Neymanns (BMI), Steffen (BMJV), Breul (AA), Jäger (BMAS), Ewald (BMG), Jornitz (BMWi)


Vors. Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Wie Sie wissen, fand vorgestern, am 27. Dezember, in der umkämpften Ostukraine ein umfangreicher Austausch von Gefangenen der Konfliktparteien statt. Mehr als 300 Personen wurden aus der Gefangenschaft entlassen und konnten inzwischen wohlbehalten zu ihren Angehörigen zurückkehren. Dieser Gefangenenaustausch war der erste in diesem Jahr und ist Teil der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Das Zustandekommen dieses bedeutenden Erfolgs wurde durch die Arbeit des Normandie-Formats bestehend aus Deutschland, Frankreich, der Ukraine und Russland und der Arbeitsgruppe zu humanitären Fragen der Trilateralen Kontaktgruppe das sind die Ukraine, Russland und die OSZE begleitet.

Bundeskanzlerin Merkel und der französische Staatspräsident Macron haben diese Umsetzung der Einigung der Trilateralen Kontaktgruppe in einer gemeinsamen Erklärung ausdrücklich begrüßt. Diese humanitäre Geste vor dem orthodoxen Weihnachtsfest war wichtig und überfällig. Sie kann aber leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies nur ein kleiner Fortschritt auf dem mühsamen Wege der Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk ist. Der Gefangenenaustausch ist darin, wie Sie wissen, seit 2014 verankert und eine wesentliche humanitäre Frage, die zur Gänze gelöst werden muss. Die Bundesregierung appelliert deshalb an alle Beteiligten, hier bald zu einer Lösung zu kommen; denn es werden noch weitere Personen widerrechtlich festgehalten.

Frage: Herr Streiter, seit fast 100 Tagen ist die Bundesregierung geschäftsführend im Amt. Können Sie eine kleine Bilanz ziehen? Ist etwas passiert? Ist nichts passiert? Wie sieht Ihre Bilanz aus?

SRS Streiter: Da gibt es keine Bilanz. Die Bundesregierung ist im Amt, und sie bleibt so lange geschäftsführend im Amt, bis es eine neue Bundesregierung gibt. Da möchte ich hier keine Bilanz ziehen.

Zusatzfrage: Können Sie einmal kurz sagen, was in diesen 100 Tagen erreicht wurde, was gemacht wurde? Da gibt es ja einige Dinge.

SRS Streiter: Nö.

Frage: Vielleicht würden Sie gerne in die andere Richtung schauen, wenn es jetzt in den nächsten Wochen und Monaten Sondierungen und Koalitionsverhandlungen geben wird. Gibt es denn irgendwelche Themen, die tatsächlich noch auf der Agenda stehen? Die Frage geht gerne auch an die Ministerien. Gibt es also noch irgendetwas, das jetzt irgendwie dringend abgearbeitet werden müsste?

SRS Streiter: Sie haben uns diese Anfrage ja gestern schon geschickt - nicht uns, aber den Ministerien, und vielleicht nicht Sie persönlich, aber ein Kollege von Ihnen. Ich kann dazu nur allgemein sagen, dass eine geschäftsführende Regierung rechtlich dieselben Befugnisse wie eine reguläre Regierung hat. Dazu gehört natürlich auch das Recht zum Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Handlungsfähigkeit besteht auf allen Gebieten, auch auf europäischer und internationaler Ebene.

Sie schütteln so den Kopf. Ich kann auch gerne noch einmal nachlegen. Ich meine, Sie kennen die Situation. Es wird Ihnen doch auch nicht sehr erläuterungsbedürftig sein, dass die Bundesregierung jetzt natürlich keine Aktivitäten startet, die eine künftige Bundesregierung irgendwie festlegt.

Frage: Ich habe eine Frage, die sich vor allem an das BMI, aber vielleicht auch an die Bundesregierung insgesamt richtet. Es geht um das Thema der europäischen Binnengrenzen. Die CSU möchte gerne die Beweislast dahingehend umkehren, dass die Kontrolle an europäischen Binnengrenzen fortgesetzt werden kann, solange die Europäische Kommission nicht nachweisen kann, dass die Außengrenzen sicher sind. Ist das, also diese Beweislastumkehr, etwas, das auf Ebene der Innenminister schon einmal besprochen wurde? Ist das nach Ihrer Ansicht ein Vorschlag, der in Europa Erfolg haben könnte?

Dr. Neymanns: Ganz grundsätzlich ist es immer die Position des Ministers und, glaube ich, auch seiner europäischen Amtskollegen gewesen, dass die EU-Außengrenzen geschützt werden müssen, um den Zustrom oder die Zuwanderung kontrollieren zu können. Um das zu verbessern, sind in den letzten Jahren verschiedene Dinge initiiert worden. Weil die EU-Binnengrenzen derzeit noch nicht so geschützt sind, wie sie eben geschützt werden sollen Sie kennen das: Einreise- und Ausreiseregister, European Travel Information and Authorization System und die diversen Projekte, die auf der EU-Ebene in den letzten Jahren beschlossen, schon umgesetzt und teilweise noch im Fluss sind , und weil da noch etwas zu tun ist, hat der Bundesinnenminister vor ein paar Wochen entschieden, die Grenzkontrollen einzelner Grenzen in Deutschland und Österreich zu verlängern.

Einzelne Vorschläge aus dem politischen Raum kann ich hier nicht kommentieren.

Zusatzfrage: Die Frage war ja: Ist so etwas auf europäischer Ebene in Anwesenheit oder mit Wissen von Herrn de Maizière schon einmal diskutiert worden, oder ist diese Beweislastumkehr etwas, das Sie jetzt zum ersten Mal hören?

Dr. Neymanns: Ich persönlich höre hier von diesem Vorschlag zum ersten Mal, aber ich kann nachher gerne noch einmal der Frage nachgehen, ob ich dazu irgendetwas finde. Ansonsten gilt auch weiterhin: Einzelne politische Forderungen kann ich hier nicht kommentieren. Ich kann auch nicht irgendwie einschätzen, inwieweit die auf europäischer Ebene Erfolg haben.

Zusatzfrage: Wenn ich noch einmal nachfragen darf, quasi an das Kanzleramt: Fühlen sich die Bundeskanzlerin bzw. die Bundesregierung insgesamt an das Prinzip der "ever closer union" gebunden?

SRS Streiter: Das sagt mir jetzt nichts; es tut mir leid.

Zusatzfrage: Das ist das Prinzip, dass die europäische Integration immer weiter voranschreitet. Ist das ein Prinzip, das für die Bundesregierung gilt, oder ist das ein Prinzip, das einmal auf europäischer Ebene galt, jetzt aber eigentlich keine Bedeutung mehr hat?

SRS Streiter: Ich finde, das ist irgendwie gar kein Punkt, den man jetzt diskutieren muss. Für die Bundeskanzlerin, und das hat sie immer wieder gesagt, ist eine Sicherung der Außengrenzen entscheidend; denn nur innerhalb gesicherter Außengrenzen kann es einen geregelten Binnenverkehr geben.

Frage: Herr Neymanns, es geht um die Flüchtlingsstatistik. Ich kenne die Statistik von Januar bis November von Ihrer Webseite. Danach waren es 172 Asylsuchende, die nach Deutschland gekommen sind. Wenn ich jetzt einfach einmal den Dezember zum Durchschnitt der letzten beiden Monate hinzuaddiere, dann landen wir am Jahresende irgendwo bei 190. Das ist jetzt einfach einmal eine Zahl, die ich so dahinsage. Ich würde diese Zahl gerne einmal verstehen. Vielleicht können Sie mir mit der Einordnung helfen. Laut UNHCR sind 2017 170 Menschen über das Mittelmeer geflohen. In Deutschland haben ja mehr Menschen Asyl gesucht. Wie sind die denn nach Deutschland gekommen? Was sind das für Wege? Wo kommen die Asylsuchenden her? Es sind ja gar nicht so viele gewesen, die über das Mittelmeer gekommen sind, wenn ich dem UNHCR glaube. Welche Wege kommen denn noch hinzu, damit wir in Deutschland auf 180 oder 190 kommen?

Dr. Neymanns: Die Antwort auf die Frage nach der Differenz in Deutschland kann ich jetzt nicht aus dem Ärmel schütteln. Die hochgerechnete Asylzahl für das Jahr wird irgendwann im Januar genau veröffentlicht werden, und die UNHCR-Zahl muss ich nicht kennen. Aber es gibt, auch wenn die Balkanroute irgendwie eingeschränkt ist, weiterhin Menschen, die über die Balkanroute kommen. Ich kann Ihnen hier keine Zahlen aus dem Ärmel schütteln; das wäre auch unseriös. Es gibt sicherlich auch Menschen, die irgendwie über Ostgrenzen nach Deutschland kommen. Ich glaube, die Rechnung des UNHCR spricht von 170. Ich rechne das für Deutschland irgendwie auf 190 hoch. Da fehlen welche. Es ist also ein bisschen zu einfach, das so einfach gegenüberzustellen.

Das Mittelmeer ist eine Migrationsroute, und das zentrale und das westliche Mittelmeer sind sicherlich auch die Hauptmigrationsrouten. Aber dann gibt es immer noch den Balkan oder auch die Ostgrenzen. Zahlenmäßig kann ich das aber, wie gesagt, hier nicht beziffern.

Zusatzfrage: Das UNHCR sagt ja auch, die Zahl der Flüchtlinge über die Mittelmeerroute sei zurückgegangen. Spüren Sie auch bei den Asylsuchenden in Deutschland einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr 2016?

Dr. Neymanns: Ich habe die Zahlen, ehrlich gesagt, hier in meinem Papierstapel. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es in Deutschland 2015 890 und 2016 ungefähr 280 Asylsuchende. Wenn es jetzt - was hatten Sie gesagt? - nach der Asyl-PM im Dezember 170 waren, dann gibt es, glaube ich, wenn man die Zahlen betrachtet, einen Rückgang.

Zusatzfrage: Wenn ich noch eine letzte Frage zum Thema Asylsuchende anhängen darf: Viele der Asylbescheide werden ja gerichtlich angefochten. Ich habe eine Zahl gelesen, wonach jeder vierte Kläger Recht bekommt. Wie wollen Sie denn das Qualitätsmanagement beim BAMF verbessern?

Dr. Neymanns: Das Klagerecht des Asylsuchenden ist das Recht, das ihm zusteht. Insofern ist das BAMF ständig dabei, die Asylverfahren zu verbessern, die Asylverfahren zu beschleunigen, die Identität zu überprüfen, die Echtheit der Dokumente zu überprüfen, also auch die Asylvita oder sozusagen das Leben der Asyl suchenden Person irgendwie zu plausibilisieren. Das sind ständige Prozesse, die da laufen.

Daraus, dass gegen ein Viertel aller Asylbescheide geklagt wird, zu schließen, dass die Asylbescheide des BAMF schlecht oder fehlerhaft sind, ist, glaube ich, auch nicht ganz zutreffend.

Zusatz: Nein, es geht nicht darum, dass ein Viertel dagegen klagt, sondern darum, dass ein Viertel Recht bekommt! Das ist, finde ich, schon eine hohe Zahl. Das heißt ja, dass die Bescheide nicht korrekt waren.

Dr. Neymanns: Das heißt, dass das Gericht eine andere Einschätzung zum Schutzgrund als das BAMF findet. Auf Basis der Informationen und der Qualität im BAMF, die da vorgelegen hat, hat das BAMF natürlich einen guten Bescheid getroffen. Aber das Klagerecht steht ja jedem frei.

Frage: Ich habe auch eine Frage an das Innenministerium; sie schließt sich eigentlich an: Nach Angaben des BAMF nimmt der Anteil von Asylsuchenden, die gefälschte Dokumente mit sich führen, zu. Mich würde einmal interessieren: Was sind das für Dokumente bzw. gibt es Erkenntnisse darüber, woher die stammen?

Dr. Neymanns: Vielen Dank. Sie hatten ja schon im Vorfeld Kontakt zu uns aufgenommen.

Vielleicht kann ich zur Verdeutlichung einleitend einmal ganz kurz ein paar Zahlen nennen: Während der Asylverfahren sind im Jahr 2014 10 Dokumente auf Echtheit überprüft worden, wobei ich gerade, ehrlich gesagt Davon wurden 7628 nicht beanstandet. 770 davon waren verfälscht, und nicht abschließend bewertbar waren 2000. Zum Anstieg, den Sie jetzt meinen: Im Jahr 2017 sind gut 233 Dokumente geprüft worden. 217 waren ohne Beanstandung. Ge- oder verfälscht waren gut 10 Dokumente, nicht abschließend bewertbar 5300. In der Kürze der Zeit konnte ich keine Informationen darüber besorgen, was das für einzelne Dokumente waren, ob das Passdokumente oder Reisepässe oder gegebenenfalls Geburtsurkunden etc. waren.

Sie hatten auch gefragt, was in solchen Fällen passiert, in denen gefälschte Dokumente vorgelegt werden. Das wird erst einmal im Sicherheitsreferat des BAMF bearbeitet und genau analysiert. Dann, wenn sozusagen erhebliche Zweifel bestehen, geht das in die AG Status, die bei uns im BMI angesiedelt ist. Die prüft solche Fälle auch noch einmal, insbesondere auf die Sicherheit bezogen, oder gegebenenfalls geht das dann an das GTAZ, das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, um da zu schauen, was daraus folgt.

Wichtig ist, glaube ich, auch noch Folgendes: Wenn die Fälschung vorgenommen wurde, um über die Staatsangehörigkeit zu täuschen und mit der falschen Staatsangehörigkeit Asyl zu bekommen, dann wird der Asylantrag negativ beschieden.

Frage: Herr Dr. Neymanns, wenn ich recht informiert bin, dann dauert es derzeit etwa zwölf Wochen, bis mit den Integrationskursen begonnen wird. Angestrebt war, glaube ich, eine Höchstdauer von sechs Wochen. Woran liegt es, dass sich diese Wartezeit verdoppelt hat? Was bedeutet es zweitens für die Integration, wenn die ersten Schritte so lange nicht gemacht werden können? Was wird drittens zur Abhilfe oder Verbesserung getan?

Dr. Neymanns: Vielen Dank. Vielleicht nenne ich auch da zur Einleitung ein paar Zahlen: Die Zahl der Integrationskurse betrug 2014 10. Die Zahl der Integrationskurse im Jahr 2016 betrug schon rund 20, wurde also innerhalb von zwei Jahren verdoppelt. Die Zahl der Teilnehmer am Integrationskurs hat sich von 142 im Jahr 2014 auf 340 im Jahr 2016 verdoppelt. 2017 ist noch nicht abgeschlossen, aber bislang sind rund 273 Kursteilnehmer zu verzeichnen. Der Stichtag, 27. Dezember, war vor ein paar Tage. Da müssen wir noch einmal schauen.

In der Tat muss man sehen, dass die Personen, die an Kursen teilnehmen dürfen, relativ schnell in die Kurse kommen. Die Integrationskurse richten sich ja vornehmlich an die Personen, die bleiben werden oder zumindest eine große Wahrscheinlichkeit haben, zu bleiben. Das BAMF hat auf die möglicherweise lange Wartezeit reagiert und pilotiert gerade in 23 Modellregionen einen neuen Zusteuerungsprozess. Da werden die Kursteilnehmer, sobald sie ihren, wie ich es einmal nenne, Kurs-Gutschein haben, sofort den Kursträgern zugesteuert. Die ersten Erfahrungen mit dem Pilotprozess zeigen, dass es irgendwie ganz vernünftig läuft und dass die Zeit zwischen der Ausstellung der Bescheinigung und dem Beginn der Kursteilnahme eben deutlich beschleunigt werden kann.

In der Tat sind es durchschnittlich 11,7 Wochen, die Sie genannt haben. In diesem Pilotprojekt in diesen 23 Modellregionen beträgt die Zeit 6,4 Wochen. Wenn sich dieses Projekt also weiter verstetigt und weiter erfolgreich ist, wird es dann sicherlich auch bundesweit ausgerollt werden.

Zusatzfrage: Ehrlich gesagt verblüfft mich die Antwort ein wenig, weil ich das, was Sie als Ablauf des Pilotprojekts schildern, für den Normalfall halten würde, also dass, wenn jemand, von dem man wünscht, dass er sehr schnell in einen Integrationskurs kommt, dann einen Gutschein erhält, man dann sofort "Hier geht es lang" sagt. Wenn Sie jetzt sagen, das sei modellhaft erprobt, wie ist denn dann ansonsten die bisherige Praxis? Erhalten die einen Gutschein, und man wartet, bis die sich irgendwo melden?

Dr. Neymanns: Es gibt ja verschiedene Integrationskursanbieter, und das hat eben dazu geführt, dass die Wartezeit länger war, als wir es uns gewünscht haben. Insofern hat das BAMF das Modellprojekt aufgesetzt, um die Zeit eben zu verkürzen.

Frage: Herr Neymanns, noch einmal zum BAMF: Können Sie etwas zur Personalentwicklung für 2018 sagen? Bauen Sie da eigentlich Stellen ab, oder bleibt es bei dem Personal?

Dr. Neymanns: Auch zu 2018 kann ich jetzt nichts aus dem Ärmel schütteln. Das BAMF hat ja wegen der stark gestiegenen Zahlen der Asylverfahren einen erheblichen Personalaufwuchs gehabt, aus dem Ärmel würde ich sagen, von ca. 2500 auf gut 10 zu einem bestimmten Zeitpunkt. Das waren aber auch durchaus Personen mit befristeten Verträgen. Teile dieser befristeten Verträge laufen aus und werden nicht verlängert. Andere befristete Verträge werden verlängert. Insofern findet ein Personalabbau statt, das stimmt. Die Zahlen, die wir vorher schon hatten, gehen ja auch zurück. Aber wie das jetzt für das Jahr 2018 aussieht das muss ich zugeben , weiß ich jetzt nicht.

Zusatzfrage: Aber können Sie auch mit zurückgehendem Personal weiterhin eine Qualität der Bearbeitung gewährleisten?

Dr. Neymanns: Das ist natürlich das Ziel. Die Prozesse im BAMF sind ja optimiert worden. Die elektronische Unterstützung im BAMF ist erheblich optimiert und ausgebaut worden. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen beteiligten Stellen ist über die elektronischen Systeme in den letzten Jahren erheblich intensiviert worden. Das muss ich Ihnen hier nicht sagen; das war ja hier auch wirklich häufig ein Thema. Aber die Qualität wird selbstverständlich gewährleistet.

Frage: Herr Neymanns, im Nachklapp zu der Frage (zu gefälschten Dokumenten): Was passiert denn, wenn Sie nicht abschließend feststellen können, ob Dokumente echt oder gefälscht sind? Was passiert mit diesen Leuten? Sie müssen die ja auf irgendeinem Weg weiter einsortieren.

Dr. Neymanns: Wie gesagt, wenn das Dokument gefälscht war, um über die Staatsangehörigkeit zu täuschen, also wenn man mit einer anderen Staatsangehörigkeit als der eigene versucht, Asyl zu bekommen, dann ist das ein Ausschlussgrund, ein Ablehnungsgrund für das Asylverfahren.

Zusatzfrage: Das ist klar. Aber das passiert ja, wenn Sie feststellen, dass das gefälscht ist. Sie haben ja gesagt, es gebe ein paar Tausend in diesem Jahr waren es, glaube ich, 5000, haben Sie gesagt , für die man nicht abschließend feststellen kann, ob die nun eigentlich echt oder gefälscht sind. Was passiert also mit den Leuten?

Dr. Neymanns: In der Tat ist es so, dass ein gefälschtes Dokument nicht zwingend ein Asylausschlussgrund ist. Also kann auch eine Person, die ohne Dokumente einreist, durchaus einen Asylantrag in Deutschland stellen und auch durchaus Asyl bekommen.

Zusatzfrage: Heißt das, die Leute, bei denen Sie sich nicht sicher sind, gehen weiter in das normale Asylverfahren?

Dr. Neymanns: Die gehen in das weitere Asylverfahren hinein. Bei denen, die sicherheitsauffällig sind, folgt der Prozess, den ich Ihnen vorhin genannt habe - mit den beteiligten Behörden, dem Sicherheitsreferat im BAMF, dem GTAZ auf Bundesebene etc.

Frage: Es geht im weitesten Sinne natürlich schon um diesen Komplex, beträfe aber aus meiner Sicht noch einmal ein bisschen die Sondierungspolitik oder Erwartungen. Da hat es in den letzten Tagen einige Meldungen zum Stichwort Familiennachzug gegeben. Insofern hat das ja auch irgendwie etwas mit Flüchtlingen zu tun. Ich weiß aber nicht, ob sich meine Frage an das BMI oder an das Justizministerium richtet, weil das eher so eine Lernfrage ist.

Nun steht so ein Kompromissvorschlag von Herrn Laschet im Raum, man könnte eventuell bei Härtefällen Entgegenkommen zeigen. Herr Herrmann ist ihm dann in der "Süddeutschen Zeitung" beigesprungen. Ich verstehe nicht ganz: Sind Härtefälle in Sondierungen eigentlich überhaupt verhandelbar? Ist es nicht das Recht der Asylsuchenden und auch der subsidiär Geschützten, das einzuklagen, wie es dieser 16-jährige Syrer getan hat? Steht ihnen das nicht zu? Das klingt so gönnerhaft, ganz nach dem Motto: Wir könnten euch bei Härtefällen entgegenkommen. Aber das ändert ja gar nichts an den Grundpositionen der Konfliktparteien Union und SPD, sondern es geht nur deswegen versuche ich, das zu verstehen um die Frage: Welche Bedeutung haben eigentlich die Härtefälle? Vielleicht kann mir die Justiz einmal erläutern, ob Härtefälle überhaupt verhandelbar sind.

Steffen: Die Justiz kann das an dieser Stelle, glaube ich, nicht erläutern, zumindest nicht in Form meiner Person. Die Zuständigkeit dafür liegt, glaube ich, unter anderem beim AA.

Allerdings kann ich allgemein sagen, dass wir uns zu diesen Äußerungen aus dem politischen Raum hier schlichtweg nicht äußern werden.

Zusatzfrage: Ich will auch nicht, dass jetzt der Eindruck entsteht, ich würde von Ihnen Informationen über Sondierungsverhandlungslinien, rote Linien oder sonst etwas haben wollen. Mir geht es nicht um die Sondierungen. Es geht mir grundsätzlich um die Frage: Wenn jemand hier subsidiär geschützt ist, kann er dann das Recht auf Familiennachzug einklagen? Wenn er das kann, dann ist das doch nicht verhandelbar. Das ist dann doch nichts, was man dem politischen Gegner einräumt. Verstehe ich das falsch? Herr Breul vielleicht?

Frage: Ich glaube, das ist ja der entscheidende Punkt. Wir insbesondere als geschäftsführende Bundesregierung arbeiten natürlich mit der rechtlichen Grundlage, die wir haben. Einer neuen Bundesregierung mit einer entsprechenden Mehrheit im Bundestag steht es natürlich frei, rechtliche Grundlagen anzupassen. Vielleicht beantwortet das einen Teil Ihrer Frage. Dementsprechend verändert das natürlich auch die Grundlage da spreche ich jetzt wirklich unter Kontrolle des Justizministeriums , auf der man bestimmte Dinge einklagen kann oder auch nicht.

Vielleicht nur kurz zu diesem Fall, auf den Sie anspielen und der uns kurz vor Weihnachten beschäftigt hat: Dabei ging es sehr konkret darum, ob eine Visumserteilung nach 22 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes möglich ist, worauf dieser junge Syrer geklagt hat, also für seine Familie. Das ist sozusagen immer ein Einzelfall. Es wird begutachtet, ob dringende humanitäre Gründe vorliegen. Das ist also keine allgemeine Härtefallregelung, über die jetzt vielleicht debattiert wird, sondern wirklich eine Entscheidung, die in jedem Einzelfall zu treffen ist.

Zusatzfrage: Wenn Sie davon sprechen, die rechtliche Grundlage anzupassen, heißt das dann, dass die Bundesregierung bereit wäre, auch darüber nachzudenken, sie zu verschärfen oder sie zu lockern?

Breul: Ich glaube, dafür sind wir jetzt die falschen Adressaten. Wir sind hier die Sprecher der geschäftsführenden Bundesregierung. Sie sagen selbst, dass das jetzt Thema der Sondierungen ist. Harren wir da also der Dinge, die da beschlossen werden.

Frage: Das ist ja doch interessant. Gibt es eine genaue Definition des Begriffs Härtefall? Ist ein Härtefall also etwas, über den im gegebenen Fall ein Sachbearbeiter entscheiden kann, oder nicht? Ist das etwas, das man vor Gericht einklagen kann, oder ist ein Härtefall auch als etwas definiert, das ein Gesetzgeber in bestimmten Bereichen ausschließen kann, oder ist ein Härtefall in allen justiziablen Bereichen immer etwas, das es geben muss?

Steffen: Die Antwort ist nicht ganz einfach. Aber Härtefälle als solche sind nicht definiert, sondern das ist Sache der Politik. Minister Heiko Maas hat sich dazu im Februar 2016 auch geäußert: "Der Weg für das Asylpaket II ist frei: Für schutzbedürftige minderjährige Flüchtlinge ermöglichen wir humanitäre Entscheidungen. Wir haben eine vernünftige Lösung gefunden - ohne die Beschlüsse der Koalition zu ändern." Das war, wie gesagt, 2016. Aber das ist, wie gesagt, nicht definiert, sondern auch immer eine Sache der politischen Entscheidungen.

Frage: Bedeutet der Terminus Härtefall nicht, dass er dann eintreten kann, wenn eine ansonsten bestehende Regelung konsequent angewendet werden würde, sodass der Härtefall sozusagen per definitionem egal, wie das dann im Einzelfall ausgelegt wird immer eine Art von Gnadenrecht ist, wie man es vielleicht früher genannt hätte? Es gibt eine Regel, die, wenn wir sie anwenden würden, für Einzelne eine sehr hohe Härte bedeuten würde, und deswegen weichen wir möglicherweise nach Kriterien, die man aufstellt von der Regel ab. Aber ein Härtefall setzt erst einmal eine andere Regel voraus. Sehe ich das falsch?

Steffen: Ich kann zu diesem Zeitpunkt jetzt gerade nichts dazu beitragen, fürchte ich, falls die Frage an mich gerichtet war.

Frage: Ich habe nur noch einmal die Frage an das Justizministerium, ob ich es richtig verstanden habe, dass der Begriff Härtefall nicht definiert ist. Das heißt also, wenn ein CSU-Innenpolitiker jetzt von einer Ausweitung der Härtefallregelung spricht, ist das eigentlich de facto unlogisch.

Steffen: Damit würden Sie mich ja jetzt sozusagen wieder zwingen, das zu bewerten. Das kann ich an dieser Stelle nicht tun; es tut mir leid.

Frage: Frau Jäger, der Sozialverband Deutschland kritisiert, dass keine neuen sozialpolitischen Projekte angestoßen werden, solange wir noch keinen neuen Bundeshaushalt haben. Schadet diese Situation aus Ihrer Sicht dem Sozialstaat? Kann jetzt irgendetwas nicht in die Wege geleitet werden, das nötig wäre?

Jäger: Aus meiner Sicht schadet das nicht, denn die geschäftsführende Bundesregierung führt alle Projekte fort, die es bisher gegeben hat. Es bricht nichts an Finanzierung weg. Insofern sehe ich keinen Anlass für diese Kritik.

Frage: Es geht nicht um den Sozialstaat, aber um den Arbeitsmarkt. Insofern sind wir, was das Ministerium angeht, richtig. Frau Jäger, am 3. Januar wird die neue Statistik in Nürnberg vorgestellt. Können Sie mir einmal erklären, warum rund eine Million Menschen in der Arbeitslosenstatistik nicht aufgeführt werden, zum Beispiel Langzeitarbeitslose?

Die Zahlen sind zurzeit ja sehr günstig. Man könnte sich ja einmal ehrlich machen und alles sozusagen mit einpreisen, was keine Arbeit hat.

Wie kommt es dazu, statistisch so zu verfahren?

Jäger: Die Art, wie Arbeitslosigkeit aufgeführt wird, ist ja nicht jetzt ganz frisch so erfunden worden, sondern das wird schon lange nach dieser Methode getan.

Sie gehen ansonsten auf Menschen in unterschiedlichen Schulungen, Fortbildungen und Ähnlichem ein, die nicht als arbeitslos geführt sind. Ich wüsste nicht, warum das gerade jetzt geändert werden sollte.

Frage: Eine Frage an Herrn Streiter: Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, sieht jüdisches Leben in Deutschland gefährdet und fordert von der Bundesregierung die Einsetzung eines oder einer Antisemitismusbeauftragten. Hat die Bundesregierung schon eine Meinung dazu? In welcher Form setzt sie sich mit dieser Forderung auseinander?

SRS Streiter: Frau Knobloch ist ja nicht die Erste, die das fordert. Dies wird sicherlich Gegenstand der Gespräche zur Bildung einer neuen Regierung sein.

Zusatzfrage: Sie haben recht, Frau Knobloch ist nicht die Erste. Aber sie stützt sich sozusagen auf neuere antisemitische Vorfälle und von daher auf eine neue Lage.

Was spräche dagegen, dass auch jetzt schon ein Antisemitismusbeauftragter berufen würde?

SRS Streiter: Das kann ich nicht erwägen. Aber schauen wir, was die Zeit bringt. Ich kann jetzt hier keine Festlegung treffen.

Zusatzfrage: Beschäftigt sich die geschäftsführende Bundesregierung zurzeit mit dieser Forderung?

SRS Streiter: Heute nicht, nein.

Frage: Es geht um das Thema Türkei. Herr Erdogan hat ja einige, so will ich es einmal sagen, versöhnliche Worte in Richtung der Niederlande und auch in Richtung Deutschlands geschickt. Ist das vielleicht auch in anderer Form bei der Bundesregierung angekommen? Was stellt sich die Bundesregierung vor, damit sich das Verhältnis verbessert?

SRS Streiter: Ich vermute, Sie haben mich angesprochen. Die Bundesregierung hat die Aussagen von Staatspräsident Erdogan zur Kenntnis genommen. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Lösung der verbliebenen Haftfälle eine wichtige Aufgabe zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen. In diesem Zusammenhang nehmen wir auch die gestrige Nachricht über die Freilassung eines deutschen Staatsangehörigen aus der türkischen Haft positiv zur Kenntnis.

Frage: Herr Streiter, es geht um den Fall in Kandel, den Tod eines 15-jährigen Mädchens. Es gibt Forderungen, den jungen Täter abzuschieben. Schließt sich die Bundesregierung diesen Forderungen an?

SRS Streiter: Die Bundesregierung nimmt zu diesem Fall nicht Stellung.

Zusatzfrage: Warum nicht?

SRS Streiter: Das muss ich nicht begründen. Warum sollen wir zu diesem Fall Stellung nehmen?

Zusatz: Weil er die Öffentlichkeit bewegt.

SRS Streiter: Meine Auskunft ist: Ich möchte dazu keine Stellung nehmen.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium, ich hatte es ja schon einmal versucht. Gibt es mit Blick auf die Silvesternacht Anzeichen, dass sich erneut mehrere Tausend Menschen zum Beispiel in Köln mit, ich nenne es einmal so, nicht friedlicher Absicht versammeln werden? Wird die Bundespolizei wieder mit einem Großaufgebot vor Ort sein? Das muss sich nicht nur auf Köln beziehen, sondern kann sich auch auf andere Städte beziehen. Wie sieht sozusagen die Gefährdungslage für Feiernde und vielleicht auch für Gottesdienstbesucher aus?

Dr. Neymanns: Die Polizeien vor Ort richten sich darauf ein, dass sie je nach Geschehen angemessen reagieren. Wie in den vergangenen Jahren wird sich die Bundespolizei auch in diesem Jahr rund um die Silvesterfeier mit Einsatzkonzepten zur Unterstützung der Landespolizeien einbringen und mit den kommunalen Behörden und den Sicherheitspartnern entsprechend abstimmen.

Zusatzfrage: Haben Sie denn Hinweise, dass es wieder Vorfälle wie in den vergangenen beiden Jahren beispielsweise in Köln geben wird, dass sich größere Menschenmengen, Tausende versammeln werden?

Dr. Neymanns: Die Polizeien der Länder bereiten sich auf das vor, was sie erwarten. Die Bundespolizei unterstützt entsprechend.

Zusatzfrage: Hat die Bundespolizei selbst keine Erkenntnisse dazu?

Dr. Neymanns: Ich habe das gesagt, was ich sagen konnte.

Zusatzfrage: Würden Sie denn aus Sicht der Bundespolizei sagen, dass man zum Beispiel in Köln am Dom Silvester feiern kann, oder würden Sie das nicht empfehlen?

Dr. Neymanns: Ich gebe hier keine Empfehlung zu einzelnen Orten, an denen man Silvester feiern sollte oder nicht feiern sollte.

Frage: An das Auswärtige Amt: Herr Breul, können Sie uns über den aktuellen Sachstand im Fall des entführten Vietnamesen informieren? Wissen Sie schon von einem Prozessbeginn in Vietnam? Hat er schon begonnen, oder erwarten sie den Beginn in Kürze? Wie geht es dem Menschen?

Breul: Wir gehen nach wie vor von einem Verfahrensbeginn zum 8. Januar aus. Wir haben in den Medien mitverfolgt, dass eventuell ein zweites Korruptionsverfahren eröffnet werden soll. Unsere Botschaft und das Auswärtige Amt in Berlin sind mit den vietnamesischen Ansprechpartnern in Kontakt. Wir haben gerade heute Morgen den vietnamesischen Botschafter noch einmal zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten, um weitere Klarheit zum Vorgehen in dem Verfahren zu erlangen.

Zusatzfrage: Wie würden Sie die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und Vietnam derzeit beschreiben?

Breul: Ich denke, darüber haben wir schon mehrfach gesprochen. Der vietnamesischen Seite ist bekannt, was sie zu tun hat, um zu guten bilateralen Beziehungen zurückzukehren und zu einem Wiederaufleben unserer strategischen Partnerschaft zu gelangen.

Zuatzfrage: Gut, das ist der vietnamesischen Seite bekannt. Würden sie es auch mir bekanntmachen? Was muss Vietnam denn tun?

Breul: Auch dazu hatten wir hier schon wiederholt gesprochen. Das rechtsstaatliche Verfahren ist natürlich eine Grundvoraussetzung. Des Weiteren führen wir vertrauliche Gespräche mit der vietnamesischen Regierung und hoffen, dabei Fortschritte zu erzielen. Wenn wir dies getan haben, werden wir Sie gern darüber unterrichten.

Dr. Neymanns: Sie hatten nach den Klagen gegen Asylbescheide gefragt. In der Tat klagen seit 2016 vermehrt syrische Antragsteller, die subsidiären Schutz bekommen haben, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, also der etwas dauerhafteren Flüchtlingseigenschaft. Aktuell wird in Gerichtsverfahren tatsächlich oft oder zum Teil zugunsten der Antragsteller entschieden. Das sind allerdings erstinstanzliche Urteile in den Klageverfahren der syrischen Antragsteller, in denen den syrischen Antragstellern also der höhere Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde.

Um aber eine oberinstanzliche Rechtsprechung herbeizuführen, ist das Bundesamt in Berufung gegangen. In diesen Berufungsverfahren wurde die Entscheidungspraxis des Bundesamts durch Obergerichte überwiegend bestätigt. Aktuell aber ich muss zugeben, dass ich es jetzt nicht ganz genau weiß gibt es dazu, in genau dieser Sache, auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg.

Frage: Ich habe zwei Fragen, allerdings zu zwei verschiedenen Themen, jedoch an ein Ressort, das Auswärtige Amt. Ich stelle einfach die erste separat.

Herr Breul, welche Auswirkungen hat die Zunahme der Zahl der Anschläge in Afghanistan, vor allem relativ dramatisch in Kabul, auf die Bewertung der Sicherheitslage dieses Landes? Es gibt Stimmen, die sagen, man müsse inzwischen davon ausgehen, dass Afghanistan ein Land sei, das sich wieder im Kriegszustand befinde.

Breul: Wir haben uns ja auch zu dem Anschlag von gestern in Kabul geäußert und diesen auf das Schärfste verurteilt. Trotzdem ist es schwierig, nach einzelnen Anschlägen sofort zu beurteilen, was das für die Gesamtlage bedeutet.

Wir haben immer gesagt, dass die Sicherheitslage sehr schwierig, sehr volatil und von Region zu Region auch sehr unterschiedlich ist. An dieser grundsätzlichen und, wie ich zugebe, vielleicht auch etwas schwammigen Einschätzung hat sich nichts geändert. Aber natürlich fügt sich jeder einzelne Anschlag in ein Gesamtbild ein. Die Bundesregierung will Herr Neymanns und ich hatten dazu ja vor ein paar Tagen vorgetragen jetzt, auch noch einmal über die letzten Jahre Bilanz ziehend und perspektivisch ausgerichtet für die nächsten Jahre, einen Bericht erarbeiten, der sich mit der Gesamtlage in Afghanistan beschäftigt.

Zusatzfrage: Natürlich gibt es die irgendwann die Situation, dass Quantität in Qualität umschlägt. Das war der Ansatz meiner Frage. Die Anschläge häufen sich einfach in Zahl und Intensität, ebenso die Folgen der Anschläge. Muss das nicht doch dazu führen, dass man sagt: "Man kann dieses Land, das sich so dynamisch negativ entwickelt, einfach nicht mehr generell als ein sicheres Land bezeichnen"? Wie lang kann man am Kriterium der Volatilität und der Unterschiede zwischen den Regionen festhalten?

Breul: Ich denke nicht, dass man das so pauschal beantworten kann. Wie gesagt, wir beobachten die Lage laufend, natürlich auch unter der Einschränkung, dass unsere Botschaft mit sehr wenigen Mitteln operieren muss. Darüber wissen Sie ja Bescheid. Von daher sehe ich mich nicht in der Lage, Ihre Frage eindeutig zu beantworten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium. Es gibt einen Zeitungsbericht über die Zahl der gesetzlich Versicherten: 72,7 Millionen mit Stand vom 1. Dezember.

Ich möchte fragen, ob Sie die Zahl bestätigen können, auch die der Wechsel von der gesetzlichen in die private und umgekehrt?

Ewald: Danke für die Frage. Ich habe das auch in der Berichterstattung gelesen. Diese Zahl wurde vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen ins Spiel gebracht. Von unserer Seite konnte ich das anhand der Statistiken, die wir ja auch von den Krankenkassen erhalten, bis zum Beginn der Pressekonferenz nicht fachlich absichern. Ich habe nur den Hinweis erhalten, dass wir dazu heute aktuelle Zahlen bekommen. Wenn diese Zahlen vorliegen sie umfassen den Stichtag 1. Dezember 2017, sind dann also die aktuellsten Zahlen , dann reiche ich das gern nach.

Frage: Herr Ewald, Frau Pfeiffer nutzt ja auch die Gelegenheit, mit ihrer Jahresendstatistik Forderungen an die Politik zu erheben, unter anderem: mehr Geld für die medizinische Versorgung von Hartz-IV-Empfängern. Wie stehen Sie dazu?

Ewald: Es geht um die Kostendeckung für diesen Personenkreis. Es gibt ja eine Pauschale, die aus Steuermitteln überwiesen wird bzw. die die Krankenkassen zur Verfügung haben, um die Kostendeckung für diesen Personenkreis sicherzustellen. Das Ganze ist ein Diskussionsfeld, das es seit Längerem gibt.

Wir haben das zum Anlass genommen, beim IGES Institut eine umfassende Untersuchung in Auftrag zu geben. Das ist ein relativ komplexes Thema. Das Gutachten liegt vor, und zwar, wie ich meine, seit dem 18. Dezember. Es obliegt aber der neuen Bundesregierung, entsprechende Schlüsse aus dieser Bewertung zu ziehen.

Zusatzfrage: Können Sie etwas über das Gutachten sagen? Was ist denn die Empfehlung des Gutachtens?

Ewald: Ich kann zu dem Gutachten selbst inhaltlich nichts sagen, weil es noch in der fachlichen Bewertung ist. Aber ich kann, wie gesagt, auch losgelöst davon keine politischen Ableitungen treffen. Das bleibt den anstehenden Sondierungen vorbehalten.

Frage: Noch einmal ans Auswärtige Amt: Herr Breul, das Thema der Regierungsbildung in Österreich und die Folgen daraus hatten wir hier schon. Inzwischen gibt es einen Appell, unterzeichnet unter anderem von ehemaligen EU-Außenministern und Regierungschefs. Sie werfen den amtierenden Regierungen darin schuldhafte Stille und Apathie vor.

Beeindruckt Sie das in irgendeiner Weise, vor allem wenn man bedenkt, dass Bernard Kouchner, der in der Vergangenheit ein sehr eng verbündeter Außenminister war, das mit unterzeichnet hat? Erhoffen oder befürchten Sie, dass ein ehemaliger deutscher Außenminister, der eng mit Kouchner arbeitete, ebenfalls seine Unterschrift daruntersetzt? Hätte das irgendwelche Auswirkungen?

Breul: Ich habe diese Berichte auch gesehen. Wir haben sie wahrgenommen. Aber ich denke, an der Position der Bundesregierung hat sich nichts geändert. Darüber hatten wir hier ja schon vor, wie ich meine, zwei oder drei Wochen gesprochen.

Zusatzfrage: Der Appell mündet ja darin, zu fordern, Vertreter einer Partei, die als Erben des Nationalsozialismus angesehen werden, nicht zu empfangen. Käme solch ein Boykott für Sie nach wie vor nicht in Frage?

Breul: Wie gesagt, an der Position der Bundesregierung hat sich nichts geändert.

Frage: Gibt es schon Termine, Einladungen oder Besuchsanfragen von Herrn Kurz oder Frau Kneissl?

SRS Streiter: Mir ist davon nichts bekannt.

Breul: Mir auch nicht.

Frage: Für meine Frage ist vermutlich das Wirtschaftsministerium zuständig. Es geht noch einmal um den Kredit im Zusammenhang mit Air Berlin. Offenbar gibt es noch eine Chance für Niki, verkauft zu werden. Rechnet die Bundesregierung noch mit einer Rückzahlung des Kredits?

Jornitz: Vielen Dank für die Frage. Dazu haben wir diverse Male Stellung genommen. Dazu hat auch Herr Seibert als Sprecher der Bundesregierung Stellung genommen. Ich kann das gern noch einmal wiederholen. Zur Frage der Rückzahlung des Massekredits können wir sagen, dass durch den unerwarteten Ausfall der Erlöse aus dem Niki-Verkauf an die Lufthansa der vom Bund verbürgte Kredit der KfW an Air Berlin möglicherweise nur zum Teil zurückgezahlt werden kann. Der Bund wird aber weiterhin alles tun, um einen Schaden für den Steuerzahler zu begrenzen.

Eine Aussage zur Höhe der möglichen Rückzahlungen ist auch heute nicht möglich.

Zusatzfrage: Heißt das jetzt, dass Sie jetzt gar nicht mehr mit Erlösen aus dem Niki-Verkauf, wenn er denn mit einem Bieter noch zustande käme, rechnen?

Jornitz: Ich habe dazu alles gesagt, was ich dazu sagen kann.

Zusatz: Das fand ich nicht.

Frage: Es bleibt in der Luftfahrt. Ich weiß aber nicht genau, welches Ressort mir dabei weiterhelfen kann. Die "Bild"-Zeitung hat heute online ein paar Stimmen zusammengesammelt, die die Bundesregierung auffordern, bei arabischen Airlines tätig zu werden, die jüdische Passagiere diskriminieren.

Welches Ressort wäre denn angesprochen, wenn es darum geht, arabische Airlines in die Pflicht zu nehmen? Kann man das überhaupt? Gibt es eine Handlung der geschäftsführenden Bundesregierung, um in der Sache irgendetwas zu unternehmen?

Vors. Wefers: Das Ministerium habe ich jetzt durch Blickkontakt schon herausgefunden.

Strater: Ja genau, es ist das Verkehrsministerium. Der Minister hat sich zu dem Thema der Nichtbeförderung eines israelischen Passagiers durch Kuwait Airways bereits geäußert, unmittelbar nach dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main im November, aber auch zwischendurch häufiger einmal. Er hat gesagt, die Praxis von Kuwait Airways, israelischen Staatsbürgern allein aufgrund ihrer Nationalität die Beförderung zu verweigern, sei befremdlich und inakzeptabel. Er hat darüber hinaus auch bereits gehandelt. Er hat Konsultationen eingeleitet und ein entsprechendes Schreiben an die kuwaitische Seite gerichtet. Er hat auch bereits seine klaren Erwartungen für diese Gespräche formuliert. Ich zitiere:

"Bei den Gesprächen werden wir unmissverständlich deutlich machen, dass es keine Diskriminierung bei Flügen von und nach Deutschland geben darf. Jeder muss die Möglichkeit haben, sich so zu bewegen, wie er es will. Ich verlange von Kuwait, dass dieser Grundsatz beachtet wird. Wir werden unsere Erwartungen deutlich machen, dass sich solch ein Fall nicht wiederholen darf."

Wichtig ist auch, dass solche Gespräche verbindliche Lösungen herbeiführen müssen. Falls in diesen Gesprächen solche Lösungen nicht herbeigeführt werden können, behält sich die Bundesregierung weitere Schritte vor. Diese Gespräche müssen wir jetzt erst einmal führen.

Zusatzfrage: Haben Sie einen Termin dafür?

Strater: Nein, noch nicht.

(Ende: 12.20 Uhr)

Freitag, 29. Dezember 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 29. Dezember 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/12/2017-12-29-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Januar 2018

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