Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/1914: Der Verfassungsschutz unter der Lupe des Parlaments (Li)


Landtag intern 3/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

"Den Opfern geschuldet"
Der Verfassungsschutz unter der Lupe des Parlaments

Von Marie Schwinning



8.‍ ‍Februar 2012 - Hinweise auf rechtsextreme Aktivitäten dürften nicht verloren gehen, die Arbeit des Verfassungsschutzes sei neu zu justieren - das forderten die Fraktionen von SPD und Grünen in einer Aktuellen Stunde im Landtag. "Keine neuen Erkenntnisse" und "keine neuen Gedanken" kritisierten die Fraktionen von CDU und FDP. Die Linken forderten hingegen eine noch umfassendere Untersuchung der Arbeit der Sicherheitsbehörden.


Hans-Willi Körfges (SPD) betonte, es gehe in dem Antrag seiner Fraktion nicht darum, die Wehrhaftigkeit der Demokratie in Zweifel zu ziehen, und auch nicht darum, die Arbeit der Sicherheitsbehörden insgesamt in Frage zu stellen. Zweifel bestünden jedoch an ihrer generellen Aufstellung. Seiner Ansicht nach müsse zum Beispiel überprüft werden, warum es keinen Austausch zwischen den zuständigen Verfassungsschutzämtern gegeben habe und warum Teile der Zivilgesellschaft über mehr Informationen verfügt hätten als die Sicherheitsbehörden. Auch sei zu prüfen, wie über das parlamentarische Kontrollgremium Klarheiten für den Verfassungsschutz geschaffen werden könnten.

Auch Verena Schäffer (Grüne) sieht den Landtag in der Pflicht, sich weitergehend mit den notwendigen Konsequenzen für die Arbeit des Verfassungsschutzes sowie mit Präventionsstrategien auseinanderzusetzen. Nicht nur die Opfer und ihre Angehörigen hätten ein Recht darauf. Ein solcher Ansatz sei auch vor dem Hintergrund notwendig, dass das Vertrauen der Bevölkerung in den Verfassungsschutz immer mehr schwinde. "Wir müssen über die Aufgaben und Zuständigkeiten, aber auch die Richtlinien und die Kontrolle des Verfassungsschutzes diskutieren", forderte Schäffer. Gleichzeitig warnte sie vor blindem Aktionismus und forderte eine systematische Erörterung.

Er sehe in der Diskussion nicht einen einzigen neuen Gedanken, kritisierte hingegen Peter Biesenbach (CDU). Seiner Ansicht nach seien bereits alle genannten Aspekte im Innenausschuss besprochen und eine gemeinsame Linie festgestellt worden. Er sei gespannt, ob der Innenminister nun in der Lage sei, einen Entwurf zum Verfassungsschutz vorzulegen, der die aufgekommenen Fragen löse: "Sie haben bis jetzt bei uns den Eindruck erweckt, als ob Sie gute und starke Ermittlungsbehörden wollen, die auch arbeiten können. Sorgen Sie dafür, dass der Eindruck bleibt", so der Abgeordnete. Außer heißer Luft sei zum Thema bislang jedoch noch nichts zu hören gewesen.

In diesem Punkt schloss sich Dr. Robert Orth (FDP) seinem Vorredner an: Seiner Ansicht nach handle es sich bei der aktuellen Diskussion lediglich um eine Luftdebatte. Die Diskussion wecke in ihm den Verdacht, Rot-Grün wolle so lediglich interne Differenzen verdecken. Was müssen die Verfassungsschutzbehörden beachten? Was dürfen sie? Diese und andere Fragen seien bereits mehrfach diskutiert worden. Und dementsprechend sei es an der Zeit, dass Innenminister Jäger nun das Ziel der Reise bekannt gebe. Er appellierte an die Regierungsfraktionen, sich ein Beispiel an der Bundesregierung zu nehmen: "Das geht doch eigentlich in Ihre Richtung", so Orth.

Anna Conrads (Linke) warf den Fraktionen von SPD und Grünen vor, das Problem zu verharmlosen: "Man kann hier nicht mehr von Pannen sprechen. Der Verfassungsschutz hat die Gefahr von rechts nicht sehen wollen", so Conrads. Es reiche daher nicht aus, die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern neu zu justieren. Vielmehr müssten die Methoden und das Personal des Verfassungsschutzes umfassend und öffentlich untersucht werden. Denn "es ist ein unerträglicher Zustand, dass deutsche Behörden hinsichtlich dieser Gewaltakte gegen Migrantinnen ahnungslos, möglicherweise vorsätzlich untätig oder möglicherweise - wie in Hessen - gar selbst aktiv gewesen sind".

Eine Modernisierung des Verfassungsschutzes sei dringend notwendig, so Innenminister Ralf Jäger (SPD). "Es geht nicht mehr darum, nachrichtendienstlich auf dem letzten Stand der Technik zu sein, sondern darum, ausreichend innovativ und wach genug zu sein, um gesellschaftliche Veränderungen und gesellschaftliche Risiken wahrzunehmen", so Jäger. Er sehe aber keinen Anlass, die Sicherheitsbehörden und die Prinzipien einer wehrhaften Demokratie generell infrage zu stellen. "Wir sollten nicht wieder in eine Argumentation verfallen, in der wir Polizei und Nachrichtendienste gleichsetzen. Hier sollten wir aus der deutschen Geschichte gelernt haben."

*

Quelle:
Landtag intern 3 - 43. Jahrgang, 14.03.2012, S. 3
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Eckhard Uhlenberg, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -21 07, -23 09
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2012