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BAYERN/3598: Verfassungsschutz neu aufstellen und auf Einsatz von V-Leuten grundsätzlich verzichten (SPD)


Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 17.07.2013

Schindler: Verfassungsschutz neu aufstellen und auf einen Einsatz von V-Leuten grundsätzlich verzichten



Der Vorsitzende des Landtags-Untersuchungsausschusses zu den NSU-Morden, der SPD-Verfassungs- und Rechtsexperte Franz Schindler fordert als Konsequenz aus der einjährigen parlamentarischen Untersuchungsarbeit eine neue Aufstellung des Verfassungsschutzes in Bayern und den grundsätzlichen Verzicht des Einsatzes von V-Leuten. Die Alternative dafür sei aber nicht, dass der Verfassungsschutz nicht mehr hinschaue, sondern dass anstelle von V-Leuten aus dem jeweiligen Milieu Beamte als verdeckte Ermittler eingesetzt werden, sagte Schindler am Mittwoch im Plenum des Landtags bei der Aussprache des NSU-Untersuchungsausschuss-Schlussberichts.

Der Verfassungsschutz müsse seine Aufgaben als Inlandsgeheimdienst auf die Beobachtung des gewaltbereiten und rassistisch motivierten Extremismus konzentrieren und beschränken, forderte Schindler. Er müsse so umgebaut werden, dass er die freiheitlich-demokratische Verfassung und von rassistischer Gefahr bedrohte Menschen besser schützen könne. Zur Erfüllung dieser Aufgaben müsse sich das Landesamt künftig auch des in der Zivilgesellschaft wie in der Wissenschaft vorhandenen Sachverstandes bedienen anstatt diesen zu beobachten und zu stigmatisieren.

Die Häufung von Fehlern bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie sei augenscheinlich, so Schindler. Es habe sich gezeigt, dass nicht nur einzelne Beamte etwas falsch gemacht haben, sondern dass die Strukturen nicht stimmen. "Die Verantwortung hierfür trägt die politische Spitze der Sicherheitsbehörden - und das ist der Innenminister, wer denn sonst", stellte der SPD-Verfassungsexperte fest. Als Konsequenz vieler Fehler und des Versagens auch bayerischer Sicherheitsbehörden würden nun aber nicht Rücktritte der politisch Verantwortlichen gefordert, zumal der damals verantwortliche Innenminister ebenso wie die damaligen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz und der Landespolizei nicht mehr im Amt sind und der jetzige Innenminister noch nicht im Amt war, als die Weichen falsch gestellt wurden. Schindler merkte jedoch an: "Es haben andere schon wegen viel geringerer Vorwürfe die Verantwortung übernommen und sind zurückgetreten."

"Es geht also nicht darum, Köpfe rollen zu lassen, sondern darum, die strukturellen Ursachen der Fehler zu beheben." Erste Konsequenzen seien bereits gezogen worden, etwa indem wieder eine eigene Abteilung für Verfassungsschutz im bayerischen Innenministerium eingerichtet wurde. Auch die Empfehlungen der Bund-Länder-Kommission zur Präzisierung von Vorschriften über die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden untereinander und zur Auswahl und Führung von V-Leuten seien überwiegend bedenkenswert. "Die bisherigen Vorschläge gehen aber nicht weit genug oder gar in die völlig falsche Richtung, wie insbesondere die Vorschläge des Bundesinnenministers und des Bundesamtes für Verfassungsschutz", betonte der Untersuchungsausschusschef.

"Es geht nicht darum, jetzt die Deiche höher zu bauen und den Inlandsgeheimdienst zur Belohnung für sein Versagen zu stärken - angesagt ist vielmehr eine Stärkung der Kontrolle über den Inlandsgeheimdienst." Bei der Polizei gehe es in erster Linie darum, die Sensibilität bei Ermittlungen zu Straftaten gegen Menschen mit Migrationshintergrund zu erhöhen und die Kenntnisse über den Rechtsextremismus und seine Erscheinungsformen deutlich zu erhöhen.

Der Kampf gegen den Rechtsextremismus werde aber nur erfolgreich sein können, wenn er auch in der Zivilgesellschaft geführt werde. "Es geht also um die Stärkung des Engagements in den Schulen und Vereinen und den vielen Initiativen, die oft noch argwöhnisch von der Polizei und dem Verfassungsschutz beobachtet werden", betonte Schindler, der weiter darauf hinwies, "dass wir in Deutschland und in Bayern historisch bedingt eine besondere Verantwortung haben, gegen Rechtsextremismus in all seinen Erscheinungsformen vorzugehen und dass es keine Option sein darf, rechtsextremistische Forderungen dadurch leerlaufen lassen zu wollen, dass sie im demokratischen Spektrum selbst übernommen und salonfähig gemacht werden". Auch hoffe er, "dass als eine der Lehren aus den NSU-Morden alles getan wird, dass nie wieder der Eindruck entstehen kann, dass bei Ermittlungen wegen Morden an Menschen mit Migrationshintergrund andere Maßstäbe angelegt werden, als bei Ermittlungen wegen Morden an Deutschen".

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2013