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NORDRHEIN-WESTFALEN/1886: Schutz der Geschöpfe (Li)


Landtag intern 12/2011
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Schutz der Geschöpfe
Anhörung Verbandsklagerecht: Unterschiedliche Ansätze im Tierschutz

Von Christoph Weißkirchen


30. November 2011 - Braucht der Tierschutz ein Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte der Tierschutzvereine? Ein entsprechender Gesetzentwurf der Landesregierung wurde bei einer gemeinsamen Anhörung von Umweltausschuss, Wissenschaftsausschuss und Rechtsausschuss auf Herz und Nieren geprüft. Die Meinungen der geladenen Fachleute gingen dabei weit auseinander.


Eine Verbesserung der Rechtssicherheit, kürzere Verfahren und leichter durchsetzbare Prüfungen waren für Dr. Christiane Baumgartl-Simons (Bundesverband der Tierversuchsgegner) die Vorteile des geplanten Verbandsklagerechts. Dies betreffe die Haltung von Nutztieren ebenso wie die von Tieren im Zoo, aber auch genehmigungspflichtige Tierversuche. "Wir sorgen schon jetzt für die Einhaltung gemeinsamer Standards", antwortete daraufhin Dr. Wolfgang Gettmann (Verband Deutscher Zoodirektoren, Deutscher Wildgehege-Verband). Durch das angestrebte Gesetz könnten notwendige Umoder Neubaumaßnahmen verzögert werden.

Um Vergehen gegen den Tierschutz zu vermeiden, ist es laut Dr. Roland Otto (Bundesverband der beamteten Tierärzte) notwendig, ein Netzwerk an Kontrollen aufzubauen. Die Tierärztinnen und Tierärzte sowie die Beamtinnen und Beamten vor Ort bräuchten die Rückendeckung, die eine Verbandsklage bieten könne, unterstützte Dr. Karl Fikuart die Gesetzesvorlage.

Gerade die Forschung habe Interesse an einem guten Tierschutz, da dies gute Ergebnisse sichere, betonte Professor Stefan Treue (Wissenschaftsgemeinschaft Leibniz, Allianz der Wissenschaftsorganisationen). Er befürchtete, dass zukünftig die Planungssicherheit auch bei genehmigten Vorhaben nicht mehr gegeben sei. Außerdem müssten angesichts angestrebter europäischer Harmonisierungen in allen EUMitgliedsstaaten eigentlich die gleichen Rahmenbedingungen gelten.

Auswirkungen

Das vorliegende Gesetz beinhalte eine ungleiche Behandlung von industrieller und landwirtschaftlicher Tierhaltung, so Werner Gehring (Rheinischer bzw. Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband). Den mittelständischen Betrieben drohten Verzögerungen mit Kosten von einigen zehntausend Euro, unterstrich auch Reinhard Lemke (Landwirtschaftskammer). Daher wandten sich beide gegen die neuen Regelungen; mindestens müsse der "Instrumentenkasten" verkleinert werden, forderte Gehring. Die Gefahr, dass durch entstehende Verzögerungen deutsche Unternehmen bei der Forschung gegenüber ausländischen Konkurrenten zurückfallen könnten, sah Dr. Klaus-Dieter Bremm (Bayer Pharma AG). In die gleiche Richtung argumentierte Professor René Tolba (RWTH Aachen) mit Blick auf die Gesundheitsforschung. Die Erhebung einer Klage führe faktisch zum Ende von Forschungsvorhaben, denn es werde dann weder Fördermittel noch Mitarbeiter geben, stellte Professor Wolfgang Löwer dar.

Die "Horrorszenarien" seien überzogen, antwortete Evelyn Ofensberger (Deutscher Tierschutzbund). Der Gesetzesvorschlag setze das verfassungsmäßig verankerte Staatsziel "Tierschutz" um. Und nur dann, wenn der Tierschutz nicht angemessen berücksichtigt werde, drohe eine Klage. Die geplanten neuen Regelungen bedeuteten Akteneinsichtsrechte, Beschleunigungsmöglichkeiten und einen höheren Druck zugunsten des Tierschutzes. Dies sei eine Möglichkeit, den Wunsch des Verbrauchers auf artgerecht produzierte Lebensmittel umzusetzen. Da es sich um mögliche Feststellungsklagen handele, werde es keine zeitlichen Verzögerungen geben, ergänzte Baumgartl-Simons. Sie erwarte keine Klagewelle, meinte auch Professor Sabine Schlacke; angesichts möglicher Prozesskosten würden die Tierschutzverbände "maßvoll" mit diesem Instrument umgehen. Die mögliche "Kontrolle der Kontrolleure", also der Behörden, schafft ihrer Meinung nach mehr "Waffengleichheit". Und im Zweifel müsse das Gericht das letzte Wort haben, betonte Dr. Christoph Maisack. Dies könne nur über eine Verbandsklage erreicht werden.

Für die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW wies Dr. Kai Zentara (Landkreistag NRW) darauf hin, dass das Land im vorparlamentarischen Verfahren die Beteiligungsrechte der Kommunen nicht ausreichend beachtet habe. Außerdem stelle sich die Frage, warum nicht auch andere Verbände wie der Bund der Steuerzahler oder Verkehrsverbände in ihren Bereichen ein Verbandsklagerecht erhalten sollten.

Unterschiedliche Aussagen gab es zur Frage, ob das Land angesichts des Bundessachrechts in diesem Bereich überhaupt Gesetze erlassen dürfe. Während Professor Wolfgang Löwer und Dr. Jost Hüttenbrink dies verneinten, sah dies Professor Sabine Schlacke als durchaus möglich an.

"Jedes Wesen soll Schutz haben", hob Dr. Eisenhart von Loeper hervor. Das Verbandsklagerecht sei notwendig, um ein Recht mit Verfassungsrang in der "rauen Wirklichkeit" umzusetzen. Insofern diene das geplante Gesetz der Rechtssicherheit und dem guten Gewissen.


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Quelle:
Landtag intern 12 - 42. Jahrgang, 07.12.2011, S. 11
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2012