Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/1938: Ministerpräsidentin stellt Weichen für ihre Regierungspolitik (Li)


Landtag intern 9/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Kraft: "NRW stark für die Zukunft"
Ministerpräsidentin stellt Weichen für ihre Regierungspolitik

Von Christoph Weißkirchen



12. September 2012 - Für die kommende Legislaturperiode hat sich die rot-grüne Landesregierung eine "vorbeugende", "nachhaltige" und "gerechte" Politik auf die Fahne geschrieben. Unter diese Leitbegriffe stellte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ihre Regierungserklärung im Plenum.


"Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien", betonte Kraft. Atomausstieg und Klimaziele müssten konsequent verfolgt werden. Das Klimaschutzgesetz des Landes sehe vor, die Emissionen von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 bis zum Jahr 2020 um mindestens 25 Prozent und bis 2050 um mindestens 80 Prozent zu verringern. Die Energiewende eröffne neue Produkte und neue Märkte. Das Zögern der Bundesregierung dagegen gefährde die Wettbewerbsfähigkeit, kritisierte Kraft. Notwendig sei ein Masterplan, der den einzelnen Akteuren Handlungsfähigkeit gebe.

Die Landesregierung kämpfe auch in der Industrie um jeden Arbeitsplatz. Weitere Schwerpunkte seien die Förderung der mittelständischen Wirtschaft sowie innovativer Gründer wie auch der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Regierungserklärung: die Bekämpfung der Armut. Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich gefährde "die Grundlagen unserer Gesellschaft, den Zusammenhalt in unserem Land und die Substanz unserer Grundwerte", warnte Kraft. Dieser Entwicklung soll ein bis 2020 angelegtes Handlungskonzept "Gegen Armut und soziale Ausgrenzung" entgegenwirken.

Wichtigster Bestandteil dabei sei die Bildung, betonte Kraft. Sie lobte den im vergangenen Jahr vereinbarten Schulkonsens als verlässliche Grundlage: 42 neue Sekundarschulen und 20 neue Gesamtschulen seien kürzlich gestartet, zwölf Gemeinschaftsschulen liefen bereits im zweiten Jahr. Nun stehe der neue Schulversuch "Primus" an, gemeinsames Lernen von Klasse eins bis zehn. Die rund 8.000 Lehrerstellen, die durch sinkende Schülerzahlen bis zum Jahr 2015 frei würden, setze man für noch mehr Bildungsqualität ein. Des Weiteren wolle die Landesregierung den Kommunen helfen, den Rechtsanspruch auf einen U3-Platz ab August 2013 umzusetzen. Am Ende stehe das Ziel, Bildung schrittweise beitragsfrei zu machen - sobald es finanzielle Spielräume gebe.

Um diese zu schaffen, "bleibt eine nachhaltige Haushaltssanierung auch in der neuen Legislaturperiode eine unserer wichtigsten Aufgaben", kündigte Kraft an. Bis zum Jahr 2020 wolle man die Neuverschuldung auf null bringen und die Schuldenbremse auch in der Verfassung verankern. Gleichzeitig wolle man weiter dafür sorgen, dass die Kommunen finanziell wieder auf eigenen Füßen stehen könnten, betonte Kraft.

Mit Zukunftsinvestitionen, gezieltem Sparen und angemessenen Einnahmen will Rot-Grün solide Landesfinanzen erreichen. Bis zum Jahr 2017 aufwachsend soll 1 Milliarde Euro jährlich eingespart werden. Steuergewinne werde Rot-Grün zum Schuldenabbau einsetzen und im Bundesrat die Initiative für eine Steuer auf große Vermögen und Erbschaften ergreifen. In diesem Zusammenhang wandte sich Kraft insbesondere gegen Steuerhinterziehung. Sie kündigte eine Bundesratsinitiative für ein Unternehmensstrafrecht an, das helfen solle, leichter gegen in Steuerhinterziehung verstrickte Banken vorzugehen.

Daneben sprach sich Kraft für eine Politik der Inklusion aus: Der gemeinsame Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Menschen solle Normalität werden. Die Landesregierung werde einen Gesetzentwurf dazu vorlegen. Grundsätzlich wolle die Landespolitik bei Jugendlichen auf einen Ansatz der Vorbeugung und frühen Intervention setzen, um ein Abgleiten in Gewalt zu verhindern.

Eine besondere Herausforderung sah Kraft im demographischen Wandel. Die Landesregierung habe daher den Kinder- und Jugendförderplan auf 100 Millionen Euro jährlich aufgestockt. Ab Klasse acht soll künftig eine Berufs- und Studienorientierung stattfinden. Zudem stelle Rot-Grün 50 Millionen Euro für eine Fachkräfte-Initiative bereit, wolle über ein Hochschulzukunftsgesetz Spitzenforschung fördern und gleichzeitig sämtliche forschungspolitische Aktivitäten im Programm "Fortschritt NRW" bündeln sowie den Übergang vom Handwerk zur Universität erleichtern. Angesichts der doppelten Abiturjahrgänge verlangte die Regierungschefin verstärkte finanzielle Verantwortung seitens des Bundes.

Detailliert ging Kraft auch auf die Bekämpfung von prekärer Beschäftigung und Niedriglöhnen ein. Das unbefristete Normalarbeitsverhältnis solle wieder die Regel werden. Altersarmut sei die Folge von Erwerbsarmut. Daher werde die Landesregierung ihre Initiativen auf Bundesebene fortsetzen. Durch präventive Maßnahmen und Quartiersentwicklung solle sich NRW besser auf eine alternde Gesellschaft einstellen.

Einführen will Kraft eine jährliche "Woche des Respekts". Damit wolle sie insbesondere auf den Anstieg der Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte sowie von brutalen Attacken in Bussen und Bahnen reagieren.

Zudem kündigte Kraft eine parteiübergreifende Kommission zur Reform der Landesverfassung an. Diese werde über ein niedrigeres Wahlalter und sinkende Hürden bei Volksbegehren beraten. Gleichzeitig wolle Rot-Grün über eine "Open-Government-Strategie" Bürgerinnen und Bürger im digitalen Zeitalter stärker an politischen Entscheidungen beteiligen.

*

Quelle:
Landtag intern 9 - 43. Jahrgang, 28.09.2012, S. 3
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -21 07, -23 09
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2012