Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

BAYERN/3114: Mit Direktwahl des Ministerpräsidenten kein Mehr an Demokratie (SPD)


Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 02.11.2012

Verfassungsrechtsexperte Schindler: Mit Direktwahl des Ministerpräsidenten kein Mehr an Demokratie

Aus grundsätzlichen Erwägungen keine Unterstützung für ÖDP-Vorstoß - Länder und Bund haben sich bewusst gegen Direktwahl des Regierungschefs entschieden



Die SPD-Landtagsfraktion will den Vorstoß der ÖDP zur Direktwahl des bayerischen Ministerpräsidenten durch das Volk aus grundsätzlichen Erwägungen nicht unterstützen. "Ich kann keinerlei demokratischen Mehrwert darin erkennen, den Ministerpräsidenten künftig direkt vom Volk wählen zu lassen statt, wie seit 1946 in der Bayerischen Verfassung vorgeschrieben, durch das Parlament", stellt der rechtspolitische Sprecher der Landtags-SPD und Vorsitzende des Rechts- und Verfassungsausschusses im Landtag, Franz Schindler, fest.

Bereits nach der geltenden Verfassungslage habe der bayerische Ministerpräsident eine außerordentlich starke Stellung im Gefüge der Staatsgewalten. "Es ist überhaupt kein Argument erkennbar, warum seine Stellung noch weiter gestärkt werden sollte." Es habe auch nichts mit einer Stärkung der direkten Demokratie zu tun, wenn das Volk direkt den Ministerpräsidenten wählen könne, dann aber keinen Einfluss mehr auf seine Amtsausübung habe.

"Aus guten Gründen hat schon 1946 die Verfassunggebende Landesversammlung die Idee eines direkt vom Volk gewählten bayerischen 'Staatspräsidenten' abgelehnt", erinnert der SPD-Verfassungsexperte. "Ebenso haben sich alle Bundesländer und der Bund gegen eine Direktwahl ihrer Regierungschefs bzw. des Bundeskanzlers entschieden und damit ganz bewusst ein anderes parlamentarisches System gewählt als etwa Frankreich oder die USA." Es sei nicht vorstellbar, wie die Direktwahl eines Ministerpräsidenten die klassische Gewaltenteilung zwischen Parlament und Staatsregierung stärken könne. Vorstellbar sei lediglich, dass die Bedeutung des Parlaments insgesamt geschwächt werde, wenn der Ministerpräsident nicht mehr auf die Zustimmung einer Mehrheit des Landtags angewiesen ist.

Schindler: "Ich bin für jeden Vorschlag aufgeschlossen, der zum Abbau von Politikverdrossenheit helfen kann. Doch die Direktwahl des Ministerpräsidenten würde hierzu keinen Beitrag leisten. Verdrossenheit kann nicht durch staatsorganisationsrechtliche Änderungen, sondern nur durch eine seriöse und verlässliche Politik bekämpft werden. Die Forderung nach Direktwahl eines über den Dingen stehenden starken Ministerpräsidenten, der nicht mehr so von Parteien bzw. Fraktionen abhängig wäre, riecht mir zu sehr nach der urdeutschen Sehnsucht nach einem starken Führer jenseits des sog. Parteiengezänks und passt nicht zu der nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst getroffenen Entscheidung für die volle parlamentarische Verantwortlichkeit der Staatsregierung und des Ministerpräsidenten."

In Bayern und allen Bundesländern ist es aus Sicht Schindlers viel wichtiger, den über Jahrzehnte entstandenen Exekutivföderalismus einzugrenzen und die Rechte des Parlaments zu stärken anstatt durch noch mehr Machtfülle des Ministerpräsidenten zu schwächen. Das Argument für die Direktwahl des Ministerpräsidenten, dass auch Bürgermeister und Landräte direkt vom Volk gewählt werden, verkenne, dass Bürgermeister und Landräte einem Verwaltungsorgan vorstehen, das nicht mit einem Parlament vergleichbar ist.

*

Quelle:
Pressestelle der BayernSPD-Landtagsfraktion
Bayerischer Landtag
Maximilianeum, 81627 München
Telefon: 089/4126 2347, Fax: 089/41 26-11 68
E-Mail: pressestelle@bayernspd-landtag.de
Internet: www.spd-landtag.de, www.bayern.landtag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2012