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PRESSEKONFERENZ/1648: Regierungspressekonferenz vom 13. April 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 13. April 2018
Regierungspressekonferenz vom 13. April 2018

Themen: Personalie, Giftgaseinsatz in Syrien, Termine der Bundeskanzlerin (Besuch der Premierministerin Neuseelands, Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen, Kabinettssitzung, Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder, Besuch des Präsidenten Frankreichs, Gespräch mit Bill Gates, Besuch des Ministerpräsidenten Indiens, Eröffnung der Hannover Messe), Kleine Anfrage der AfD zu Behinderung und Migration, Treffen des griechischen und des deutschen Finanzministers, Nord Stream 2, Fall Puigdemont, Forderung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung nach einem Werbeverbot für Tabakprodukte, Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem serbischen Präsidenten, EU-Einlagensicherung, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, Stellungnahme des Deutschen Journalisten-Verbandes zum Auskunftsanspruch der Medien gegenüber Bundesbehörden, Ausbildung von Ungedienten für die Reserve durch den Reservistenverband, Kritik an der Verleihung des Echo-Musikpreises an zwei Rapper, angebliche Reise des Beauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten nach Moskau, Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Familiennachzug, Medienberichte über Rückkehr von Syrern in die Türkei, Diskussion um Hartz IV

Sprecher: StS Seibert, Dimroth (BMI), Adebahr (AA), Neumann (BMVg), Küchen (BMAS), Blankenheim (BMF), Malachowski (BMJV), Kautz (BMG), Korff (BMI)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Vorsitzender Mayntz: Bevor wir zu den Terminen der Kanzlerin kommen, wollen wir von uns auf das Thema Syrien aufrufen, und bevor wir zum Thema Syrien kommen, gebe ich das Wort erst einmal dem Sprecher des Bundesinnenministers.

Dimroth: Vielen Dank - der das noch wenige Stunden sein wird. Deswegen wollte ich heute die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen zu verabschieden, möchte das aber nicht tun, ohne hier noch ein paar Worte loszuwerden.

Bei vorangegangenen Verabschiedungen von dieser Bank haben scheidende Sprecher gelegentlich etwas zum Verhältnis zwischen uns und Ihnen Journalisten gesagt. Mein Verständnis war hier immer sehr klar: Mit der Aufgabe eines Pressesprechers hat man vor allem eine der Pressefreiheit dienende Funktion. Sie, die Journalisten, sind die Grundrechtsberechtigten, wir, die Sprecher, die Verpflichteten. Die Regierungspressekonferenz habe ich immer als wunderbare institutionelle Ausprägung dieses Verhältnisses empfunden.

Trotz dieses klaren Verständnisses und trotz anderslautender Behauptungen: Es besteht - das ist zumindest mein Eindruck - kein tiefer Ozeans des Misstrauens zwischen Sprechern und Journalisten. Im Gegenteil, wir begegnen uns hier in der Bundespressekonferenz mit Respekt, auch der jeweiligen Rolle gegenüber, und wir begegnen uns mit institutionellem Vertrauen - so würde ich es einmal nennen. Das ist für fachlich fundierte und verlässliche Arbeit unerlässlich. Beides geschieht, ohne daraus eine Kumpanei werden zu lassen und auch mit einem ausreichenden Maß an professioneller Distanz, gleichzeitig gepaart mit einer von Neugier getriebenen Skepsis, die beiden Rollenbildern immanent ist.

Als ich vor vier Jahren die Aufgabe als Sprecher des BMI übernommen habe, war mir bewusst, dass dies gleichermaßen große Verantwortung und große Herausforderungen bedeutet. Dass allerdings eine Zeit vor mir liegt, die die Themen des BMI so sehr und beinahe über die ganze Zeit in den Fokus des öffentlichen Interesses rücken wird, habe ich nicht geahnt. Ich kann rückblickend auch nicht sicher sagen, ob ich dann auch Ja gesagt hätte.

Der sogenannte NSA-Skandal, die fortlaufend hohe Terrorgefahr und bitterweise auch erfolgreiche Terroranschläge in Deutschland und Europa, die Flüchtlingskrise mit all ihren unterschiedlichen Facetten, aber auch vermeintliche Beschränkungen der Pressefreiheit mit der Strafanzeige gegen die Kollegen von netzpolitik.org und den Fehlern beim Akkreditierungsverfahren zum G20-Gipfel: Alle diese Themen haben uns hier in den letzten vier Jahren intensiv beschäftigt. Häufig war gerade das Format der Regierungspressekonferenz dabei für mich ein sehr willkommenes Forum, um einen echten Diskurs, einen echten Austausch mit Ihnen führen zu können - nicht das übliche Frage-Nichtantwort-Spiel, das häufig im Rahmen von schriftlichen Presseanfragen prägend ist, sondern ein echter Austausch.

Ich hoffe und wünsche sehr, dass es gelingt, die Regierungspressekonferenz so fortzuentwickeln, dass sie auch für die Zukunft ihre Bedeutung erhält oder, besser noch, wieder an Bedeutung gewinnt. Ich weiß, Herr Mayntz, dass Sie sich dazu Gedanken machen.

Unabhängig davon bleibt im Rückblick auf die letzten vier Jahre der etwas ernüchternde Befund, dass es eine Vertrauenskrise in tragende Institutionen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gibt. Davon sind Regierung und Presse gleichermaßen betroffen.

Ich durfte jetzt vier Jahre lang mit Ihnen darüber diskutieren, ob die Regierung, ob das Innenministerium die richtigen Antworten auf diese Herausforderungen gefunden hat. Ich nutze die heutige Gelegenheit, um Ihnen meine Gedanken dazu mit auf den Weg zu geben, was aus meiner Sicht auf Ihrer Seite wünschenswert wäre, um dieser Krise zu begegnen. Nur wenn man sich der tragenden Rolle, die die vierte Gewalt für die Stabilität unserer Gesellschaft bewusst ist, kann es aus meiner Sicht gelingen, das notwendige Maß an Verantwortung zu entwickeln, das eine angemessene Ausübung dieser Rolle erfordert. Ich will das an fünf Punkten ganz kurz erläutern.

Erstens. Gerade im Bereich der inneren Sicherheit gab es bis in die letzten Tage hinein immer wieder Berichterstattung, die sich offensichtlich ausschließlich daran orientierte, wie oft eine Meldung von Dritten zitiert werden würde - nicht, wie sattelfest die Recherche war. Aus meiner Beobachtung hat dieses Phänomen eher zu- als abgenommen. Damit riskiert man nicht nur das Vertrauen in die Sicherheit und in die Arbeit der Sicherheitsbehörden dieses Landes, sondern im Ergebnis auch das Vertrauen in die Seriosität der Medien. Die Inkaufnahme von Vertrauensverlust zugunsten eines Aufstiegs im Zitate-Ranking ist eine Rechnung, die über kurz oder lang zu einem Negativsaldo führen muss.

Zweitens. Trotz Beschleunigung der Berichterstattung teilweise bis auf Echtzeittempo und des allseits beklagten Exklusivitätsdrucks sollte Seriosität in der Recherche immer Vorrang vor Schnelligkeit haben. Im Bereich der Bewertung sollte dies auch gelten, und es sollte der Mut zu eigenen Meinungen aufgebracht werden, statt sich der Meinung des Schnellsten anzuschließen.

Drittens. Zu Recht betonen Sie regelmäßig die herausragende Kontrollfunktion, die Sie unter anderem gegenüber der Regierung innehaben und ausüben. Das ist wichtig und essenziell in einer demokratischen Gesellschaft. Aber auch Medien haben Macht. Sie täten gut daran, auch gegenseitig mehr Kontrolle auszuüben und auf unbestreitbar stattfindende Fehler der Kolleginnen und Kollegen öffentlich hinzuweisen.

Mein vierter Punkt betrifft die Zurückhaltung in der Wortwahl. Wenn der Rechtsstaat einmal wieder nicht abgeschafft wurde, obwohl zum x-ten Mal davor gewarnt wurde, oder wenn der Staat in einer der größten Herausforderungen der letzten 60 Jahre Flexibilität und Stabilität beweist statt, wie es zu lesen war, zu versagen, dann darf man sich nicht wundern, wenn niemand mehr auf die warnende und mahnende Stimme der Medien hört, wenn es einmal wirklich ernst wird.

Zum Schluss. Ich wünsche mir etwas mehr Gelassenheit, wenn es um die eigenen Interessen geht. Vielfach ohne Not wird der finale Angriff staatlicher Stellen auf die Pressefreiheit vermutet und behauptet. Etwas mehr Souveränität und mehr Gelassenheit in der Debatte täten hier gut. Nur so, und nicht durch das Totschlagargument des drohenden Endes der Pressefreiheit, kann es einen aus meiner Sicht überfälligen Diskurs darüber geben, welche Rolle Medien heute und vor allem in der Zukunft einnehmen, welche Rechte dabei unerlässlich sind, aber auch, wo es Grenzen geben muss, deren Überschreitung nicht folgenlos bleiben darf.

All das klingt jetzt vielleicht sehr negativ, deswegen will ich es dabei nicht belassen. Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, um mich zu bedanken, und zwar ganz ehrlich: Bei Ihnen für herausfordernde vier Jahre, für viele kritische Fragen und manch anregende Diskussion. Bei den Sprecherinnen und Sprechern, meinen Kollegen hier oben auf der Bank, für die immer kollegiale und freundliche Zusammenarbeit. Bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Pressereferat des BMI für eine unglaublich tolle Teamleistung der letzten vier Jahre, die es uns ermöglicht hat, die großen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Bei Thomas de Maizière, der mir vor vier Jahren sein Vertrauen geschenkt hat. Bei den Protokollführerinnen und Protokollführern der Regierungspressekonferenz, die mit ihrer zuverlässigen und engagierten Arbeit und den daraus resultierenden Protokollen eine wichtige Basis für die Pressearbeit der Bundesregierung leisten.

Am kommenden Montag werde ich eine neue Aufgabe im Bundespresseamt übernehmen und mich dort den Themen der ganzen Bundesregierung widmen. Darauf freue ich mich ebenso wie auf ein Wiedersehen mit dem einen oder anderen von Ihnen. Die Regierungspressekonferenz werde ich fortan nur noch am Fernsehen verfolgen. Ich wünsche ihr und Ihnen von Herzen alles Gute!

Vorsitzender Mayntz: Herzlichen Dank, Herr Dimroth! Es war ein "echter Dimroth". Wir haben uns häufiger darüber unterhalten, wie sich Sprecher fühlen, wenn sie uns etwas "unter drei" sagen und dann "unter eins" darauf angesprochen werden. Er hat jetzt gerade eine kleine Retourkutsche gefahren. Ich sage jetzt nicht, welche Passage von mir "unter drei" gesagt worden war, aber der Rollentausch ist jetzt gelungen, wunderbar. Herzlichen Dank! Ich möchte es kurz zusammenfassen in der Feststellung: Wer wissen will, warum es sich sowohl für Sprecher als auch für Mitglieder der BPK immer wieder lohnen kann, hierher zu kommen in die Regierungspressekonferenz, der sollte unter dem Stichwort "Dimroth" einmal nachlesen, was er uns in den letzten vier Jahren alles gesagt hat. Vielen Dank dafür!

Frage: Ehe Sie weglaufen, Herr Dimroth: Vielen Dank zum einen. Zum anderen ganz kurz zu Punkt fünf: Können wir uns darauf verständigen, dass wir den Begriff Pressefreiheit bei Bedarf auch durch den Begriff innere Sicherheit austauschen können und die Aussage genauso gilt?

Dimroth: Darüber muss ich noch einen Moment nachdenken!

Vorsitzender Mayntz: Dann kommen wir zum angekündigten Thema Syrien.

Frage : Erstens. Nachdem der französische Staatspräsident Macron von Beweisen gesprochen hat, die er für die russische Verantwortung für den Giftgaseinsatz in Syrien vorliegen habe: Liegen diese Beweise der Bundesregierung inzwischen auch vor? Wertet die Bundesregierung sie auch als Beweise?

Zweitens. Wenn der Außenminister eine geschlossene Front des Westens im Hinblick auf die Reaktionen einfordert: Wie verträgt es sich denn mit dieser geschlossenen Front, wenn ein Teil der Länder offenbar darauf eingestellt ist, militärisch auf den Giftgaseinsatz zu reagieren, während ein anderer Teil das kategorisch ausschließt? Heißt das nicht am Ende, dass eine geschlossene Front eigentlich nicht möglich ist?

StS Seibert: Ich will vielleicht einmal versuchen, ein bisschen weiter auszuholen; vielleicht sind darin dann auch Antworten auf Ihre Fragen.

Ich denke, man sollte bei all dem an den Ausgangspunkt zurückgehen. In Duma sind nach allem, was wir wissen, Chemiewaffen gegen Männer, Frauen und Kinder eingesetzt worden. Viele von diesen Männern, Frauen und Kindern sind einen schrecklichen Tod gestorben. Das sind Bilder, die uns alle erreicht haben, die eigentlich auch jeden aufrütteln müssen, genau wie die Bilder von Chan Schaichun vor einem Jahr oder die Bilder von anderen Orten in Syrien, an denen das Assad-Regime bedenkenlos C-Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat.

Die Frage, vor der wir alle politisch stehen, ist also erst einmal: Wie sollen wir umgehen mit diesem elementaren Bruch des Völkerrechts, mit dieser erneuten Grausamkeit, die auch kein Kampf gegen Terroristen je rechtfertigen kann? Die Chemiewaffenkonvention, die jeglichen Einsatz verbietet und der übrigens Syrien angehört, ist ein wichtiger zivilisatorischer Schritt, den die Staatengemeinschaft gemeinsam gegangen ist. Diese Chemiewaffenkonvention beendet nicht alle Gräuel des Krieges, aber sie ächtet unmissverständlich einige der schlimmsten Waffen, die je erfunden worden sind. Wir alle müssen mit dafür sorgen, dass der Respekt vor dieser Konvention nicht langsam erodiert und dass es keine Gewöhnung an solche Kriegsverbrechen gibt.

Deswegen steht in diesem Zusammenhang Deutschland an der Seite all derer, die ihre Abscheu vor diesem C-Waffen-Einsatz bekannt haben und die ein klares Zeichen setzen wollen, dass so etwas nicht ungestraft bleiben kann. Jeder leistet seinen Beitrag. Deutschland hat beispielsweise vor einigen Jahren sehr engagiert an der Vernichtung syrischer C-Waffen-Bestände mitgearbeitet. Wir stehen in engem, in ständigem Kontakt mit den USA, mit Frankreich, mit Großbritannien, mit den permanenten Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und mit anderen europäischen Partnern.

Zusatzfrage: Ich möchte noch einmal die Frage nach den von Herrn Macron angeführten Beweisen stellen. Hat die Bundesregierung diese Beweise vorliegen, wertet sie sie als Beweise?

StS Seibert: Ich habe bewusst gesagt: Nach allem, was wir wissen, sind dort Chemiewaffen eingesetzt worden. Das syrische Regime hat leider eine Tradition, eine traurige und üble Tradition des C-Waffen-Einsatzes gegen die eigene Bevölkerung, und es gibt schwere Indizien, die auch in diesem Fall in Richtung des syrischen Regimes zeigen.

Frage: Auch eine Frage zu Syrien: Nun soll Syrien den Vorsitz des UN-Abrüstungsausschusses übernehmen, der auch für Chemiewaffen zuständig ist. Es gibt einen Aufruft zum Boykott. Wie wird sich die Bundesregierung da verhalten?

Adebahr: Ich kann Ihnen dazu jetzt keine abschließende Mitteilung machen. Klar ist, dass wir UN-Gremien in ihrer Arbeit unterstützen. Unsere Haltung gegen Chemiewaffen hat Herr Seibert gerade ganz klar dargelegt. Wir sind der Ansicht, dass das Chemiewaffenübereinkommen, das Völkerrecht und auch alle UN-Gremien, die sich mit dieser Thematik befassen, gestärkt werden müssen und gut und ordentlich arbeiten können sollen. Im Lichte dieser inhaltlichen Aussage wird dann auch damit umzugehen sein, wenn es denn zu diesem Schritt kommt, den Sie beschrieben haben.

Zusatzfrage: Aber dieser Vorsitz wechselt ja turnusmäßig. Sie haben ja gerade beschrieben, dass nach allem, was Sie wissen, ausgerechnet Syrien dieses Übereinkommen wohl gebrochen hat.

Adebahr: Natürlich, und deswegen werden wir uns in der Arbeit in diesem Gremium damit auseinandersetzen, was es dann heißt, wenn Syrien turnusmäßig, also gemäß der Verwaltungsregelungen, die es dort gibt, diesen Vorsitz übernehmen sollte.

Frage: Herr Seibert, Frau Adebahr, Deutschland hat sich ja zum Zeitpunkt des Libyenkrieges mit einer Enthaltung positioniert. Wie könnte oder wie würde denn praktische Solidarität in diesem Fall aussehen, wenn Verbündete wie Großbritannien, Frankreich oder die USA Deutschland nach seinem Beitrag fragen?

Herr Neumann, welche Fähigkeiten könnte die Bundeswehr dabei einbringen?

StS Seibert: Bevor Herr Neumann antwortet, möchte ich sehr davor warnen, jetzt einfach die Situationen, die sich über die Jahre ergeben haben, hier miteinander zu vergleichen oder gleichzusetzen. Ich hoffe, ich habe sehr klar gemacht, dass wir ganz klar an der Seite und im Schulterschluss mit unseren Partnern Amerika, Frankreich, Großbritannien und anderen stehen und völlig einig sind in der Zielsetzung, das international gültige Verbot des Einsatzes solcher C-Waffen aufrechtzuerhalten und durchzusetzen. Jeder leistet seinen eigenen Beitrag und wir sind uns in dieser Zielsetzung vollkommen einig. Spekulationen möchte ich hier jetzt nicht betreiben. Die Bundeskanzlerin hat sich zu einem militärischen Beitrag gestern geäußert.

Neumann: Zu dieser Aussage von Herrn Seibert habe ich nichts zu ergänzen. Ich verweise hiermit ebenfalls auf die Ausführungen der Bundeskanzlerin zu einem möglichen Beitrag der Bundeswehr.

Frage: Herr Seibert, lehnt die Bundesregierung nur eine militärische Beteiligung ab, oder lehnt sie auch das Mittel eines Militärschlags grundsätzlich ab?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat ja gestern ganz klar von einer militärischen Beteiligung Deutschlands gesprochen. Wenn Sie sich an die militärische Reaktion erinnern, die die Amerika nach Chan Schaichun gezeigt haben - mit Luftschlägen gegen syrische Ziele -, so haben wir die damals nachvollziehbar genannt.

Frage: Ich möchte auch noch einmal zur Definition von dem kommen, was Sie sagen, also dass Deutschland da an der Seite der Partner in dieser Frage ist. Wie kann man sich das jetzt konkret vorstellen? Kann man sich das so vorstellen, dass man einen Militärschlag toleriert? Gibt es noch andere Möglichkeiten, wie die Bundesregierung in dem Falle an der Seite der Partner stehen kann?

StS Seibert: Zunächst - ich wiederhole mich - werde ich mit Ihnen hier nicht über Dinge spekulieren, die noch gar nicht eingetreten sind. Die Bundeskanzlerin hat gestern eine klare Stellung bezogen, und genauso klar ist unsere Stellung, dass wir alle Bemühungen der Vereinten Nationen unterstützen, dass wir es sehr bedauern, dass russische Vetos ein gutes Funktionieren des UN-Sicherheitsrats in diesem Fall verhindert haben, dass wir alles tun werden, um diplomatisch-politisch auch den Druck auf Russland - das natürlich der wichtigste Verbündete des Assad-Regimes ist - aufrechtzuerhalten und dass dies auch der Gegenstand von Gesprächen ist, die die Bundeskanzlerin beispielsweise natürlich auch mit Präsident Putin geführt hat.

Frage: Herr Seibert, noch einmal zu der Frage von dem Kollegen, die, glaube ich, nicht beantwortet wurde: Herr Maas hat ja eine geschlossene Front, also einen Zusammenschluss der Partner in Europa gefordert. Wie sehen Sie das? Ist das geschlossen, wenn einer der wichtigen Partner dann eine andere Meinung einnimmt, Deutschland dann also sozusagen nicht mitmacht, was Frankreich, Großbritannien und die USA betrifft? Gibt es da eine unterschiedliche Auffassung innerhalb der Regierung?

Zweitens. Es gibt Kritik an der Kanzlerin, dass von ihr zu wenig Initiative komme, wenn es um die Frage geht, wie ein Friedensprozess angestrebt werden könnte, und dabei wird immer an die Ostukraine erinnert. Ist vielleicht in dieser Hinsicht etwas geplant, also dass es von Deutschland, von der Kanzlerin aus eine Friedensinitiative geben könnte, um zu versuchen, die Kontrahenten an einen Tisch zu bekommen?

StS Seibert: Ich teile es ausdrücklich nicht, wenn Sie von unterschiedlichen Meinungen sprechen, und zwar weder innerhalb der Bundesregierung oder gar zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt noch mit den europäischen Partnern. Ich dachte eigentlich, dass ich es deutlich gemacht habe - vielleicht nicht deutlich genug -: Wir alle sind zutiefst besorgt darüber, dass es in Syrien erneut zu C-Waffen-Einsatz gegen die Bevölkerung gekommen ist.

Zusatz: Es geht nur um das gemeinsame Vorgehen.

StS Seibert: Trotzdem: Wir alle teilen das Ziel, dass die C-Waffen-Konvention, die genau solche mörderischen Einsätze ächtet, durchgesetzt und aufrechterhalten wird, dass das nicht erodiert, dass sich niemand daran gewöhnen kann, dass so etwas ungestraft vonstattengeht. In dieser Haltung sind wir uns vollkommen einig. Die Beiträge, die einzelne Staaten leisten, mögen unterschiedlich sein zwischen permanenten Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Ländern, die das nicht sind. In der Bundesregierung sind wir uns in dieser Sache aber vollkommen einig und es gibt eine ganz enge Abstimmung zwischen Heiko Maas und der Bundeskanzlerin. So ist es auch mit den europäischen Partnern.

Adebahr: Ich kann Sie vielleicht auch noch einmal auf das verweisen, was der Bundesaußenminister heute Morgen in Brüssel gesagt hat und was er auch schon gestern gesagt hat, nämlich dass die enge Abstimmung zwischen den Partnern gerade stattfindet - es gibt ja auch noch keine Entscheidung - und dass wir in einem Prozess der engen Abstimmung sind, der jetzt gerade läuft. Er ist eben der Meinung - und das ist hier auch schon gefallen -, dass es richtig ist, dass dieser Chemiewaffeneinsatz Konsequenzen haben muss. Insofern beraten wir darüber jetzt in einer engen Abstimmung mit den Partnern. Die Kanzlerin hat gestern zum militärischen Beitrag Deutschlands gesagt, was zu sagen war.

Vielleicht noch zur Frage des politischen Prozesses, den wir dort sehen wollen und den wir unterstützen: Wir haben eine von Frankreich - eben auch da die enge Abstimmung - ins Leben gerufene Initiative gegen die Straflosigkeit des Einsatzes von Chemiewaffen von Anfang an sehr unterstützt, so wie wir nach 2013 auch am Prozess der Vernichtung der Chemiewaffen Assads sehr stark beteiligt waren. Zu dieser Initiative Frankreichs, die jetzt auflebt und fortlebt und noch einmal intensiviert werden soll, sind wir mit Frankreich in einem sehr engen Gespräch, um da sehr bald eben auch noch einmal ein sichtbares Zeichen zu setzen, dass die internationale Staatengemeinschaft diese Waffe ächtet und dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass das Verbot auch durchgesetzt wird.

StS Seibert: Weil Sie auch nach den friedenspolitischen Aktionen gefragt haben: Es gibt den Versuch eines Friedensprozesses für Syrien, den Genfer Prozess unter Leitung der UN - mühselig und sicherlich noch nicht mit befriedigenden Ergebnissen, aber das ist nicht die Schuld derjenigen, die da wirklich rund um die Uhr voranzukommen versuchen. Diesen Friedensprozess unterstützen wir politisch-diplomatisch mit all unseren Möglichkeiten.

Zusatzfrage: Sie haben von unterschiedlichen Beiträgen gesprochen. Ist der deutsche Beitrag dann, es mit zu ächten und weiter zu versuchen, Chemiewaffen zu zerstören? Oder was ist unabhängig davon der deutsche Beitrag im Vorgehen gegen Syrien?

StS Seibert: Zurzeit leisten doch alle den gleichen Beitrag: Erstens. Vollkommen klar machen, wo wir stehen, und auch Russland mit politischem Druck versehen, damit es seinen Einfluss auf das Assad-Regime einsetzt - hoffentlich -, zu versuchen, den UN-Sicherheitsrat in die Lage zu versetzen, zu funktionieren, was wegen bedauerlicher russisches Vetos - im Übrigen nicht zum ersten Mal in der ganzen Syrien- und C-Waffen-Problematik - im Moment nicht möglich ist. Das ist der Beitrag, den alle leisten. Einzelne Staaten denken noch über andere Optionen nach, aber derzeit leisten wir alle diesen Beitrag, den politischen Druck zu erhöhen und vollkommen klar zu machen, dass der C-Waffen-Einsatz nicht ungestraft im totalen Bruch mit der Chemiewaffenkonvention vonstattengehen darf.

Frage: Ich habe eine Frage zur Vernichtung der Chemiewaffen, an der Deutschland ja mitgearbeitet hat. Kann man sagen, dass das komplett vollständig gewesen ist, dass man die Chemiewaffen damals komplett vernichtet hat? Wo kommen dann die Waffen her, die jetzt vom Assad-Regime eingesetzt worden sind?

Adebahr: Ich glaube, es ist bedauerlicherweise so, dass wir davon ausgehen müssen, dass nicht alle Chemiewaffen ganz vollständig vernichtet wurden. Dazu gibt es aber auch Abschlussberichte der OVCW, also der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, die dafür zuständig ist. Deutschland hat sich damals in dem Rahmen, in dem uns Bestände zur Verfügung gestellt wurden, sehr aktiv an der ordnungsgemäßen und sachgemäßen Vernichtung dieser Bestände beteiligt. Dieser Einsatz, den wir jetzt sehen, ist aber einfach da, und mit dem müssen wir umgehen. Die OVCW selbst, die damals, 2013, die Untersuchung eingeleitet hatte, sieht eben jetzt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieser Chemiewaffeneinsatz stattgefunden hat, und hat deshalb eine Untersuchungsmission in Auftrag gegeben, die anfangen wird - hoffentlich anfangen wird -, ihrer Arbeit dort nachzugehen und genau diese Fragen noch einmal zu überprüfen.

Frage: Ich möchte noch einmal nach dem Verhältnis zu US-Präsident Trump fragen, der ja die Drohung, dass es einen Angriff geben wird, per Twitter auf besondere Weise ausgesprochen hat. Wie groß ist das Vertrauen der Bundesregierung, dass dieser US-Präsident das gut in der Hand hat? Es ist ja beschrieben worden, dass er eher wie ein Rocker darauf reagiert. Glauben Sie, dass er die Ruhe und seinerseits die nötige Seriosität haben wird, mit diesem Thema umzugehen, oder befürchten Sie eher, dass das Ad-hoc-Handlungen werden könnten?

StS Seibert: Ich werde es wie bisher halten und einzelne Tweets nicht kommentieren und hier auch keine Persönlichkeitsnoten verteilen. Wir haben einen engen Kontakt mit dem Präsidenten und seinen Beratern, militärisch wie auch sonst. In diesem Kontakt gibt es eine sehr enge Abstimmung. Wir teilen, wie gesagt, das Entsetzen über das, was da passiert ist, wir teilen die Entschlossenheit, dass das, was passiert ist, für die Zukunft nach allen menschlichen Möglichkeiten verhindert werden muss, und dass es deswegen richtig ist, deutliche und klare Zeichen für die Einhaltung der C-Waffen-Konvention zu setzen.

Zusatzfrage: Ich verstehe, dass Sie nicht Tweets kommentieren wollen, aber das war ja nicht irgendein Tweet, sondern das ist ja Kriegs- und Weltpolitik, und es ist ja das Sprachmittel dieses Präsidenten, das per Twitter anzukündigen. Löst das in der Bundesregierung Irritationen oder Unruhe aus oder sagen Sie "Der ist so und der wird sich, wie andere Präsidenten, auch wieder benehmen"?

StS Seibert: Wir konzentrieren uns auf die engen Kontakte, die wir mit der amerikanischen Regierung haben.

Vorsitzender Mayntz: Dann wechseln wir das Thema und kommen, wie auch sonst freitags üblich, zu den Terminen der Kanzlerin in der nächsten Woche.

StS Seibert: Zu den öffentlichen Termine in der kommenden Woche: Es beginnt am Dienstag, dem 17. April, mit dem Besuch der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern. Da sie zum ersten Mal als Premierministerin nach Berlin kommt, wird sie mit militärischen Ehren empfangen, und zwar um 12 Uhr. Anschließend findet das Gespräch mit der Bundeskanzlerin statt. Sicherlich gibt es dabei auch einen Austausch über die regionalen Entwicklungen und darüber, wie man die bilateralen Beziehungen noch weiter vertiefen kann. Auch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland wird sicherlich ein Diskussionsthema sein. Im Anschluss gibt es dann eine Pressekonferenz.

Am Dienstagabend um 18 Uhr nimmt die Bundeskanzlerin am Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen, des BdV, teil. Das findet hier in Berlin in der Katholischen Akademie statt. Sie wird dort ein Grußwort sprechen.

Am Mittwoch tagt um 9.30 Uhr, zur üblichen Zeit und am üblichen Ort, das Bundeskabinett unter Leitung der Bundeskanzlerin.

Am Mittwochnachmittag reist die Bundeskanzlerin nach Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt zur sogenannten MPK-Ost, also der Konferenz der Regierungschefs und -chefinnen der ostdeutschen Länder. Auf der Tagesordnung stehen zum Beispiel natürlich die Koalitionsvorhaben im Koalitionsvertrag, die von besonderer Bedeutung für die ostdeutschen Länder sind, die gesamtdeutsche Strukturförderung nach 2019 sowie auch die Kommissionen, die jetzt eingerichtet werden: "Gleichwertige Lebensverhältnisse" und "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung". Im Anschluss an diese Veranstaltung wird es gegen kurz nach 16 Uhr eine Pressekonferenz geben, in der die Bundeskanzlerin zusammen mit Ministerpräsident Haseloff auftreten wird.

Am Donnerstag kommt dann Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Berlin, um ein Arbeitstreffen mit der Bundeskanzlerin zu haben. Die genauen Einzelheiten des Programms teilen wir Ihnen dann noch etwas näher an den Terminen mit.

Am Donnerstag um 17 Uhr wird die Bundeskanzlerin Bill Gates in seiner Eigenschaft als Ko-Vorsitzender der Bill & Melinda Gates Stiftung empfangen. Ich will dem Gespräch nicht vorgreifen, aber die Bill & Melinda Gates Stiftung wird hier in Berlin im Oktober dieses Jahres gemeinsam mit der Bundesregierung eine große Konferenz, die sogenannte Grand-Challenges-Konferenz, durchführen. Ich denke, viele von Ihnen wissen, dass sich die Bill & Melinda Gates Stiftung ganz besonders dem Kampf gegen Tuberkulose, Malaria und Aids widmet. Gerade im Kampf gegen diese Krankheiten und auch gegen Ebola gibt es vielfache Berührungspunkte mit uns und Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, auch mit Blick auf die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen.

Am Freitag kommt um 19 Uhr der indische Ministerpräsident Narendra Modi zu einem Gespräch ins Bundeskanzleramt.

Am Sonntag geht es dann nach Hannover: Die Hannover Messe 2018 wird am Sonntagabend um 18 Uhr eröffnet, und zwar wie immer durch die Bundeskanzlerin und den Vertreter des Partnerlands - in diesem Jahr also des Präsidenten von Mexiko. Es kommt danach zu einem Gespräch der Bundeskanzlerin mit Herrn Peña Nieto.

Am Montag, 23. April - das kann ich dann gleich vorwegnehmen -, wird es den traditionellen Eröffnungsrundgang gemeinsam mit dem mexikanischen Präsidenten geben, zum Beispiel auf dem Gemeinschaftsstand Mexikos, aber es werden auch eine Reihe von vor allem deutschen und mexikanischen Ständen besucht. Zum Abschluss dieses Rundgangs finden gegen 11 Uhr kurze Pressestatements von Herrn Peña Nieto und der Bundeskanzlerin statt.

Dann werden beide das mexikanisch-deutsche Wirtschaftsforum auf der Hannover Messe eröffnen.

Frage: Herr Seibert, eine Nachfrage zum Treffen mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten am Mittwoch. Wird dort auch die Zukunft der Braunkohlestandorte Lausitz/Mitteldeutschland besprochen? Steht das auf der Agenda?

StS Seibert: Ich habe Ihnen versucht, einigermaßen zu skizzieren, was mögliche Themen sein werden. Natürlich kann ich jetzt nicht sagen, welche Themen die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder miteinander besprechen. Aber es geht auch um die eingesetzten Kommissionen, also beispielsweise die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", die sich ja mit dem Strukturwandel in den betroffenen Regionen befassen wird. Das, glaube ich, trifft schon in die Richtung Ihrer Frage. Aber ich denke, wir sollten gemeinsam die Veranstaltung in Bad Schmiedeberg abwarten.

Frage: Ich habe eine Frage zu dem Termin mit Macron. Wird Herr Macron von anderen Kollegen aus seinem Kabinett begleitet? Ganz konkret gefragt: Wird der zuständige Wirtschafts- und Finanzminister dabei sein, und gibt es Gespräche mit Herrn Scholz? Denn man hat mit Frankreich im Moment doch eine ganze Reihe von gemeinsamen Projekten in der Pipeline.

StS Seibert: Ich ahne, dass Sie auf den angekündigten Ministerrat Deutschland und Frankreich anspielen, der ja von beiden, glaube ich, neulich in Paris oder auch in Brüssel verkündet wurde. Das ist jetzt nicht dieser Termin. Dies ist ein Termin, bei dem die Bundeskanzlerin mit Herrn Macron und seinem engeren Team gemeinsam die Arbeit vorantreibt. Dieser Ministerrat ist zu einem Termin im Mai geplant.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeits- und Sozialministerium. Frau Küchen, Ihr Haus hat eine Kleine Anfrage der AfD beantwortet. Da ging es - kurz gefasst - um die Frage, ob die Zahl behinderter Kinder durch Inzest unter Migranten gestiegen sein könnte. Hat man sich jenseits aller Statistiken und Fragen bei Ihnen im Haus Gedanken über die ethische Qualität dieser Anfrage gemacht? Haben Sie eine Position dazu?

Küchen: Ich habe die Beantwortung gesehen. Ich bin aber momentan noch nicht sprechfähig. Das, was dort anklingt - um es gleich vorweg zu nehmen -, ist jedoch problematisch im Duktus.

Gleichwohl würde ich Sie bitten, dass ich jetzt nachhöre und Ihnen eine Antwort nachliefere.

Zusatzfrage: Darf ich darum bitten, dass die Antwort generell zur Verfügung gestellt wird?

Küchen: Ja, das kann ich machen. Klar.

Frage: Eine Frage an das Bundesfinanzministerium: Der griechische Finanzminister Tsakalotos war heute zu Besuch bei Herrn Scholz. Abgesehen davon, dass es ein Antrittsbesuch ist, können Sie uns etwas über den Inhalt des Gesprächs erzählen?

Blankenheim: Ich kann Ihnen jetzt über den Inhalt des Gesprächs nichts mitteilen.

Generell zum Thema Griechenland: Die Entscheidungen sind vor Ende des Programms, das ja am 20. August ausläuft, zu treffen. Dann wird sich auch die Euro-Gruppe mit den entscheidenden Fragen Schuldentragfähigkeit und Stand der Programmumsetzung beschäftigen. Wir werden den abschließenden Bericht bis zur Sommerpause von den Institutionen erwarten. Wir erwarten von Griechenland, dass sie ein glaubwürdiges Wachstumsprogramm vorlegen.

Zusatzfrage: Sie haben die Frage der Schuldentragfähigkeit und der Schuldenerleichterung angesprochen. Können Sie sich generell vorstellen, dass Maßnahmen zur Schuldenerleichterung Griechenlands, wenn notwendig, ohne neue Auflagen getroffen werden?

Blankenheim: Ich muss Sie da auf das Verfahren verweisen, das ich gerade skizziert habe. Insofern muss ich um Geduld bitten.

Frage: Herr Blankenheim, seit dem neuen Minister erfährt man über die Fortschritte und die Schulden, was Griechenland betrifft, überhaupt nichts. Die Informationspolitik des Vorgängers von Herrn Scholz grenzte ja geradezu an Geschwätzigkeit, wenn man das mit dem vergleicht, was jetzt abläuft. Finden Sie nicht, dass Sie angesichts dessen, dass bis zum Juli ein Ergebnis gefunden werden muss, das auch den Deutschen Bundestag sehr stark tangieren wird, dass Sie Ihre Informationspolitik überdenken müssten?

Blankenheim: Sie können sich sicher sein, dass der Bundestag und auch Sie rechtzeitig informiert werden. Es ist vom Verfahren her nun einmal auch eine Aufgabe in der Eurogruppe. Darauf muss ich jetzt im Moment hinweisen.

Zusatzfrage: Noch einmal: Es gibt konkrete Vorschläge des ESM und der französischen Regierung. Sie haben das auch irgendwie durchgestochen, sage ich einmal. Sie sind also publik geworden. Von der deutschen Seite, die ja ein entscheidendes Wort mitzureden hat, erfährt man gar nichts. Sie müssen doch irgendetwas - wie es früher unter Schäuble hieß - "in der Schublade" haben. Können Sie uns etwas davon mitteilen?

Blankenheim: Sie können sich sicher sein, dass sich das Haus mit dem Thema befasst. Wir werden Sie zu gegebener Zeit darüber informieren.

Vorsitzender Mayntz: Gern auch an dieser Stelle wieder.

Frage: Herr Seibert, zum Thema Nord Stream 2: Die Kanzlerin hat sich am Dienstag und ihr dänischer Gast gestern dazu geäußert. Beide sprachen von einer politischen Dimension dieses Projektes. Die Kanzlerin hat gesagt, dieses Projekt sei nicht möglich, wenn die Frage des ukrainischen Transits nicht geklärt sei. Mich würde interessieren, welche Konsequenzen diese Aussage oder die beiden Aussagen der Kanzlerin und des dänischen Ministerpräsidenten haben werden? Welche Klarheit will denn die Kanzlerin haben? Was passiert mit diesem Projekt, wenn es keine Klarheit gibt?

StS Seibert: Eigentlich haben wir darüber schon viele Male gesprochen und im Grunde immer in dem gleichen Sinne. Nord Stream 2 ist ein wirtschaftliches Projekt. Aber es ist natürlich kein Projekt, das im politisch luftleeren Raum realisiert wird, sondern es ist ein Projekt, das politische Auswirkungen hat, ganz besonders auf die Ukraine. Deswegen haben wir hier vielfach gesagt, dass das ein unternehmerisches Projekt ist und dass die Genehmigung mit der Erfüllung der für so etwas geltenden Regeln zu tun hat; dennoch geht es natürlich auch darum - deswegen unterstützen wir gerade, was der Kommissar und Vizepräsident der Europäischen Kommission Sefcovic macht -, mit Russland und der Ukraine nach Lösungen zu suchen, damit die Ukraine weiterhin eine Rolle als Transitland für russisches Gas spielen kann. Das hat die Bundeskanzlerin jetzt noch einmal wiederholt. Das hat sie auch dem russischen Präsidenten bei Gesprächen mitgeteilt. Über die Bedenken, die die Ukraine hat, hat sie natürlich auch intensiv mit Präsident Poroschenko gesprochen.

Zusatzfrage: Mir ist trotzdem nicht so ganz klar, welchen Hebel die Bundesregierung im Falle einer weiteren Unklarheit hat. Kann die Bundesregierung dieses Projekt Nord Stream 2 stoppen und die Genehmigung, die bereits erteilt wurde, zurückziehen?

StS Seibert: Wir unterstützen Gespräche, die Herr Sefcovic mit der russischen Seite und mit der ukrainischen Seite führt. Wir tun das mit allem Nachdruck. Wir sind auch nicht allein dabei. Wenn Sie gestern den dänischen Ministerpräsidenten Løkke Rasmussen hier in Berlin gehört haben, dann gab es überhaupt keinen Unterschied von seiner Haltung zu der der Bundeskanzlerin. Es gibt auch andere europäische Länder, die genau diesen Lösungsweg unterstützen, der zu hohe Einbußen für die Ukraine verhindern soll. Das ist das, worauf wir uns in politischer und diplomatischer Weise konzentrieren.

Frage: Eine Frage an das Justizministerium: Gestern haben sich in dem Sitz von Eurojust Rechtsanwälte aus Spanien und aus Schleswig getroffen, um noch einmal über den Fall Puigdemont zu reden. Angeblich haben die spanischen Kollegen den Rechtsanwälten neues Material über den Fall Puigdemont und natürlich mehr Material über die Rebellion übergeben. Ich würde gern wissen: Wie bewerten Sie dieses Treffen? Ist das normal, oder ist das als eine Art Druck aus Spanien an die Richter des Oberlandesgerichtes Schleswig zu betrachten?

Malachowski: Zunächst einmal ist es ein ganz normaler Vorgang im Rahmen eines Verfahrens nach dem Europäischen Haftbefehl, dass die Behörden der jeweiligen Mitgliedstaaten miteinander in Kontakt treten. In diesem Fall erfolgte der direkte Austausch über Eurojust. Normalerweise geschieht das schriftlich. Aber man kann sich natürlich auch persönlich treffen. Von uns war niemand an dem Treffen beteiligt. Deswegen kann ich auch zum Inhalt und sonst zu diesem Treffen nichts sagen.

Zusatzfrage : In der spanischen Presse ist zu lesen, dass die deutschen Richter die Auslieferung von Puigdemont praktisch sofort hätten beschließen müssen, weil diese europäische Auslieferung im Grunde genommen automatisch geht, sie sich aber stattdessen eine eigene Meinung über diese Auslieferung gemacht haben. Es ist, als ob es eine Vertrauenslüge zwischen Deutschland und Spanien in diesem Fall besonders geben sollte. Sind Sie damit einverstanden?

Malachowski: Nach den deutschen Bestimmungen zum Europäischen Haftbefehl ist es eine Prüfung, die durch Oberlandesgerichte in Deutschland erfolgt. Es gibt eine justizielle Prüfung. Das ist nicht automatisch.

Zusatzfrage: In manchen Fällen ist es automatisch gewesen. Auf der spanischen Seite gab es zum Beispiel in den letzten Jahren hundert Auslieferungen ohne Prüfung von Richtern in Spanien, während Deutschland das gefordert hat.

Malachowski: Okay. Ich kann jetzt wirklich nichts dazu sagen, wie die Spanier das auf ihrer Seite machen. Es tut mir Leid. Dazu kann ich wirklich nicht Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Also Sie betrachten das nicht als Druck, dass dieses Zusammentreffen in Den Haag stattgefunden hat?

Malachowski: Nein, wie gesagt: Es ist ganz normal, dass die Staatsanwaltschaften der beteiligten Länder bei so einem Auslieferungsverfahren miteinander in Kontakt treten. Ob sie das nun schriftlich machen oder telefonisch oder persönlich, das ist ihnen überlassen. Wie es genau zu diesem Treffen kam, das weiß ich nicht. Vielleicht waren sie zufällig alle vor Ort. Da müssten Sie wahrscheinlich dort nachfragen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium: Herr Kautz, die Bundesdrogenbeauftragte hat in dieser Woche einmal wieder ein Werbeverbot für Tabakprodukte in Deutschland gefordert. Deutschland ist das einzige Land in der EU, wo es ein solches Verbot noch nicht gibt. Wie steht Herr Spahn dazu? Plant er ein solches Gesetz noch einmal auf den Weg zu bringen, und wenn nicht, warum nicht?

Kautz: Das ist momentan auf jeden Fall nicht in der Planung. Das steht nicht im Koalitionsvertrag, und es würde auch den Entschlüssen, zum Beispiel der CDU, widersprechen. Also es ist momentan nicht in der Mache, nicht in der Diskussion bei uns.

Zusatzfrage: Aber Frau Mortler ist ja auch Mitglied der Union. Das heißt, wie bewerten Sie es, dass es, obwohl sie das fordert, kein Bestreben von Herrn Spahn gibt? Oder, noch einmal anders gefragt: Wie steht Herr Spahn zu einem solchen Verbot?

Kautz: Frau Mortler als Drogenbeauftragte steht es frei, so etwas zu sagen und vernünftige Vorschläge zu machen, was Suchtprävention anbetrifft. Aber von unserer Seite aus ist keine Initiative geplant.

Zusatzfrage: Können Sie vielleicht noch etwas zu sogenannten Tabakverdampfern sagen? Wie bewertet Ihr Haus das? Ist das die gesündere Alternative zu konventionellen Tabakprodukten?

Kautz: Das möchte ich von dieser Stelle aus echt nicht bewerten. Das weiß ich nicht. Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.

Zusatzfrage: Können Sie das vielleicht nachreichen?

Kautz: Das kann ich tun.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert bezüglich des Treffens der Bundeskanzlerin mit dem serbischen Präsidenten Vučić heute. Der serbische Präsident hat angekündigt, einen neuen Vorschlag zur Lösung der Statusfrage der serbischen Minderheiten im Kosovo zu präsentieren. Wie setzt sich gerade Deutschland für die Lösung dieser Frage ein? Können Sie das beantworten?

StS Seibert: Sie sind, wenn ich das so sagen darf, im falschen Gebäude. 500 Meter weiter in diese Richtung findet gerade das Treffen zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Vučić mit anschließender Pressekonferenz statt. Ich glaube, es wäre sehr komisch, wenn ich jetzt von hier über Inhalte dieses Treffens, das dort gerade läuft, spreche. Ich empfehle Ihnen, wenn Sie es zeitlich noch schaffen, hinüber zu rennen.

Zusatzfrage: Aber es ist keine Pressekonferenz vorgesehen.

StS Seibert: Nichtsdestotrotz findet dort das Treffen statt, das ich jetzt hier nicht kommentieren kann. Pressestatements sind für den Beginn des Treffens angekündigt gewesen.

Zuruf: Aber ohne die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

StS Seibert: Ich möchte trotzdem einem Treffen, das gerade stattfindet, hier nicht vorgreifen. Herr Vučić war ja vor nicht allzu langer Zeit in Berlin. Das ist erst wenige Wochen her. Da gab es eine Pressekonferenz. Da ist auch das Thema besprochen worden.

Zusatzfrage: Wie Sie gesagt haben, beobachten wir in der letzten Zeit einen regen Austausch zwischen der Bundeskanzlerin und dem serbischen Präsidenten. Dennoch hat er nach der Festnahme von Djuric - und das war nach dem Treffen mit der Bundeskanzlerin - Putin angerufen und um Rat gebeten. Wie sieht die Bundesregierung die Nähe Serbiens zu Russland?

StS Seibert: Auch die Bundeskanzlerin hat gerade erst mit Präsident Putin telefoniert. Wir können und wollen doch unseren Partnern in anderen Ländern nicht vorschreiben, welche Kontakte sie darüber hinaus noch machen.

Dass Russland in Serbien kulturell eine gewisse Rolle spielt und dass es da Kontakte gibt, ist nichts Neues.

Frage: Ich würde mir gerne vom Bundesfinanzministerium die Position von Herrn Scholz zum Thema gemeinsame Einlagensicherung erläutern lassen. Es gab heute einen Zeitungsbericht, in dem es hieß, er stehe wie sein Vorgänger bei diesem Thema auf der Bremse und betrachte es allenfalls als ein mittelfristiges Projekt. Ist die Position des Ministers einigermaßen zutreffend wiedergegeben?

Blankenheim: Zu dem Thema kann ich Ihnen sagen, dass es ein vereinbartes Verfahren gibt - und dabei bleibt es auch. Die Position hierzu wurde ja schon von der Bundesregierung in der letzten Eurogruppe und beim Treffen der europäischen Finanzminister am 12. und 13. März in Brüssel vorgetragen.

Es geht darum, dass erst die Risiken in und für die Banken ausreichend reduziert werden müssen, und erst dann kann es zu einer politischen Diskussion über eine etwaige Vergemeinschaftung der Einlagensicherung kommen. Dem habe ich auch gar nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich hätte eine Frage zu den Internetaktivitäten der Bundesregierung. Die Bundesregierung nutzt Videoplattformen und soziale Medien für zahlreiche eigene Formate, etwa für Interviewsendungen mit der Bundeskanzlerin. Potenziell haben diese Formate eine große Reichweite, sind redaktionell gestaltet und folgen einem Sendeplan. Alles, was zum Rundfunk fehlt, ist eine lineare Ausstrahlung - ein Kriterium, das in Zeiten von Mediatheken und Netflix überholt scheint.

Eine Frage an Herrn Seibert: Sollten Interviews mit der Kanzlerin nicht vielleicht von unabhängigen Journalisten geführt werden?

Zweitens. Ist es Aufgabe der Regierung, rundfunkähnliche Produkte anzubieten?

StS Seibert: Ich bin unbedingt dafür, dass die Bundeskanzlerin sich unabhängigen Journalisten zum Interview stellt, was sie immer und immer und immer wieder tut - nicht nur in Pressekonferenzen, sondern auch in richtigen Interviews. Ich könnte Ihnen die Zahl der Interviews in den letzten zwei Jahren gerne nachreichen. Da gibt es keinen Mangel.

Ansonsten haben wir unsere Auffassung ja sehr deutlich gesagt. Wir nutzen in der Tat als Bundespresseamt für die Bundesregierung Facebook, YouTube, Instagram, Twitter als eine zeitgemäße Erweiterung der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Damit kommen wir unserem verfassungsgemäßen Auftrag nach, die Menschen über die Tätigkeit, die Vorhaben und die Ziele der Bundesregierung zu informieren.

Diese Aufgabe hat das Bundesverfassungsgericht in einer wichtigen Entscheidung nicht nur als zulässig, sondern als notwendig bezeichnet. Es handelt sich bei unseren Informationsangeboten - da bin ich dann eben doch anderer Meinung und anderer Überzeugung als Sie - nicht um Rundfunk. Aber vor allem möchte ich Ihnen wirklich die Sorge nehmen, dass es nicht mehr zu Interviews mit unabhängigen Journalisten kommt. Das hat es immer gegeben. Gerade bekomme ich die Zahl: 122 Interviews in den Jahren 2016 und 2017.

Frage: Der DJV hat sich heute besorgt über das Thema Auskunftsrecht der Presse geäußert. Es wurde auf einen Kommentar von Philipp Wolff aus dem Bundeskanzleramt verwiesen. Herr Seibert, ich würde Sie dazu gerne um eine Einschätzung bitten.

Erstens. Was ist das für ein Kommentar? Können Sie das einmal einordnen?

Zweitens. Stellt sich das Kanzleramt hinter die dort niedergelegte Haltung, dass die herkömmliche Presse keine "Gate-Keeper"-Funktion in dem Sinne mehr hat, ihre Bedeutung verloren hat und dadurch auch die Berechtigung verloren hat und ein besonderer Auskunftsanspruch nicht mehr gegeben ist, jedenfalls kein besserer als engagierten Bürgern gegenüber, die sich auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen können?

StS Seibert: Weil ich ein bisschen ahnte, dass diese Frage kommen würde, habe ich mich kundig gemacht, worum es überhaupt geht.

Es geht nämlich nicht um einen Text oder eine Überzeugung oder eine schriftliche Darlegung der Bundesregierung. Es geht um einen Text in dem sogenannten Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste. Das ist ein persönlicher Beitrag in einer wissenschaftlichen Debatte. Es ist nicht die Position des Bundeskanzleramtes zum Presserecht.

Selbstverständlich trägt das Bundeskanzleramt, trägt die gesamte Bundesregierung dem presserechtlichen Auskunftsanspruch, der sich aus Artikel 5 unseres Grundgesetzes ergibt, stets angemessen Rechnung.

Frage: Eine Frage an das BMVg. Ist die Personalnot in der Bundeswehr so extrem, dass man jetzt auch Ungediente zu Reservisten ausbilden muss? Warum übernimmt der Reservistenverband diese Ausbildung und nicht die Bundeswehr?

Neumann: Vielen Dank für Ihre Frage. Das gibt mir die Gelegenheit, die Thematik ein bisschen einzuordnen.

Wie Sie wahrscheinlich wissen, sind die Reservistinnen und die Reservisten für die Bundeswehr unverzichtbar. Die Besetzung von Dienstposten orientiert sich am Bedarf der Streitkräfte. Hauptsächlich gewinnen wir unsere Reservistinnen und Reservisten aus dem Potenzial von ausscheidenden Zeitsoldaten.

Darüber hinaus gibt es aber auch die Möglichkeit, unsere Reserve durch Ungediente zu ergänzen. Diese Ungedienten müssen natürlich zunächst eine allgemeine militärische Basisausbildung durchlaufen, bevor dann weitere Ausbildungen folgen können. Diese Basisausbildung führen wir grundsätzlich in Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr beziehungsweise in Verantwortung der Landeskommandos durch.

Ergänzend hat nun der Reservistenverband angeboten, diese Basisausbildung zu übernehmen. Wir erproben gemeinsam mit dem Verband bis Anfang 2019, inwieweit der Verband uns hierbei unterstützen kann. Hauptsächlich fokussiert diese Maßnahme auf die Laufbahn der Mannschaften der Reserve und hier insbesondere im Bereich der sogenannten RSU-Kompanien, sprich Sicherungs- und Unterstützungskompanien. Hier liegt der derzeitige Bedarf bei ca. 1600 Dienstposten. Insgesamt sind Stellen für 3600 Personen vorgesehen. 2000 sind besetzt, und das Delta beträgt 1600.

Zusatzfrage: In Bayern gibt es bereits einen Feldversuch zur Ausbildung von Ungedienten. Was sind bisher Ihre Erfahrungen? Halten die Leute durch? Wie hoch ist die Abbruchquote usw.?

Neumann: Wir haben sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg diese Ausbildung bereits vollzogen. Das ist der Teil, über den ich bezüglich der Ausbildung in eigenen Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr ausgeführt habe. Bislang ist das ein positives Unternehmen gewesen. Details über Abbrecherquoten liegen mir nicht vor.

Frage: Herr Seibert, eine Frage zum Echo-Musikpreis. Es wurden ausgerechnet am Holocaustgedenktag zwei Rapper für einen Song mit einem - vorsichtig ausgedrückt - sehr fragwürdigen Text ausgezeichnet. Was sagt denn die Kanzlerin und die Bundesregierung im Allgemeinen dazu?

StS Seibert: Ich werde hier nicht auf einzelne Künstler eingehen. Aber ich denke, dass die ganz grundsätzliche Haltung der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin gegen jede Form von Antisemitismus in unserem Land, in unserer Gesellschaft klar ist. Das ist eine der politischen Grundüberzeugungen unserer Arbeit als Bundesregierung. Aus diesem Grund haben wir jetzt auch erstmals einen Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus eingesetzt - Botschafter Felix Klein -, der am 1. Mai seine Arbeit aufnehmen wird. Er hat sich ja in dieser Sache auch geäußert.

Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.

Zusatzfrage: Ich möchte eigentlich gar nicht, dass Sie auf die einzelnen Künstler eingehen. Vielleicht können Sie das noch einmal kommentieren. Wie findet man es aus Sicht der Bundesregierung, dass die auch noch einen Preis für so einen Song bekommen?

StS Seibert: Ich möchte eben nicht auf einzelne Künstler eingehen, sondern ich möchte ganz grundsätzlich noch einmal klarmachen - wir hatten hier in der letzten Zeit leider häufig Gelegenheit, über Antisemitismus auf Deutschlands Straßen, zum Teil auf Schulhöfen und in anderen Teilen unserer Gesellschaft zu sprechen -, dass, wo immer Antisemitismus in Deutschland anzutreffen ist, die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung ganz klar dagegen aufstehen und sich ganz klar dagegen aussprechen werden.

Frage : An das Bundesministerium des Innern. Stimmt es, dass der neue Beauftragte für Aussiedlerfragen und Minderheiten sich im Moment in Moskau befindet?

Wenn ja, wen trifft er dort? Was steht auf dem Programm?

Korff: Ich weiß es nicht. Ich würde mich dazu noch einmal Ihnen melden. Ich weiß auch nicht, ob er dies schon in seiner Funktion tut, die er noch nicht angetreten hat.

Frage: Zwei Fragen, eine an das BMI und eine an das Arbeitsministerium.

Die erste Frage betrifft den Familiennachzug. Es gibt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach, kurz gesagt, das Alter bei der Einreise für die Frage entscheidend ist, ob der Elternnachzug gewährt werden kann oder nicht und nicht das Alter im Moment der Antragstellung. Was ändert das in Deutschland?

Korff: Ja, es ist richtig, dass es das Urteil gestern gab, das einen niederländischen Fall betrifft. Ich kann abschließend tatsächlich noch nicht sagen, welche Auswirkungen das möglicherweise auf die deutsche Situation haben wird, weil das im Moment noch geprüft wird und diese Prüfung noch nicht abgeschlossen ist. Es tut mir leid. Wir kommen darüber bestimmt noch einmal ins Gespräch, wenn das beendet ist.

Vorab möchte ich jedenfalls schon einmal sagen: Nach deutschem Recht ist im Moment der Zeitpunkt für die Altersbestimmung für den Familiennachzug, also die Minderjährigkeit, für den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung entscheidend. Das ist nach deutschem Recht der Zeitpunkt der Visumserteilung, weil für uns maßgeblich ist, dass der Erziehungs- und Sorgebedarf zu diesem Zeitpunkt entschieden wird.

Das niederländische Recht, das ja dieser Entscheidung zugrunde liegt, unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt, und zwar erfolgt die Schutzzuerkennung in den Niederlanden rückwirkend zum Zeitpunkt auf der Antragstellung. Bei uns gibt es so eine Rückwirkung als Institut gar nicht. Dass dann die Rechtsfolgen in Bezug auf die Altersbestimmung an den früheren Zeitpunkt anknüpfen sollen, erscheint jedenfalls erst einmal plausibel. Ob das tatsächlich dann auch auf Auswirkungen für eine andere Beurteilung hat, können wir noch nicht abschließend sagen. Das ist aber jedenfalls schon einmal vorab aufgefallen.

Frage: Ich hätte gerne vom BMI gewusst: In den letzten Tagen gab es einige Medienberichte darüber, dass viele Syrer in die Türkei zurückkehren, um dort wieder mit ihren Familien zusammenzukommen, also quasi zurück flüchten, teilweise auch über dieselben Wege. Ist Ihnen das bekannt? Wissen Sie, wie groß dieses Phänomen aktuell ist?

Korff: Aufgrund der Medienberichte, mit denen wir in den letzten Tagen konfrontiert wurden, kennen wir diese Fälle - aber auch nur aufgrund der Berichterstattung. Als nennenswertes Phänomen sind diese Einzelfälle, die sozusagen die Medien an uns herangetragen haben, uns nicht bekannt. Deswegen können wir auch keine zahlenmäßigen Feststellungen treffen. Das ist insofern logisch, weil man, wenn man Deutschland verlässt, sich in dem Sinne nicht abmelden muss. Wir haben kein Ein- und Ausreiseregister und können natürlich auch wirklich nicht nachvollziehen, wie viele tatsächlich ausreisen - es sei, das erfolgt durch geförderte Ausreisen oder Ähnliches. Aber als ein nennenswertes Phänomen, wie es geschildert wird, ist es uns nicht bekannt.

Zusatzfrage: Wie bewerten Sie denn, dass einige Syrer offenbar den gefährlichen Weg zurück in die Türkei dem Hierbleiben in Deutschland vorziehen, weil sie von der deutschen Nachzugspolitik so frustriert sind?

Korff: Ich möchte Einzelfälle in dem Fall nicht bewerten.

Frage: Ich habe eine Frage zur Debatte über Hartz IV, die im Moment läuft. Ich möchte Sie bitten, das einmal ein bisschen einzuordnen, auch das, was der Minister gesagt hat. Unter anderem hat er gesagt, es könnte eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze geben. Ich würde gerne wissen: Ist das die turnusmäßige, normale Erhöhung, von der er spricht, oder spricht er von etwas anderem?

Kristallisiert sich so etwas wie ein Zeitplan heraus? Er hat zum Beispiel gesagt, die Hilfen für Schüler - Schulstarterpaket, Stichwort Teilhabepaket - würden vielleicht Anfang 2019 verbessert. Meine Frage: Warum nicht zum nächsten Schuljahr? Das steht im Koalitionsvertrag.

Vielleicht können Sie ein bisschen Klarheit in diese - in Anführungsstrichen - wabernden Vorschläge in alle Richtungen bringen, die es zurzeit gibt.

Küchen: Ich kann gerne versuchen, das zu ordnen.

Ich möchte Sie zunächst einmal auf die Äußerungen des Ministers heute verweisen, wo er noch einmal ganz klar gesagt hat, dass es für die nächste Anpassung bei dem im Gesetz vorgesehenen Mechanismus bleibt. Die Regelsätze müssen das Existenzminimum abdecken und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe ermöglichen.

Er hat dann aber gesagt: Genauer angucken würden wir uns die Frage von besonderen Bedarfen, die anstehen, dass etwa eine kaputte Waschmaschine ersetzt werden muss.

Das Schulstarterpaket, das Bildungs- und Teilhabepaket, hatten Sie auch angesprochen. Diesbezüglich gibt es Vorgaben. Ich kann Ihnen momentan zum Zeitplan noch nichts sagen. Da bitte ich einfach um Verständnis.

Der Minister hat angekündigt, dass er die Fragen rund um die Grundsicherung für Arbeitssuchende im Dialog zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme führen möchte - da verweise auch auf Äußerungen in der jüngsten Vergangenheit -, und das wird geschehen.

Freitag, 13. April 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 13. April 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/04/2018-04-13-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2018

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