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PRESSEKONFERENZ/1614: Regierungspressekonferenz vom 19. Februar 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 19. Februar 2018
Regierungspressekonferenz vom 19. Februar 2018

Themen: Zeitungsberichte über Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr, Freilassung von Deniz Yücel, weiterhin in der Türkei inhaftierte deutsche Staatsangehörige, Russland-Sanktionen, Militäreinsatz der Türkei in Nordsyrien, Nachfolge für das Amt des Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank, Interviewäußerungen des BND-Präsidenten zur Sicherheitslage in Afghanistan

Sprecher: StS Seibert, Flosdorff (BMVg), Adebahr (AA), Fehling (BMF), Korff (BMI)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Flosdorff und das Verteidigungsministerium zum Pressebericht der "Rheinischen Post" über die Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr. Ich weiß, dass das hier schon öfter Thema war. Trotzdem wüsste ich gern, inwieweit Sie den Bericht bestätigen können und ob Sie ein paar konkrete Zahlen haben, wie viele Schutzwesten, Zelte etc. fehlen.

Flosdorff: Den Bericht haben wir auch zur Kenntnis genommen. Bei der Anfrage hatten wir natürlich keine Zeit, ad hoc zu verifizieren, was genau daran ist, was für ein Zettel das ist, auf welcher Ebene. Ich möchte das gern einordnen.

Deutschland hat sich im Rahmen der Nato bereiterklärt, für das Jahr 2019 die Führung der sogenannten schnellen Speerspitze zu übernehmen; das ist die VJTF. Die Aufgabe der schnellen Speerspitze gliedert sich in drei Phasen. Die erste ist die Vorbereitungs- und Aufstellungsphase. Dazu dient das Jahr 2018. Im Jahr 2019 - das ist die Stand-by-Phase - steht die Bundeswehr gegenüber dem Bündnis mit ungefähr 10 deutschen Soldatinnen und Soldaten in der Verantwortung. Das ist nicht nur die reine Kampfbrigade; sie macht einen Bruchteil davon aus. Vieles ist auch Unterstützung und Logistik. Dann gibt es im Jahr 2020 die dritte, die Nachbereitungsphase, die Stand-down-Phase, in der die Truppe in abgestufter Bereitschaft noch im Hintergrund behalten wird.

Die betreffenden Heereseinheiten, die vergangene Woche schon einmal Gegenstand der Berichterstattung waren und auch jetzt Gegenstand der Berichterstattung sind und die sich auf die VJTF vorbereiten, befinden sich jetzt, Anfang 2018, also knapp ein Jahr vorher, in der Vorbereitungs- und Aufstellungsphase. Sinn und Zweck dieser Vorbereitungs- und Aufstellungsphase ist neben der Übung und dem Training, minutiös durchzugehen, was an Personal und Material für die Hauptaufgabe im Jahr 2019 bereits vorhanden ist und was noch gebraucht wird. Wenn die betreffende Heereseinheit ein Fehl zwischen Ist- und Soll-Zustand feststellt oder der Meinung ist, es brauche noch eine bessere Ausrüstung und es sei nötig, dass man noch einmal nach oben upgradet, dann muss das nach oben gemeldet werden, und dann muss Abhilfe geschaffen werden. Das geschieht in einem sogenannten beschleunigten Beschaffungs- und Umverteilungsverfahren, das bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein muss. Die Papiere, aus denen jetzt in der Presse zitiert wird, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Antragsunterlagen aus diesem Prozess. Das ist ein übliches Prozedere. Das heißt nicht, dass die benötigte Ausrüstung in der Bundeswehr grundsätzlich nicht verfügbar oder in dem gebotenen Zeitraum nicht beschaffbar ist.

Zu dem Beispiel der Schutzwesten: Davon sind mehr als 30 in der Bundeswehr vorhanden. Allein in der vergangenen Legislatur sind seit 2013 rund 18 neue Exemplare an die Truppe ausgeliefert worden.

Zu dem Beispiel der Zelte - auch im Zusammenhang mit der Speerspitze -: Dabei geht es nicht um normale Zelte, die Sie von der Bundeswehr kennen, also auch nicht um größere Zeltplanen oder größere Mannschaftszelte, die in der Bundeswehr grundsätzlich verfügbar sind, sondern um sehr spezielle, auf die besonderen Anforderungen der VJTF zugeschnittene Exemplare, die besonders leicht und besonders schnell auf- und abbaubar sind, also um keine Zelte, über die die Bundeswehr in der Vergangenheit schon einmal verfügt hat, sondern um solche, die die Truppe für diese Aufgabe jetzt gern hätte und die auch marktverfügbar und daher schnell beschaffbar sind. Als Hintergrund für Sie: Warum haben wir solche Zelte nicht? - Früher war Landes- und Bündnisverteidigung eine Aufgabe, die an der deutsch-deutschen Landesgrenze begonnen hat. Da hat man sich auf diese Einsätze konzentriert, und schnelle Auf- und Abbaubarkeit und geringes Gewicht waren dafür nicht in der Art gefragt.

Zu dem Beispiel der Winterbekleidung, weil das in dem gleichen Zusammenhang auch genannt wurde: Die Truppe verfügt grundsätzlich über eine Grundausstattung an Winterbekleidung, die bis minus 19 Grad eingestuft ist. Jetzt wird geprüft, ob eine Zusatzausstattung für den Einsatz - zum Beispiel im Baltikum ist er ja während des ganzen Jahres möglich - beschaffbar und möglich ist.

Lassen Sie mich auch noch Bezug auf die Meldungen der vergangenen Woche mit Bezug auf Munster nehmen. Noch einmal: Dieses Jahr dient jetzt der Ausbildung und Vorbereitung. Das bedeutet, dass es in den Einheiten eine deutlich erhöhte Ausbildungs- und Übungstätigkeit gibt. Die Zahl der Manöver steigt, und das wird intensiver. Das wirkt sich dann auf das Material aus. Die tagesaktuell gemeldete Einsatzbereitschaft etwa bei Panzern und Großgerät sinkt dadurch. Das kennen Sie selbst: Wenn Sie Ihr Auto plötzlich drei- oder viermal so viel benutzen wie vorher, dann muss es auch häufiger und früher in die Inspektion. Nicht anders ist es bei dem Gerät der Bundeswehr. Während dieser Zeit wird das Gerät nicht als einsatzbereit gelistet.

Solch eine Stichtagsmeldung zum Standort Munster war in der vergangenen Woche Grundlage der Presseberichterstattung. Dahinter steckt eine ganz banale Tatsache: Die betreffende Einheit in Munster bereitet sich wegen der Aufgabe in der VJTF jetzt viel intensiver auf diese Aufgabe vor, nimmt an mehr Übungen teil, übt deutlich intensiver. Das bedeutet aber nicht, dass die Einheiten dauerhaft über zu wenige Panzer verfügen und ihre Nato-Verpflichtungen im nächsten Jahr nicht erfüllen können.

Es bedeutet aber ebenso wenig, dass wir mit der generellen Einsatzbereitschaft in der Bundeswehr zufrieden sein können, wie Herr Oberst Neumann an dieser Stelle in der vergangenen Woche auch schon ausgeführt hat. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Die Bundeswehr hat nach 25 Jahren des Schrumpfens gewaltige Lücken zu füllen. Das ist der Grund, warum die Ministerin vor zwei Jahren dem Parlament einen 130-Milliarden-Euro-Investitionsplan vorgelegt hat. Bis 2030 müssen diese Lücken gefüllt werden. Aber die Bundeswehr kann sich bis dahin nicht quasi aus ihren Bündnissen abmelden, sondern muss, auch wenn es einmal knirscht, gleichzeitig mehr und in ihrem Charakter deutlich andere Verpflichtungen in ihren Bündnissen und Einsätzen erfüllen, als es noch vor fünf Jahren der Fall war, zum Beispiel bei Enhanced Forward Presence, VJTF, Aufgaben im Rahmen der Bündnisverteidigung.

Das schreibt uns auch nicht irgendjemand ins Stammbuch, sondern die Wirklichkeit, die Sicherheitslage, die für uns alle am Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz noch einmal intensiv beleuchtet wurde. Die Truppe, die Bundeswehr, hat diese neuen Aufgaben in den vergangenen Jahren bravourös angenommen. Das waren Aufgaben im Kampf gegen den Terror, Erbil, die Tornados, die UN-Friedensmission in Mali, im Mittelmeer im Rahmen der Nato in der Ägäis und im Rahmen der EU die Operation Sophia, im Baltikum Air Policing, die Führungsrolle jetzt in Litauen und jetzt im Wechsel mit anderen Nato-Partnern die VJTF.

Die Trendwenden sind auf dem Weg. Der Rüstungsstau wurde aufgelöst. Ich gebe Ihnen dazu Zahlen: Bis zum Ende der Legislaturperiode hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages auch auf Drängen der Ministerin mehr als 75 25-Millionen-Euro-Vorlagen mit einem Gesamtvolumen von rund 32 Milliarden Euro gebilligt. Zum Vergleich: In der vorherigen Legislaturperiode waren es 32 Vorlagen mit einem Gesamtvolumen von sechs Milliarden Euro. Das ist also eine Verfünffachung des Auftragsvolumens, das in die Ausrüstung geht.

Ist das Material von heute auf morgen da? - Nein. Dafür brauche wir Geduld.

Kann die Bundeswehr bis dahin ihre Einsätze und ihre Verpflichtungen in der Nato erfüllen? - Ja, das kann sie.

Zusatzfrage: Das alles, was Sie hier vorgetragen haben, klingt natürlich sehr optimistisch. Sind Sie denn zuversichtlich, dass die Bundeswehr diese Nato-Aufgabe in der multinationalen Eingreiftruppe im kommenden Jahr übernehmen kann?

Flosdorff: Ja, das habe ich ja gerade gesagt. Das kann sie. Bis Mitte des Jahres werden alle diese Inventurmeldungen darüber, was fehlt und was noch gebraucht wird, die jetzt gekommen sind, in einem beschleunigten Beschaffungs- und Umverteilungsprozess bearbeitet. Das ist aber wirklich ein Prozess, den wir von vielen anderen Aufgaben her kennen, die wir vorher schon hatten und die die Bundeswehr auch bravourös gestemmt hat.

Frage : Herr Flosdorff, die Ministerin managt die Bundeswehr jetzt seit vier Jahren. Ist es falsch, davon auszugehen, dass sie für diesen Missstand verantwortlich ist?

Flosdorff: Ich habe Ihnen hier ja schon eingeordnet, ob wir mit der Einsatzbereitschaft zufrieden sind. Die Antwort ist nein. Das hat mehrere Ursachen. Wenn man sich die Mühe macht, ein bisschen hineinzuschauen, dann sieht man durchaus Dinge, bei denen man sagt: Dahinter steckt, dass wir jetzt 25 Jahre geschrumpft und gespart haben.

Das steckt aber zum Beispiel bei der Sache mit den Zelten nicht dahinter. Dabei handelt es sich um etwas Neues, was nie im Verfügungsbestand der Bundeswehr enthalten war und in dieser Form auch nie gebraucht wurde. Ist das ein großes Problem? - Nein. Es ist marktverfügbar. Man kann es beschaffen.

Es gibt andere Dinge, denken Sie zum Beispiel an Leopard-2-Panzer. Diese sind schon sehr lange Zeit im Verfügungsbestand der Bundeswehr. Das ist teilweise ein altes Gerät, das auch häufiger gewartet werden muss. Wenn Ersatzteile produziert werden müssen, dauert so etwas länger. Gleichzeitig haben wir - das habe ich eben auch gesagt - eine deutlich erhöhte Inanspruchnahme. Wir haben jetzt ein Aufgabenprofil, das anders ist als noch vor fünf Jahren - das hat sich niemand ausgedacht, sondern das ist die Sicherheitslage - und das zur Landes- und Bündnisverteidigung hinzugekommen ist.

Die meisten Meldungen, die wir in der vergangenen Woche gehört haben, beziehen sich auf diesen Bereich. Das heißt: Wir hatten vorher einen hohen Verfügungs- und Einsatzbereitschaftsbestand - schauen Sie noch einmal in die alten Zahlen zu Beginn der Legislaturperiode hinein -, was das schwere Gerät beim Heer angeht. Das hatte den Hintergrund, dass einfach nicht so viele Übungen stattgefunden haben.

Ich gebe Ihnen einmal eine Zahl: Im vergangenen Jahr hat die Bundeswehr im Rahmen der Reassurance, also der Rückversicherung der östlichen Bundespartner, mit einer Gesamtzahl von 4000 Soldaten an Manövern teilgenommen. In diesem Jahr sind es 12 Soldaten. Das ist eine Verdreifachung für 2018. Natürlich üben wir auch schon intern für diese gemeinsamen Übungen mit den Bündnispartnern. Das geht aufs Material. Das wirkt sich auf die Einsatzbereitschaft aus.

Heißt das, dass wir das Material im nächsten Jahr nicht zur Verfügung haben? - Nein. Wenn die Panzer oder anderes rollendes oder fliegendes Gerät in der Wartung sind, dann heißt das nicht, dass wir dauerhaft nicht darüber verfügen.

Zusatzfrage : Ich verstehe das Problem nicht. Ist die Bundeswehr jetzt nicht für jeden erdenklichen Einsatz bereit oder nur nicht für diese Nato-Eingreiftruppe?

Flosdorff: Zu den Aufgaben, zu denen sich die Bundeswehr verpflichtet hat, ist die Bundeswehr bereit und in der Lage.

Frage: Könnten Sie, Herr Flosdorff, das vielleicht am Beispiel der Westen oder der Zelte anschaulich machen? Wie viele fehlen konkret? Sind sie schon bestellt, und, wenn ja, wann kommen sie an?

Flosdorff: Ich möchte davor warnen, Zahlen, die einzelne Standorte oder Einheiten betreffen, auf die gesamte Bundeswehr zu extrapolieren. Die Zahlen, die in der vergangenen Woche diskutiert worden sind, stammen im Prinzip aus einem Vermerk zur Vorbereitung eines Besuchs eines Leitungsmitglieds an diesem Standort, und da sind Stichtagszahlen genannt. Daraus wird geschlossen: Wenn an einem bestimmten Stichtag nur so und so viele Leopard-Panzer einsatzbereit sind, dann sind die auch im nächsten Jahr im Januar nicht einsatzbereit. So ein Schluss ist aber nicht zulässig.

Das sind Meldungen, die aus Inventarlisten kommen, wo man sagt: Das möchten wir gerne beschafft haben. In früheren Großübungen und Einsätzen lief das ganz genauso: Wenn sich irgendeine Brigade auf den Einsatz in Mali oder sonstwo vorbereitet, dann schaut sie: Was haben wir noch alles im Bestand und was brauchen wir noch alles? Dann wird zum Beispiel gesagt: Wir brauchen noch zusätzliche Schutzwesten, und wir hätten gerne Zelte, die wir bisher noch nicht gehabt haben, die für uns aber für diese Art des Einsatzes unbedingt von Nutzen wären und auch verfügbar wären. Dann wird geprüft: Gibt es so etwas am Markt, können wir das in der Kürze der Zeit beschaffen, auch wenn wir so etwas noch nie vorher hatten und die Bundeswehr das vorher noch nie in der Form gebraucht hatte; wie ist das jetzt in diesem speziellen Einsatz, ist das angemessen, können wir das leisten? Das wird dann also geprüft, und nach Möglichkeit wird das positiv gelöst.

Es gibt andere Fälle, in denen man zum Beispiel sagt: Bisher gingen wir davon aus, dass bei den Einsätzen, die die Bundeswehr hatte, die Winterkleidung bis minus 19 Grad ausreicht. Wenn man jetzt der Meinung ist, dass in bestimmten Regionen, in denen die Bundeswehr potenziell auch zum Einsatz kommen könnte - VJTF ist ja eine Bereitschaftskraft, die in der Regel eigentlich hier in Deutschland in den Kasernen ist, sich aber darauf vorbereitet, schnell ausrücken zu können und innerhalb kürzester Zeit zum Beispiel im Baltikum vor Ort zu sein -, verschiedentlich noch wärmere Kleidung nötig ist, dann muss man sagen: Ja, es wäre vielleicht gut, wenn wir prüfen, ob wir für einige Truppenteile ergänzende Bekleidung zur Verfügung stellen sollten.

Sie können jetzt diese Beispiele nehmen und Sie können auch ganz viele andere Beispiele nehmen - auf diesen Listen werden auch noch viel banalere Dinge auftauchen -, bei denen man sagt: Das haben wir alles nicht in unserem Verfügungsbestand, da brauchen wir noch was. Dann müssen wir eben schauen: Können wir das auf die Schnelle für die Einheit beschaffen oder nehmen wir das vielleicht von einer Einheit, von einer früheren schnellen Speerspitze, die aus dem Einsatz gekommen ist, in ihrer Cool-down-Phase ist und das Material jetzt nicht mehr braucht, sodass es der anderen Einheit zur Verfügung gestellt werden kann? Das ist aber ein ganz normaler Prozess.

Davon zu trennen - auch wenn es damit zu tun hat - ist der grundsätzliche Wiederaufbau, die Wiederauffüllung der Lücken, die wir in der Bundeswehr haben. Dieser Wiederaufbau ist vor zwei Jahren mit einem 130-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm, das bis 2030 angelegt ist, angestoßen worden, und da wird nach und nach nachproduziert. Unser Ziel ist eine aufgabengerechte Ausstattung, sodass die Einheiten, die potenziell für solche Aufgaben zur Verfügung stehen, alles, was sie brauchen, komplett vor Ort haben. Da sind wir noch nicht, das braucht lange Zeit.

Frage : Herr Flosdorff, das Papier stammt ja aus Ihrem Haus. Wird der Leaker jetzt gejagt?

Flosdorff: Das Papier stammt nicht aus unserem Haus, es ist aber in unserem Haus eingetroffen. Das ist ein ganz normaler Prozess, da stehen keine ungebührlichen Dinge drauf; das sind alles irgendwie vernünftige Wünsche. Es ist innerhalb der Bundeswehr auch überhaupt kein Geheimnis, dass die Truppe ausgestattet sein muss, wenn es denn zählt - das ist spätestens Anfang nächsten Jahres. Wir setzen für uns schon einmal das Ziel, dass wir zu Mitte dieses Jahres alle Prozesse abgeschlossen haben wollen, und wir sind guten Mutes, dass das auch erfüllt werden kann.

Noch einmal: Es könnten jetzt auch noch viele andere Listen besprochen werden. Solche Listen werden sicherlich auch im Parlament beziehungsweise im Ausschuss Gegenstand sein. In diesen Listen können Sie ganz viele Dinge lesen, die Ihnen wahrscheinlich noch banaler vorkommen als ein Zelt, eine Schutzweste oder ein Handschuh. Diese ganzen Dinge werden beschafft, aber das ist jetzt kein besonderer Vorgang für uns. Das war beim letzten Mal, bei der schnellen Speerspitze, genauso - vielleicht erinnern Sie sich an die Listen der Marienberger Jäger. Unser Ziel ist, weniger kurzfristig beschaffen zu müssen und dafür zu sorgen, dass mehr Verfügungsbestand in den Einheiten selber ist. Damit können wir aber umgehen, und wir haben da keinen Anlass zu der Sorge, dass Deutschland seine Verpflichtungen in der Nato nicht erfüllen kann.

Frage : Frau Adebahr, ich würde gerne noch einmal zum Fall Yücel kommen: Können Sie uns einmal aus Sicht des Auswärtigen Amtes die letzte Woche beschreiben? Was genau haben Herr Gabriel und Ihr Amt für Herrn Yücel getan? Es ist ja auffällig, dass Herr Yildirim da war und einen Tag später Herr Yücel freikommt. Gab es da Verbindungen?

Können Sie uns noch einmal genau sagen, wann sich Herr Gabriel mit Herrn Erdogan getroffen hat? Herr Breul hatte angedeutet, dass Herr Gabriel sich irgendwann in Rom mit Herrn Erdogan getroffen hat und dann noch einmal in der Türkei - er wusste nicht, ob in Ankara oder Istanbul. Es wäre schön, wenn Sie uns sagen könnten, wann und wo das war.

Adebahr: Wie Sie am Freitag beziehungsweise im Laufe des Wochenendes gehört haben, sind wir erleichtert und froh, dass Herr Yücel aus türkischer Haft entlassen wurde. Es ist zutreffend - das hat der Bundesaußenminister ja auch gesagt -, dass es über die ganze Haftzeit von Herrn Yücel auf ganz verschiedenen Ebenen intensive Gespräche gab, um zu einem Fortschritt in dem Fall zu kommen. Es ist auch richtig, dass sich Herr Gabriel in den letzten Wochen mit Herrn Çavusoglu und auch zweimal mit Herrn Erdogan - in der Tat in Rom und Istanbul - getroffen hat, um in diesem Fall voranzukommen. Wir freuen uns, dass es eine gute Lösung gegeben hat.

Zusatzfrage : Wann hat sich Herr Gabriel mit Herrn Erdogan in Istanbul und in Rom getroffen? Können Sie uns einen Tag sagen?

Adebahr: Das kann ich im Moment nicht datumsgenau sagen. Es war in den letzten Wochen.

Zusatzfrage : Wie sehen denn die Bemühungen der Bundesregierung in Sachen der verbliebenen politischen Gefangenen aus? Es müssten jetzt noch fünf sein.

Adebahr: Es sind noch fünf. Ich glaube, am Wochenende ist auch deutlich geworden, dass wir uns weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, auch diese fünf Deutschen zunächst einmal konsularisch zu betreuen, auf eine Beschleunigung ihrer Verfahren hinzuwirken und auch diese Deutschen aus der türkischen Haft freizubekommen; das ist uns wichtig. Die Arbeit daran geht unmittelbar weiter, so wie sie die ganze Zeit weiterging, und auf diesem Weg wollen wir voranschreiten.

Frage : Ist Herr Gabriel denn extra wegen der Causa Yücel nach Rom und Istanbul geflogen, oder hatte er dort noch andere Termine?

Adebahr: Das waren Gespräche, die sich auf das deutsch-türkische Verhältnis und auf den Fall bezogen.

Zusatzfrage : Für die Pressekonferenz am Freitag ist Herr Gabriel ja extra aus München zurück nach Berlin geflogen. Können Sie erklären, wieso er nicht in München gesprochen hat, sondern - noch nicht einmal hier im Ministerium, sondern beim Arbeitgeber von Herrn Yücel - in Berlin vorgesprochen hat?

Adebahr: Am Freitag hielt sich der Bundesminister in München auf, und er reiste gerade zur Sicherheitskonferenz in München an, als uns die Nachricht erreichte. Das waren bewegte 48 Stunden, auch vor dieser Freilassung von Herrn Yücel. Wie Sie auch Herrn Döpfner auf der Pressekonferenz gehört haben, war es auch der intensiven Arbeit des Verlages zu verdanken, dass es Fortschritte in dem Fall gegeben hat und dass Herr Yücel am Freitag freikam. Es gab daher die Entscheidung, noch einmal gemeinsam deutlich zu machen, dass der Verlag und die Bundesregierung dort auch Hand in Hand gearbeitet haben, um für Herrn Yücel das Beste und am Ende einen Erfolg zu erreichen.

Frage : Vielleicht auch an Herrn Seibert: Hat sich mittlerweile schon ein Vertreter der Bundesregierung mit Herrn Yücel getroffen? Er war ja anscheinend nur kurze Zeit in Berlin. Gab es da irgendwelche Kontakte, ob auf Ministerebene oder auf irgendeiner anderen Ebene?

Adebahr: Ich denke, Herr Yücel teilt über seinen Aufenthaltsort das mit, was er darüber mitteilen will; er war in der Tat sehr kurz in Deutschland. Von deutscher Seite war es so, dass der Generalkonsul, Herr Birgelen, Herrn Yücel nach seiner Freilassung in Istanbul getroffen und auch zum Flughafen begleitet hat.

Vorsitzender Mayntz: Möchten Sie das ergänzen, Herr Seibert?

StS Seibert: Nein.

Frage: Welche Rolle hat denn der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Freilassung von Herrn Yücel gespielt?

StS Seibert: Wir haben immer gesagt, dass wir uns auf allen Ebenen der Bundesregierung für die Freiheit von Deniz Yücel einsetzen, und wir tun dies in Zukunft im Übrigen auch für die deutschen Staatsbürger, die immer noch aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen in der Türkei in Haft sind. Ich habe diesbezüglich an dieser Stelle nie irgendwelche Präzisierungen vorgenommen. Ansonsten ist über diese Frage, die Sie jetzt stellen, ja auch berichtet worden. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Frage : Ich möchte das Auswärtige Amt fragen, inwiefern Herr Gabriel im Moment die Position der Bundesregierung vertritt. Er hat ja am Freitag Äußerungen zum schrittweisen Abbau der Sanktionen gegen Russland gemacht und gesagt, er wüsste, dass diese Äußerungen nicht die offizielle Position, sondern eine andere seien.

Adebahr: Um das noch einmal einzuordnen: Herr Gabriel hat in München, glaube ich, keine für ihn neue Position verkündet. Er hat gesagt - und darauf kommt es jetzt an -, dass wir im Rahmen von Minsk - und Minsk ist die Grundlage dafür, daran gibt es gar keinen Zweifel - mit der Ukraine und mit den russischen Partnern zusammenarbeiten wollen, damit wir zu Fortschritten im Minsker Prozess kommen. Die drei Sachen, die er dabei genannt hat, sind der Waffenstillstand, die Frage einer Blauhelmmission und der Rückzug schwerer Waffen. Wenn man in diesen Bereichen Fortschritte sieht, dann kann man darüber nachdenken, in einen Prozess zu der Frage der Sanktionen einzutreten. Diese drei Voraussetzungen hat der Bundesaußenminister ganz konkret genannt, und das sind, denke ich, die ganz "at hand" liegenden Dinge, an denen die Bundesregierung im Rahmen dieses Dossiers arbeitet.

Zusatzfrage : Herr Seibert, das ist doch die offizielle Position der Bundesregierung?

StS Seibert: Die Kollegin aus dem Auswärtigen Amt hat ja gerade sehr wichtige Kriterien genannt, auf die der Außenminister auch Bezug genommen hat, die erst einmal erfüllt werden müssen und an denen wir in dieser Bundesregierung weiter mit allem Einsatz arbeiten.

Ansonsten ist die Haltung der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung vollkommen eindeutig. Das ist im Übrigen auch die Haltung, die wir zusammen mit unseren europäischen Partnern einnehmen. Die Kanzlerin steht zur Linie dieser Bundesregierung; sie steht zur Linie der EU; sie steht im Übrigen auch zu dem, was die derzeitigen Koalitionspartner ja gerade in einem Koalitionsvertrag gemeinsam erarbeitet haben, mit dem sie möglicherweise eine neue Regierung bilden wollen. Dort steht:

"Bei Umsetzung der Minsker Vereinbarungen sind wir zu einem Abbau der Sanktionen bereit und werden darüber einen Dialog mit unseren europäischen Partnern führen."

Frage : Eine Frage zur Türkei und dem Einmarsch in Nordsyrien. Frau Adebahr, was macht die völkerrechtliche Prüfung?

Adebahr: Dazu habe ich Ihnen heute keine Neuigkeiten mitgebracht.

Zusatzfrage : Wann können wir damit rechnen? Wie lange braucht das Auswärtige Amt dafür noch?

Adebahr: Wie gesagt, wir haben über diese Frage oft gesprochen. Ich habe dazu heute keine Neuigkeiten.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium zum Thema Eurogruppe. Bei dem Treffen in Brüssel geht es ja um den EZB-Vizeposten. Können Sie sagen, für welchen Kandidaten sich Deutschland stark machen wird?

Fehling: Dazu kann ich Ihnen jetzt hier nichts sagen. Ich kann aber darauf verweisen, dass die Gespräche heute und morgen stattfinden. Morgen wird es im Anschluss an das Treffen des ECOFIN-Rats eine Pressekonferenz geben, auf der alle Fragen dazu an Minister Altmaier gestellt werden können.

Frage : Zum Thema Afghanistan eine Frage an Frau Adebahr und gegebenenfalls Frau Korff. BND-Chef Kahl hat in einem öffentlichen Interview davon gesprochen, dass es nirgendwo in Afghanistan sicher ist, dass es, so wörtlich, immer wieder möglich sei, dass es überall zu Anschlägen in allen Regionen Afghanistans komme. Das ist natürlich etwas vollkommen anderes als das, was Sie uns hier immer erzählen, nämlich dass es sichere Gebiete im Land geben soll. Wie bewerten Sie denn die Aussagen von Herrn Kahl?

Bedeutet das jetzt, dass sich die Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan auch in der Bundesregierung an sich ändert? Der BND hat ja wahrscheinlich einiges zu dem Thema zu sagen.

StS Seibert: Vielleicht darf ich ganz kurz etwas dazu sagen, bevor Frau Korff das Wort ergreift.

Da Sie auf das Interview des BND-Chefs anspielen, wollte ich nur sagen: Die Aussagen stehen, wie immer bei öffentlichen Äußerungen der Chefs der deutschen Nachrichtendienste, für sich. Daher können wir hier auch keine weitergehenden Details, keine Erläuterungen und keine Einordnungen geben. Die Präsidenten der deutschen Sicherheitsbehörden äußern sich grundsätzlich in eigener Zuständigkeit. Die Bundesregierung bewertet das grundsätzlich nicht.

Im Übrigen gilt, dass sich an der aktuellen Einschätzung der Bundesregierung, die Ihnen bekannt ist, über die wir hier oft gesprochen haben, nichts geändert hat.

Vorsitzender Mayntz: Frau Korff, wollen Sie dem etwas hinzufügen?

Korff: Dem ist schlechterdings nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage : Dann allgemein, ohne auf Herrn Kahl einzugehen: Frau Adebahr, ist das Auswärtige Amt der Meinung, dass es nicht in allen Regionen Afghanistans möglich ist, dass es zu Anschlägen kommt? Das ist ja dann die Schlussfolgerung aus dem, was Herr Seibert uns gerade gesagt hat - unabhängig von dem, was Herr Kahl gesagt hat.

Adebahr: Ich kann gerne wiederholen, was unsere grundsätzliche Position zur Sicherheitslage in Afghanistan ist, die sich nicht verändert hat: Die Sicherheitslage ist regional volatil. Sie ist natürlich schwierig. Sie ist in der Prüfung vom Einzelschicksal und vom Einzelfall abhängig und auch von diesen konkreten Bedingungen, unter denen sich Einzelfälle dort abspielen.

Zusatzfrage : Das war nicht die Frage. Die Frage war, ob es nicht in allen Regionen Afghanistans zu Anschlägen kommen kann. Das sagen Sie ja.

Adebahr: Sie versuchen, mich in eine Wertung hineinzudrängen, die ich so nicht geben werde.

Die Sicherheitslage ist regional unterschiedlich, und sie ist volatil. An der Einschätzung der Bundesregierung zur Sicherheitslage in Afghanistan hat sich im Moment nichts geändert.

Zusatzfrage : Wo ist es denn gerade sicher?

Adebahr: Da sind wir - deswegen habe ich das präventiv gesagt - wieder bei der Einzelfallfrage, denn bei dieser Frage kommt es darauf an, wie man den Einzelfall, die konkrete Person, die es betrifft, dort betrachtet.

Frage : Das Menschenrechtsbüro der Uno hat letzte Woche einen Bericht herausgegeben, in dem auf die Situation in Afghanistan eingegangen wurde. Man hat von einer sehr schwierigen Lage gesprochen und davon, dass im letzten Jahr 10 Zivilisten in dem Land Opfer von Gewalttaten im Zusammenhang mit dem Krieg dort geworden sind. Da ist nirgendwo die Rede davon, dass in bestimmten Regionen die Sicherheitslage besser ist. Wie kommt denn die Bundesregierung dazu?

Adebahr: Ich habe keine Kenntnis von diesem konkreten Bericht. Dass die Lage in Afghanistan, auch die Sicherheitslage, schwierig und volatil ist, haben wir hier oft genug wiederholt. Aber unsere Einschätzung steht nach wie vor. Die habe ich gerade dargelegt.

Montag, 19. Februar 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 19. Februar 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/02/2018-02-19-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2018

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