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NORDRHEIN-WESTFALEN/1978: Abstand zwischen Haft und Verwahrung (Li)


Landtag intern 2/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Abstand zwischen Haft und Verwahrung
Fachleute loben NRW-Gesetzentwurf zur Sicherungsverwahrung
Ausschussbericht

Von Daniela Braun



20. Januar 2013 - Im Rechtsausschuss haben externe Sachverständige über die neuzugestaltende Sicherungsverwahrung von Straftätern in Nordrhein-Westfalen beraten. Die Landesregierung hatte nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt.


Nach dem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2011 müssen Bund und Länder den Vollzug der Sicherungsverwahrung in einem Gesamtkonzept gesetzlich neu regeln - spätestens bis zum 31. Mai dieses Jahres. Dabei muss sich die Verwahrung laut Bundesverfassungsgericht deutlich von der Strafhaft unterscheiden, da die Menschen ihre Strafe bereits verbüßt hätten (Abstandsgebot). Sie sind lediglich nicht vollständig entlassen, weil von ihnen noch eine Gefahr ausgehen könnte.

Das Urteil führe zu einem Paradigmenwechsel, unterstrich Claudia Gelber als Vertreterin des NRW-Justizvollzugsbeauftragten im Rechtsausschuss: "Heute ist das Ziel die soziale Inklusion, nicht die soziale Exklusion." In NRW sollen die Sicherungsverwahrten zentral in einem Neubau in Werl untergebracht werden. Michael Skirl, Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl betonte allerdings: "Der Bau wird sicher drei Jahre in Anspruch nehmen." Solange würden die Verwahrten noch Platz in möglichst dem Abstandsgebot entsprechend aufgewerteten Räumen der Vollzugsanstalt finden.

Umgang mit potenziell Verwahrten

Insgesamt lobten die Fachleute den rot-grünen Gesetzentwurf. Daneben gab es aber auch einige Verbesserungsvorschläge. So wünschte sich Gelber, dass nicht nur Tatopfer, sondern auch etwa Angehörige Auskünfte über die Unterbringung des Täters anfordern könnten: "Wir meinen, dass auch diese Menschen ganz klar auskunftsberechtigt sind." Dr. Tillmann Bartsch vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen kritisierte darüber hinaus, dass es in NRW bislang keine gesetzliche Regelung gebe, wie mit noch in der Haft befindlichen "potenziell Verwahrten" umzugehen sei. Grundsätzlich müsse hier das Ziel sein, die Häftlinge bis zum Haftende auszutherapieren und eine Sicherungsverwahrung zu vermeiden.

Therapiemüde Verwahrte

Zudem schlug unter anderem Bartsch vor, für therapiemüde Verwahrte eine "zeitlich begrenzte Ruhestufe" einzubauen. Dies könne motivierend wirken. Eine "gnadenlose Zwangstherapie" sei auch keine Lösung, bestätigte Skirl, der seit über 30 Jahren im Vollzug tätig ist. Darüber hinaus forderte Bartsch, den Anspruch auf E-Mail- und Internetzugang für die Insassen verbindlich im Gesetz zu formulieren. Dies entspreche den allgemeinen Lebensverhältnissen und damit den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Ansprüchen an die zukünftige Sicherungsverwahrung. Auch sprach er sich gegen die grundsätzliche körperliche Durchsuchung von Insassen nach einem Ausgang aus: "Man kann doch nicht generell sagen, man ordnet das für alle an."

Skirl monierte des Weiteren, dass NRW den Verwahrten bei durch Therapiezeiten bedingten Arbeitsausfällen lediglich 50 Prozent des Lohnausfalls ersetzen wolle: "Da wird an der falschen Stelle gespart." Dies könne die Motivation für eine Therapie schmälern. Striktere Angaben hingegen wünschte sich Skirl beim Langzeitausgang. Laut Gesetzentwurf darf dieser am Stück maximal zwei Wochen betragen. Um diese Vorschrift stärker gegen Missbrauch zu schützen, sei ein Jahreskontingent sinnvoll, so Skirl. Ebenso forderte er, neben Seelsorgern und Ärzten auch externe Psychotherapeuten im Gesetz zu erwähnen. Insgesamt, betonte der Anstaltsleiter, dürfe das neue Konzept für die Sicherungsverwahrung nicht zulasten der Strafgefangenen gehen.

Übergangsmanagement

Darüber hinaus sprach sich Dietmar Zumbusch vom Ambulanten Sozialen Dienst der Justiz NRW dafür aus, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen qua Gesetz frühzeitiger in die Entlassungsvorbereitung von Verwahrten einbezogen werden sollten: "Es muss ein fließender Übergang erfolgen." Die Art und Weise, wie die Entlassung vorbereitet werde, sei entscheidend dafür, dass sich ein Mensch wieder erfolgreich eingliedere, betonte der langjährige Bewährungshelfer. Er forderte, Hinweise auf nachfolgende Maßnahmen im Gesetz konkreter zu fassen. Ein entsprechendes Übergangsmanagement könnten der Ambulante Soziale Dienst und die Justizvollzugsanstalt Werl gemeinsam erarbeiten.

Die Entlassung von therapierten Verwahrten müsse immer das Ziel bleiben, betonte Skirl in diesem Zusammenhang. Dabei warnte er hinsichtlich der neuzugestaltenden komfortableren Sicherungsverwahrung davor, dass sich Verwahrte ihren eigenen Kosmos schaffen könnten, aus dem sie am Ende gar nicht mehr herauswollten: Je mehr man ihnen dort biete, desto stärker und professioneller müsse die Motivationsarbeit werden.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 44. Jahrgang, 27.2.2013, S. 12
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2013