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PRESSEKONFERENZ/1867: Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2019

Themen: Wohnungslosenstatistik, Forderung Griechenlands nach Verhandlungen über Reparationen, Zahlungen und Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz, City-Maut, Nutzung von Daten von Smart-Home-Geräten als Beweismittel vor Gericht, Ausstieg aus der Kohleförderung in Deutschland, Neubesetzung des Amtes des EU-Kommissionspräsidenten, Medienberichte über Missstände des Bundeswehr-Dienstleisters BwFuhrpark, Reform der Düngemittelverordnung, Luft- und Seeblockade der Vereinigten Arabischen Emirate, von Saudi-Arabien, Bahrain und Ägypten gegen Katar

Sprecher: SRS'in Fietz, Schneider (BMAS), Schmidt (BMI), Breul (AA), Schneider (BMAS), Strater (BMVI), Kall (BMJV), Fichtner (BMU), Baron (BMWi), Flosdorff (BMVg), Bürgelt (BMEL)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Fietz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Meine Frage geht sowohl an die Bundesregierung als auch an das Ministerium für Arbeit und Soziales und an das Innenministerium: Warum gibt es keine nationale Wohnungslosenstatistik und auch kein nationales Konzept gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit? Andere Länder in Europa machen das besser.

Schneider: Ich kann gerne starten. Festzuhalten ist, glaube ich, zunächst einmal, dass Wohnungslosigkeit eine besonders schwere Form von Armut und sozialer Ausgrenzung ist, die jedenfalls nach unserem Verständnis mit einem menschenwürdigen Dasein nicht vereinbar ist. Das, was Sie sagen, ist korrekt: Es gibt derzeit keine bundesweite Statistik. Die wird aber vorbereitet, da die Einschätzungen über die Größenordnung des Problems tatsächlich weit auseinanderliegen. Es gab bisher ja Schätzungen, es gab auch Statistiken diverser Bundesländer - Sie haben es angesprochen. Die sind miteinander aber nicht vergleichbar, und das gehen wir jetzt an. Das heißt, die Bundesregierung strebt tatsächlich diese bundesweite Erhebung von Daten zum Ausmaß und zur Struktur von Wohnungslosigkeit an, um eine fundierte Basis zu haben, auf der dann sozialpolitische Maßnahmen ergriffen werden können.

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, Sie streben das an: Gibt es dazu einen Zeithorizont? Noch in diesem Jahr, oder erst im kommenden Jahr?

Schneider: In der Tat ist es so, dass wir an einem Gesetzentwurf zur Einführung einer solchen Statistik arbeiten, und der Gesetzentwurf soll demnächst vorgelegt werden.

Schmidt: Ich möchte zunächst einmal noch darauf hinweisen, dass aus unserer Sicht die Ursachen für Wohnungslosigkeit sicherlich sehr vielschichtig sind. Das heißt, Wohnungslosigkeit geht häufig einher sowohl mit familiären Schwierigkeiten, mit Suchtproblemen oder mit Erkrankungen, und beruht damit aus unserer Sicht nicht nur auf einem Mangel an Wohnungen. Die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit ist daher eine sozialpolitische Aufgabe von allgemeinem Rang und macht konkrete Hilfestellung für die Betroffenen in ihrer schwierigen Lebenslage erforderlich. Gleichwohl sind natürlich auch Engpässe auf den Wohnungsmärkten und hieraus folgende Mietsteigerungen insbesondere in Großstädten und prosperierenden Regionen ein Faktor, der die Wohnungssuche erschwert.

Ich möchte darauf hinweisen, dass der Bund im Rahmen der gemeinsamen Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen erhebliche finanzielle Mittel bereitstellt, die dem Kampf gegen Wohnungslosigkeit zugutekommen. So wurden die sogenannten Kompensationsmittel des Bundes im Bereich der sozialen Wohnraumförderung mehrfach aufgestockt und auf über je 1,5 Milliarden Euro für die Jahre 2018 und 2019 gesteigert. Für die Jahre 2020 und 2021 sind Finanzhilfen von ca. 2 Milliarden Euro vorgesehen, die von den Ländern aufgestockt werden können. Damit steht ein beachtlicher Investitionsetat zur Verfügung. Die Länder entscheiden selbst, wie diese Mittel konkret für den sozialen Wohnungsbau verwendet werden - etwa auch, ob ein Teil der Sozialwohnungen mit der Maßgabe gefördert wird, dass sie gezielt Wohnungslosen zur Verfügung gestellt werden. Die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus insgesamt verbessert generell die Rahmenbedingungen für die Schaffung und Erhaltung bezahlbarer Wohnungen. Davon profitieren auch Wohnungslose.

Zusatzfrage: Eine Zusatzfrage noch - und die geht dann doch an Frau Fietz, glaube ich -: Braucht es ein nationales Konzept?

SRS'in Fietz: Es ist der Bundesregierung durchaus bewusst, dass der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum sehr groß ist - was vor allen Dingen für die Städte und Ballungsräume gilt - und dass Mieten und Immobilienpreise gerade die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen zunehmend belasten. Sie wissen aber auch, dass die Bundesregierung ein breites Maßnahmenpaket aufgelegt hat, um diesem Problem zu begegnen. Deshalb gibt es ja die Offensiven, die jetzt beispielsweise beim Wohngipfel angestoßen worden sind und die die Ressorts jetzt mit Nachdruck verfolgen.

Schneider: Ich würde gerne noch ganz kurz ergänzen, und zwar insofern, als ich gerne noch darauf hinweisen würde, dass die Kommunen verpflichtet sind, unfreiwillige Wohnungslosigkeit zumindest vorübergehend zu lindern und entsprechend eben auch Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Es gibt da also durchaus auch eine Pflicht.

Was die Gründe anbelangt, kann ich vielleicht noch ergänzen, dass das BMAS seit 2017 ein Forschungsvorhaben fördert, und zwar der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung. Da geht es eben auch um die Frage der Entstehung und der Ursachen und auch um die Frage, wie sich Wohnungslosigkeit beheben lässt. Dazu werden wir diesen Sommer einen Abschlussbericht erwarten.

Frage: Eine Frage an das Außenministerium: Griechenland hat Deutschland gestern eine diplomatische Verbalnote geschickt und fordert offizielle Verhandlungen über Kriegsreparationen. Wissen Sie das, und was sagen Sie dazu?

Breul: Ich kann Ihnen bestätigen, dass wir gestern eine Verbalnote erhalten haben; die hat der griechische Botschafter im Auswärtigen Amt übergeben. Den Inhalt prüfen wir derzeit, ebenso die Resolution des griechischen Parlaments zu diesem Thema, die Ihnen bekannt ist. Eine Verbalnote ist grundsätzlich eine Art der vertraulichen Kommunikation, daher werde ich mich zum genauen Inhalt hier nicht weiter äußern können.

Frage: Herr Breul, zum genauen Inhalt vielleicht nicht, aber zu der Position der deutschen Regierung zu diesem Thema vielleicht doch, oder?

Breul: Ja, ich glaube, das hat Herr Seibert hier schon getan - ich meine, es war irgendwann Ende April -, und an dieser grundsätzlichen Position hat sich nichts geändert.

Zusatzfrage: Zu dieser Position der deutschen Regierung gehört die Äußerung, dass dieses Thema schon abgeschlossen worden sei, und dazu gehört auch das Thema der Zwangsanleihe, die Deutschland in Griechenland während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg genommen hat. Diese Zwangsanleihe damals war ein bilateraler Vertrag zwischen der Reichsbank und der griechischen Bank, und die Frage ist: Warum gehört das auch zu diesem Topf von Kriegsreparationen, wobei zwei Raten allerdings schon zurückgezahlt worden sind?

Breul: Ich kann dazu nur sagen, dass auch die Frage der Anleihe keine neue ist und unserer Meinung nach - ich kann es gerne wiederholen - über 70 Jahre nach dem Kriegsende und mehr als 25 Jahre nach dem Zwei-plus-Vier-Vertrag die Reparationsfrage rechtlich und politisch abgeschlossen ist.

Frage: Das war der erste offizielle Schrieb von Griechenland. Ist eine offizielle Antwort von Deutschland nicht angebracht?

Breul: Wie gesagt, das ist eine Verbalnote, die gestern eingegangen ist. Die werden wir prüfen. Manche Verbalnoten bedürfen einer Antwort, andere bedürfen es nicht. Da wage ich heute keine Prognose.

Frage: Nun wollen Sie nicht zum Inhalt der griechischen Verbalnote eingehen, aber das griechische Außenministerium hatte eine Erklärung abgegeben und gibt den Inhalt der Verbalnote wieder, nämlich die Forderung, dass Griechenland mit Deutschland in Gespräche eintritt, was die Forderung nach Wiedergutmachung, nach Reparationszahlungen, und die Zwangsanleihe während der Besatzungszeit betrifft.

Das vierte Thema - vielleicht können Sie mir da eine Antwort geben, Frau Fietz - ist das Thema von Raubkunst, also geraubten griechischen Kulturgütern. Was ist denn die grundsätzliche deutsche Haltung dazu?

SRS'in Fietz: Lassen Sie mich bitte noch einmal ganz grundsätzlich sagen - was Herr Seibert hier an dieser Stelle auch schon gesagt hat -, dass sich Deutschland seiner historischen Verantwortung auf jeden Fall bewusst ist und dass wir um die große Schuld und um das große Leid wissen, dass Deutschland und Deutsche zuzeiten des Nationalsozialismus über Griechenland gebracht haben. Die Lehre, die wir daraus ziehen, ist, alles daranzusetzen, dass Deutschland und Griechenland als Freunde und Partner gute Beziehungen haben und dass sie sich gegenseitig zum Wohl beider Länder unterstützen. Das ist erst einmal das Grundsätzliche. Was das Juristische anbelangt, ist die deutsche Position hier auch klargestellt worden.

Was das Kunstthema anbelangt, gilt natürlich auch grundsätzlich, dass man im guten Einvernehmen miteinander handeln möchte. Details kann ich Ihnen dazu an dieser Stelle allerdings nicht nennen.

Frage: Vor ein paar Monaten ist eine Initiative namens "Respekt für Griechenland" ins Leben gerufen worden. Das sind allein deutsche namhafte Politiker, Historiker und Künstler, die einen Dialog mit Griechenland fordern und eine Lösung vorschlagen. Dazu gehört auch die Entschädigung der griechischen Juden sowie auch Infrastrukturprojekte in Orten, an denen Gräueltaten passiert sind, und auch die sogenannte Zwangsanleihe. Wie steht die Bundesregierung dazu? Hat sie davon Notiz genommen? Kennt sie diese Initiative? Das ist eine rein deutsche Initiative.

Breul: Zu dieser konkreten Initiative bin ich jetzt hier an dieser Stelle nicht sprechfähig; da mache ich mich gerne noch einmal schlau, wie das unsere Experten im Haus sehen.

Ich möchte aber noch einmal betonen: Natürlich setzen wir auf den Dialog mit Griechenland, natürlich stehen wir zu unserer politischen und moralischen Verantwortung für die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg; das ist keine Frage. Uns ist nur wichtig, den Aspekt zu betonen, dass die Frage der Reparationen politisch und rechtlich abgeschlossen ist. Das schließt natürlich nicht aus, dass wir auch weiter daran arbeiten, etwa eine gemeinsame Erinnerungskultur zu entwickeln und sichtbare Zeichen der Versöhnung zu setzen. Wir haben zum Beispiel einen Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds eingerichtet, mit dem wir Projekte vorantreiben wollen, die auf eine gemeinsame gute Zukunft der beiden Länder abzielen.

Es ist also nicht so, dass wir hier einfach das wiederholen, was wir immer gesagt haben, und damit ist Schluss. Nein, wir stehen zum Dialog, wir stehen zur Zusammenarbeit, und dabei soll es auch bleiben.

Frage: Herr Breul, in einem Bericht der Onlineausgabe einer auflagenstarken deutschen Zeitung habe ich das gestern gelesen. Da beruft man sich auf das Auswärtige Amt, und es heißt, dass mit der Verbalnote gestern auch der Bericht des griechischen Parlaments - ich weiß nicht, 300 Seiten oder so - übergeben worden sei - es war aber recht missverständlich, ob das tatsächlich geschehen ist - und dass Sie eben Zeit bräuchten, um sich über diesen Bericht kundig zu machen. Kann es denn sein, dass dieser Bericht, der 2016 fertiggestellt wurde und schon im letzten Jahr in Griechenland online zu lesen war, von der diplomatischen Vertretung in Athen dem Amt nicht übermittelt wurde?

Breul: Doch. Ich glaube, Sie beziehen sich da auf eine Passage, in der wir darauf hingewiesen haben, dass uns die griechische Übersetzung des Parlamentsbeschlusses nicht vorliegt. Das heißt nicht, dass wir nicht verstehen würden, was da drinsteht, sondern dass es, da es da auch um rechtsförmliche Fragen geht, eigentlich nicht an uns ist, diese Übersetzung zu tätigen. Es ist vielmehr eine Sache des griechischen Parlaments oder aber der griechischen Regierung, uns sozusagen eine rechtsgültige, rechtsförmliche Übersetzung mitzuliefern. Das war sozusagen nur ein technischer Hinweis, und das soll nicht bedeuten, dass wir die Vorgänge in Griechenland nicht aufmerksam verfolgen würden und entsprechend auch Texte wahrnehmen, die verabschiedet werden.

Frage: Meine Frage geht an Frau Schneider. Es geht um die deutsche Rente an ehemalige SS-Mitglieder in Frankreich. Hat die Bundesregierung schon darauf reagiert, dass Frankreich Aufklärung gefordert hat? Für wie wichtig hält die Bundesregierung dieses Thema noch?

Schneider: Wir hatten dieses Thema ja schon mehrmals hier in der Bundespressekonferenz besprochen. Es geht dabei ja vermutlich um Zahlungen und Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Diese Leistungen werden bei gesundheitlichen Schäden - unter anderem durch militärischen oder militärähnlichen Dienst -, unmittelbarer Kriegseinwirkung oder ähnlichen Sachverhalten gegenüber Kriegsopfern erbracht. Dabei ist das BVG anzuwenden.

Sie wissen vielleicht auch, dass das Bundesversorgungsgesetz seit 1998 in 1a einen Ausschluss von Leistungen vorsieht, wenn der Berechtigte während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Für die Antragsprüfung sind die Länder zuständig, somit auch für die mögliche Versagung. Das ist im Falle Frankreichs das Bundesland Saarland.

Frage: Ich habe eine Frage zum latent aktuellen Thema City-Maut an das Verkehrsministerium: Wie denkt denn Ihr Haus, wie denkt Minister Scheuer über die Einführung einer City-Maut, die die Grünen ja immer wieder fordern?

Frau Fietz, die Umweltministerkonferenz der Länder hat ja schon 2016 die Bundesregierung aufgefordert, die Rechtsgrundlage für eine emissionsabhängige City Maut zu schaffen. Wie weit sind die Planungen innerhalb der Bundesregierung denn gediehen?

Eine Lernfrage, wenn es erlaubt ist: Ist es eigentlich ausschließlich Sache des Bundes, eine solche Rechtsgrundlage zu schaffen, oder sind dafür eher die Länder gesetzgeberisch zuständig?

Strater: Ich würde einmal beginnen. Vielen Dank für die Frage. - Ich würde das gerne grundsätzlich beantworten: Mobilität entscheidet bei uns in Deutschland über den Wohlstand. Das ist eine wirtschaftliche und eine soziale Frage: Wer kann sich Mobilität leisten? Wer kann an Mobilität teilhaben?

Wir haben auch schon mehrfach gesagt, dass zu unserem Mobilitätskonzept nicht gehört, zu verbieten, zu verteufeln und zu verteuern, sondern zu erlauben, zu erleichtern und zu ermöglichen. Das ist unser Ansatz, der ganz grundsätzlich gilt.

Ein weiterer Ansatz, der grundsätzlich gilt, ist: Wir wollen weniger Verkehr auf unseren Straßen, aber mehr Mobilität ermöglichen. Wie erreichen wir das? Wir brauchen gute, alternative Mobilitätsangebote. Diese fördern wir. Wenn wir an die urbane Mobilität in den Städten denken, unterstützen wir einen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr. Wir unterstützen den Radverkehr. Wir bringen E-Roller auf die Straße, und wir ermöglichen neue Mobilitätsdienste wie das Carsharing, das Carpooling, also Fahrgemeinschaften, On-Demand-Dienste, Ridesharing-Dienste. Das sind unsere Ansätze, sodass Sie also gute alternative Möglichkeiten haben, auch einmal Ihr Auto stehen zu lassen. Diese Mobilitätsangebote unterstützen wir. Eine City-Maut, die nur die Mobilität verteuert, gehört nicht dazu.

SRS'in Fietz: Dem kann ich grundsätzlich nichts hinzufügen.

Wenn Herr Strater nicht die Frage beantworten kann, ob Bund und Länder dabei gemeinsam ans Werk gehen müssen, dann müsste ich Ihnen das nachreichen.

Strater: Ich kann das ergänzen: Ich kann und werde den Kommunen hier keine rechtliche Handhabe nennen können. Für uns gilt das, was ich grundsätzlich zu dieser Frage gesagt habe. Eine juristische Einschätzung kann ich hier Moment nicht abgeben.

Zusatzfrage: Zu 2016 und der Umweltministerkonferenz der Länder: Gibt es irgendwelche Planungen innerhalb der Bundesregierung zum Thema City-Maut? Rechtsgrundlagen?

SRS'in Fietz: Ich glaube, Sie haben gerade den Äußerungen von Herrn Strater entnehmen können, dass wir ein breites Konzept entwickeln und vorlegen, mit dem Mobilität in den Städten möglich und umweltschonend organisiert werden soll, und dass dieses Thema der City-Maut darin im Moment nicht vorgesehen ist, weil wir erst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen wollen, damit sich Mobilität für die Verkehrsteilnehmer nicht verteuert.

Frage: Ich möchte gerne wissen, wie das Bundesinnenministerium zu der Forderung der Innenminister der Länder steht, dass künftig auch die Daten von Smart-Home-Geräten - zum Beispiel von Alexa oder Kühlschränken - als Beweismittel vor Gericht genutzt werden sollen, und in welchen Fällen Sie das für sinnvoll erachten.

Schmidt: Sie greifen ein bisschen dem vor, was auf der kommenden Innenministerkonferenz ein Thema sein wird. Es ist richtig, dass dieses Thema dort aufgerufen werden wird. Aus unserer Sicht ist es so, dass vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung aller Lebensbereiche auch die Rolle von sogenannten digitalen Spuren immer bedeutsamer und wichtiger wird. Hierbei geht es eben um Spuren, die von vernetzten Geräten wie zum Beispiel dem smarten Kühlschrank, aber auch von Geräten, die durch Spracheingabe gesteuert werden - zum Beispiel smarten Lautsprechern -, generiert werden. Aus unserer Sicht ist es für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung sehr wichtig, dass den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern auch auf diesen Geräten gespeicherte Daten nicht verschlossen bleiben. Hinsichtlich der konkreten rechtlichen Fragestellung dauert eine Prüfung dessen, welche Maßnahmen dabei genau erforderlich und wie das angegangen werden soll, noch an. Ein Teil wird eben sicherlich die Befassung auf der Innenministerkonferenz in Kiel in der kommenden Woche sein.

Zusatzfrage: Welche Bedenken dagegen gibt es denn?

Schmidt: Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Bedenken, aus unserer Sicht in erster Linie zunächst einmal, dass die Rechtsgrundlagen eben im Moment nicht dazu ausreichen, diese digitalen Spuren so verwertbar zu machen, wie die Ermittlungsbehörden sie benötigen, um eben bei Verbrechen oder Vergehen aufklären zu können. Auf der anderen Seite sind natürlich auch Datenschutzbedenken zu berücksichtigen, die dem gegenüber abgewogen werden müssen. Das wird man in Zukunft tun. Das ist jetzt der erste Einstieg in die Diskussion und die Frage, wie wir in den Innenressorts weiter mit dem Thema umgehen.

Kall: Vielleicht kann ich für das Justiz- und Verbraucherschutzministerium ganz kurz etwas ergänzen. Ich möchte mich darauf gar nicht einlassen. Wir können der Innenministerkonferenz natürlich auch nicht vorgreifen. Wir werden das dann prüfen, wenn es Vorschläge der Innenministerkonferenz geben sollte, vor allen Dingen, wenn sie die Strafprozessordnung betreffen sollten.

Ich möchte aber etwas aus Verbraucherschutzsicht sagen, und das haben wir auch immer wieder gesagt: Wenn man sich Alexa oder andere Sprachassistenten in sein Wohnzimmer, in sein Schlafzimmer oder wohin auch immer in seine Wohnung stellt, besteht natürlich die Gefahr, dass die mithören, dass Daten generiert werden, dass vermeintliche Trainingsdaten an Amazon und andere Unternehmen übermittelt werden, die sagen: Damit müssen wir unsere Sprachalgorithmen, unsere Spracherkennung verbessern. - Diese Daten sind da, und natürlich können die Daten in ganz vielerlei Hinsicht verwendet werden und theoretisch auch von Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt werden. Das muss sich jeder fragen, der solche Sprachassistenten in seinem privatesten Umfeld verwendet und dabei vielleicht auch nicht auf die Default-Einstellungen achtet, darauf, wann die jeweils mithören usw. Das sind also auch Fragen für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Frage: Es gab gestern eine interessante Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung - die Frage geht an das Wirtschafts- und das Umweltministerium - zu den Auswirkungen des Kohleausstiegs. Die haben vorgerechnet, dass die Emissionen unter ganz schlimmen Bedingungen wegen des komplizierten Wirkmechanismus eines EU-Emissionshandels sogar noch ansteigen können. Sie empfehlen also, das mit einem CO2-Preis zu flankieren. Mich würde einmal interessieren, wie Sie diese Studie bewerten und welche Schlüsse Sie daraus ziehen.

Fichtner: Ich kann gerne anfangen, weil wir ja für den Emissionshandel zuständig sind. Vorgeschlagen wurden gestern vom Potsdam-Institut zwei Dinge, entweder ein CO2-Mindestpreis oder die Löschung von Zertifikaten.

Die Debatte darüber führt aus unserer Sicht leider etwas in die Irre; denn natürlich verfolgt die Bundesregierung einen Kohleausstieg, der auch dem Klima hilft. Es hat dazu die Entscheidung der Kohlekommission aus dem Frühjahr gegeben, und die hat vorgeschlagen, dass der Kohleausstieg in Verbindung mit der Löschung der entsprechenden Zertifikate vonstattengehen soll. Das ist wichtig, damit die eingesparten Emissionen aus dem Kohleausstieg dann eben nicht an anderer Stelle in Europa zusätzlich ausgestoßen werden.

Wir haben uns als Bundesregierung dazu bekannt, das Ergebnis der Kommission in allen wesentlichen Punkten umzusetzen. Das ist ein wesentlicher Punkt. Darum werden wir als BMU darauf achten, dass bei jedem Abschalten eines Kraftwerks auch die entsprechende Menge an CO2-Zertifikaten im Emissionshandel gelöscht wird, damit dieser Effekt, den sie beschrieben haben, eben nicht eintritt.

Baron: Ich würde das gerne auch noch ergänzen. Wir haben die Studie zur Kenntnis genommen. Die Umsetzungsarbeiten der Kohlekommission laufen ja jetzt. Sie wissen: Wir haben den ersten Teil - die Eckpunkte für den Strukturwandel - vor wenigen Tagen im Kabinett verabschiedet. Der zweite Teil wird in der zweiten Jahreshälfte folgen. Das war auch immer der Fahrplan.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir ja im Rahmen eines sehr langen Prozesses - des Kohleausstiegs bis 2038 - in die Zukunft blicken. Dazu ist im Abschlussbericht der Kommission "Wachstum Strukturwandel und Beschäftigung", den wir ja umsetzen, vorgesehen, dass die energiepolitischen Maßnahmen überprüft werden. Der Bericht der Kommission spricht davon, dass Maßnahmen in den Jahren 2023, 2026 und 2029 überprüft werden sollen, eben gerade auf ihre klimapolitischen Auswirkungen hin, darauf, ob sie denn ihre gesetzten Ziele einhalten, und auch, was dann die Treibhausgaseffekte angeht. Das sind also, sage ich einmal, die Langfristplanung, die da ja vorgegeben ist, und die Prüfmechanismen.

Dann möchte ich darauf hinweisen, dass zunächst einmal das, was geltendes Recht ist, ja der geltende Emissionshandel ist, der reformiert wurde. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2019 gilt ja das Instrument der Marktstabilitätsreserve, was ein Instrument gerade dafür ist, dass mit Überschüssen im System umgegangen werden kann. Das ist das Instrument, das ad hoc in dieser Handelsperiode gilt und greift.

Alles Weitere muss dann eben auch in diesen Prüfdaten vorgesehen werden. Für uns gilt also heute erst einmal dieses System der Marktstabilitätsreserve, das wir immer sehr unterstützt haben und das Wirkungen ja gerade mit diesem Zweck der Abschöpfung von Überschüssen erzielen soll. Alles Weitere ist dann im Prozess zu klären.

Fichtner: Die Reform des Emissionshandels ist ein gutes Stichwort. Es geistert immer noch hin und wieder die Behauptung herum, dass man tatsächlich gar nicht löschen könne. Das stimmt seit der letzten Reform des Emissionshandels nicht mehr. Wir haben uns erfolgreich in Brüssel dafür eingesetzt, dass solche Löschungen möglich sind.

SRS'in Fietz: Lassen Sie mich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass sich die Kanzlerin ja gestern beim Rat für Nachhaltigkeit geäußert und dort ja auch noch einmal betont hat, dass sie beispielsweise ihre Amtskollegen in Frankreich und den Niederlanden darauf angesprochen hat und dass man gemeinsame Beratungen in Aussicht nimmt. Sie hat betont, dass es natürlich besser wäre, wenn nicht jedes europäische Land einen einzelnen Ansatz hätte, sondern wenn sich Vorreiter versammelten. Dann hat sie auch noch betont, dass es uns noch viel Zeit kosten würde, darauf zu warten, dass jetzt ganz Europa diesen anderen Bereich auch in den Zertifikatehandel einbezieht. Man muss diese Mechanismen also anpassen und das möglichst im Verein mit anderen europäischen Staaten tun, und daran arbeitet die Bundesregierung.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Gibt es Reiseankündigungen für diese Woche?

Breul: Nein.

Frage: Ich habe eine Frage an Frau Fietz, und zwar geht es um die Neubesetzung der EU-Spitzenposten, vor allen Dingen um die des Kommissionspräsidenten. Die Bundeskanzlerin hatte beim letzten EU-Gipfel die Hoffnung geäußert, dass das bis Ende Juni geklärt sein sollte. Ist die Bundeskanzlerin nach wie vor dieser Hoffnung? Es gibt ja schon diverse Stimmen, die sagen, dass dieser Zeitplan nicht mehr einzuhalten ist.

SRS'in Fietz: Das, was die Kanzlerin dazu gesagt hat, steht für sich. Sie ist dafür, dass die Entscheidung möglichst bald getroffen werden kann, also im Rahmen der vorgegebenen Zeit. Von anderen Entwicklungen oder einem Abrücken von dieser Position kann ich Ihnen hier nichts berichten.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Flosdorff. Ich würde gerne wissen, was das Carsharing-Projekt der Bundeswehr angeht, in dessen Rahmen seit 2005 Mitarbeitern kostenlos Autos zur Verfügung gestellt wurden. Wie bewerten Sie das?

Flosdorff: Das ist zunächst einmal ein sehr beunruhigender Sachverhalt, auf den die aktuelle Geschäftsführung gestoßen ist.

Noch einmal zur Einordnung: In der Bundeswehr arbeiten 250 000 Menschen. Es gibt einige Unternehmen, eine Handvoll, an denen die Bundeswehr Beteiligungen hält. Eine davon ist die BwCarsharing mit rund 1400 Mitarbeitern. Es gibt aktuell neun Mitarbeiter, die offensichtlich, weil es dieses Nutzungskonstrukt gegeben hat, sowohl in nicht korrektem Maße geldwerte Vorteile bei der Lohnsteuer abgeführt haben als auch wahrscheinlich Sozialversicherungsbeiträge nachentrichten müssen.

Da es dieses Modell, wie Sie korrekt gesagt haben, offensichtlich schon seit 2005 gibt, ist es sehr schwierig, sozusagen nach hinten zu rekonstruieren, wie viele davon profitiert haben. Ungefähr 42 Mitarbeiter sind über die Jahre dort in leitender Funktion gewesen und haben Fahrzeuge des Unternehmens genutzt, ohne dafür in der richtigen Höhe Kilometerpauschalen abgeführt zu haben beziehungsweise nicht steuerlichen sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sind, die das Unternehmen für sie hätte bezahlen müssen.

Das wird jetzt weiter aufgearbeitet. Es hat eine Anzeige des Unternehmens bei den zuständigen Steuerbehörden gegeben. Es gibt auch eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft vonseiten des Ministeriums, die das weiter ausermittelt.

Weil das in den Medien ein bisschen durcheinander ging, wollte ich sagen: Zur Schadenshöhe kann man heute seriös noch nichts sagen. Wenn man alles summiert - Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern, die nachzuzahlen sind, oder Ausgleichszahlungen, die vorher aufgrund alter Verträge gezahlt worden sind -, dann kommt man schon in den Hunderttausenderbereich. Aber die 900 000 Euro, die in den Medienberichten genannt werden, kann ich als Schaden nicht bestätigen.

Frage: Eine Frage an das Landwirtschafts- und Umweltministerium: Deutschland steht wegen überhöhter Nitratwerte im Grundwasser unter Druck. Morgen gibt es ein Treffen mit den Ländern zur Reform der Düngemittelverordnung. Mich würde interessieren: Wie ist der Stand der Beratungen innerhalb der Bundesregierung?

Fichtner: Ich würde dem federführenden BMEL den Vortritt lassen.

Bürgelt: Wie Sie wissen, werden Gespräche geführt und noch in dieser Woche fortgesetzt. Es gibt ein Gespräch mit Ländern, den relevanten Verbänden und Parlamentariern. Bei diesem Treffen soll auch ein Positionspapier überarbeitet werden, das zugrunde liegt, das maßgebliche Vorschläge zur Überarbeitung der Düngeverordnung enthält. Diese Unterlage wird dann an die Kommission weitergeleitet werden, sodass wir auf einem sehr guten Weg sind.

Fichtner: Dem kann ich mich anschließen. Das Ergebnis muss hinterher so gut sein, dass es die Kommission überzeugt, und zwar so überzeugt, dass sie von Strafzahlungen absieht.

Frage: Herr Breul, eine Frage zur Blockade von Katar. Heute ist der zweite Jahrestag der Blockade durch Saudi-Arabien und drei weiteren Golfstaaten. Wie steht die Bundesregierung zu dieser Blockade und zu der Weigerung Riads, die Blockade aufzuheben?

Breul: Ich glaube, wir haben uns über diesen Themenkomplex hier schon häufiger unterhalten und unsere Position vorgetragen. Daran hat sich nichts geändert.

Zusatzfrage: Deutschland hat gute Beziehungen zu beiden Staaten. Gibt irgendwelche Initiativen oder irgendwelche Pläne, in diesem Konflikt zu vermitteln oder lässt man diese Konferenz weiter als eine Art "frozen conflict" dahin simmern?

Breul: Unsere Position - jetzt sage ich es doch noch einmal - ist klar: Wir wünschen uns einen Dialog zwischen den beteiligten Parteien in der Region; wir wünschen, dass gemeinsam Probleme aus der Welt geschaffen werden. Ich sehe jetzt keine unmittelbare Vermittlungsrolle für uns, die wir sozusagen aktiv von außen antragen würden.

Nichtsdestotrotz: Wenn sich beteiligte Staaten unsere guten Dienste wünschen und wir einen sinnvollen Beitrag dazu leisten können, dann werden wir das mit Sicherheit prüfen.

Mittwoch, 5. Juni 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-5-juni-2019-1634966
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2019

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