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PRESSEKONFERENZ/1714: Regierungspressekonferenz vom 18. Juli 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 18. Juli 2018
Regierungspressekonferenz vom 18. Juli 2018


Themen: Sommerpressekonferenz der Bundeskanzlerin, Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan, Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, Kabinettssitzung (Einstufung von mehreren Ländern als sichere Herkunftsstaaten, neue Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose, Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich, Eckpunkte für eine Strategie Künstliche Intelligenz, Einsetzung der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse"), Kabinettsausschuss "Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union", Abschiebung von Sami A., Treffen des US-Präsidenten und des russischen Präsidenten in Helsinki, Lage von ThyssenKrupp, Krankentransporte aus der Ukraine durch den Sanitätsdienst der Bundeswehr, Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die Bundesregierung wegen der dauerhaften Überschreitung von Nitrat-Grenzwerten, G20-Finanzministertreffen in Buenos Aires, Äußerungen des italienischen Außenministers zur Rolle Italiens in der Operation Sophia, Erntebericht des Deutschen Bauernverbandes, Regierungsform in der Bundesrepublik Deutschland, Bayerische Grenzpolizei, mögliche Aufnahme von Leistungen von Betreuungsdiensten in den Leistungskatalog der Pflegeversicherung, Medienbericht über einen geplanten Bargeldtransfer von Deutschland in den Iran

Sprecher: StS Seibert, Alemany (BMWi), Petermann (BMI), Burger (AA), Schneider (BMAS), Strater (BMVI), Fähnrich (BMVg), Bürgelt (BMEL), Schwamberger (BMF), Haufe (BMU), Berve-Schucht (BMG)

Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag!

Zuerst darf ich Ihnen ankündigen, dass am Freitag an dieser Stelle, an meiner Stelle, um 11.30 Uhr die Bundeskanzlerin sitzen wird. Sie wird in Absprache mit der Bundespressekonferenz am Freitag ihre traditionelle Sommerpressekonferenz abhalten. Es wird dann sicherlich voller sein, und sie freut sich darauf.

Dann würde ich Ihnen gerne im Namen der Bundesregierung sagen, wie sehr wir den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Japan über ein umfangreiches und umfassendes Freihandelsabkommen begrüßen. Es ist das bisher umfangreichste Abkommen dieser Art der Europäischen Union. Es setzt ein klares Zeichen: Die EU kann mit wichtigen Partnern über sachliche Verhandlungen umfangreiche Vereinbarungen über offenen und fairen Handel treffen.

Dieses Abkommen bringt erhebliche Erleichterungen für den Handel. Die Zölle sollen auf 99 Prozent der Ausfuhren der EU nach Japan wegfallen bzw. 97 Prozent aller einzelnen Zolllinien sollen wegfallen. Dadurch werden europäische Unternehmen beinahe eine Milliarden Euro jährlich an Zöllen sparen. Allein das öffnet interessante wirtschaftliche Perspektiven.

Es geht aber nicht nur um Zölle, sondern es geht beispielsweise auch darum, dass Unternehmen des jeweils anderen Landes oder der Europäischen Union zum Beispiel bei öffentlichen Aufträgen nicht diskriminiert werden. Es geht um Arbeits-, um Umwelt- und um Verbraucherschutzstandards. Die Handelserleichterungen bringen große Vorteile für die Wirtschaft beider Vertragsparteien und damit ganz konkret auch für Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Verbraucher auf beiden Seiten. Das ist aus unserer Sicht ein sehr wichtiger Beitrag zum freien Welthandel, und dieser freie Welthandel ist für Deutschland von grundlegender Bedeutung.

Die Bundesregierung unterstützt die Europäische Kommission darin, auch mit anderen Staaten weitere Freihandelsabkommen abzuschließen ich nenne zum Beispiel die Mercosur-Staaten, Mexiko, Australien oder Neuseeland.

Frage: Herr Seibert, eine Frage zu dem Freihandelsabkommen: Können Sie oder das Wirtschaftsministerium sagen, wie es mit dem Ratifizierungsprozess ist? Bei dem CETA-Abkommen gibt es im Moment ja eine Drohung der Nichtratifizierung in Italien. Ist es für dieses Abkommen nötig, dass die nationalen Parlamente zustimmen?

Eine Zusatzfrage an das Wirtschaftsministerium: Können Sie sagen, wie groß der Anteil bei CETA ist, der von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss? Wie viel von CETA könnte in Kraft treten, wenn die nationalen Parlamente nicht zustimmen?

Alemany: Zunächst einmal zu dem Japan-Abkommen: Vom Zeitplan her soll es so laufen, dass das bis spätestens bis 2019 in Kraft getreten sein soll. Vorher muss noch das Europäische Parlament zustimmen. Da es sich bei dem Japan-Abkommen um ein EU-only-Abkommen handelt Sie erinnern sich vielleicht an diesen Begriff , also um Bereiche, die rein in der Zuständigkeit der Kommission liegen, ist die Ratifizierung durch nationale Parlamente nicht notwendig.

Zu CETA: Ich kann Ihnen da keinen genauen Prozentsatz sagen, aber CETA ist ja in der vorläufigen Anwendung bereits seit Längerem in Kraft. Wenn Sie mich nicht auf Prozentzahlen festnageln, würde ich sagen: Ein weit übermäßiger Teil ist bereits in Kraft; der geringere Teil war mitgliedstaatlich.

Zusatzfrage: Und der kann auch in Kraft bleiben, wenn die Italiener nicht zustimmen? Denn das ist ja vorläufig in Kraft gesetzt worden.

Alemany: EU-only-Anteile sind in Kraft, da sie nur die Zuständigkeit der Kommission betreffen.

StS Seibert: Das Kabinett hat sich heute mit sehr wichtigen, schwergewichtigen Themen befasst ich werde Sie Ihnen nacheinander vortragen.

Es geht erst einmal los mit dem Gesetzentwurf zur Einstufung von Georgien, Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten. Der Bundesinnenminister hat sich dazu heute Vormittag schon gegenüber der Presse geäußert, ich will es hier trotzdem noch einmal ausführen.

Das Ziel dieses Gesetzentwurfs ist wie immer im Falle von sicheren Herkunftsstaaten , dass man die Asylverfahren von Staatsangehörigen dieser Staaten, die in aller Regel wenig Aussicht auf Erfolg haben, schneller bearbeiten kann und dass dadurch die Aufenthaltsdauer dieser Antragsteller in Deutschland deutlich verkürzt wird. Die Voraussetzung für diese gesetzliche Einstufung als sicherer Herkunftsstaat ist, dass in den betroffenen Staaten aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfinden. Diese Einstufung bedarf einer Zustimmung des Bundesrates. Nach Auffassung der Bundesregierung erfüllen Georgien, Marokko, Algerien und Tunesien diese Voraussetzungen.

Es wird also bei sicheren Herkunftsstaaten kraft Gesetzes vermutet, dass ein Antragsteller aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird. Der Antragsteller kann dann im Rahmen seines Asylverfahrens diese Vermutung allerdings widerlegen oder er kann jedenfalls Argumente zur Widerlegung dieser Vermutung vorbringen. Jeder Antrag wird nach wie vor individuell geprüft; es wird nach wie vor in jedem Asylverfahren eine persönliche Anhörung durchgeführt, in der der Antragsteller seine Situation in dem Herkunftsland vortragen kann und deswegen gegebenenfalls seinen Anspruch auf Schutzstatus in Deutschland belegen kann.

Durch die Signalwirkung der geplanten Einstufung dieser vier Länder als sichere Herkunftsstaaten rechnen wir mit einem Rückgang der Zugangszahlen aus diesen Staaten. Das wiederum würde zu spürbaren Entlastungen bei Bund, Ländern und Gemeinden zum Nutzen der Schutzsuchenden mit besseren Bleibeperspektiven führen. Falls es Sie interessiert: Die derzeitigen Schutzquoten bei diesen Ländern sind ohnehin schon sehr niedrig: 2017 betrug die Anerkennungsquote für Georgien 0,6 Prozent, für Algerien 2,0 Prozent, für Marokko 4,1 Prozent und für Tunesien 2,7 Prozent.

Das Kabinett hat sich dann mit dem Thema neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und dem sozialen Arbeitsmarkt befasst. Zunächst einmal: Erfreulicherweise ist die Zahl derjenigen, die man Langzeitarbeitslose nennt, in den letzten zehn bis zwölf Jahren deutlich gesunken. Es gilt aber auch: Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, brauchen mehr konkrete Beschäftigungsangebote auf dem allgemeinen oder sozialen Arbeitsmarkt. Sie müssen intensiv betreut und gefördert werden, damit sich ihre Beschäftigungschancen verbessern. Dazu hat heute das Kabinett den Gesetzentwurf beschlossen.

Dieser Gesetzentwurf sieht vor, dass Arbeitgeber einen neuen Lohnkostenzuschuss erhalten, wenn sie sehr schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose einstellen. Diese Arbeitslosen müssen mindestens 25 Jahre alt sein, sie müssen seit mindestens sieben Jahren Arbeitslosengeld II beziehen und in dieser Zeit höchstens kurzzeitig gearbeitet haben. Dieser neue Lohnkostenzuschuss soll dann fünf Jahre lang gezahlt werden, und in den ersten beiden dieser fünf Jahre soll er 100 Prozent auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns betragen. Lohnkostenzuschüsse wird es auch geben für die Beschäftigung von mindestens zwei Jahre lang arbeitslos gewesenen Menschen, die trotz besonderer Unterstützung bisher nicht vermittelt werden konnten. Mittel- und langfristig sollen die Geförderten möglichst eine reguläre Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erhalten; das bleibt das Ziel der Bundesregierung. Deshalb bleibt es auch nicht bei den Lohnkostenzuschüssen, sondern sie sind eben auf eine gewisse Zahl von Jahren begrenzt. Während der Förderdauer wird es eine begleitende ganzheitliche Betreuung, ein Coaching der Geförderten geben.

Der Bundesverkehrsminister hat anschließend dem Kabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich vorgelegt. Wir wollen erreichen, dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren insgesamt effizienter gestaltet werden, die Transparenz und Digitalisierung dieser Verfahren gefördert werden und Schnittstellen eingespart werden. Wir knüpfen mit diesem Gesetzentwurf teils an bestehende Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung an zum Beispiel an das Netzausbaubeschleunigungsgesetz und wollen so ermöglichen, dass der in der letzten Legislaturperiode angestoßene Investitionshochlauf rasch umgesetzt werden kann. Wir wollen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel schneller in dringend benötigte Planungen, in dringend benötigte Bauleistungen investiert werden. Gleichzeitig behält dieser Gesetzentwurf Prüf- und Genehmigungsverfahren soweit bei, dass wir verhindern können, dass mögliche Konflikte in solchen Verfahren einfach nur auf spätere Planungs- und Durchführungsphasen verschoben werden.

Das Kabinett hat sich anschließend mit dem Thema der künstlichen Intelligenz befasst. Künstliche Intelligenz dringt in immer weitere Lebensbereiche und in immer weitere Wirtschaftsbereiche vor, schafft ständig neue wirtschaftliche Modelle, und die Bundesregierung wird darauf reagieren. Sie hat heute die Eckpunkte für eine Strategie Künstliche Intelligenz beschlossen. Das wird die Grundlage, um eine nationale Strategie Künstliche Intelligenz zu erarbeiten, die im November dieses Jahres vom Kabinett beschlossen werden soll.

Wir werden mit diesen Eckpunkten die Erforschung, die Entwicklung, die Anwendung von künstlicher Intelligenz in Deutschland auf ein weltweit führendes Niveau bringen, wo wir jetzt erkennbar noch nicht sind. Die Nutzung von künstlicher Intelligenz soll verantwortungsvoll und vor allem auch zum Wohle der Gesellschaft vorangebracht werden, und wir wollen die neuen Wertschöpfungspotenziale, die sich für unsere Wirtschaft ergeben, erschließen. Da gibt es Herausforderungen auf dem Gebiet der Forschung, auf dem Gebiet der Wirtschaft und auf dem gesellschaftlichen Gebiet, und aus diesen Herausforderungen werden Einzelziele und Handlungsfelder, die in diesen Eckpunkten beschrieben werden. Es geht darum, die Forschung und die Innovationen zu stärken, es geht um einen besseren Transfer von Forschung in Anwendung in der Wirtschaft, und es geht natürlich auch um die ethischen Rahmenbedingungen, die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen dafür, wie künstliche Intelligenz in unserem Land zur Anwendung kommen kann.

Schließlich ging es im Kabinett noch um die Einsetzung der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" das ist ja ein sehr wichtiges Thema dieser Bundesregierung, das auch im Koalitionsvertrag entsprechend breit behandelt wird. Zusammenleben, gesellschaftlicher und kultureller Zusammenhalt in Deutschland, braucht eine solide und gute Grundlage. Alle Bürgerinnen, alle Bürger unabhängig davon, ob sie beispielsweise im ländlichen Raum oder in den Großstädten wohnen müssen faire Chancen auf eine echte Teilhabe haben. Das Ziel der Bundesregierung ist eben, dass wir das erreichen, dass wir eine gerechte Verteilung der Ressourcen und der Möglichkeiten dieses Landes für alle in Deutschland lebenden Menschen ermöglichen. Deshalb wurde heute die Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" eingesetzt. Auch dazu hat sich der Bundesinnenminister schon geäußert. Das Bundesinnenministerium hat den Vorsitz; Co-Vorsitzende sind das Familienministerium und das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Ziel ist, dass diese Kommission zusammen mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden konkrete Vorschläge spätestens bis Ende 2020 erarbeitet. Diese Vorschläge sollen alle Aspekte der Daseinsvorsorge, alle gezielten Strukturverstärkungen in den Ländern und Kommunen betreffen. Es werden auch Maßnahmen im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe für die Kommunen dabei sein. All das soll dazu beitragen, den Wegzug aus vielen Regionen und den Druck in anderen Regionen durch starken Zuzug zu dämpfen.

Damit ist sozusagen der Bericht aus dem regulären Kabinett zu Ende, und ich könnte dann nur noch anfügen, dass heute auch zum fünften Mal der Kabinettsausschuss "Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union", der sogenannte Brexit-Kabinettsausschuss, getagt hat. Er hat sich mit dem aktuellen Verhandlungsstand sowie mit der innerstaatlichen, also hier in Deutschland stattfindenden Vorbereitung auf den Austritt beschäftigt. Außerdem hat er sich mit dem Weißbuch befasst, das die britische Regierung in der letzten Woche zum künftigen Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien vorgelegt hat.

Was ist das weitere Vorgehen? Die Europäische Kommission, die die Verhandlungsführerin der Europäischen Union ist, wird die britischen Vorschläge analysieren und am 20. Juli im Rat für Allgemeine Angelegenheiten in Brüssel den Mitgliedstaaten über diese Analyse berichten. Die Verhandlungen zum Austrittsabkommen sollen dann bis Oktober dieses Jahres abgeschlossen werden. Das ist notwendig, um die Ratifizierung rechtzeitig innerhalb der Frist von zwei Jahren, die Artikel 50 des EU-Vertrages setzt, durchführen zu können. Die Kommission hat eine Mitteilung zum Thema Vorbereitung auf den Austritt Großbritanniens angekündigt, die voraussichtlich morgen, also am 19. Juli, veröffentlicht wird.

Das ist das, was ich Ihnen dazu berichten kann.

Frage (zur Einstufung von mehreren Ländern als sichere Herkunftsstaaten): Ich habe eine Lernfrage an das BMI: Welchen Zeitgewinn erhoffen Sie sich in Zukunft bei Antragstellern aus den Maghreb-Staaten angesichts der Erfahrungen, die Sie mit Verfahren in Bezug auf Staaten, die bereits sichere Herkunftsstaaten sind, bereits gemacht haben?

Vom Auswärtigen Amt würde ich, da der Bundesinnenminister darauf hoffte, dass dies ein Beschluss des Gesamtkabinetts ist und Bewertungen des Auswärtigen Amts zugrunde liegen, gerne wissen, ob hier nicht die Gefahr besteht, dass man die Unterschiede zwischen diesen Staaten vernachlässigt, indem man zum Beispiel die drei Maghreb-Staaten in einem Federstrich nennt?

Petermann: Ich kann gerne beginnen: Ich kann Ihnen jetzt keine Zeitersparnis in Stunden, Minuten und Sekunden nennen, das ist mir leider nicht möglich; ich weiß auch nicht, ob irgendjemand eine solche Statistik führt. Ich kann Ihnen aber sagen Herr Seibert hat es, glaube ich, auch schon erwähnt : Im Jahr 2017 zum Beispiel hatten wir 15 Entscheidungen aus diesen Ländern, wir hatten aber Herr Seibert hat es gesagt ganz geringe Anerkennungsquoten. Diese Fälle hoffen wir durch die Signalwirkung nicht mehr dem BAMF zuführen zu müssen. Insofern ist die Erwartung, dass allein schon aufgrund der geringeren Fallzahl eine Zeitersparnis eintreffen wird. Sollte es dazu Erhebungen geben, dann würde ich Ihnen die nachreichen; mir sind dazu im Augenblick keine bekannt.

StS Seibert: Ich will noch hinzufügen, dass die Individualität der Länder, die wir natürlich sehen, natürlich auch in den persönlichen Anhörungen, die in jedem Asylfall durchgeführt werden, zum Ausdruck kommt. Jeder hat da die Gelegenheit, sein persönliches Erlebnis, seine persönliche Situation in dem Land, das er verlassen will, um nach Deutschland zu kommen, darzulegen.

Burger: Dazu kann ich eigentlich nur ergänzen: Natürlich beobachten wir die Menschenrechtslage in jedem einzelnen Land individuell, und natürlich muss auch für jedes einzelne Land individuell eine solche Bewertung getroffen werden. Da gibt es in einigen dieser Länder in den letzten Jahren sicherlich sehr erfreuliche Entwicklungen; trotzdem bedeutet diese Benennung als sichere Herkunftsstaaten ja nicht, dass es dort überhaupt nicht mehr zu Verletzungen von Menschenrechten kommen kann. Genau deshalb ist es ja so wichtig, dass das individuelle Recht auf Einzelfallprüfung weiter besteht.

Zusatzfrage: Wenn ich das konkreter machen darf, Herr Burger: Herr Habeck hat gestern zum Beispiel auf Unterschiede zwischen Tunesien und Marokko hingewiesen, die für seine politische Bewertung gerade dieses Gesetzentwurfes erheblich sind. Die Grünen sind in den nächsten Monaten nicht ganz unwichtig, wenn es um die Entscheidung der Frage geht. Wie groß sind diese Unterschiede?

Burger: Wie gesagt, die Bewertung ist natürlich immer aufgrund einer gründlichen Analyse der Situation in jedem einzelnen Land zu treffen, insofern führen Vergleiche da nicht unbedingt weiter. Die Bundesregierung ist aber eben im Fall dieser vier Länder jeweils zu dem Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen vorliegen.

Frage (zu den Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose): An das Arbeitsministerium: Im Regierungsentwurf ist ja die Voraussetzung für die volle Förderung, dass jemand seit mindestens sieben Jahren SGB-II-Leistungen bezieht. Im Referentenentwurf vom Juni ist noch von sechs Jahren die Rede. Warum wurde das auf sieben Jahre angehoben? Wie viele Arbeitslose sind es überhaupt, die seit mindestens sieben Jahren solche Leistungen beziehen, und wie viele sind es, die seit mindestens sechs Jahren diese Leistungen beziehen? Wie viele Personen kommen bis 2022 insgesamt in den Genuss dieses Programms?

Schneider: Sie beziehen sich auf einen Gesetzentwurf vom 11. Juni, glaube ich, haben Sie gesagt; das ist der Entwurf, der in die Ressortabstimmung gegangen ist. Nun gab es eine Ressortabstimmung und wir haben heute den Entwurf vorgelegt, wie er vom Kabinett beschlossen worden ist. So ist das bei Ressortabstimmungen. Insofern: Das ist jetzt die von der Bundesregierung geeinte Regelung, wie sie im Gesetzentwurf steht.

Zu den Zahlen: Die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die sieben Jahre im Bezug sind, die seit sieben Jahren ALG II beziehen, finden Sie als potenzielle Zielgruppe auch im Gesetzentwurf; das sind etwa 800 Personen. Das heißt, diejenigen, die dem Arbeitsmarkt sehr fern sind, also über 25 Jahre alt sind und seit über sieben Jahren ALG II beziehen, gehören zu dieser potenziellen Zielgruppe, und das sind eben etwa 800 Personen.

Was war Ihre letzte Frage?

Zusatzfrage: Wir waren insgesamt bei 900, dachte ich. Wie viele Menschen haben mindestens sieben Jahre lang ALG II bezogen, wie viele mindestens sechs Jahre, und wie viele kommen insgesamt bis 2022 in den Genuss des Programms?

Schneider: Wie gesagt, die potenzielle Zielgruppe bei mindestens sieben Jahren ALG-II-Bezug ist im Gesetzentwurf mit 800 ausgewiesen. Die Zahl für mindestens sechs Jahre habe ich nicht hier, die müsste ich tatsächlich nachreichen. Ich habe jetzt auch die alte Fassung des Gesetzentwurfes nicht hier, darin müsste die Zahl eigentlich stehen wenn Ihnen der Gesetzentwurf vorliegt, dann müssten Sie ihm das entnehmen können. Das kann ich aber, wie gesagt, gerne nachreichen.

Was diejenigen anbelangt, die tatsächlich in den Genuss kommen: Da ist zum einen noch einmal darauf hinzuweisen, dass es zwei Instrumente sind Herr Seibert hat sie ja auch genannt : Das ist zum einen ein Instrument, das sich an diejenigen richtet, über die wir gerade gesprochen haben, und zum anderen das Instrument, das sich an diejenigen richtet, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind. Man kann nicht genau sagen, wie viele dann letztlich tatsächlich in das Instrument hineingehen. Es ist einfach immer die Entscheidung der Jobcenter, wer dafür geeignet ist. Das hängt ab von der individuellen Lebenssituation, das hängt ab von der Förderfähigkeit. Da gibt es einfach verschiedene Fragen, die zuvor zu klären sind. Das heißt, natürlich werden nicht alle, die in diese potenzielle Zielgruppe fallen, auch in den Genuss kommen können. Das muss man dann einfach sehen. Im Idealfall geschieht das dann einfach in Absprache zwischen den Betroffenen und den Mitarbeitern im Jobcenter.

Frage: Frau Schneider, Sie sagen, dass Sie nicht genau sagen können, wie viele letztendlich in den Genuss des Programms kommen. Es sind aber doch gewisse Zahlen im Etat hinterlegt, die müssen sich doch auf eine Annahme gründen. Welche Annahme haben Sie denn da zugrunde gelegt?

Schneider: Meinen Sie jetzt den Etat im Haushalt? Man muss dazusagen, dass im Koalitionsvertrag eine Größe von 4 Milliarden Euro genannt worden ist. Diese 4 Milliarden Euro sollen dazu dienen, die Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen. Deswegen sind die 4 Milliarden Euro auch im Eingliederungstitel vorgesehen, aber sie sind nicht zweckgebunden; das ist vielleicht der entscheidende Teil. Die 4 Milliarden Euro beziehen sich ja auf mehrere Jahre, beginnend schon in diesem Jahr, einfach weil natürlich auch Vorbereitungen getroffen und Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Das Ganze soll ja im Jahr 2019 starten, aber natürlich muss sich die BA entsprechend vorbereiten. Daher sind im Haushalt für dieses Jahr bereits 300 Millionen Euro, wenn ich das richtig im Kopf habe, hinterlegt, und dann ist das eben verteilt worden auf die Jahre bis 2022, soweit ich das weiß. Aber wie gesagt, die 4 Milliarden Euro sind zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit gedacht, sie sind aber nicht zweckgebunden. Sie werden dann eben auf den Eingliederungstitel draufgeschlagen.

Frage: Zum Thema Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich: Können Sie sagen, wie man das zeitlich beziffern kann? Um wie viel würde dadurch zum Beispiel ein durchschnittliches Eisenbahnbauprojekt oder Straßenneubauprojekt beschleunigt?

Es gibt ja nun zum Beispiel vonseiten der Umweltverbände die Befürchtung, dass die Verfahren in Zukunft eher länger dauern würden, weil durch den Wegfall von Erörterungsterminen und Anhörungen im Vorfeld die Wahrscheinlichkeit, dass Klage erhoben wird, eher steigt und man damit am Ende länger brauchen wird, weil häufiger geklagt wird. Worauf beruht Ihre Einschätzung, dass das nicht so sein wird?

Strater: Vielen Dank. Insgesamt wollen wir mit diesem Gesetzentwurf mehr Tempo beim Infrastrukturbau erreichen. Wir haben im Wesentlichen vier Kernelemente, die mit diesem Gesetz umgesetzt werden: Doppelprüfungen werden vermieden, Schnittstellen werden reduziert, wir haben effizientere Verfahren, wir haben mehr Transparenz und Digitalisierung bei der Bürgerbeteiligung, und die Gerichtsverfahren sollen zügig abgeschlossen werden. Das heißt, es gibt hier halt auch eine Verkürzung bei dem Instanzenweg.

Das heißt also, wir sind der Auffassung, dass es durch dieses Gesetz mehr Tempo beim Infrastrukturbau gibt. Der Minister hat sich dazu ja heute auch schon geäußert. Das Ziel lautet, Engpässe zu beseitigen und dabei keine Zeit zu verlieren. Unsere Rekordmittel sollen schnell in konkrete Sanierungs-, Aus- und Neubaumaßnahmen fließen. Planungs- und Genehmigungsverfahren werden einfacher, effizienter, transparenter und schneller; die einzelnen Punkte habe ich Ihnen genannt.

Was Ihre Frage angeht, ob man das konkretisieren kann: Nein, das kann man nicht. Dazu sind solche Verkehrsprojekte mit den entsprechenden Planungsverfahren viel zu individuell, was auch die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße angeht, sodass ich also nicht pauschaliert sagen kann, um wie viel Monate wir hier jetzt zum Beispiel mit diesem Gesetz schneller werden. Aber insgesamt tun wir das, zum Beispiel im Bereich der Schiene durch eine Behörde, die dann mit dem Eisenbahn-Bundesamt die Anhörungs- und Planungsverfahren durchführen wird, und, was die Schienenwege angeht, auch bei den verkürzten Instanzenwegen und bei den Gerichtsverfahren. Aber das in Monaten auszudrücken, ist leider nicht möglich.

Zusatzfrage: Ein weiterer Punkt, der im Vorfeld auf Kritik gestoßen war, war ja die Einführung von privaten Projektmanagern, die im Auftrag der Vorhabenträger dann weite Teile des Verfahrens durchführen und vorbereiten sollen. Da ist die Frage, inwieweit das mit hoheitlichen Aufgaben, die nur von den staatlichen Organen durchgeführt werden dürfen selbst wenn es nur um vorbereitende Arbeiten geht, gilt da ja normalerweise dieses durchgehende Informationskettenprinzip , zu vereinbaren ist. Halten Sie das Ganze am Ende für verfassungsrechtlich haltbar?

Strater: Ich kann das jetzt nicht juristisch bewerten, aber wir halten das für eine gute Maßnahme. Diese Personen sollen bei behördlichen Verwaltungsvorgängen unterstützen und sie jetzt keinesfalls ersetzen, sondern nur dabei helfen, Verfahren effizient durchzuführen. Insofern sehe ich da keine Schwierigkeiten.

Frage: Frau Schneider, zu den Langzeitarbeitslosen: Wie verhindern Sie denn, dass Menschen durch diese Maßnahmen reguläre Jobs verdrängen? Das wäre ja eine Gefahr, die es bei solchen Maßnahmen immer gibt.

Schneider: Na ja, ich sage es einmal so: Das ist ja ein ganz bestimmter Kreis, der dafür vorgesehen ist, und dafür gibt es ganz bestimmte Zuschüsse. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass ein Langzeitarbeitsloser, der sieben Jahre Arbeitslosengeld bezog, eben in den Genuss eines Jobs kommt, der dann möglicherweise gar nicht geschaffen worden wäre, oder Ähnliches. Ganz ausschließen kann man das, wie gesagt, nicht. Aber es ist ja eben genau deswegen ein sehr begrenzter Kreis mit sehr engen Voraussetzungen vorgesehen, sodass wir davon ausgehen, dass die Verdrängungseffekte gering sein werden bzw. gar nicht stattfinden werden.

Frage: Die Frage geht vielleicht an die drei beteiligten Ministerien, wobei ich nicht weiß, wer sich dann zuständig fühlt, vielleicht das BMAS oder das Wirtschaftsministerium: In dem Eckpunktepapier (für eine Strategie Künstliche Intelligenz) ist die Rede davon, dass es eine mögliche Notwendigkeit der Anpassung gesetzlicher Rahmenbedingungen gibt. Da hätte ich gerne gewusst, was der Bundesregierung dabei vorschwebt. Anders gefragt: Ist der bestehende Datenschutzrahmen der Nutzung von Big Data eher förderlich oder eher hinderlich?

Alemany: Ich kann vielleicht einmal kurz für das BMWi anfangen: Das ist ja erst einmal die Basis für die Strategie, die wir dann zum Digitalgipfel vorlegen werden. Das ist ein inhaltliches Grobkonzept, auf Basis dessen wir in einem breiten Rahmen auch viele neue Ideen und Konkretisierungen mit einbeziehen werden. Ich glaube, ich spreche damit für alle Ressorts. Insgesamt kann es am Ende sein, dass es einen Anpassungsbedarf geben wird. Ich glaube, es wäre jetzt verfrüht, schon spezielle Bereiche zu nennen; denn wir wollen die Debatte und das kluge Sammeln von Ideen ja nicht schon von vornherein einschränken.

Frage: Herr Seibert, Sie haben den Kabinettsausschuss zum Brexit erwähnt, aber Sie haben nicht erwähnt, wie denn nun eigentlich die Analyse des Kabinettsausschusses hinsichtlich dieses Weißbuchs war. Ist das aus Sicht der Bundesregierung ein sinnvoller, positiver Schritt, oder stehen darin eine Menge Forderungen, die zumindest die Bundesregierung, auch wenn sie nicht direkt verhandelt, nicht mittragen kann?

StS Seibert: Ja, das stimmt: Ich habe das nicht erwähnt. Das hat den guten Grund, dass die Europäische Kommission diese Verhandlungen mit Großbritannien stellvertretend und im Auftrag der EU-27 führt und dass die weitere Beurteilung der konkreten Inhalte dieses britischen Weißbuchs jetzt auch zunächst einmal bei der Kommission liegt, die ja schon in wenigen Tagen am 20., also übermorgen dem europäischen Rat für Allgemeine Angelegenheiten ihre erste Analyse übermitteln wird. Dort wird man dann darüber sprechen. Ich werde dem als Sprecher der Bundesregierung hier nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Sie müssen aber doch als Bundesregierung eine relativ klare Meinung haben, damit die EU-Kommission weiß, in welchem Sinne sie überhaupt im Interesse der Mitgliedstaaten verhandeln kann. Das ist die eine Frage.

Die zweite Frage: Es gibt aus Großbritannien schon relativ unverhohlen die Bitte, dass man Premierministerin May in ihrem Machtkampf, der sich gerade in London über dieses Weißbuch abspielt, unterstützt. Ist die Bundesregierung dazu bereit?

StS Seibert: Zu innenpolitischen Fragen in Großbritannien will ich mich natürlich nicht äußern. Das tue ich auch bei sonstigen europäischen Partnern nicht.

Unsere Haltung drückt sich ja auch in den Leitlinien aus, die wir als Europäer gemeinsam beschlossen haben und die die Grundlage der Verhandlungen sind, die Herr Barnier mit seinen politischen Verhandlungspartnern führt. Nichtsdestotrotz bleibe ich dabei: Die Beurteilung des britischen Weißbuchs liegt jetzt erst einmal bei der Europäischen Kommission, die ihre Analyse den EU-27 vortragen wird. Dann wird man darüber diskutieren.

Unsere Haltung ist klar: Wir sind auch in Zukunft an einer engen Partnerschaft mit Großbritannien interessiert. Darin sind wir uns im Übrigen mit den anderen 26 EU-Mitgliedstaaten auch vollkommen einig. Natürlich hat die Entscheidung Großbritanniens, nach dem Referendum der EU nicht mehr angehören zu wollen, Auswirkungen auf das zukünftige Verhältnis des Landes zur Europäischen Union, auf den Binnenmarkt und auf die Zollunion, der Großbritannien nicht mehr angehören möchte. Die Bundeskanzlerin hat ja bereits öffentlich begrüßt, dass jetzt erstmals eine detaillierte britische Position auf dem Tisch liegt, mit der man sich befassen kann und befassen wird.

Zusatzfrage: Darf ich es noch einmal probieren? Die Bundesregierung hat ja vorher schon einmal Stellung genommen und hat darauf verwiesen, dass die vier Freiheiten aus Sicht der Bundesregierung eigentlich unteilbar seien. Nun steckt ja in diesem Weißbuch wieder genau dieser Vorschlag drin, nur etwas anders gemischt, dass eben nicht alle vier Freiheiten gelten sollen, sondern dass man eine Trennung vornehmen kann. Bei Gütern soll sie also zum Beispiel erhalten bleiben, bei der Freizügigkeit nicht. Kann man daraus nicht schließen, dass die Bundesregierung dieses Weißbuch eher kritisch sieht?

StS Seibert: Ich muss die Rückschlüsse Ihnen überlassen. Wir stehen natürlich zu den Leitlinien, die wir gemeinsam mit den europäischen Partnern beschlossen haben und die die Basis von Herrn Barniers Verhandlungen und Gesprächen sind. Dennoch ist es so, dass jetzt ein Weißbuch vorliegt, mit dem sich die Kommission ausführlich befasst und dessen Analyse sie bereits übermorgen den Europäern vorlegen wird. Dann werden wir dazu natürlich auch in der Diskussion Stellung nehmen. Klar ist, dass von jetzt bis Oktober noch eine sehr intensive Arbeit vor uns liegt. Das ist ein anspruchsvoller Zeitplan.

Frage: Aber ist der Vorschlag aus dem Weißbuch Großbritanniens hinsichtlich eines sehr engen Freihandelsverhältnisses nicht im Prinzip für Sie Rosinenpickerei, oder ist das eine gute Basis für Verhandlungen in der Zukunft?

StS Seibert: Das ist jetzt ein anderer Versuch, mich zu einer Äußerung über Einzelheiten des britischen Weißbuchs zu bringen, und die werde ich hier für die Bundesregierung heute nicht machen. Ich kann es nur noch einmal sagen: Unsere grundsätzlichen Überzeugungen sind bekannt; die haben wir mehrfach geäußert. Jetzt warten wir ab, wie Herr Barnier und sein Team dieses Weißbuch und die konkreten Vorstellungen der britischen Seite analysieren, und dann wird das im Kreis der Europäer beschlossen werden. Uns ist natürlich die Gemeinsamkeit der EU-27 wie in diesem gesamten Brexit-Aushandlungsprozess ein sehr hoher Wert.

Zusatzfrage: Sie haben sehr oft geäußert, dass die vier Freiheiten der Europäischen Union die Basis für Verhandlungen sind. Es gibt einen Vorschlag für Freihandel ohne Freizügigkeit. Ist das eine gute Basis für Verhandlungen?

StS Seibert: Wir beginnen uns jetzt im Kreis zu drehen, weil ich einfach noch einmal sagen werde, dass sich die Bundesregierung wie alle anderen europäischen Regierungen natürlich zu den Leitlinien bekennt, die wir gemeinsam beschlossen haben, und jetzt wartet, wie der europäische Verhandlungsführer Michel Barnier das britische Weißbuch analysiert und wie man darüber in Diskussionen kommt.

Frage: Ich würde gerne versuchen, einen Widerspruch, der mir aufgefallen ist, aufzuklären. Es geht darum, dass Horst Seehofer heute in der Pressekonferenz gesagt hat, er sei im Vorfeld der Abschiebung von Sami A. nicht informiert gewesen. Am Montag wurden wir von Frau Korff darüber in Kenntnis gesetzt, dass er sehr wohl Bescheid wusste. Hat er Erinnerungslücken? War die Information am Montag falsch? Wie klärt sich das auf?

Petermann: Das ist letztlich ganz leicht zu erklären. Es gab eine Vorlage an die Hausleitung, auf die sich Frau Korff auch bezogen hatte, in der ein möglicher Termin einer von mehreren Terminen im Raum stand, nämlich der 13.; das war ja von Frau Korff auch so berichtet worden. Der Minister hat diesen Termin den 13. als solchen aber nicht zur Kenntnis genommen; denn für ihn stand im Vordergrund, dass es von NRW keine Bestätigung irgendeines Termins gab einer wurde am 12. storniert , und deswegen so stand es auch in dem Vermerk konnte keine gesicherte Prognose über Maßnahmen des Landes NRW getroffen werden. Das war für ihn die entscheidende Botschaft. So hat er es auch heute erklärt.

Zusatzfrage: Entschuldigung, ich habe es nicht verstanden. Hat er es nicht gewusst? Haben andere in der Hausleitung mehr als er gewusst, oder was ist der Punkt?

Petermann: Er hat einen möglichen Rückführungstermin am 13. nicht zur Kenntnis genommen, weil für ihn im Vordergrund stand, dass eine gesicherte Prognose nicht möglich war, nicht abgegeben werden konnte, und dass von NRW keine Bestätigung irgendeines Termins erfolgt ist.

Frage: Herr Seibert, ich möchte gerne wissen, wie die Bundesregierung das Treffen in Helsinki bewertet.

Petermann: Wie Sie wissen, haben wir das Treffen im Vorfeld begrüßt. Wir haben gesagt: Es ist gut, wenn die beiden miteinander reden. Die Bundeskanzlerin hatte ja ihre Hoffnung geäußert, dass es bei dem Gespräch zum Beispiel auch um das Thema Rüstungskontrolle gehen könnte. Diese positive Einschätzung, dass es richtig ist, sich zu treffen und miteinander zu reden, hält auch nach dem Gespräch an. Wir sind und bleiben davon überzeugt, dass Dialog das beste Mittel ist, um Lösungen zu erarbeiten. Dass es jetzt zumindest ein Vorhaben gibt, einen Dialog über Rüstungskontrolle anzugehen, und auch ein Vorhaben dazu, in Zukunft beim Thema Cybersicherheit und Terrorismusbekämpfung enger zusammenzuarbeiten, ist aus unserer Sicht ein positives Ergebnis.

Frage: Herr Seibert, wir haben die Erfahrung gemacht, dass Herr Trump beim G7-Gipfel einmal seine Zustimmung zu einem schriftlichen Dokument zurückgenommen hat. Jetzt hat er Äußerungen aus der Pressekonferenz wieder zurückgenommen, weil die ein Versehen waren. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, wie Sie sich eigentlich die künftige Basis der Zusammenarbeit mit dem US-Präsidenten vorstellen. Vertrauen Sie noch auf Aussagen schriftlicher oder mündlicher Natur?

StS Seibert: Zu diesem konkreten Hin und Her mit der Pressekonferenz: Das werde ich nicht kommentieren. Wir haben die Äußerungen beider Präsidenten auf der Pressekonferenz natürlich zur Kenntnis genommen. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, wie sich der amerikanische Präsident dazu gestern im Nachhinein noch einmal geäußert hat. Wir haben übrigens auch die Anklage der zwölf russischen Geheimdienstmitarbeiter durch die US-Justiz zur Kenntnis genommen.

Es bleibt dabei, dass wir völlig überzeugt sind, dass Europa und die USA das heißt natürlich, auch Deutschland und die USA in diesem 21. Jahrhundert vor sehr großen, gemeinsamen Herausforderungen stehen. Es ist die tiefe Überzeugung der Bundesregierung, dass es in beiderseitigem Interesse liegt, im deutschen wie im amerikanischen, auf diese Herausforderungen gemeinsame Antworten zu finden. Es gibt seit vielen Jahrzehnten eine tiefe Freundschaft zwischen beiden Ländern. Die hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Es gibt den umfassenden Bestand gemeinsamer Werte. Das ist die Basis unseres Verhältnisses. Es geht also immer darum, Lösungen zu erarbeiten, die für beide Seiten gut sind, und das werden wir auch in Kontakt mit der derzeitigen amerikanischen Administration weiterhin versuchen.

Zusatzfrage: Würden Sie sagen, dass Vertrauen die Basis für die Zusammenarbeit in multilateralen Organisationen ist?

StS Seibert: Ja, das ist natürlich wichtig.

Zusatzfrage: Würden Sie sagen, dass das Vertrauen in den US-Präsidenten noch vorhanden ist?

StS Seibert: Ich habe mich jetzt dazu geäußert. Wir haben beobachtet, dass er sich in einem Punkt der Pressekonferenz korrigiert hat, und das möchte ich hier nicht weiter kommentieren.

Frage: Ich hätte eine Frage zum Thema ThyssenKrupp an den Regierungssprecher und das Wirtschaftsministerium. Hinsichtlich der Auflösungserscheinungen hätte ich gerne gewusst, ob dies ein Thema im Kabinett war und wie das Wirtschaftsministerium die Lage bei ThyssenKrupp beurteilt.

StS Seibert: Nein, im Kabinett war das kein Thema.

Alemany: Sie wissen ja, dass wir unternehmerische Vorgänge vonseiten der Bundesregierung hier nicht kommentieren. Aber wichtig ist uns schon, dass die wesentlichen Akteure weiter konstruktiv im Gespräch miteinander bleiben. Ziel muss eine zukunftsfähige Lösung sein.

Ganz grundsätzlich kann ich zu ThyssenKrupp sagen, dass das ein industriepolitisch sehr wichtiges Unternehmen für Deutschland ist. Wir hoffen deshalb, dass ThyssenKrupp im Dialog mit den Beteiligten eine tragfähige industriepolitische Zukunftskonzeption entwickeln wird.

Über eine hypothetische Zerschlagung und das, was da medial gerade in Rede steht, werde ich hier nicht spekulieren. Die Bundesregierung setzt aber darauf, dass ThyssenKrupp als integrierter Industriekonzern erhalten bleibt. Insofern sind alle Beteiligten dazu aufgefordert, jetzt konstruktiv im Sinne dieser Lösung zusammenzuarbeiten.

Zusatzfrage: Gibt es Kontakte des Ministeriums zum Unternehmen, zum Betriebsrat, zur Konzernleitung oder zu wem auch immer?

Alemany: Unser Haus steht, wie Sie wissen, immer in regem Kontakt mit unseren Unternehmen in Deutschland, und das gilt auch für dieses Unternehmen.

Frage: Letzte Woche hat die Bundeswehr verletzte ukrainische Soldaten in Bundeswehrkrankenhäuser nach Berlin und Hamburg ausgeflogen. Auf einem Video der Deutschen Welle ist zu sehen, wie einer der verletzten Soldaten seine Kameraden mit einer Geste begrüßt, die in Deutschland allgemein als Hitlergruß bekannt ist. Beim ukrainischen Fernsehkanal TCH gab es ebenfalls eine Videoreportage, in der man sieht, dass einer der ausgeflogenen Soldaten ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Nordic Division" trug, eine bei Rechtsradikalen bekannte Referenz auf die SS-Division "Wiking". Mich würde interessieren: Sind der Bundesregierung bzw. dem Bundesverteidigungsministerium diese Aufnahmen bekannt? Plant man, diese Vorfälle gegenüber den ukrainischen Kollegen zu thematisieren?

Fähnrich: Wie Sie wissen, habe ich Ihrem Kollegen ja bereits am 9. Juli die Grundlagen dessen, warum wir humanitäre Hilfe leisten, in der Regierungspressekonferenz erläutert.

Zuruf: Das war noch vor dem Flug.

Fähnrich: In diesem Zusammenhang habe ich erklärt, wie viele Verwundete wir aus der Ukraine eingeflogen haben. Richtig ist, dass am 10. Juli weitere Menschen sowohl in Berlin als auch in Hamburg hinzugekommen sind.

Zu den Vorkommnissen, die Sie hier ansprechen, hat sich auch bereits der Sprecher der Deutschen Welle letzte Woche Freitag geäußert, und zwar öffentlich, und den Sachverhalt eingeordnet. Ich hätte ganz gerne, dass Sie sich das anschauen und sich entsprechend diese (akustisch unverständlich).

Zusatzfrage: Aber ich habe ja jetzt konkret Sie gefragt. Problematisiert die Bundeswehr ganz grundsätzlich aber schon das Zeigen von Hitlergrüßen oder eine Referenz auf die Waffen-SS bei Soldaten, die sich derzeit auf deutschem Boden befinden?

Fähnrich: Ich kann mich noch einmal wiederholen. Das Video der Deutschen Welle ist uns bekannt, und der Sprecher hat sich in der Einordnung dieses Videos dazu geäußert.

Zusatzfrage: Können Sie zu dem Bild des ukrainischen Senders TCH von dem Soldaten, der die Referenz zur Waffen-SS trug, noch einmal Stellung nehmen?

Fähnrich: Das ist mir nicht bekannt.

Schneider: Ich kann, wie versprochen, noch einmal etwas nachliefern, und zwar kann ich sagen, dass nach der BA-Statistik im Juni 2017 rund 1,1 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte seit sechs Jahren oder länger ohne längere Unterbrechungen Arbeitslosengeld bezogen haben, die eben so, wie es auch vorgesehen ist, kein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit hatten. Ich möchte dann aber auch noch einmal hinzufügen, wie ich gerade eben schon gesagt habe, dass das sozusagen nicht mit denjenigen zu verwechseln ist, die dann tatsächlich in den Genuss des Programms kommen. Jetzt sehe ich die Kollegin gerade nicht mehr, aber sie ist, glaube ich, noch da. Das hängt dann einfach vom Einzelfall ab.

Frage: Eine kurze Frage an das Landwirtschaftsministerium: Gestern hat die Deutsche Umwelthilfe Klage gegen die Bundesregierung, vertreten durch das Landwirtschaftsministerium, wegen der dauerhaften Überschreitung der Nitrat-Grenzwerte eingereicht. Das Umweltministerium hatte sich gestern dazu geäußert, das eigentlich zuständige Landwirtschaftsministerium aber nicht. Deswegen würde ich hier gerne noch einmal kurz fragen, wie Sie diese Klage einschätzen und ob sich daraus aus Ihrer Sicht irgendein Handlungsbedarf für das Ministerium ergibt.

Bürgelt: Aus unserer Sicht wird jetzt, wie gesagt, die Klage, die eingegangen ist, eingehend geprüft. Allerdings ist allgemein zu dem Urteil, das ja auch schon vom EuGH ergangen ist, zu sagen, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft tatsächlich der Meinung ist, dass die Einträge von Nitrat mit der Düngeverordnung bzw. dem Düngegesetz, das 2017 in Kraft getreten ist, deutlich reduziert werden. Das andere bleibt zu überprüfen.

Zusatzfrage: Der Grund für die Klage ist ja gerade, dass diese Annahmen angezweifelt werden, auch von Ihren eigenen wissenschaftlichen Beiräten in Ihrem Ministerium. Herr Taube sagt, das werde überhaupt nichts an dem Problem mit der prognostischen Rechnung ändern. Worauf beruht Ihre Annahme, dass sich das Problem dadurch lösen wird? Haben Sie andere Gutachten vorliegen?

Bürgelt: Genau, da gab es zum Beispiel auch, bevor das Düngegesetz erlassen wurde, eine sogenannte Strategische Umweltprüfung. Ergebnis dieser Strategischen Umweltprüfung ist, dass eben positive und neutrale Wirkungen des Düngegesetzes zu erwarten sind. Im Übrigen sind die Ergebnisse dieser Strategischen Umweltprüfung, auf die die Öffentlichkeit und auch zuständige Behörden eben zugreifen konnten bzw. in die sie sich dabei einbringen konnten, öffentlich zugänglich gewesen. Abschließend bleibt dazu, wie gesagt, zu sagen, dass die ergeben hat, dass überwiegend positive und neutrale Auswirkungen dieses Düngegesetzes zu erwarten sind.

Zusatzfrage: Aber nicht die Einhaltung der Grenzwerte?

Bürgelt: Natürlich auch! Die Einhaltung der Grenzwerte ist ein klares Ziel des Düngegesetzes.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium mit Blick auf die anstehende Reise von Herrn Scholz zum G20-Gipfel. Können Sie mir vielleicht einmal kurz sagen, was Herr Scholz von diesem Treffen erwartet und wie sehr aus Ihrer Sicht der Handelskonflikt mit den USA diesen G20-Gipfel überlagert?

Schwamberger: Wie Sie wissen, hat der Minister seine Überzeugung in den letzten Wochen und Monaten mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die globale Wirtschaftsordnung auf dem Fundament gemeinsamer Regeln und eines fairen Wettbewerbs fußen muss. Daher sind solche Treffen wie das jetzige G20-Finanzministertreffen in Buenos Aires unverzichtbar. Sie sind eine wichtige Möglichkeit dafür, dass man gemeinsam über die Probleme und Herausforderungen spricht, die nur im Rahmen internationaler Kooperationen zu lösen sind.

Deutschland hatte ja die vorige G20-Präsidentschaft, hat weiterhin eine sehr aktive Rolle auch in diesem Format und wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die G20-Themen kontinuierlich weiter besprochen werden, die auch in den letzten Jahren und Präsidentschaften eine große Rolle gespielt haben.

In Buenos Aires konkret geht es ganz zentral darum, wie man die Widerstandskraft der Weltwirtschaft gegen zukünftige Krisen verstärken kann, aber auch um die Frage, welche Rahmenbedingungen man mit Blick auf den digitalen Wandel für Zukunft der Arbeit schaffen muss. Deutschland wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, die im Rahmen seiner Präsidentschaft ins Leben gerufene Initiative "Compact with Africa" weiter zu stärken. Das sind Schwerpunktthemen, die in Buenos Aires eine wichtige Rolle spielen.

Zu Ihrer Frage, ob das Thema des Handels dort auch bedeutsam sein wird: Dieses Thema steht nicht offiziell auf der Tagesordnung. Aber auch hier gilt, dass es gut ist, dass es Orte und Formate gibt, in denen man sich offen und vertraulich auch über die Themen austauschen kann, bei denen man vielleicht nicht einer gemeinsamen Meinung ist.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert zum Thema der Migration. Wie schätzt die Bundesregierung die heutige Forderung des italienischen Außenministers Moavero Milanesi an die Hohe Vertreterin Federica Mogherini über die Aufgabe Italiens im Rahmen der Operation Sophia ein?

Der italienische Außenminister hat gefordert, dass Italien nicht mehr der einzige Ankunftsort der Flüchtlinge sein sollte. Was meint die Bundesregierung dazu?

StS Seibert: Zunächst muss man über die EU-Operation Sophia sagen, dass ihr erstes Ziel der Kampf gegen kriminelle Schleusernetzwerke ist ein wichtiges europäisches Ziel. Diese Schleusernetzwerke nutzen die nackte Not von Menschen aus, beuten sie aus und bringen diese Menschen in Lebensgefahr, um damit Geld zu verdienen. Die an der Operation Sophia beteiligten Schiffe retten in Seenotfällen regelmäßig auch Menschen. Das ist die Pflicht eines jeden Seemanns. Wenn diese Menschen dann an einen sicheren Drittstaat abgegeben werden, erfolgt das natürlich mit Zustimmung dieses Drittstaats.

Dafür ist die Europäische Union zuständig, die in Rom ein operatives Hauptquartier betreibt, eine Rettungsleitstelle. Ich weiß nicht, ob das Bundesverteidigungsministerium dazu mehr weiß, aber uns jedenfalls ist bisher keine Veränderung der Gegebenheiten bekannt. Dort müsste jedenfalls im europäischen Rahmen darüber gesprochen werde, wie eine europäische Mission funktioniert und ob sie in ihren Abläufen zu verändern ist.

Fähnrich: Ich kann ergänzen, dass genau diese Übereinkunft immer noch Bestand hat und möchte auch noch einmal erwähnen, dass die Operation Sophia mit ihren Schiffen, mit ihren Booten in den letzten Jahren insgesamt über 49 Menschen das Leben gerettet hat, allein die Deutsche Marine, die Bundeswehr, über 22.

Es klang auch hier schon einige Male an und wurde erwähnt, dass der Hauptauftrag die Bekämpfung der Schleuser und Schleuserbanden ist und dass auch dabei Erfolge errungen wurden, wie zum Beispiel die Festnahme bzw. Überstellung der möglichen Schmuggler an die italienische Justiz und auch die Vernichtung von Booten auf diesem Weg.

Aber der Status quo ist, dass sich Deutschland weiterhin mit einem Schiff daran beteiligt. Alles andere wird jetzt in der Europäischen Union besprochen und entschieden.

Frage: Ich habe eine Frage an das Landwirtschaftsministerium. Der Bauernverband hat heute seinen Erntebericht vorgelegt und beklagt darin massive Ernteausfälle. Teilweise lägen sie im zweistelligen Prozentbereich. Dieser Bericht ist mit dem Ruf nach finanziellen Hilfen verbunden.

Ich wüsste erstens gern, ob Sie solche finanziellen Hilfen kurzfristig prüfen.

Meine zweite Frage ist, ob Sie davon ausgehen, dass es solche Ernteausfälle aufgrund des Klimawandels, langfristig gesehen, öfter geben wird, und ob Sie darauf reagieren müssen.

Bürgelt: Ich meine, in der letzten Woche habe ich auf eine ähnlich lautende Frage hier schon einmal Stellung genommen. Dabei bleibt es ganz grundsätzlich auch. Wir werden den Erntebericht im August abwarten müssen, um die ganze Lage tatsächlich bewerten zu können.

Ich kann Ihnen aber sagen, dass es Ende dieses Monats ein Treffen zwischen Bund und Ländern geben wird, um erste Ausmaße festzustellen, um sozusagen die ersten Lageberichte aus den Ländern einzuholen. Nach dem Erntebericht im August wird dann, wie gesagt, über Weiteres entschieden werden.

Haufe: Ich kann das noch ergänzen. Sie haben danach gefragt, ob wir mit solche Trockenphasen weiter rechnen müssen. Wir haben ja seit zehn Jahren die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Dafür rechnen wir solche Projektionen und Szenarien durch. Der letzte Stand ist, dass wir durchaus weiter mit solchen Trockenperioden rechnen müssen. Die Landwirtschaft wird im aktuellen Bericht von 2016 adressiert. Sie muss sich auf solche längere Trockenperioden einstellen.

Deswegen fördern wir seitens der Bundesregierung verschiedene Maßnahmen, mit denen sich die Landwirtschaft besser auf solche Trockenperioden vorbereiten kann. Das heißt, wir unterstützen zum Beispiel Vorhaben, in denen Sorten gezüchtet werden, die mit Trockenheit länger umgehen können. Wir forschen aber auch hinsichtlich besserer Kühlsysteme zum Beispiel für die längere Lagerung während solcher Trockenperioden. Wir finanzieren auch Vorhaben, die andere Anbaumethoden ermöglichen, um mit solchen Trockenperioden besser umzugehen. Das betrifft bestimmte Regionen in Deutschland. Diese sind in den Projekten ganz gezielt adressiert worden. Wir bereiten uns also darauf vor und müssen mit längeren Trockenperioden rechnen.

Die Bundesumweltministerin hat auch in Richtung der Landwirtschaft, gerade als jetzt die Diskussion aufkam, wieder Ausgleichszahlungen zu fordern, darauf hingewiesen, dass die Landwirtschaft wirklich auch selbst gefordert ist, sich auf solche Wetterperioden einzustellen.

Frage: Ich habe eine Verständnisfrage an den Regierungssprecher. Im Protokoll über die Regierungspressekonferenz am letzten Freitag habe ich mit Erstaunen die Aussage gelesen: "Wir sind vor allem ... kein Regime." Es ging um Aussagen von Ex-Außenminister Sigmar Gabriel.

Der Regimebegriff umfasst ja drei Reintypen: Totalitarismus, Autoritarismus und Demokratie. Wenn der Regierungssprecher die demokratische Regierungsform so explizit ausschließt, stellt sich mir die Frage: Welche Form der Regierungsführung sieht die Bundesregierung denn für die Bundesrepublik Deutschland?

StS Seibert: Meine Definition von Regime hat Demokratie nicht umfasst. Vielleicht liegt sie damit anders als es der Duden definiert. Aber ich denke, schon durch regelmäßige Teilnahme an dieser Veranstaltung wissen Sie, dass wir die Demokratie hier leben.

Zusatzfrage: Heißt das also, dass ich bei Auskünften von Ihnen davon ausgehen muss, dass Sie eher umgangssprachlich mit Fachbegriffen umgehen als so, wie sie rechtsstaatlich in den internationalen Beziehungen definiert sind? Das ist ja keine Kleinigkeit; ich will Sie auch nicht vorführen,

StS Seibert: Das wird Ihnen auch nicht gelingen.

Zusatz: aber der Regimebegriff ist relativ streng definiert.

StS Seibert: Genau. Es wird Ihnen auch nicht gelingen. Aber ich überlasse alle Schlüsse wie üblich Ihnen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert. Es geht um die Bayerische Grenzpolizei. Herr Söder hat im April gesagt: "Solange das Schengen-Abkommen nicht funktioniert, machen wir es halt selbst."

Jetzt, da die Polizei ihre Arbeit aufgenommen hat: Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass das Schengen-Abkommen nicht funktioniert, weshalb man die Bayerische Grenzpolizei braucht?

StS Seibert: Erstens agiert die Bayerische Grenzpolizei das kann das Innenministerium vielleicht noch besser erklären ja in engster Abstimmung und Übereinkunft mit der Bundespolizei. Zweitens wissen wir, dass Schengen durch das Migrationsgeschehen in Europa eine Errungenschaft ist, die wir verteidigen müssen, weswegen wir an den Außengrenzen nicht an den nationalen, sondern an den Außengrenzen und bei der Bekämpfung von Fluchtursachen in den Herkunftsländern klug vorgehen müssen. All das müssen wir tun, damit wir uns die Freizügigkeit der Bewegung, die sich mit dem Begriff "Schengen" verbindet und die eine der wichtigsten europäischen Errungenschaften ist, erhalten können.

Petermann: Ich möchte noch ergänzen: Die Bayerische Grenzpolizei wird im Auftrag und auf Weisung der Bundespolizei tätig.

Frage: Frau Petermann, wenn sie im Auftrag tätig wird, können Sie uns vielleicht sagen, ob es weitere Anträge von Bundesländern gibt, die ebenfalls eigene Grenzschutzpolizeien, die dann im Auftrag der Bundespolizei tätig werden, beantragt haben. In Sachsen zum Beispiel gab es ja etwas Gegrummel, warum es jetzt eine Sonderregelung für Bayern gibt. Man könnte sich das auch für Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen vorstellen.

Petermann: Weitere Anträge sind mir nicht bekannt.

Frage: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium. Ich habe Herrn Spahn nicht ganz verstanden, der in einem Interview erklärt hat, er könne sich vorstellen, Leistungen von Betreuungsdiensten in die Pflegeversicherung zu integrieren. War das eine vage Idee von ihm, oder hat er die konkrete Absicht, dass das sozusagen in den Leistungskatalog aufgenommen wird?

Berve-Schucht: Danke schön für die Frage. Sie meinen die Berichterstattung heute dazu, nicht wahr? Die Formulierung, er könne sich das vorstellen, finde ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht. Er hat eine konkrete Absicht formuliert. Das wird in Kürze gesetzlich umgesetzt werden.

Zusatzfrage: Können Sie einen Zeitrahmen dafür nennen?

Berve-Schucht: Nein. Es tut mir leid, aber so weit sind wir noch nicht.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium zu den 300 Millionen, die von Deutschland in den Iran transferiert werden sollen. Dazu gibt es eine Prüfung. Sie hatten angekündigt, dass diese Prüfung läuft. Gibt es einen Zwischenstand oder schon ein Ergebnis?

Darüber hinaus, ein bisschen erweitert: Im "Handelsblatt" gibt es heute einen Bericht, der nahelegt, dass die Bundesregierung die Bundesbank einspannen will, um für deutsche Firmen den Zahlungsverkehr mit dem Iran aufrechtzuerhalten. Könnten Sie sich dazu äußern? Ist das irgendwo in der Pipeline? Ist das irgendwo in der Mache?

Schwamberger: Zu Ihrem ersten Frageteil: Sie haben es völlig richtig gesagt, die Prüfung läuft. Zum laufenden Prüfverfahren kann ich mich hier nicht äußern.

Mit Blick auf den zweiten Frageteil: Ich habe den Bericht im "Handelsblatt" anders gelesen. Es ist nicht die Bundesregierung, die da irgendwelche Forderungen stellt. Aber bei diesem Themenkomplex geht es auch um außenwirtschafts- und sanktionsrechtliche Fragen. Dazu würde ich eventuell an meine Kollegen abgeben. Aber vonseiten des Bundesfinanzministeriums habe ich dazu nichts zu sagen und gibt es auch keinerlei neuen Stand oder Aktivitäten.

Burger: Sie wissen ja, dass wir seit dem Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran mit dem Iran und mit den europäischen Partnern, auch mit Russland und China, den anderen Partnern in diesem Abkommen, im Gespräch darüber sind, wie dieses Abkommen weiter aufrechterhalten werden kann. Denn wir wollen, dass sich der Iran weiter an die darin enthaltenen nuklearen Beschränkungen hält.

Ein Teil davon ist eben auch die Frage, wie wirtschaftliche Vorteile aus diesem Abkommen für den Iran weiterhin gewährleistet bleiben. Dazu gehören auch Themen, die unter anderem vor zwei Wochen in Wien beim Treffen der Joint Commission besprochen wurden, an dem Außenminister Maas teilgenommen hat. Dabei geht es unter anderem um die Gewährleistung von Finanzkanälen, um die Frage der iranischen Erdöl- und Gasexporte, den Erhalt der Transport- und Verkehrsbeziehungen mit dem Iran sowie um den Schutz von Unternehmen, die im Irangeschäft aktiv bleiben wollen.

Das sind Bereiche, zu denen Gespräche laufen und zu denen auch unterschiedliche Maßnahmen geprüft werden. Aber ich kann im Detail im Moment keine weiteren Maßnahmen verkünden.

Mittwoch, 18. Juli 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 18. Juli 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/07/2018-07-18-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2018

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